Peter Brunners Buechnerblog

Autor: p b (Seite 1 von 3)

In der Realität angekommen: BüchnerHaus und ALDI kooperieren

Ja, klar war das der Beitrag zum ersten April. 

Tatsächlich ist das Foto aber 1:1 wiedergegeben – genau so wird in der örtlichen Aldi-Süd-Filiale geworben …


 

Im „18. Brumaire“ schreibt Karl Marx: 

„Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce. „

Nicht jede Wiederholung in der Geschichte ist eine Farce, und manchmal kommt eben auch eine Farce aus der Vergangenheit als Realität auf uns zu. 

Auf der Frankfurter Buchmesse von 1981 machte ein sorgfältig gestalteter Prospekt Furore: Siegfried Unselds Edition Suhrkamp werde künftig mit der Discounterkette ALDI kooperieren. Die Glosse war so gut gemacht, dass sich hartnäckig das Gerücht hielt, sie komme direkt aus dem Hause Suhrkamp, wo  sich Angestellte über Unselds Affinität zu Marketing und Umsatz empörten.  2011 hat die „taz“ die Urheberschaft bekannt gemacht: Es waren Mitarbeiter des Berliner Verlags Klaus Wagenbach, Lektor Thomas Schmid und Verlagsassistent Thomas Platt.

2024 wird nun Realität, was an der Idee so naheliegend wie überzeugend ist. Im Prospekt hieß es: 

    “ … dies die Hoffnung meines Hauses, für viele Menschen dieser unserer Republik, die bisher dem Buch keine Aufmerksamkeit schenkten, Anstoß und Anlaß sein, tiefer in das Abenteuer Lesen einzusteigen.“
Werbung fürs BüchnerHaus in der ALDI-Filiale Riedstadt-Wolfskehlen

Werbung fürs BüchnerHaus in der ALDI-Filiale Riedstadt-Wolfskehlen


Zunächst ganz regional und damit im besten Sinne vor Ort kooperiert das Büchnerhaus ab sofort mit dem örtlichen Discounter. Die ALDI-Filiale bewirbt den Besuch des Museums, das Museum bewirbt Produkte bei ALDI.

In den nächsten Tagen werden die Textschilder, die Mahdi Ehsaei

gestaltet hat, 

http://www.mahdi-ehsaei.com/

Die Installation „Quote signs“ am ursprünglichen Ort vor der „Büchner-Box“ am Hauptbahnhof Darmstadt im Sommer 2013


durch Angebotsschilder mit den aktuellen Produkten von Aldi ersetzt. 

 

Eines der inzwischen verblichenen Original-Schilder am BüchnerHaus 

 

Das Gelände des Büchnerhauses wird damit ein lebendiger Einkaufsprospekt, so wie vor Ort Aldi aktiv für den Museumsbesuch wirbt. 

Das ist Marketing im 21. Jahrhundert: ohne Ansehen von Ruf und Bedeutung zusammen bringen, was nicht zusammen gehört. 

Wilhelm Büchner zum 207. Geburtstag am 2.8.2023: „… dass die Fabrikation mit weißem Phosphor so rasch als möglich unterdrückt werde“

 

Wilhelm Büchner ist als sozial engagierter Unternehmer bekannt, in seiner Pfungstädter Ultramarinfabrik hat er Invaliden- und Krankenversorgung lange vor den gesetzlichen Vorschriften eingeführt. 
Zu seinen Aktivitäten im Reichstag, immerhin war er von 1877 – 1884 Abgeordneter, finden sich nur wenige
Redebeiträge. In seinem letzen Amtsjahr hat er allerdings einen aussergewöhnlichen Beitrag geleistet: er stellt sich als Unternehmer gegen seine Kollegen, denen Profit vor Gesundheitsschutz geht. 

