Eine Zahl als Antwort auf die wichtigsten Fragen des Lebens ist ja keine wirklich prickelnde Neuigkeit. In der fast unendlichen Büchner-Biennale kommt das allerdings zum ersten Mal vor und soll erklärt werden.

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Georg Büchners Frauen
19,90 € 272 Seiten
ISBN 978-3-423-28018-1

21 Frauen findet Jan-Christoph Hauschild nach umfassender Recherche in Georg Büchners Leben und Werk – 1o reale und 10 erfundene. Eine elfte, Friederike Brion, war zwar eine reale Person, hat aber Georgs Leben nur noch als Legende gestreift. Die Sessenheimer Pfarrerstochter, die Goethe vorübergehend liebte und nach der sich Lenz verzehrte, und die damals aktuelle Begierde nach ihren Lebens- und Liebesumständen ist nach Hauschilds Ansicht verantwortlich für den einzigen Prosatext aus Büchners Hand, den Lenz.

Hauschild schreibt:

„Die Elsass-Episode im Leben des Dichters bot Büchner Stoff für eine faktengestützte Erzählung, die zugleich Fallstudie eines künstlerischen, psychischen und damit auch sozialen Grenzgängers sein sollte. Geplant war, den Bogen von Lenz‘ Ankunft in Straßburg 1771 und seiner Tätigkeit  als Schriftführer bei der dortigen literarischen Gesellschaft bis zur Verbringung aus dem Elsaß im Februar 1778 zu spannen. Obgleich die Dreiecksgeschichte Goethe -Friederike – Lenz die Gefahr einer Schlüssel- oder Klatschnovelle barg, hätte die Beziehung zu Friederike Brion im Mittelpunkt gestanden.

Der Text blieb unvollendet; überliefert sind nur die Ausarbeitungen zum Schluss, die teilweise nicht über das Entwurfsstadium hinausgelangt sind.“ (S. 165)

Hauschild ist ein souveräner Kenner, der nicht nur hier mit klaren Worten Position bezieht. So wird die – zu Recht – als Pretiose im Schatzkästlein Deutscher Literatur gepriesene „Novelle” Lenz auf den Boden der Tatsachen gestellt.

Andere Veröffentlichungen der letzten Monate lassen vermuten, die wichtigste Frage zu Georg Büchners Leben und Werk sei die nach Anzahl und Frequenz seiner Geschlechtsverkehre. Hauschild weicht dem nicht aus. Im Vorwort nimmt er sich einige der Sexual-Phantasten vor, widerlegt sie knapp, aber deutlich, um zu schließen:

 

Auch die detailversessene biografische Forschung hat nur bestätigen können, was schon seit 1837 bekannt war: Dass sich nämlich Büchner im ersten Jahr seines Studiums in Straßburg „mit der Tochter des Pfarrers an St. Wilhelm, Johann Jakob Jaeglé, verlobte”, welche „durch Geist und Herz in jeder Beziehung seiner würdig war“. So steht es im Nachruf, den ihm sein Freund Wilhelm Schulz gewidmet hat. Wilhelmine Jaeglé also war die Frau an seiner Seite. Und dabei sollte, wer nicht selbst an einer sexuellen Obsession leidet, es belassen. Spannender und nutzbringender ist die Frage nach Georg Büchners Frauenbild, wie es uns in seinen Dichtungen entgegentritt. (S. 14) 

Und diese Aufgabe wird gründlich angegangen. Jedes Kapitel widmet sich, mit einer Ausnahme bei den „Danton-Frauen” Adelaide und Rosalie, denen ein gemeinsames Kapitel gilt – jeweils einer Frau, ihrem Leben bzw. ihrer Rolle. Hauschilds rigoroses Programm, in Abgrenzug zu anderen Büchner-Biographen alleine die Fakten sprechen zu lassen, macht die Frauen-Skizzen allerdings manchmal bedauernswert knapp. Caroline Sartorius/Schulz beispielsweise, 1801 in Darmstadt geboren, Begleiterin und Pflegerin in Büchners letzten Stunden, mutige Befreierin ihres Mannes Wilhelm aus der Haft in Babenhausen und dessen tapfere Mitexilanten in Straßburg und Zürich, kommt – deshalb? – leider sehr kurz.

Seine Erkenntnisse über Minna Jaeglé, der zu Recht mit 60 Seiten das umfangreichste Kapitel gewidmet ist, trug Hauschild bereits im November in Darmstadt vor, ich habe hier darüber berichtet.

Hauschilds Vorwort endet:

 „Wie sich aber Dichtung und Wirklichkeit zueinander verhalten, ist in diesem Umfang bisher noch nicht untersucht worden.“

Nach gerade einmal 255 Seiten und einem überschaubaren Anhang aus Literaturhinweisen lässt Hauschild selbst belesene Büchner-Kenner nicht ohne neue Erkenntnis und legt gleichzeitig ein Buch vor, dass sich von ganz neuer Perspektive aus durchaus auch als „EinsteigerInnenlektüre” eignet – ließe sich das doch über mehr Büchner-Bücher sagen!

 

Am Donnerstag, dem 18. Juli,

stellt er das Buch, eingeladen von

der Luise-Büchner-Gesellschaft,

im Rahmen von Büchner200 um 19 Uhr

in der BüchnerBox

am Darmstädter Hauptbahnhof vor.

Hier gibts

weitere Informationen und Tickets.

 

Andreas Müller hat das Buch hier am 21. Juli für das Darmstädter Echo besprochen.