Peter Brunners Buechnerblog

Kategorie: Theater (Seite 1 von 6)

Das BüchnerLandFestival 2024

 

 

 

 

BüchnerLand-Festival 24

 

05.-07.07. Unter den Linden Leeheim

12.-14.07. BüchnerHaus Goddelau

 

 

An Erminig: Musique celtique de Bretagne

FR. 5.7.24 18 UHR UNTER DEN LINDEN LEEHEIM

AN ERMINIG, 1975 in Bonn

gegründet, lebt seit 1976 im

deutsch-französischen Grenzraum

Saarland-Lothringen und im

bretonischen Departement

Morbihan.

Das Trio (Barbara Gerdes,

Andreas Derow und Hans Martin

Derow) besteht seit der Gründung

in derselben Besetzung. AN

ERMINIG, das in der bretonischen Fahne abgebildete Hermelin, ist das

Symbol einer kulturell eigenständigen, keltischen Bretagne und so steht auch

der Name der Band seit über vier Jahrzehnten für eine eigenständige Arbeit

an der bretonischen Musik, stets offen für innovative Einflüsse, aber auch

immer geprägt vom Respekt vor den traditionellen Wurzeln.

AN ERMINIG versteht sich als Botschafter für die keltische Musik und

Sprache der Bretagne. Das Repertoire der Band ist das Ergebnis gründlicher

Recherche bei regelmäßigen Aufenthalten in der Bretagne. Dabei kommt

dem Morbihan, der Wahlheimat der Gruppe, eine besondere Bedeutung zu.

In zahlreichen Workshops bei hervorragenden bretonischen Musikerinnen

und Musikern hat die Band ihre musikalischen Kenntnisse im Laufe der

Jahrzehnte erweitert. Dabei stand das Erlernen der traditionellen Instrumente

sowie der bretonischen Tänze im Vordergrund. Im Laufe der Jahre

entwickelte sich daraus eine intensive Zusammenarbeit mit Künstlerinnen

und Künstlern sowie Verlagen, die die Gruppe bei der Produktion ihrer CDs

unterstützen. Regelmäßige Kontakte in die Folk- und Weltmusikszene und

vor allem die Eindrücke aus der umfangreichen Konzerttätigkeit auf

europäischen Bühnen verarbeitet die Band zu der ihr eigenen Mischung aus

traditionellen Elementen und Eigenkompositionen auf der Basis der

bretonischen Musik.

 

 

 

Kladderadatsch – DIe Revoluzzer-Revue

PREMIERE FR. 5.7.24 20 UHR. UNTER DEN LINDEN LEEHEIM

„Kladderadatsch“ ist ein lautmalerischer

Berliner Ausdruck, der etwas

bezeichnet, das heruntergefallen und

mit Krach in Scherben gebrochen ist.

Kladderadatsch war auch der Titel einer

politisch-satirischen Zeitschrift, die zum

Beginn der deutschen Revolution von

1848 bis 1944 regelmäßig wöchentlich

herausgegeben wurde. Dies machte

den Ausdruck so populär, dass er zum

politischen Schlagwort wurde, das

ironisch gebraucht – vor allem von

August Bebel – den Zusammenbruch der bürgerlichen Gesellschaft

charakterisierte …

Das Ensemble der BüchnerBühne lässt Ereignisse der Revolutionsjahre 1848

und `49 in einem satirischen Reigen aus Liedern, Texten & Szenen Revue

passieren, der verdeutlicht, wie sehr Freiheitsliebe und Humor sich

gegenseitig bedingen.

 

 

 

Flüchtlingsgespräche (Bertolt Brecht)