 

Am 28. April 1884 steht im Reichstag eine Debatte über Zündhölzer an. Der Abgeordnete Wilhelm Büchner ist gefragt: Zündhölzer sind ein wichtiges Produkt in seinem Wahlkreis „Darmstadt – Gross-Gerau“ , zu dem auch sein Wohnort Pfungstadt gehört. Es geht um die Frage, ob und wie sich die deutschen Produzenten der schwedischen Konkurrenz erwehren können: dort werden moderne Streichhölzer produziert, die, anders als die deutschen „Weißphosphorzündhölzer“, ohne gesundheitliche Gefährdung der Arbeiter*innen hergestellt werden. Erwartet wird, dass Büchner sich für Importbeschränkungen ausspricht; tatsächlich kritisiert er aber, dass die deutschen Fabrikanten weiter die Gesundheit der Arbeiter*innen ruinieren (Phosphornekrose ist eine schreckliche Krankheit, s.u.) statt auf die moderne und unschädliche Produktion umzusteigen. Dies müsse nun eben durch die Konkurrenz erzwungen werden. Mit anderen Worten; Unternehmer, die trotz möglicher Alternativen gesundheitsgefährdend produzieren, haben keinen Anspruch auf staatlichen Schutz.
Erst 1907 wurden die mörderischen Weißphosphorzündhölzer in Deutschland verboten.


Abgeordneter Büchner: meine Herren, ich erlaube mir, in dieser Frage, vorerst einmal einen kleinen, geschichtlichen Rückblick zu werfen auf die Entstehung dieser ganzen Industrie. Bekanntlich war in Württemberg, und zugleich in meinem Wahlbezirk Darmstadt, die Pflanzschule für die ganze Industrie, der Weißphosphorzündhölzer, sie hat sich von da weiter verbreitet und hat einen eminenten Aufschwung genommen, es ist kaum eine Industrie denkbar, die in wirtschaftliche Richtung von so großer Bedeutung war, die aber zugleich wieder bezüglich der Arbeiter so kolossale Nachteile mit sich geführt hat, wie gerade diese Industrie. Es lag deshalb vor allen Dingen Deutschland mit seiner entwickelten Zündholzindustrie ob, nach einem Mittel zu suchen, wodurch diese mit dieser Industrie verbundenen schwierigen Verhältnisse beseitigt werden konnten. Was ist aber geschehen? Während diese Fabrikation früher ganz immense Vorteile gehabt und bedeutendes Geld verdient hat, hat sie sich dann auf die geistig faule Haut gelegt, sie hat sich nicht bestrebt, das zu erreichen, was später die Schweden erreicht haben, und heute noch befinden wir uns auf demselben Stande, indem in Deutschland demBedürfnisse kaum annähernd entsprechend die Zündhölzer nach schwedischer Form dargestellt werden, als notwendig wäre, um den Weißphosphorzündhölzern entgegen treten zu können. Nun kommt die Regierung und macht den Vorschlag, dass doch ein Zoll erhoben werden soll auf die schwedischen, deren Vorteile eine außerordentliche Wirkung auf das ganze wirtschaftliche Leben bei uns haben, also da soll nun ein Zoll darauf gelegt werden.

Es wundert mich nach dem, was der Herr Regierungskommissar vorhin gesagt hat, in Bezug auf das Holz, dass er nicht unmittelbar daran geknüpft hat, man sollte die deutsche Industrie bei dem Wunsch, schwedische Zündhölzer darzustellen, dadurch begünstigen, dass man ihr auch das nötige dazu allein brauchbare Holz zollfrei eingehen lässt. Das war die eigentliche Aufgabe. Es wurde von ihm selbst zugegeben, und ich kann das nur bestätigen, dass in Süddeutschland das Espen- und Pappelholz kaum mehr aufzutreiben ist, dass man auch selbst überall die Pappelalleen eingehen lässt wegen der viele Nachteile derselben. Wenn also noch erst darauf gewartet werden soll, bis wir das betreffende Holz wieder aufs Neue ziehen, so müssen wir, um die Industrie zu unterstützen, vor allen Dingen das betreffende Holz, dass zu den Zündhölzchen dient, zollfrei eingehen lassen. Sie sehen hier aber wieder ein drastisches Beispiel, dass, wenn man systematisch nach irgendeinem bestimmten Zollschutz greift, man auch andere Industrien, denen man unter die Arme greifen will, systematisch damit ruiniert oder sie in Frage stellt.

(Sehr richtig! Links.)

