„Wenn Du hörst daß hier das Nervenfieber grasierte, so ängstige Dich nicht, es ist nicht so arg, als es die Leute machen, es sind zwar schon viele Menschen daran gestorben. Kürzlich starben aus einer Familie drei jungen Leute. Zwei Söhne und eine Tochter, sie wurden an einem Tage begraben, und gestern soll auch die Mutter gestorben sein.“ (Caroline Büchner an ihren Sohn Georg, Darmstadt, 30. Oktober 1836)
Es ist der erste April, und ich bin bereits mehrfach darauf angesprochen worden, wo denn, nach meinen stets freundlich aufgenommenen Aprilscherzen der vergangenen Jahre, zuletzt zum angeblichen Fund des Druckstocks des Hesssichen Landboten, der diesjährige Beitrag bleibe.
Er bleibt einer besseren Zeit vorbehalten – geplant war, dies sei angekündigt, der Fund des „Dolchmessers“, das Alexander Büchner Pfingsten 1849 bei sich trug und das seine „stets besonnene” Schwester Mathilde „ins tiefe Gestrüpp” geschleudert hat.
Stattdessen heute nur ein Bild von den wunderschönen Kopfweiden, die in der Büchnerstadt erhalten und gepflegt werden. Sie stehen auf der Halbinsel Kühkopf, zu Georg Büchners Goddelauer Zeit noch auf der linken Rheinseite, heute, nach der Rheinbegradigung von 1829, Teil der Gemarkung des Riedstädter Stadtteils Erfelden.
Walter Renneisen hat einmal darauf hingewiesen, dass genau so der Ort „Freies Feld. Die Stadt in der Ferne“ aussieht, an dem Andres und Woyzeck Stöcke im Gebüsch schneiden. Jetzt, im frühlingshaften Licht und mit frischem grünen Laub eine wahre Idylle, aber in einem feuchten, nebligen und kalten Herbst kann der gleiche Blick Erschreckendes offenbaren. Dann ist es „Still, Alles still, als wär die Welt todt.”
Büchnerhaus und Büchnerbühne sind Opfer der Virusprophylaxe – Museum und Bühne sind bis auf weiteres geschlossen.
Auch die Lesung von Lukas Bärfuss, auf die wir uns sehr gefreut haben, mussten wir leider absagen.
Wir wollen versuchen, in den nächsten Tagen unserem Motto mindestens virtuell gerecht zu bleiben: „BÜCHNER FINDET STATT”
Bitte bleiben Sie uns verbunden – gerne biete ich gerade jetzt an, Beiträge, Hinweise, Recherchen oder Fragen, die uns in Sachen Büchner weiterbringen könnten, hier zu veröffentlichen und zur Diskussion zu stellen.
2018 haben sich die Stadt Darmstadt und der Förderverein Büchnerhaus darauf verständigt, dass Blumengrüße auf Büchners Grab künftig zum Geburtstag aus dem Geburtsort und zum Todestag aus der Wissenschaftsstadt, in der Georg Büchner aufwuchs, kommen sollen.
Für das Büchnerhaus hat Daniel Rohr, der umtriebige Impressario des Theaters Rigiblick in Zürich, freundlicherweise die Organisation in der Schweiz übernommen.
In diesem Jahr tat er ein Übriges: er konnte den hochgeschätzten und liebenswürdigen Büchnerpreiträger Adolf Muschg gewinnen, zu Büchners Geburtstag ans Grab zu kommen.
Im Museum Büchnerhaus läuft das Video „Ein Büchner der Regisseure, Schauspieler, Autoren“. Muschg sagt dort: Büchner war „ein Shakespeare, gekreuzt mit einem unglaublich eleganten lateinischen, griechischen Poeten“.
Unsere Freunde von der BüchnerBühne haben das Video, das Brigitta Stahel vom Theater Rigiblick freundlicherweise für uns aufgenommen hat, hier auf ihrem youtube-chanel eingestellt.
Adolf Muschg und Daniel Rohr an Georg Büchners Grab
BüchnerBühne und Büchnerhaus laden ein zu Georg Büchners Geburtstag am 17. Oktober
O
Valerio, ich bin so jung, und die Welt ist so alt
Anlässlich
seines 206. Geburtstags ehren wir unseren Namenspatron Georg Büchner
mit einer musikalischen Reise durch dessen Lebensstationen und Werk –
mit neuen Liedern und Songs im modernen Gewand auf Basis seiner
Briefe und poetisch zeitlosen Theatertexten.