SA. 6.7.24 17:00 UHR UNTER DEN LINDEN LEEHEIM

Szenische Lesung mit Oliver Kai Müller & Christian Suhr

Diese in den frühen vierziger Jahren

geschriebenen Dialoge handeln vom

Alltag der aus Deutschland Vertriebenen,

vertreten durch den Intellektuellen Ziffel

und den Arbeiter Kalle, die sich im

Restaurant des Hauptbahnhofs von

Helsinki über die internationale Lage

(deutsche Truppen haben Dänemark und

Norwegen besetzt und rücken in

Frankreich vor) und die eigene Situation

unterhalten: »Der Pass ist der edelste Teil

von einem Menschen.«

„Die beste Schule für die Dialektik ist die Emigration. Die schärfsten

Dialektiker sind die Flüchtlinge. Sie sind Flüchtlinge infolge von

Veränderungen und sie studieren nichts als Veränderungen. Aus den

kleinsten Anzeichen schließen sie auf die größten Vorkommnisse, d.h. wenn

sie Verstand haben. Wenn ihre Gegner siegen, rechnen sie aus, wieviel der

Sieg gekostet hat, und für die Widersprüche haben sie ein feines Auge. Die

Dialektik, sie lebe hoch!“

Nicht erst seit dem Ukraine-Krieg ist die Zahl der Menschen, die vor Krieg

und Verfolgung fliehen, heutzutage höher denn je. 2016 verzeichnete man

weltweit 65,3 Millionen Menschen, die auf der Flucht waren. Davon kamen

damals 745.545 Personen nach Deutschland. Diese Zahl war die Höchste,

die seit dem Bestehen des Bundesamtes für Flüchtlinge verzeichnet wurde

und die Höchste seit dem Zweiten Weltkrieg. Was uns allen bevorsteht, wird

diese Erfahrungen wohl bei Weitem übertreffen …

 

 

 

Sind wir noch zu retten?

Demokratie-Werkstatt mit Thomas Freitag

SA. 6.7.24. 20 UHR UNTER DEN LINDEN LEEHEIM

Seit 1976 ist Thomas Freitag mit

bislang 18 Soloprogrammen in ganz

Deutschland unterwegs. Kritiker

charakterisieren ihn als den

„Komödianten unter den

Spitzenkabarettisten“. Ganz bewusst

abseits des Mainstreams präsentiert er

bis heute Programme, in denen er mit

hoher schauspielerischer Präsenz

unter einem Teppich zeitkritischer

Betrachtungen pointiert seine

kabarettistischen Tretminen zündet.

Für ein breiteres Publikum wurde er seither vor allem als glänzender Parodist

bekannt. Seine Strauss / Wehner / Brandt / Kohl / Lueg und Reich-Ranicki-

Parodien sind Legende.

Thomas Freitag ist einer der wenigen Kabarettisten, der neben der großen

Kunst der politisch-satirischen Unterhaltung mit schauspielerischem Können

brilliert. Trittsicher balanciert er auf dem schmalen Grat zwischen

intelligentem Humor und bitterem Ernst, bringt das Publikum zum Lachen und

zum Denken!

In einer einmaligen, extra für das BüchnerLand-Festival zusammengestellten

„Demokratie-Werkstatt“ sichtet er mit dem Publikum 50 Jahre

Republikgeschichte und fragt aus aktuellem Anlass: „Sind wir noch zu

retten?“

 

 

 

Erzähl mir was! Erzählmärchen mit Oliver Kai Müller

SO. 7.7.24 11 UHR UNTER DEN LINDEN LEEHEIM

Erzähl-Märchen für klein & groß

„Es war einmal,

Es wird einmal …

Es gibt kein Wenn und kein Vielleicht …

die Märchentür, sie öffnet sich … „

Oliver Kai Müller, Ensemble-Mitglied der BüchnerBühne, erzählt und spielt

Geschichten,

von Hier und Da und fremden Welten,

von Mäusen und Menschen und mutigen Helden.

 

 

 

Musikalischer Frühschoppen mit Sir Andrew:

onevoiceoneguitarpubmusic

SO. 7.7. 12:30 UNTER DEN

LINDEN LEEHEIM

Im Anschluss an die

Märchenstunde mit Oliver Kai

Müller laden wir am gleichen

Ort zu einem musikalischen

Frühschoppen ein:

Pubmusic mit „Sir Andrew“

unter freiem Himmel zum

Ausklang des ersten Festival-

Wochenendes Unter den

Linden in Leeheim.

Mit seinem Repertoire bedient

Sir Andrew alle Freunde

handgemachter und ehrlicher

Pubmusik. Ob irische und

schottische Traditionals oder

zeitgenössisches Liedgut, von

Klassikern, wie „Whiskey in the

jar“ oder dem „Wild Rover“

über Songs von Oasis, U2 und

Neil Young bis Johnny Cash, es ist für jeden etwas dabei!

 

 

Edith & Mina: Geschichte einer Freundschaft

FR. 12. JULI 2024 18:00 UHR BÜCHNERHAUS GODDELAU

Jürgen Flügge, Regisseur, Dramaturg und

Gründer des Hof-Theaters Tromm in

Grasellenbach im Odenwald, kommt zu einer

szenischen Lesung über einen Teil seiner eigenen

Familiengeschichte zum BüchnerLand-Festival.

