Peter Brunners Buechnerblog

Kategorie: Wilhelm Büchner (Seite 1 von 7)

Wilhelm Büchner zum 207. Geburtstag am 2.8.2023: „… dass die Fabrikation mit weißem Phosphor so rasch als möglich unterdrückt werde“

 

Wilhelm Büchner ist als sozial engagierter Unternehmer bekannt, in seiner Pfungstädter Ultramarinfabrik hat er Invaliden- und Krankenversorgung lange vor den gesetzlichen Vorschriften eingeführt. 
Zu seinen Aktivitäten im Reichstag, immerhin war er von 1877 – 1884 Abgeordneter, finden sich nur wenige
Redebeiträge. In seinem letzen Amtsjahr hat er allerdings einen aussergewöhnlichen Beitrag geleistet: er stellt sich als Unternehmer gegen seine Kollegen, denen Profit vor Gesundheitsschutz geht. 

 

Am 28. April 1884 steht im Reichstag eine Debatte über Zündhölzer an. Der Abgeordnete Wilhelm Büchner ist gefragt: Zündhölzer sind ein wichtiges Produkt in seinem Wahlkreis „Darmstadt – Gross-Gerau“ , zu dem auch sein Wohnort Pfungstadt gehört. Es geht um die Frage, ob und wie sich die deutschen Produzenten der schwedischen Konkurrenz erwehren können: dort werden moderne Streichhölzer produziert, die, anders als die deutschen „Weißphosphorzündhölzer“, ohne gesundheitliche Gefährdung der Arbeiter*innen hergestellt werden. Erwartet wird, dass Büchner sich für Importbeschränkungen ausspricht; tatsächlich kritisiert er aber, dass die deutschen Fabrikanten weiter die Gesundheit der Arbeiter*innen ruinieren (Phosphornekrose ist eine schreckliche Krankheit, s.u.) statt auf die moderne und unschädliche Produktion umzusteigen. Dies müsse nun eben durch die Konkurrenz erzwungen werden. Mit anderen Worten; Unternehmer, die trotz möglicher Alternativen gesundheitsgefährdend produzieren, haben keinen Anspruch auf staatlichen Schutz.
Erst 1907 wurden die mörderischen Weißphosphorzündhölzer in Deutschland verboten.


Abgeordneter Büchner: meine Herren, ich erlaube mir, in dieser Frage, vorerst einmal einen kleinen, geschichtlichen Rückblick zu werfen auf die Entstehung dieser ganzen Industrie. Bekanntlich war in Württemberg, und zugleich in meinem Wahlbezirk Darmstadt, die Pflanzschule für die ganze Industrie, der Weißphosphorzündhölzer, sie hat sich von da weiter verbreitet und hat einen eminenten Aufschwung genommen, es ist kaum eine Industrie denkbar, die in wirtschaftliche Richtung von so großer Bedeutung war, die aber zugleich wieder bezüglich der Arbeiter so kolossale Nachteile mit sich geführt hat, wie gerade diese Industrie. Es lag deshalb vor allen Dingen Deutschland mit seiner entwickelten Zündholzindustrie ob, nach einem Mittel zu suchen, wodurch diese mit dieser Industrie verbundenen schwierigen Verhältnisse beseitigt werden konnten. Was ist aber geschehen? Während diese Fabrikation früher ganz immense Vorteile gehabt und bedeutendes Geld verdient hat, hat sie sich dann auf die geistig faule Haut gelegt, sie hat sich nicht bestrebt, das zu erreichen, was später die Schweden erreicht haben, und heute noch befinden wir uns auf demselben Stande, indem in Deutschland demBedürfnisse kaum annähernd entsprechend die Zündhölzer nach schwedischer Form dargestellt werden, als notwendig wäre, um den Weißphosphorzündhölzern entgegen treten zu können. Nun kommt die Regierung und macht den Vorschlag, dass doch ein Zoll erhoben werden soll auf die schwedischen, deren Vorteile eine außerordentliche Wirkung auf das ganze wirtschaftliche Leben bei uns haben, also da soll nun ein Zoll darauf gelegt werden.

