Peter Brunners Buechnerblog

En goutant les souvernirs doux de Strasbourg

edit: Bild der Plakette nachgetragen (16.12.)

 

Glücklicherweise habe ich in den Tiefen dieser elektronischen Kommunikationsstürme Bernard Umbrecht kennen gelernt. In seinem Blog finden sich immer interessante Beiträge, in letzter Zeit zunehmend über Georg Büchner und seine Geschwister. Auch seine Darmstadt-Reise hat er begonnen, dort zu rekapitulieren. (Für mich) unglücklicherweise schreibt er immer Französisch, obwohl er als Elsässer auch fliessend Deutsch spricht. Außerdem hat er viele Jahre lang in Berlin gelebt und ist mit einer Deutschen verheiratet. Als Opfer sogenannter humanistischer Bildung habe ich leider fast kein Französisch in der Schule gelernt und es auch später sträflich versäumt, diese schmerzliche Lücke in meiner Bildung (schweigen wir von den anderen) zu schließen. Manchmal muss ich mir daher mit den immer noch unglaublich schlechten eletronischen Übersetzern helfen, die leider immer noch bestenfalls grobe Hinweise auf den Inhalt der Texte liefern. Ich zweifle aber nicht daran, dass das geschätzte Publikum dieses Blogs mir auch darin weit überlegen ist und daher in Zukunft gelegentlich entspannt und souverän bei Bernard vorbeisurft.

Letzte Woche machte er mich auf ein Büchner-Ereignis aufmerksam, das diesseits des Rheines merkwürdigerweise keinerlei Aufmerksamkeit erregt hat:

In Straßburg wurde eine Plakette zur Erinnerung an Georgs Büchners Aufenthalte enthüllt

plaque-Buchner

Die Plakette an St. Guillaume (Photo: Pasteur Christophe Kocher)

 

Bekanntlich ist ja auch in Strassburg viel von dem verloren, was als Memento an Georg Büchner dienen könnte (auch das Jaeglé’sche Wohnhaus, das Pfarrhaus von St. Wilhelm / St. Guillaume, rue Saint Guillaume 66), aber die Kirche St. Wilhelm / St. Guillaume gibt es noch. Der evangelischen Gemeinde dort steht Pfarrer Christophe Kocher vor, der glücklicherweise liebenswürdig und auf Deutsch auf meine Bitte um weitere Informationen geantwortet hat. Er hat veranlasst oder unterstützt, dass dort an den Darmstädter Gast erinnert wird. In seiner Predigt vom 1. Advent, die er mir freundlicherweise überlassen hat, sagte er:

 

„Am heutigen Tag wird hier, an der Kirche St. Guillaume eine Gedenktafel für Georg Büchner angebracht. Das ist ein großer Augenblick, für die Kirchengemeinde, für Strasbourg, für Georg Büchner und für die Literatur. Georg Büchner liebte Strasbourg. Strasbourg war für ihn der Ort des Glücks. Hier studierte er und arbeitete als Wissenschaftler. Hier schrieb er seine großen literarischen Werke und holte sich Anregungen für sein Schreiben. Hier im Pfarrhaus von St. Guillaume fand er in Minna Jaeglé seine große Liebe. Es spricht für die Größe Georg Büchners, dass er bei all diesem Glück den Blick für die Wirklichkeit behalten hat und auch die Schatten dieser hellen heiteren Stadt Straßburg nicht übersehen hat.
Das Leiden der Menschen, der Kinder wie Erwachsener, steht im Mittelpunkt der Werke Georg Büchners. Er hat dieses Leiden und diese Verhältnisse so klar, so ungeschönt benannt und beschrieben wie kein Dichter vor ihm – und nur wenige konnten es nach Büchner ebenso so eindrücklich tun. Doch Büchner blieb nicht beim Leiden und im Elend stehen. Er lebte aus der Hoffnung, dass diese Verhältnisse sich ändern lassen, dass diese Welt anders wird, dass Menschen anders als geknechtete  Wesen leben können. Vielleicht sind uns die Wege hin zu einer besseren, gerechteren Welt fremd, auf die Büchner hoffte: die Rebellion, die Revolution. Vielleicht stehen wir diesen Ideen durch die Erfahrungen des 20. und 21. Jahrhunderts reservierter und skeptischer gegenüber.
Aber die Hoffnung auf eine Welt, in der der Mensch dem Menschen ein Helfer ist, in dem Frieden und Gerechtigkeit regieren, ist lebendig. Lebendig hoffentlich auch für und in uns. Für Christen, für die, die glauben, hat diese Hoffnung einen Grund. Im Advent leben wir aus der Hoffnung, dass Jesus kommt, der Heiland der Welt, der Freund der Armen, der Mühseligen und Beladenen (Mtth 11.28), der Friede-Fürst (Jes 9,5):  Er kommt, hierher, an diesen Ort; er kommt für alle Welt.“