Er findet eines Tages einen alten Koffer auf dem

Speicher, voller Briefe und Postkarten seiner

Mutter Mina aus der Zeit von 1934 bis in die 50er Jahre. Auch Postkarten in

alten Briefumschlägen sind dabei, auf den Briefmarken die Konterfeis von

Hitler und Heuss. Briefe und Karten aus den USA sind darunter, geschrieben

von jüdischen Freunden, die vor den Nazis fliehen mussten.

Erinnerungen werden wach an die Mutter und ihre Jugend in unserem

Nachbarort Stockstadt, das auch seine Jugend prägte, an die Freundschaft

zu Edith und ihrer Familie, bei der Mina als Dienstmädchen arbeitete sowie

an den brutalen Alltag der jüdischen Familie, als die Nazis an die Macht

kommen, aber auch an die Freundschaft zwischen Edith und Mina.

All das zeigen und belegen die original Dokumente aus Minas Koffer.

Geschichten und Anekdoten verweben sich zu einem Stück über eine

Freundschaft, die dem nationalsozialistischen Alltag versucht zu entfliehen.

An Edith Westerfeld wird seit 2014 mit einem Stolperstein in Stockstadt

erinnert.

 

 

 

Büchner, Weidig und die Demokratie

SA. 13. JULI 2024 15:00 UHR BÜCHNERHAUS GODDELAU

Unser Netzwerk mit der Weidigstadt Butzbach

Bürgermeistergespräch und Projektvorstellungen

Das BüchnerLandFestival möchte mit seinen Kooperationspartnern deutlich

machen, wo überall Georg Büchner und seine Familie Spuren hinterlassen

haben.

Insbesondere mit der Stadt Butzbach gibt es bereits Erfahrungen einer

fruchtbaren Zusammenarbeit. In Butzbach wirkte Friedrich Ludwig Weidig als

Lehrer und Theologe. Er hatte gemeinsam mit Büchner die berühmte

Flugschrift „Der Hessische Landbote“ verfasst. Die Zusammenarbeit soll mit

einem Gespräch der beiden Bürgermeister Michael Merle (Butzbach) und

Marcus Kretschmann (Riedstadt) vorgestellt und vertieft werden. Das

Gespräch wird die Pressesprecherin der Büchnerstadt, Anke Mosch,

moderieren.

Im Anschluss stellt die Weidigstadt Butzbach die Ziele und Aufgaben ihres

„Demokratikum“ vor. Riedstadt wiederum wird das Projekt Museumslauscher

präsentieren, wo Schülerinnen und Schüler der Martin-Niemöller-Schule mit

Unterstützung des Hessischen Rundfunks einen Audioguide für den

Rundgang durch das Büchnerhaus entworfen und realisiert haben.

 

 

 

Die Grenzgänger: Lieder von 1848 – Einigkeit und Recht

und Freiheit

SA. 13. JULI 2024 19:00 UHR BÜCHNERHAUS GODDELAU

Das Bremer Quartett um den Bremer

Liedermacher und Liedersammler Michael

Zachcial mag nach fünf Schallplattenpreisen,

mehreren Nummer-Eins-Titeln in der

Liederbestenliste und zahlreichen Radiokonzerten

für viele noch ein Geheimtipp sein. Doch

inzwischen füllen sie auch größere Säle und

hinterlassen landauf landab ein begeistertes

Publikum. Grenzgänger-Konzerte sind geprägt

von unbändiger Spielfreude und gleichermaßen unterhaltsam wie intelligent

gestrickt.

Die Grenzgänger zeigen, wie Geschichte entsteht: in Konzerten zwischen

den Genres, den Generationen und den Zeiten: Mittels verschollener und in

Vergessenheit geratener Lieder, die sie unnachahmlich arrangieren und

interpretieren, singen und erzählen sie aus der Perspektive der so genannten

„kleinen Leute“, aus Fabrik, Straße und Alltag.

In der aktuellen Besetzung klingen die Grenzgänger so druckvoll und virtuos

wie selten, Frederic Drobnjak spielt an der Gitarre im Stile eines Django

Reinhardt groß auf, Felix Kroll zaubert am Akkordeon ein ganzes Orchester

auf die Bühne, Annette Rettich berührt am Cello und verschmilzt mit der

Stimme von Michael Zachcial, der auf unverwechselbare Art unsere

Geschichte und die alten Lieder mit dem Hier und Jetzt verbindet.

