Am Vorabend des 17. Oktober wird es im Büchnerschen Haushalt stets ein wenig turbulenter als ohnehin schon zugegangen sein: der Geburtstag des Ältesten stand bevor. Leider wissen wir weder von Geschenk- noch von anderen Sitten der Familie zu Geburtstagsfesten; Luise und Alexander Büchner lassen allerdings in ihren Erinnerungen die Vermutung zu, dass gerne und fröhlich gefeiert wurde.
Zu Georg Büchners 203. Geburtstag hier also ein Tortenrezept aus dem Darmstädter Kochbuch „Supp, Gemüs und Fleisch“, das mit seinen zahlreichen Ausgaben seit 1854 (hier zitiert aus der 18. unveränderten Ausgabe von 1872; digitalisiert von der Sächsischen Landesbibliothek) über die Zeit ein guter Indikator für die hiesigen Ernährungsgewohnheiten der besseren Leute bietet:
Baumtorte
Man nimmt ein Pfund Butter, läßt sie schmelzen und kalt werden, reibt sie dann beständig nach einer Seite, bis sie wie Pomade geworden, rührt dann 16 Eigelb dazu und fährt mit dem Rühren wohl ¾ Stunden fort, weil diese Arbeit hauptsächlich zum Gelingen beiträgt. Nach dem Eigelb folgt 1 Pfund fein geriebener Zucker, dann die abgeriebene Schale von 1 Citrone, etwas Muskatblume oder Nuß. 8 Eiweiß werden zu recht steifem Schnee geschlagen, die andere Hälfte läßt man weg. Dann wird von einem Pfund Kraftmehl abwechselnd ein Löffel voll Mehl, ein Löffel voll Schnee eingerührt, bis alles wohl untereinander vermischt ist; man kann auch den Schnee zuletzt darunter rühren. Dann streicht man schnelle eine glatte runde Form mit Butter aus, schöpft mit einem Vorlagelöffel von der Masse 2 Messerrücken dick hinein, setzt die Form in eine zuvor geheizte Tortenpfanne, legt unten wenig, oben aber mehr Kohlen darauf und läßt es gelblich backen. Hieruaf nimmt man in Zucker eingemachte Kirschen, legt solche dünne ein, dann wieder soviel Teig, wie das erstemal, läßt ihn ebenso gelb werden. Legt dann eine andere Sorte Eingemachtes, als Himbeeren u.s.w. darauf und so abwechselnd mit dem Teige und dem Eingemachten fortgefahren, bis die Form ganz gefüllt ist. Oben darauf muß Teig sein. Man muß sich bemühen, die Schichten recht gleich zu liefern, damit nicht eine stärker als die andere ist. Zum Belegen kann man sich alles mit Zucker Eingemachten bedienen, saurer Eingemachtes passt nicht hierzu. Nach Belieben kann man nachher einen Guß darüber anfertigen, wenn sie etwas verkühlt ist. Auch muß bei dem Feuer eine gehörige Vorsicht angewendet werden.
Mit Backen halbwegs Vertrauten werden neben den Mengen (16 Eier ..) auch die Schwierigkeit der Zubereitung und die jahreszeitliche Einordnung auffallen: eine Torte mit Obst in Schichten im Kohleherd zuzubereiten, ohne dass die unteren Lagen verbrennen, hat eine höchst erfahrene Küchenkraft zur Voraussetzung; und wann wenn nicht im Oktober sollten verschiedene eingemachte Früchte verarbeitet werden – es musste ja Platz für das neu Eingemachte geschaffen werden.
Freuen wir uns also über immerhin den Fortschritt der Küchentechnologie und vergessen wir auch an Georg Büchners Geburtstag nicht die zahlreichen anderen Umstände, deren Fortschritt noch weniger erfreuliche Zustände erreicht hat.
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