Im festlichen Rahmen der Darmstädter Orangerie erhielt heute die Autorin, Publizistin und Frauenrechtlerin Florence Hervé den Luise Büchner-Preis für Publizistik. Ihre Laudatorin Elisabeth Klaus beschrieb Ihr Leben und Werk als eine Parabel auf MUT – von AnMUTung bis VerMUTung:
AnMUTungen
ZuMUTungen
ArMUT/ReichTUM („in Reichtum allerdings nur verkehrt herum…“)
UnMUT
ErMUTigung
MUTmacherin
WageMUT
ÜberMUT
WUT
VerMUTung
Herve beendete Ihre Dankesrede: „Frauenbildungsarbeit bleibt eine ständige Herausforderung … Luise Büchner wird mich bei allen meinen Aktivitäten weiterbegleiten … Die Anerkennung verstehe ich als Ermutigung, weiter für Frauenrecht, Freiheit und Frieden zu schreiben und zu streiten und die Jüngeren dabei mit einzubeziehen. In diesem Sinn wünsche ich uns allen ein Löwinnenherz.“
Florence Hervé. Elisabeth Klaus
Grußworte sprachen der Darmstädter Oberbürgermeisters Jochen Partsch, die Darmstädter Vorsitzenden des Lions Club Louise Büchner, Stefanie Lechner, und Johannes Breckner als Mitglied der Jury.
Im April mussten wir berichten, dass das schöne Denkmal für Luise Büchner zerstört wurde – wahrscheinlich aus Vandalismus verschwand der Bronzekopf.
Nach der Errichtung hatte die Luise Büchner-Gesellschaft das Eigentum am Denkmal an die Stadt Darmstadt übertragen – das ist für die Aufstellung von Kunst im öffentlichen Raum üblich und vernünftig.
Erfreulicherweise hat die Stadt nun die Wiederherstellung in Angriff genommen und die Künstlerin – Bärbel Diekmann aus Berlin – mit dem Neuguss des Bronzekopfes beauftragt. Pünktlich zum heutigen Todestag, dem 28. November, der Darmstädter Frauenrechtlerin konnte Steinmetzin Ruth Andres ihn montieren – dabei wurde Vorsorge getroffen, erneute Beschädigung zu erschweren.
Zu Luise Büchners 200. Geburtstag im Juni 2021 plant die Luise Büchner-Gesellschaft eine Festveranstaltung in unmittelbarer Nähe. Hoffentlich könne wir dann an einem milden Sommertag mit möglichst wenig Einschränkungen fröhlich miteinander feiern!
Das Darmstädter Luise Büchner-Denkmal am Döngesbornplatz ist zerstört worden, der Bronzekopf wurde entwendet. Ich war vor drei Jahren selbst bei der Errichtung Zeuge der sehr aufwändigen Verankerung – es war kein Kinderspiel, die Büste zu entwenden.
Ruth Andres bei der Montage der Büste
Mit der Enthüllung hat die Luise Büchner-Gesellschaft das Denkmal der Stadt Darmstadt übereignet, die nun auch Herr des Verfahrens der polizeilichen und juristischen Konsequenzen ist. An dieser Stelle wahrscheinlich vergeblich bleibt der Appell, den Kopf, dessen Materialwert nur einen Bruchteil des künstlerischen Wertes darstellt, zurückzugeben.
Zur Zeit ist völlig offen, welche Konsequenz der Diebstahl hat. Wir werden abwarten müssen, ob und was die Ermittlungen ergeben.
Wir hatten die ernsthafte Überzeugung, dass das kleine Denkmal geschätzt, angenommen und eben auch – geschützt werde. Es graut mir vor den jetzt anstehenden Überlegungen, ob und welcher künftige Schutz es künftig besser sichern könne.
Schade, dass dieser Beitrag unmittelbar auf den folgen muss, in dem die Benennung des „Bildungs-Campus“ nach Luise Büchner berichtet wurde. Das immerhin wird sich nicht entwenden lassen. …
In Darmstadt wird Luise Büchners lebenslanger Einsatz für Mädchenbildung mit der Benennung einer neuen Bildungseinrichtung gewürdigt. Der künftige „Bildungscampus“ im Konversionsgebiet Lincolnsiedlung wird den Namen von Georg Büchners Schwester tragen.