Beim Konzert am Büchnerhaus werden Lieder aus der deutschen Revolution

von 1848/49 im Mittelpunkt stehen. Zu hören sind Lieder von Herwegh bis

Heine, von Fallersleben bis Marx und Freiligrath

 

 

 

Das Republikanische Café: Bürgergespräch mit Barbara

Sichtermann und Heribert Prantl

SO. 14. JULI 2024 15:00 UHR (EINLASS 14:00 UHR) BÜCHNERHAUS

GODDELAU

BüchnerFindetStatt e.V. lädt zum Abschluss des diesjährigen BüchnerLand-

Festivals erneut ein zu einer sommerlichen Kaffee- und Kuchenrunde im Hof

des Goddelauer Büchnerhauses. Das Republikanische Café nimmt dabei

Bezug auf eine über 200 Jahre alte Tradition. Damals waren solche

Zusammenkünfte ein bewährtes Mittel, Versammlungsverbote zu umgehen.

Aufrührerische Reden, die verhindert werden sollten, fanden ihr Publikum bei

scheinbar harmlosen gesellschaftlichen Treffen. Solche „gesellige

Veranstaltungen“ gab es schon im Vorfeld der französischen Revolution, und

auch vor der Paulskirchenversammlung 1848 dienten Bankette überall in den

vielen deutschen Staaten in Wirklichkeit der politischen Debatte.

Bei unserem ersten Republikanischen Café 2023 waren Bascha Mika und

Gregor Gysi unsere Gäste. Unter dem Titel „Ungleich frei?“ ging es damals

im Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern um die Frage „Lässt es sich

vielleicht besser, ja freier, leben, wenn die Zwänge der Demokratie zu

Konsens, Mehrheit und nicht zuletzt Minderheitenschutz weniger wichtig

genommen werden?“

© 24 BFS Seite von

11 12BüchnerLand-Festival 24

In diesem Jahr haben wir Barbara Sichtermann und Heribert Prantl zum Café

eingeladen. Ihr Thema: „Demokratie verteidigen! Über Verbündete und

Brandmauern, Gemeinsamkeiten und Abgrenzungen.”

Dahinter steckt nicht nur die Frage danach, wie groß die Not sein muss, um

manche Kooperation zu begründen, sondern auch, ob nicht gerade eine

solche Gemeinsamkeit die Schwäche birgt, die Verschwörungsparolen der

Rechtsradikalen zu bestätigen. Können der bayerische Ministerpräsident und

die Sprecherin von Fridays for future glaubwürdig und erfolgreich für eine, die

gleiche(?), Demokratie aktiv sein, wenn sie einander doch gleichzeitig

demokratische Haltung absprechen? Ist es nicht Wasser auf die Mühlen der

Querdenkenden, wenn sich sozusagen „alle“ gegen sie „verschwören“?

Nach einführenden Beiträgen der beiden prominenten Gäste wird Johannes

Breckner die Moderation des Gesprächs mit dem Publikum zum Thema

übernehmen. Mit einem abschließenden Statement von Frau Sichtermann

und Herrn Prantl endet die Veranstaltung.

Sitzplätze stehen nur beschränkt zur Verfügung!

 

Ganz gelesen ist halb gespielt

Häufig kommt in Gesprächen mit Schülergruppen im Büchnerhaus die Frage auf, wie es denn eigentlich sein könne, dass Georg Büchner mit 19 Jahren über eine so aussergewöhnliche Kenntnis von Literatur verfügen konnte, insbesondere, woher denn seine Kenntnis der Dramen der Weltliteratur komme.

Tatsächlich darf davon ausgegangen werden, dass Büchners Theatererfahrung überschaubar war; verschiedene Inszenierungen des gleichen Stücks hat er wahrscheinlich nie gesehen. 

Wir dürfen aber sicher annehmen, dass er sich mit Freunden häufig zum Lesen mit verteilten Rollen traf und so seine Kenntnis – und Haltung – bildete. Aus zahlreichen Berichten wissen wir, wie selbstverständlich in Freundeskreisen und Salons gemeinsam laut gelesen wurde. Ich rate jungen Leuten gerne, das selbst einmal auszuprobieren. (Leider müssen sie oft genug erst einmal Distanz zur bis dahin unglücklichen Präsentation von Büchners Dramen im Unterricht finden.) So oft dieser Vorschlag zunächst auf abschätziges Lachen stößt, weiß ich doch inzwischen, dass es einige wirklich und mit echtem Vergnügen gewagt haben. Ich freue mich sehr, wenn diese im neunzehnten Jahrhundert so verbreitete Form der Literaturaneignung nicht gänzlich verloren geht. Mit Leonce und Lena kann so eine heitere Runde zusammenkommen (und dem selten erkannten abgründigen, überbordenden Humor des Stückes gerecht werden); dem Danton mit seinen fast filmscripthaften Szenenwechseln wird die Vorlesetechnik gerade da gerecht, wo moderne Bühnen heute auf Szenenbilder ganz verzichten. Unser Kopf ist allemal schneller als eine Drehbühne für den Weg Salon Gasse Club Gasse Zimmer … *  