Es wundert mich nach dem, was der Herr Regierungskommissar vorhin gesagt hat, in Bezug auf das Holz, dass er nicht unmittelbar daran geknüpft hat, man sollte die deutsche Industrie bei dem Wunsch, schwedische Zündhölzer darzustellen, dadurch begünstigen, dass man ihr auch das nötige dazu allein brauchbare Holz zollfrei eingehen lässt. Das war die eigentliche Aufgabe. Es wurde von ihm selbst zugegeben, und ich kann das nur bestätigen, dass in Süddeutschland das Espen- und Pappelholz kaum mehr aufzutreiben ist, dass man auch selbst überall die Pappelalleen eingehen lässt wegen der viele Nachteile derselben. Wenn also noch erst darauf gewartet werden soll, bis wir das betreffende Holz wieder aufs Neue ziehen, so müssen wir, um die Industrie zu unterstützen, vor allen Dingen das betreffende Holz, dass zu den Zündhölzchen dient, zollfrei eingehen lassen. Sie sehen hier aber wieder ein drastisches Beispiel, dass, wenn man systematisch nach irgendeinem bestimmten Zollschutz greift, man auch andere Industrien, denen man unter die Arme greifen will, systematisch damit ruiniert oder sie in Frage stellt.

(Sehr richtig! Links.)

Meine Herren, diese ganze Frage muss und kann nur von einem Gesichtspunkte ausgeleitet werden, und zwar dem, dass die Fabrikation mit weißem Phosphor so rasch als möglich unterdrückt werde. Gehen Sie, geben Sie uns billigeres Holz, und sie geben dadurch zu gleicher Zeit ein weiteres Mittel, dass die Weißphosphorfabrikation unterdrückt wird. Wenn die Konkurrenz gegen diese Zündholzsorten von außen durch schwedische Zündhölzer ungehemmt auftritt, dann haben sie das Mittel, dass endlich durchgreifend die schwedischen Zündhölzer in Deutschland werden, dargestellt werden. Aber sehen Sie einmal die Bestrebungen an, die in dieser Beziehung bestehen! Selbst in den größeren Fabriken ist man nur hier und da darauf gekommen, ähnliche Produkte herzustellen. Allerdings können Sie sagen, die kleine Hausindustrie ist das nicht im Stande, die kleine Hausindustrie soll begünstigt werden. Gut, wenn sie die schützen wollen, so komme ich auch auf das, was der Herr Regierungskommissar selbst gesagt hat, aber doch nicht eingeführt wissen will, zurück: dann geben Sie die schwedischen Zündhölzer frei und belasten Sie die Einfuhr, der Weißphosphorzündhölzer.

(Bravo! Links.)

(Verhandlungen des Reichstages. Bd. 75. 1884. Berlin 1884. 19. Sitzung am 28. April 1884. SS 359/360)

 

Ausführliche Beschreibung von Geschichte, Produktion und Risiken der Zündholzproduktion finden sich unter „Streichholz“ hier bei wikipedia. Mit dem Darmstädter Friedrich Moldenhauer stand Büchner in seiner Darmstädter Unternehmerzeit uind enger Verbindung. Das schließlich verabschiedete Gesetz findet sich hier. 

Von Peter Brunner

Das Programm im Büchnerland zum hessischen Tag für die Literatur „Stadt, Land, Fluss“ am Sonntag, dem 26. Mai 2019

Stadt.

Darmstadt: Literarisches Darmstadt-Frühstück

Darmstadt ist die erste Station der Stadt-Land-Fluss-Reise durch das Büchnerland: Wie sah die Stadt zur Zeit der Geschwister Büchner aus? Was hat das „Königreich Popo“ aus Georg Büchners Lustspiel „Leonce und Lena“ mit dem historischen Darmstadt zu tun? Darüber sprechen der Darmstädter Stadtarchivar Peter Engels und der Leiter des Goddelauer Büchnerhauses, Peter Brunner.

Musikalisch werden die beiden von Petra Bassus und Papa Legba’s Blues Lounge begleitet.

Um 12 Uhr fährt ein Sonderbus auf der Linie 40 (Büchnerlinie) nach Riedstadt ab, zu „Land“ und „Fluss“. Unterwegs gibt es Informationen zum Büchnerland und Musik.

Die Klause am Hauptbahnhof, 2013 als „Königreich Popo”

Eine Veranstaltung der Luise Büchner-Gesellschaft e.V. in Kooperation mit dem Büchnerhaus Riedstadt-Goddelau, dem Stadtarchiv Darmstadt, der BüchnerBühne Leeheim e.V., Papa Legba’s Blues Lounge und KLAUSE – Bier- und Wein-Garten und Zentrum der Initiative Essbares Darmstadt

10 – 12 Uhr | Eintritt frei| Klause am Hauptbahnhof Darmstadt | Am Fürstenbahnhof | 64293 Darmstadt

Land.
Riedstadt-Leeheim: Büchner-Matinee im Theater

Die BüchnerBühne ist die zweite Station der Stadt-Land-Fluss-Reise durch’s Büchnerland. Christian Suhr und Ensemble-Mitglieder präsentieren Büchners Bild vom Land: In Briefen und Dramentexten, die von der Verehrung der Elsässer Berge bis zur Verachtung der Gießener Niederungen reichen.