Meine Herren, diese ganze Frage muss und kann nur von einem Gesichtspunkte ausgeleitet werden, und zwar dem, dass die Fabrikation mit weißem Phosphor so rasch als möglich unterdrückt werde. Gehen Sie, geben Sie uns billigeres Holz, und sie geben dadurch zu gleicher Zeit ein weiteres Mittel, dass die Weißphosphorfabrikation unterdrückt wird. Wenn die Konkurrenz gegen diese Zündholzsorten von außen durch schwedische Zündhölzer ungehemmt auftritt, dann haben sie das Mittel, dass endlich durchgreifend die schwedischen Zündhölzer in Deutschland werden, dargestellt werden. Aber sehen Sie einmal die Bestrebungen an, die in dieser Beziehung bestehen! Selbst in den größeren Fabriken ist man nur hier und da darauf gekommen, ähnliche Produkte herzustellen. Allerdings können Sie sagen, die kleine Hausindustrie ist das nicht im Stande, die kleine Hausindustrie soll begünstigt werden. Gut, wenn sie die schützen wollen, so komme ich auch auf das, was der Herr Regierungskommissar selbst gesagt hat, aber doch nicht eingeführt wissen will, zurück: dann geben Sie die schwedischen Zündhölzer frei und belasten Sie die Einfuhr, der Weißphosphorzündhölzer.

(Bravo! Links.)

(Verhandlungen des Reichstages. Bd. 75. 1884. Berlin 1884. 19. Sitzung am 28. April 1884. SS 359/360)

 

Ausführliche Beschreibung von Geschichte, Produktion und Risiken der Zündholzproduktion finden sich unter „Streichholz“ hier bei wikipedia. Mit dem Darmstädter Friedrich Moldenhauer stand Büchner in seiner Darmstädter Unternehmerzeit uind enger Verbindung. Das schließlich verabschiedete Gesetz findet sich hier. 

Von Peter Brunner

Unter jedem Grabstein liegt eine Weltgeschichte – vergessen wir sie nicht!

Am 4. Juni, kurz nach seinem 225. Geburtstag,  konnten wir den restaurierten Gedenkstein auf dem Grab von Franz Ludwig Amelung präsentieren.

Das mit Unterstützung der Volksbank Gross-Gerau über ein crowd-funding finanzierte Projekt  hat Ruth Andres aus Darmstadt realisiert, die sich schon kompetent und erfolgreich um den Grabstein für Mathilde Büchner und das Denkmal für Luise Büchner gekümmert hat.

Frau Andres hat hat die empfindliche Marmorplatte ausgebaut, in der Werkstatt sorgfältig gereinigt und die historische Beschriftung wieder hergestellt. Alleine, dass sie darauf geachtet hat, die restaurierte Platte so in Mörtel zu verlegen, dass sie gegebenenfalls in Jahrzehnten erneut aufgenommen werden kann, beweist ihre handwerkliche Kompetenz.

 

Marianne Deuster, die mit ihrem Mann zusammen viele Jahre lang kompetent und sorgfältig über die Friedhofsgeschichte recherchiert hat und unermüdlich für seinen Erhalt wirbt, konnte zusammen mit dem Vorsitzenden von BüchnerFindetStatt e.V., Werner Schmidt, das restaurierte Denkmal enthüllen. 

 

 

Als Erläuterung werden wir eine Hinweistafel beim Grab aufstellen und hoffen, dass die Stadt Riedstadt in Kooperation mit dem Geo-Park am Eingang des Friedhofes auch eine entsprechende Tafel zur Information über die Geschichte des Friedhofes errichten kann.

Zum Tag

Ich weiß, wie viele Leser*innen seit spätestens vorgestern auf den einschlägigen Beitrag zum 1. April warten.

Ich will diesmal mit Verweis auf Adoph von Menzel antworten, der seine erste Italienreise schon in Verona auf der Piazza d´Herbe mit den Worten „Zuviel!Zuviel!“ abgebrochen haben soll.

Ich bitte 2023 angesichts der Lage und der Vielfalt spaßiger Alternativen auf einen Beitrag von mir zu verzichten. 

 

 

 

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