Am 15. früh (Mai 1863 – pb) erhielt ich ein Telegramm aus Frankfurt, welches Lassalles Ankunft bei mir auf elf Uhr ankündigte. Er kam mit dem riesigen Selbstvertrauen, welches ihn auszeichnete und welches auch aus seinen Briefen hervorleuchtet, in der Hoffnung des Veni vidi vici und in der Überzeugung, dass es ihm ein Leichtes sein würde, mich für seine Sache zu gewinnen und damit auf der Frankfurter Versammlung durch Herüberziehung der gesammten Arbeiterverbindung des Maingaues eine starken Trumpf auszuspielen.

Lassalle

Diese Hoffnung mußte, nachdem ich mich auf der Rödelheimer Versammlung in der geschilderten Weise ausgesprochen hatte, selbstverständlich getäuscht werden, und sehr mißmutig darüber verließ mich nach langen Diskussionen der Agitator am Abend desselben Tages, ohne indessen die Hoffnung eines schließlichen Umschlages für den 17. Mai ganz aufgegeben zu haben. Obgleich vollkommener Weltmann, ließ er sich doch durch diesen Mißmut hinreißen, die Regeln der Höflichkeit gegen Damen außeracht zu setzen, indem er meiner Schwester Luise (Verfasserin von „Die Frauen und ihr Beruf“ usw.), welch sich einmal in die Diskussion gemischt hatte, zurief: „davon verstehen Frauenzimmer nichts – ” und die vollständig eingeschüchterte Rednerin damit für den übrigen Teil des Tages mundtot machte. … ”

 

Ludwig Büchner: Meien Begegnung mit Ferdinand Lasssalle. Ein Beitrag zur Geschichte der sozialdemokatischen Bewegung in Deutschland. Nebst fünf Briefen Lassalles. Von Prof. Dr. Ludwig Büchner in Darmstadt. Berlin. Hertz und Süßenguth. 1894. S. 28/29