Besetzung:
Oliver Kai Müller, Mélanie Linzer, Bastian Hahn, Vincent Hoff,
Hannah Bröder, Alexander Valerius Conference:
Peter Brunner
Leitung:
Christian
Suhr
Spieldauer: 85 Minuten
Sonntag,
27. Oktober, 18 Uhr, Kunstgalerie am Büchnerhaus, 8 €
Lucia
Bornhofen: Mit Mark Twain durch Europa
Benefiz
zugunsten des Fördervereins Büchnerhaus
Mark
Twain war Mitte Vierzig, als er sich zum zweiten Mal auf die lange
Reise zum „alten Kontinent“ begab. Mehr als ein Jahr verbrachte
er in Deutschland, der Schweiz, Italien und London und im Jahr
darauf, 1880, erschienen seine Reiseeindrücke „A Tramp abroad“
(zu Deutsch „Bummel durch Europa“). Darin schildert er, der die
Sitten und Gebräuche sehr genau beobachtet hatte, seine Erlebnisse
unvoreingenommen, voller Staunen und zum Teil hochkomisch. Lucia
Bornhofen hat die wunderlichsten, unterhaltsamsten Stücke aus diesen
Twainschen Reiseeindrücken zusammengestellt und bringt sie in
gewohnt gekonnter Art und Weise zu Gehör – und natürlich weiß
sie auch wieder viel über Herrn Twain selbst zu berichten.
Lucia Bornhofen ist Buchhändlerin in Gernsheim. Seit vielen Jahren unterstützt sie das Büchnerhaus mit einer Benefizpräsentation ihres literarischen Programms, das sie erfolgreich in der ganzen Bundesrepublik präsentiert.
Donnerstag, 14. November , 19 Uhr, Kunstgalerie am Bücherhaus, 8 €
Andreas
Eikenroth: Büchners Woyzeck als Comic
Pedro
Hafermann / Esra Schreier: „Bist Du’s, Franz?“
„Eine
graphische Inszenierung“ nennt der Gießener Bühnentechniker und
Comicautor Andreas Eikenroth seinen Comic. Stilistisch geschult und
orientiert an Jeanne Mammen und George Grosz hat er eine sehr eigene
Interpretation des berühmten Dramas vorgelegt. Seit dem Erscheinen
in der „Edition 52“ hat der Band große Aufmerksamkeit erzielt.
In der Galerie wird er Originale seiner Arbeit zeigen, seine
besondere Form der Auseinandersetzung mit Büchners „Woyzeck“
schildern und im Gespräch mit dem Museumsleiter Peter Brunner
darüber nachdenken, was Comic-Adaptionen für den Umgang mit
Literatur bedeuten.
„BIST
DU’S, FRANZ?“
„Dass
die Männer ein’n immer so stehe lasse, so ganz allein mit die
schlechte Gewissen.”
Dies
ist die Geschichte von Marie. Frei nach Büchner und mit seiner
Sprache wird die brüchige Liebe zwischen ihr und Franz Woyzeck in
kurzen, fast alltäglichen Dialogen neu ausgelotet. Text: Pedro
Hafermann. Es lesen Esra Schreier und Pedro Hafermann
Andreas Eikenroth kommt aus Gießen, hat dort in den 1990er Jahren das Comicmagazin „the Kainsmal“ mitbegründet. Darauf folgten einige Veröffentlichungen im Eigenverlag (u.a. „Tage wie Blei“ nach der Kurzgeschichtensammlung „Ohne Amok“ von Paul Hess). 2013 erschien „Die Schönheit des Scheiterns“ bei der Edition 52, wofür es im 2014 den ICOM Preis für das beste Szenario gab, gefolgt von der Graphic Novel „Hummel mit Wodka“. Die „Woyzeck“ Adaption nach dem Dramenfragment von Georg Büchner ist sein neuestes Werk.
Donnerstag,
21. November, 19 Uhr, Kunstgalerie am Büchnerhaus, 8 €
Andel
Müller: Die Adepten. Aus der Reihe „Zeitgenossen“
Mit
freundlicher Unterstützung der Hessischen Landeszentrale für
politische Bildung
Vielleicht
ist die Wirkung auf aktuelle Literatur die wichtigste Form von
„literarischem Erbe“ überhaupt, und Georg Büchner, dessen
Zeitgenossen die Veranstaltungsreihe vorstellt, wurde für viele noch
lange nach seinem Tod „Zeitgenosse“ in dem Sinn, dass er als
aktueller Autor verstanden wurde.
Georg
Büchners großer Einfluss auf die deutsche Literatur zu Beginn des
20. Jahrhunderts ist unbestritten und offensichtlich: die Autor*innen
der Jahrhundertwende von Frank Wederkind über Franz Werfel bis zu
Stadler, Trakl und Toller haben ihren Blick auf den „gemeinen Mann“
an Büchner geschult. In der Gegenwart bietet das zeitlose Werk
Büchners Anknüpfungs- und Reibungspunkte. Bert Brecht und Heiner
Müller, Hans-Magnus Enzensberger und Alexander Kluge haben sich an
Büchner abgearbeitet, einige Büchnerpreisträger*innen haben
großartige Beiträge in ihrer Dankesrede geliefert.