Dem Darmstädter Staatstheater muss dieser Vorschlag untergekommen sein – nicht zwangsläufig von mir, ich verzichte da gerne auf jede Verantwortung. In der Inszenierung für sechs Personen nach der Fassung von Christoph Mehler und Christina Zintl fehlen für ein gemütliches Leseszenario eigentlich nur bequeme Stühle, das Manuskript in der Hand der Agierenden und der größere Teil der eigentlich 28 von Büchner Vorgesehenen Personen sowie einige „Männer und Weiber aus dem Volk, Grisetten, Deputirte, Henker ect“. (Die ausufernde Unsitte, auch an großen Häusern die Personnage von Stücken zusammenzustreichen, ist übrigens nicht nur mangelnder Respekt vor dem Werk, sondern darüber hinaus auch Sparen am falschen Ende. In diesem Falle um so mehr, als ja noch nicht einmal „stattdessen“ Abertausende für das Bühnenbild aufgebracht wurden.) 

Was bleibt: sechs Personen in weißen Strumpfhosen, darüber schwarzen Culottes (! – die SANS-Culottes trugen nicht etwa keine, sondern im Gegenteil gerade lange Hosen, im Unterschied zu den adligen Knickerbockers), stehen vor dem Bühnenvorhang und – tragen Reste von Büchners Text vor. 

Das geschieht im Wesentlichen emotions- und bewegungsarm; das gelegentliche Übereinanderfallen und dramatische Lichtwechsel ändern nichts an diesem Eindruck. Und wenn schließlich Mathias Znidarec zu Saint-Justs großer Rede ansetzt („Es scheint in dießer Versammlung einige empfindliche Ohren zu geben, die das Wort Blut nicht wohl vertragen können….“) und er dann plötzlich doch in Wort und Gestus zugleich beweglich wird, da verzichtet die Inszenierung gerade dort auf die fürchterliche Nüchternheit, die große Interpret*innen diesem Text kalt und ruhig verleihen können.

Valerie Bolzano hat das für die Büchnerbühne mit unbewegter Mine und schneidender Sprache um Längen eindrücklicher präsentiert. 


Insgesamt ist Suhrs Danton ein Theaterstück mit handelnden Personen, das das Original aus nachvollziehbaren Überlegungen strafft und konzentriert, während das Staatstheater in den besten Szenen gerade noch auf den unverwüstlichen Text setzt.

Suhr strafft das Stück und fragt:

… interessiert uns vor allem das Verhältnis von freiheitlichen Ideen zu deren kulturellen Voraussetzungen. Denn aus diesem resultiert die Wahl der politischen Mittel. Wenn beispielsweise Robespierre vom TERROR (hier vom Staat ausgehend) als einzigem Mittel zur Verteidigung der TUGEND spricht, erreicht der Text  bis heute eine erschreckende Aktualität, die eine direkte Verbindungslinie von der französischen Revolution – der Geburtsstunde des europäischen Freiheitsgedankens – bis hin zum Schrecken beispielsweise des IS deutlich macht … Danton: „Ihr wollt Brot – und sie geben Euch Köpfe!“

Büchnerbühne

Unübersehbar stellt er damit seine Frage an den möglichst alles regulierenden Staat und zeigt die Aktualität des Büchnerschen Textes. Das lässt sich getrost nach Hause tragen. 

Darmstadt will wissen

„Wieviel Demut oder Gemeinsinn braucht ein gutes Regieren? Wie viel Gestaltungsmöglichkeit hat jede*r einzelne bei sich und bei der Veränderung der Gesellschaft? Wie können sich Menschen wahrhaftig begegnen, zuhören, lieben? Wie die Einsamkeit angesichts des Todes überwinden? An etwas glauben, das größer ist als sie?“

Staatstheater Darmstadt


Mag sein, dass hinter dem verschlossenen Vorhang Antworten warteten, zum Vorschein kamen sie nicht.