Der Direktor der evangelischen Akademie Hofgeismar, Karl Waldeck, der sich hier selbst u.a. so beschreibt: „ … schätze ich ausgiebige Lektüre (Bibel und Büchner, Beckett und Bourdieu)“, hielt einen Vortrag unter dem Titel „Georg Büchner in Strasbourg. Studium – Liebe – Literatur“. Er beendete seinen gründlichen Vortrag über Georg Büchners Straßburger Jahre:

„Strasbourg, der Ort des Glücks: Es war für den 18jährigen Georg Büchner ein Ort der Freiheit: politisch, ein Ort, an dem er  frei atmen und sein Genie entfalten konnte. Hier konnte er seine Fähigkeiten entdecken und erproben: als Wissenschaftler, als Dichter. Hier entdeckte der junge Mann Georg Büchner die Liebe – in der Begegnung mit Minna Jaeglé. Strasbourg war so ein Ort des Glücks, das optimale Biotop für ein Leben, das früh endete.

Morgen wird man in Strasbourg, in der Gemeinde von St. Guillaume an Georg Büchner erinnern. Sichtbares Zeichen wird eine Gedenktafel sein, die dann enthüllt wird. Für alle Dichter gilt: Sie wollen gewiss auch geehrt, vor allem aber gelesen werden. Dazu einzuladen, ist die Absicht meines Vortrags gewesen. Wer sich auf diese Lektüre einlässt, wird belohnt. Wer sich mit Leben und Werk Georg Büchners befasst, wird reicher – und zwar nicht zuletzt auf diesem Weg: en goutant les souvernirs doux de Strasbourg.“ 

Die „Dernières Nouvelles d’Alsace“ hat in zwei Artikeln berichtet, die hier und hier nach Anmeldung kostenfrei zugänglich sind.

4 Kommentare

  1. Holger

    Hallo,
    ich bin gerade in Straßburg und habe diese Plakette auch entdeckt. Sie ist aber nicht an die Kirche St. Guillaume angebracht, sondern am benachbarten Haus, dort, wo einmal das Pfarrhaus gestanden haben muß.
    Beste Grüße
    Holger

  2. Holger

    Guten Tag,

    ich hatte vor einigen Tagen hier einen Kommentar abgegeben – aber offensichtlich ist er nicht angekommen?
    Vor ein paar Tagen war ich selbst in Straßburg und habe dort auch die Tafel gefunden. Sie ist aber nicht, wie die Predigt vermuten lässt, an der Kirche angebracht. Sie befindet sich an dem Wohngebäude neben der Kirche, daß an der Stelle des vormaligen Pfarrhauses steht.
    Beste Grüße
    Holger

  3. peter brunner

    Stimmt, die Plakette ist nebenan. Die Kirche selbst ist übrigens unbedingt einen Besuch wert – haben Sie sie besichtigen können?

  4. Holger

    Ja, habe ich. Der rel. junge Pfarrer war sehr freundlich und hat mich eingelassen.
    Ich habe auf der Liste der Pfarrer in der Kirche auch den Namen von Jaeglè gefunden.

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