Petra Bassus und Papa Legbas Blues Lounge machen Musik.

Der Sonder-Bus der Linie 40 (Büchnerlinie) fährt um 14 Uhr weiter zum Büchnerhaus. Unterwegs gibt es Informationen zum Büchnerland und Musik von Papa Legba’s Blues Lounge.

Die Büchnerbühne als „Marktrufer” (Christian Suhr und Alexander Valerius)

Eine Veranstaltung der BüchnerBühne Leeheim e.V. in Kooperation mit dem Büchnerhaus Riedstadt-Goddelau, der Luise Büchner-Gesellschaft e.V. und Papa Legba’s Blues Lounge

12.30 – 14 Uhr | 7 € VVK |9 € TK | BüchnerBühne | Kirchstraße 16 | 64560 Riedstadt-Leeheim

Fluss.
Riedstadt-Goddelau: Vortrag, Musik, Bewirtung

Das hessische Ried zur Zeit der Büchners. Georg Büchners Geburtshaus am Altrhein bildet den Abschluss der Stadt-Land-Fluss-Reise von Darmstadt nach Riedstadt. Peter Brunner, Leiter des Büchnerhauses, spricht über die Lebensumstände am Ufer des Flusses am Anfang des 19. Jahrhunderts und über die Gestalt der Flusslandschaft vor der Rheinbegradigung am Kühkopf.

Die Fabelhafte Büchnerbande mit Petra Bassus, Heiner Dieckmann, Peter Brunner und Papa Legbas Blues Lounge tritt auf.

Dazu gibt es Kaffee und Kuchen.

Der Sonderbus der Büchnerlinie (Linie 40) fährt danach in 30 Minuten zurück zum Darmstädter Hauptbahnhof.

Museum Büchnerhaus. Georg Büchners Geburtshaus in Riedstadt-Goddelau

Eine Veranstaltung des Büchnerhauses Riedstadt-Goddelau und des Fördervereins Büchnerhaus e.V. in Kooperation mit: BüchnerBühne Leeheim e.V., Luise Büchner-Gesellschaft e.V. und Papa Legba’s Blues Lounge

14.30 – 17 Uhr | Eintritt frei | Büchnerhaus | Weidstraße 9 | 64560 Riedstadt-Goddelau

Peter Brunner

von Peter Brunner

Ultramarin-Broschüre jetzt auch als e-book

:

 

Die kürzlich erschienene Broschüre zur Pfungstädter Ultramaringeschichte ist jetzt auch als e-book lieferbar und über den obigen link ebenso verfügbar wie über den webshop Ihrer Buchhandlung.

 

Peter Brunner Peter Brunner

„ … und 9. October 1848 übernahm ich das Geschäft unter die Firma Wilhelm Büchner”*

In unserer kleinen Edition BüchnerLand erschien soeben:

 

…  Blau zu einem der ersten erfolgreichen Industrieprodukte aus Hessen-Darmstadt machte.

 

Die Pfungstädter „Blaufabrik” in ihrer größten Ausdehnung um 1890

Der Autor:

Dr. rer. nat. Dr.phil. Hans Hermann Rump, geb. 1945, promovierte 1975 in Köln über „Schadstoffe in Gewässern“, arbeitete in verschiedenen Unternehmen im Bereich Umwelttechnik, war zuletzt bei der KfW Bankengruppe Frankfurt/M als Sachverständiger für Umweltfragen zuständig, seit 1997 Honorarprofessor für Wasser- und  Bodenbelastung an der TH Aachen, studierte seit 2003 an der Goetheuniversität Frankfurt Mittlere und neue Geschichte und promovierte dort erneut 2017 über „Die Geschichte der Jahrringforschung und Dendrochronologie“.

 

Etiketten für Büchners weltweit erfolgreiches Wäscheblau: 

                  

          

Zur Entstehung der Arbeit schreibt Hermann Rump:

„Die Idee zu diesem Beitrag entstand nach einem Theaterbesuch in der Büchnerbühne in Riedstadt-Leeheim. Mein Freund Bodo Gollhardt, der während der Ausarbeitung des Textes leider verstarb, war als Diskussionspartner bei Textentwurf und Materialsichtung eine wertvolle Hilfe. Besonderer Dank gebührt Peter Brunner für wichtige Hinweise und die Bereitstellung von Bildmaterial.”

Das Bändchen lässt sich oben per Knopfdruck, aber besonders gerne auch in jeder lieferbereiten Buchhandlung zum Preis von 10 € beziehen; hier die Informationen zum ebenfalls erschienenen e-book. 