Beide südhessische Inszenierungen verzichten auf den epikuräischen Danton. Ob sie es damit dem Herausgeber Gutzkow gleichtun, darf zu Bedenken gegeben werden. Zu Büchners größtem Ärger kürzte der die Erstausgabe, aber immerhin wusste er

„Als ich nun, um dem Censor nicht die Lust des Streichens zu gönnen, selbst den Rothstift ergriff, und die wuchernde Demokratie der Dichtung mit der Scheere der Vorcensur beschnitt, fühlt’ ich wohl, wie grade der Abfall des Buches, der unsern Sitten und unsern Verhältnissen geopfert werden mußte, der beste, nämlich der individuellste, der eigenthümlichste Theil des Ganzen war.“ 


Auf die Ambivalenz, die uns Büchner mit dem saufenden, hurenden Danton gegenüber dem jakobinisch, ja pietistisch strengem Robespierre zeigt, haben beide verzichtet. Es bleibt uns überlassen, zu entscheiden, ob das den Stoff konzentriert oder simplifiziert.

Jedenfalls dann, wenn wir den ganzen Text kennengelernt haben – und sei es in konzentrierter Runde und mit verteilten Rollen. 

Von Peter Brunner

  • * Glaube keiner, das hier lese niemand. An dieser Stelle hatte ich eine beliebige Folge phantasiert und wurde harsch zur Ordnung gerufen. Jetzt ists die echte Folge der ersten Szenen … Danke, Dr. W. 

Festival in den Zeiten von Corona

Die Neuinszenierung von Georg Büchners „Dantons Tod“ der BüchnerBühne feiert am

 

Samstag, 26. Juni, um 19:00 Uhr Premiere

„Unter den Linden Leeheim“ in der Kirchstraße 1.

 

Die Premiere ist der Auftakt zum 1. BüchnerLand Festival, das ursprünglich in viel größerem Maßstab geplant war und wie so viele Kulturveranstaltungen der Corona-Pandemie zum Opfer fiel. Erstmals sollten bei dem großen Festival zu Ehren Georg Büchners unter Federführung von BüchnerHaus, -Bühne und –Stadt in genreübergreifenden Veranstaltungen die verschiedenen Büchner-Orte im Land miteinander verbunden werden. Doch so ganz wollen wir nicht lassen von der Idee eines BüchnerLand Festivals und so wird es vom 26. Juni bis 15. Juli im „Corona-Exil“ der BüchnerBühne, dem idyllischen evangelischen Kirchengelände mit seiner beeindruckenden Lindenallee, verschiedene Aufführungen geben.

Zwischen „Dantons Tod“ und dem

Festival-Abschluss am Donnerstag, 15. Juli, um 19:00 Uhr mit Thomas Freitag

wird es an den Wochenenden verschiedenste Veranstaltungen geben. So werden aus Gießen, wo Georg Büchner studiert hatte, Studierende des Instituts für angewandte Theaterwissenschaft erwartet, die verschiedene Projekte ihrer Beschäftigung mit Büchner vorstellen. Das genaue Programm wird jeweils am Montag bekannt gegeben.

 

 

Zum Auftakt also die Neuinszenierung von „Dantons Tod“, die auf dem vielfach beachteten Europa-Projekt der BüchnerBühne „Freiheit! Gleichheit! Brüderlichkeit!“ aus den Jahren 2013 bis 2015 basiert. Büchner Geschichtsdrama zeichnet einen zweiwöchigen Ausschnitt aus der entfremdeten Spätphase der Französischen Revolution nach. Die politischen Ziele sind erreicht, im Mittelpunkt steht nun die Verwirklichung der sozialen Revolution. Neben dem auch in späteren Folgerevolutionen gescheiterten Spagat, die Errungenschaften der Emanzipation zu bewahren und in eine demokratische Ordnung zu integrieren, interessiert sich die Inszenierung von Christian Suhr vor allem für den machtpolitisch motivierten Einsatz von Angst. Das einfache Volk wird systematisch in Angst gehalten, um seine hilflose Wut gegen innenpolitische Gegner steuern zu können.

Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. Das Gelände öffnet bereits für maximal 100 Personen eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn, um Schlangen am Eingang zu verhindern. Beim Eintritt werden die Kontaktdaten der Besucher erfasst. Bei schlechtem Wetter gibt es die Möglichkeit für bis zu 50 Personen, in die evangelische Kirche umzuziehen. Sie müssen allerdings nachweisen können, dass sie vollständig geimpft, genesen oder aktuell getestet wurden. Die entsprechenden Abstands- und Hygieneregeln müssen eingehalten werden.

 

Von Christian Suhr
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