In
Darmstadt sind es die Autoren der „Dachstube“, für die Büchner
prägend wird: Theo Haubach und Carlo Mierendorff, Kasimir Edschmid,
Hans Schiebelhuth und Fritz Usinger verstanden sich als Büchners
Enkel – Büchners Großneffe Anton ging mit ihnen zur Schule.
Andel
Müller war mehr als dreißig Jahre lang Deutschlehrer am
Max-Planck-Gymnasium in Gross-Umstadt, über 15 Jahre lang Leiter des
Darmstädter Literaturhauses. 2018 erschien sein autobiographischer
Roman „Rockin‘ Rausch“.
von Peter Brunner
Innenminister Peter Beuth überreicht Urkunde für Büchnerstadt Riedstadt
Zum „Büchnerfrühstück” am 13. August sind viele Freundinnen und Freunde von BüchnerBühne und BüchnerHaus gekommen, um mit uns zu feiern, dass das Land Hessen unsere Arbeit anerkennt und schätzt.
Die Stadt hatte eingeladen und ließ sich nicht lumpen – schon vor den feierlichen Reden gabs Essen und Trinken satt, zwar weder Melonen noch Feigen wie zum Schluß von Leonce und Lena, aber es ging ja auch nicht ums Happy End.
1997 erschien im Jonas-Verlag „Ein Haus für Georg Büchner“, herausgegeben von zwei unersetzlichen Freunden und Unterstützern des Büchnerhauses, Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz. Das schöne Bändchen ist auch eine Art Festschrift zur Eröffnung des Museums in Georg Büchners Geburtshaus. Nicht zuletzt ihrer Freundschaft und Unterstützung ist es zu verdanken, dass Riedstadt mittlerweile auf der literarischen Landkarte unübersehbar geworden ist. Die Verleihung der Bezeichnung „Büchnerstadt“ durch den hessischen Innenminister ist ein weiterer Schritt dahin, den unsterblichen Georg Büchner dort jederzeit auffindbar zu machen, wo Museum und Bühne stets auf seine Aktualität und Bedeutung weisen.
Unter den Gästen der Büchnerstadt-Verleihungsfeier war auch die frühere hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Ruth Wagner. Wagner, geboren in einfachen Verhältnissen im heutigen Riedstadt-Ortsteil Wolfskehlen, erhielt als Mädchen die außergewöhnliche Gelegenheit, das Gymnasium im nahegelegenen Gernshein zu besuchen. Ihr Schulweg, sie erzählt das oft und gerne, führte am Goddelauer Büchnerhaus vorbei. Als Siebzehnjährige schrieb sie über Büchner – „sehr gut, was den Inhalt betrifft, aber stilistisch nicht ganz gelungen” urteilte der Lehrer. Ein Urteil, das nicht nur Politiker*innen allemal besser ansteht als Lob für blendende Pointen.
Ruth Wagner (rechts) neben Innenminister Beuth und Bürgermeister Kretschmann
Ruth Wagner hat einen wichtigen Anteil an der öffentlichen Wahrnehmung des Büchnerhauses als bedeutender Erinnerungsort, und dass sie heute „einen ,Out-standing Universal Value‘ …, also einen außergewöhnlichen universellen Wert im Sinne der Unseco-Welterbekonvention” sieht und schließt „Die Bewerbung als Weltkulturerbe muss daher der nächste Schritt sein!“ nehmen wir gerne als Ansporn, auch wenn uns der gute alte Tucholsky-Satz „Ham’ses nich ne Nummer kleiner?” in solchen Fragen Motto bleibt …
Dass sich das auch in Cent und Euro darstellt, ist immerhin im Koalitionsvertrag der hessischen Landesregierung angekündigt. Der Gross-Gerauer Landrat Will konnte in der Rolle des Onkels auftreten, der was mitgebracht hat: der Kreisaussschuss hat bereits in diesem Jahr 60.000 € überwiesen – damit kann zum Beispiel das Bücherhaus seitdem statt an zwei an vier Wochentagen regelmäßig öffnen.
Landrat Thomas Will beim GrußwortLandrat Thomas Will, Bürgermeister und Büchnerhaus-Fördervereinsvorsitzender Marcus Kretschmann, Museumsleiter Peter Brunner, Innenminister Peter Beuth, Theaterleiter Christian Suhr, MdL Ines Claus
„Büchner hält das aus“ hat schon 2013, als die Phantasien, wie Büchners Jubiläen zu gedenken wäre, Kobolz schlugen, der kluge Echo-Journalist, unser Freund Johannes Breckner, gesagt.
Büchners Hinterlassenschaft und unsere Auseinandersetzung damit ist und bleibt Garant und Nagelprobe dafür, im Museum Büchnerhaus und auf der BüchnerBühne Inhalt stets über Stil zu stellen.