* Wilhelm Büchner, „Familiennotizen”. Unveröff. Manuskript

von Peter Brunner

 

Peter Brunner Peter Brunner

„ …ich mit dir über dein ferneres Gedeihen der Zukunft beruhigt entgegen sehen darf”*

Für die Kreisvolkshochschule Gross-Gerau biete ich in den nächsten Monaten, beginnend am 5. Februar,  eine Reihe von Abendveranstatungen an, bei denen sich Interessierte in kommunikativer Runde mit Leben und Werk von Georg Büchner und seinen Geschwistern – der „fabelhaften Büchnerbande” … – vertraut machen können.

 

Im Büchnerhaus

„Gemeinsam an einem Tisch” heißt die Installation im ersten Raum des Goddelauer Büchnerhauses, wo sinnbildlich auf den ungewöhnlich engen Zusammenhalt der Büchner-Geschwister hingewiesen wird. Der oft als streng beschriebene Vater Ernst Büchner war in Wahrheit ein ungewöhnlich interessierter und seinen Kindern zugewandter Vater, von dem überliefert ist, dass er den täglichen Austausch mit ihnen suchte und forderte.

Mit jedem einzelen der Kinder hatte er Sorgen und Mühen, die andere schon bei einem Kind weit überfordert hätten: nach Georgs dramatischer Verwicklung in die Landbotenverschwörung, Flucht, Exil und frühem Tod scheiterte der nächste Sohn, Wilhelm, am Gymnasium und wurde später auch noch der Gießener Universität verwiesen. Die beiden Töchter Mathilde und Luise blieben, eine Katastrophe für einen bürgerlichen Vater des 19. Jahrhunderts, unverheiratet. Ob Luises Einsatz für Frauenrechte und Mädchenbildung, ihre Pubikationen und Vorträge ihn später dafür entschädigt haben, wissen wir nicht. Die jüngeren Söhne trieben 1848 Revolution in Gießen (der Vater erklärt öffentlich, entsprechende Gerüchte seien falsch und er werde Verleumder zum Duell fordern!), in die Auseinandersetzungen um das Ende der Paulskirchendemokratie an der Bergstraße machte Alexander 1849 mit der Schwester Mathilde einen „Pfingstausflug”, bei dem er verhaftet wird, Ludwig wurde für sein erstes Buch in Tübingen die Lehrerlaubnis entzogen, Alexander verlor als Verschwörer den „Access” als Jurist, er erhielt Berufsverbot. Ob und wie der Vater die spätere Prominenz seiner anstrengenden Kinder geschätzt hat, ob er stolz auf sie war – wir wissen es nicht. Häufig gedeutet und meist als Zeichen von kühler Distanz (miß)verstanden ist der einzige * Brief an eines seiner Kinder, den wir kennen: der vom 18.12.1836 an Georg in Zürich. 

Ein neues Licht auf Leben und Persönlichkeit der Mutter Caroline (geb. Reuss) wirft ein Fund, über den hier bei Gelegenheit (und natürlich bei den angekündigten Treffen) ausführlicher zu berichten sein wird: der Sohn ihres Cousins Johann Bechtold, Carl, hat ein bisher völlig unbekanntes, ausführliches Tagebuch hinterlassen, das eine Nachfahrin sorgfältig transkribiert und ediert hat. Carl war offenbar heilfroh, dass er, was wohl überlegt worden war, die von ihm als hypochondrisch beschriebene Verwandte an Ernst Büchner los wurde …

 

Die Galerie am Büchnerhaus, der frühere Kuhstall des Anwesens. Heute Veranstaltungsraum. Im ersten Stock Museums- und städtisches Kulturbüro.

 

Ohne Frage sind die Büchners im 19. Jahrhundert ebenso außergewöhnlich wie exemplarisch gewesen: außergewöhnlich als berühmte Geschwister, exemplarisch für die Themen, mit denen sie sich beschäftigten. Kommunismus, Sozialismus und Materialismus, Frauenrechte und Industrie, soziales Engagement und liberale Politik, Literatur und Geschichte, Kommunal-, Landes- und Staatspolitik haben sie betrieben und beeinflusst. Karl Gutzkow nennt sie „ … von demselben göttlichen Feuer ergriffen”. Bei den Treffen bietet sich daher neben der Bekanntschaft mit außergewöhnlichen Hessen und ihrer persönlichen Geschichte auch ein besonderer Blick auf die Geschichte von Land und Leuten im 19. Jahrhundert.

Die Treffen finden in der Galerie am Büchnerhaus statt und bieten neben Information und Austausch auf Wunsch stets auch den Besuch des Museums als Ergänzung. Die Volkshochschule bittet um Anmeldung, am einfachsten hier via Internet.

Im „Flyer” finden sich alle erforderlichen Informationen:

 

 

 

 

 

 

von Peter Brunner

 

Peter Brunner

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