Die Pressemeldung der Wissenschaftsstadt im Wortlaut:
Magistrat beschließt Namen für Grundschule und Kita in der Lincoln-Siedlung:
„Bildungscampus Luise Büchner“ / OB Partsch: „Damit ehren wir das Leben und Wirken von Luise Büchner“
In seiner jüngsten Sitzung am Mittwoch, 1. April 2020, hat der Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt den Namen „Bildungscampus Luise Büchner“ für die Grundschule und die Kindertagesstätte in der Lincoln-Siedlung beschlossen. „Durch die Benennung des Komplexes in der Lincoln-Siedlung mit dem Namen „Bildungscampus Luise Büchner“ ehren wir das Leben und Wirken von Luise Büchner und ihren Einsatz für die gleichwertige Bildung junger Menschen. Sie war eine der ersten Frauenrechtlerinnen Deutschlands und eine große Kämpferin ihrer Zeit. Ihr Name erhält mit dieser Benennung einen festen Platz in der Bildungslandschaft der Wissenschaftsstadt Darmstadt. Der Bildungscampus in der Lincoln-Siedlung wird damit stets daran erinnern, jungen Menschen jede Chance auf Bildung zu ermöglichen – völlig unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft oder Religion“, sagte Oberbürgermeister Jochen Partsch. Luise Büchner wurde am 12. Juni 1821 in Darmstadt geboren. In ihrem 1855 erschienen Werk „Die Frauen und ihr Beruf“ setzte sie sich für eine gleichwertige Ausbildung von Mädchen und Jungen und eine qualifizierte Berufsausbildung für Frauen ein. Für Mädchenschulen forderte sie die Einstellung von Lehrerinnen anstelle von Theologen. Luise Büchner gründete 1867 gemeinsam mit Prinzessin Alice von Hessen und bei Rhein mehrere Frauenvereine, die weit über die Grenzen von Hessen-Darmstadt bekannt wurden. 1872 gründete sie eine Berufsfachschule für Mädchen, die heutige Alice-Eleonoren-Schule. Seit 1860 bot Luise Büchner in ihrer Wohnung Geschichtsvorlesungen für Mädchen und Frauen an. 1870 war sie Mitbegründerin einer Volkshochschule für Frauen, an der namhafte Wissenschaftler geistes- und naturwissenschaftliche Vorträge hielten. Seit 1869 vertrat Luise Büchner die Alice-Frauenvereine auf überregionalen Konferenzen und berichtete in der Presse regelmäßig über ihre Arbeit. Auf die Initiative von Prinzessin Alice von Hessen und bei Rhein und Luise Büchner fand in Darmstadt 1872 die erste Generalversammlung der Frauenbildungs- und -erwerbsvereine statt. 1873 wurde Luise Büchner als erste Frau vom Preußischen Kultusministerium gebeten, ein Gutachten zu Unterrichts- und Erziehungsfragen in der Mädchenschulbildung vorzulegen. Die Darmstädter Frauenrechtlerin starb am 28. November 1877 in ihrer Geburtsstadt. Sie hat ein Ehrengrab auf dem Alten Friedhof. 3. April 2020 / lea
Der diesjährige Luise-Büchner-Preis für
Publizistik geht an die Journalistin Margarete Stokowski. Der Preis wird von
der Luise Büchner-Gesellschaft jährlich vergeben. Die Preisträgerin wird durch
eine Jury ausgewählt, der neben dem Vorstand des Vereins die Darmstädter
Stadträtin Iris Bachmann, die jeweilige Präsidentin des Lions-Clubs Louise Büchner, der das
Preisgeld stiftet, sowie die beiden Journalisten Johannes Breckner (Darmstädter
Echo) und Hans Sarkowicz (HR2Kultur) gehören. Bisherige Preisträgerinnen sind
die Journalistinnen und Autorinnen Bascha Mika, Julia Voss, Lisa Ortgies,
Barbara Sichtermann, Luise Pusch, Barbara Beuys und Julia Korbik.
Der Preis ist verbunden mit einem Preisgeld von 2.500 € sowie
der Gelegenheit, einen ganzseitigen Text im DARMSTÄDTER ECHO zu gestalten.
Die Begründung der Jury:
Die in Polen geborene, in Deutschland aufgewachsene
Journalistin Margarete Stokowski veröffentlicht seit 2009 Artikel, Essays und
Bücher. Schwerpunktthema ihrer Arbeit ist das Verhältnis zwischen den
Geschlechtern.
Mit scharfem Blick analysiert sie in ihren Texten
Widersprüche in den Beziehungen zwischen Frauen und Männern, die in unserer
vermeintlich egalitären Gesellschaft immer noch vorhanden sind. Ihre Kolumnen
zeichnen sich durch gründliche Recherchen aus, sie sind oft frech und ironisch,
aber nie verletzend.
Margarete
Stokowski hat alles im Blick: Sowohl die ungleiche Macht-, Geld- und Karriereverteilung als auch den Umgang mit Sex und die Körper
der Geschlechter. Das sind Themen, über die zu Luise Büchners Zeiten selten
gesprochen und erst recht nicht geschrieben wurde.
Bei allem Gegenwartsbezug ihrer Artikel weiß Margarete
Stokowski genau, dass „unsere heutige Freiheit den Kämpfen derer zu verdanken
ist, die darauf bestanden haben, dass noch nicht alles gut ist, und die sich
nicht einschüchtern ließen von Leuten, die ihnen erzählten, sie seien zu
verbittert, zu naiv oder komplett verrückt“.
Mit diesem Gedanken trifft sie die Haltung Luise Büchners,
die in einer längst vergangenen Welt den Mut bewiesen hat, vorsichtig aber
energisch auf Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern hinzuweisen.
Der Preis wird im November 2019 in
Darmstadt übergeben.