Peter Brunners Buechnerblog

Kategorie: Georg Büchner (Seite 5 von 46)

Die nächsten Veranstaltungen im Büchnerhaus

„Kleidung, Freiheit, Identität“ heißt die Überschrift zu Veranstaltungen des Zusammenschlusses „Geist der Freiheit“ in der Kulturregion Frankfurt[BP1] , bei dem das Büchnerhaus mitarbeitet.

Zum Thema spricht am

Donnerstag, dem 5. März 2020 um 19 Uhr in der Kunstgalerie am Büchnerhaus

Elsbeth Wallnöfer (Wien):

Elsbeth Wallnöfer
(c) privat

„Geziert mit rother Jakobiner-Mütze, Im Polen-Rock, schritt stolz er durch die Strassen“

Kleidung als Programm – von Georg Büchner bis Carola Rackete

Kleidung ist viel mehr als nur den klimatischen Gegebenheiten angepasste Körperbedeckung. Vom Hermelin des Herrschers bis zur Parka der „68er“, vom „Polenrock“ als Ausdruck der Sympathie mit den polnischen Aufständischen von 1833 bis zum „Pali-Tuch“ der rebellischen europäischen Jugend hat sie stets Haltung vermittelt. Elsbeth Wallnöfer begibt sich auf die Spuren unserer Kostümierung und bietet Orientierung im Kleiderschrank der Widerspenstigen.

Elsbeth Wallnöfer (Jahrgang 1963) ist Volkskundlerin und Philosophin. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Heimat und forscht zum Phänomen der Tracht. Daraus ergaben sich zahlreiche Veröffentlichungen, zuletzt erschien „Heimat – Ein Vorschlag zur Güte“ (Haymon-Verlag).

Karten gibt’s im Vorverkauf über unseren Partner Reservix

Und auch 2020 kommt der vorjährige Büchnerpreisträger ins Büchnerhaus –

Lukas Bärfuss liest

vorerst nicht

auf der BüchnerBühne in Riedstadt-Leeheim –

wegen der Virusprophylxe mussten wir alle Veranstaltungen und die Museumsöffnung bis vorerst zum 30. April einstellen.

Lukas Bärfuss
(c) Stefano di Marchi

Es ist zur guten Übung geworden, dass die Büchnerpreisträger*innen des Vorjahres auf Einladung der Büchnerstadt Riedstadt Georg Büchners Geburtshaus besuchen und dort eine Lesung abhalten.

2020 gibt es gleich zwei gute Gründe dafür, dass die Lesung nicht in der Kunstgalerie am Büchnerhaus, sondern auf der BüchnerBühne stattfindet: Haus und Bühne kooperieren künftig eng miteinander und koordinieren daher ihre Veranstaltungen systematisch. Daher wird Lukas Bärfuss am Nachmittag vor der Lesung das Büchnerhaus zu besuchen und die spätere Lesung dann in Leeheim zu halten. Darüber hinaus ist Lukas Bärfuss ein wichtiger Theaterautor, und wo sollte der auftreten, wenn nicht auf den Brettern, die die Welt bedeuten?

In seiner Rede zum Büchnerpreis hat Bärfuss Büchner an einem zentralen Punkt getroffen und abgeholt. Er sagte: „Und es ist diese Frage, die mich mit Georg Büchner verbindet. Was das denn sei, was in uns lügt, stiehlt, hurt und mordet, fragt der Revolutionär Georges Danton, …Aber nein, so weit sollten wir seither gekommen sein seit Büchner, dieses »das« in jener Frage, es ist nicht in uns, es ist zwischen uns, vor uns, es ist da, man kann es lesen, man kann es hören, es ist in den Beschlüssen, den Anordnungen, den Dienstvorschriften, den Funktionszusammenhängen, den Einreiseformalitäten, den Fahrplänen, den Beförderungsbestimmungen.“

Kaum eine Stelle in Büchners Werk drückt so sicher auch seine eigene Haltung aus und führt uns so nahe in seine Werkstatt: bevor Danton die Frage stellt, stellt sie Büchner selbst, seine Lebensfrage, im Brief an die Geliebte. Er zitiert sich selbst, wenn er Danton das fragen lässt, und die Frage hat weder den Dichter noch den Naturwissenschaftler je losgelassen.

Lukas Bärfuss, 1971 in Thun in der Schweiz geboren, ist Autor von 25 Stücken, drei Romanen und einigen Essays und Erzählungen. Der Büchner-Preis-Juror Ernst Osterkamp sagte über ihn: „Er ist jemand, der mit äußerster Sensibilität insbesondere die politischen Entwicklungen und das sind vor allen Dingen auch mediale Entwicklungen in seinem Heimatland, in der Schweiz, beobachtet und sie mit einer gewissen Fähigkeit zur stilistischen Rücksichtslosigkeit zu kommentieren in der Lage ist.“

Hier gibt’s (noch) Eintrittskarten


 [BP1]

Peter Brunner

von Peter Brunner

Büchner findet statt!

Nach all den Weihnachtswünschen und Rückblicken auf das vergangene Jahr hier stattdessen zum Jahresbeginn ein kleiner Ausblick von mir in Sachen Büchner – unvermeidlich beeinflusst vom Vergangenen.

Zum ersten Januar 2020 liegt ein gemeinsames Veranstaltungsprogramm von BüchnerHaus und BüchnerBühne vor – dieser scheinbar kleine Schritt für die Gestaltung ist in Wirklichkeit ein großer Schritt vorwärts zu intensiver Kooperation. Tatsächlich listet das Leporello auf, wann wo welche Veranstaltungen von uns angeboten werden, Kooperation im wörtlichen Sinn ist (noch) kaum wahrzunehmen. Immerhin ist „Die Welt so alt“ (am 23.2. und am 14.3. auf der BüchnerBühne) in Zusammenarbeit von Christian Suhr mit mir entstanden, und wenn es die Termine zulassen, werde ich da auch wieder die Texte zur Biographie Georg Büchners als Moderation sprechen wie zur Erstaufführung an Georg Büchners Geburtstag im Oktober.

Auf Einladung der Büchnerstadt Riedstadt liest der Büchnerpreisträger von 2019, Lukas Bärfuß, am Samstag, dem 21. März, aus seinem Werk. Wir haben ihn eingeladen, am Nachmittag das Büchnerhaus zu besichtigen und dabei unsere Vereinsmitglieder zu treffen, bevor wir dann gemeinsam zur BücherBühne fahren, wo die Lesung stattfinden wird. Das soll auch den Dramatiker Bärfuß würdigen – wo, wenn nicht auf der Bühne …

Ins Büchnerhaus kommt zum ersten Vortrag am 23. Januar 2020 der Frankfurter Germanistikprofessor Roland Borgards, der zugleich designierter Leiter der Forschungsstelle Georg Büchner und der neue Vorsitzende der Georg Büchner Gesellschaft ist. Er wird über einen seiner Forschungsschwerpukte sprechen: „Von Fledermäusen, Grasmücken und Nachtigallen. Büchners Bestiarium und die Tiere der Romantik“, und natürlich wird er vorher das BücherHaus besuchen. Wir setzen darauf, dass das die von Anfang an bestehende enge Verbindung der Büchnerstadt mit den beiden akademischen Einrichtungen weiter festigt und verstärkt.

Die Kunstgalerie am Büchnerhaus, unser Vortragsraum im ehemaligen Kuhstall des Anwesens, zeigt in den nächsten Monaten zwei ganz unterschiedliche Werke: ab dem 19. Januar Skizzen, Vorzeichnungen und Originale des Gießener Künstlers Andreas Eikenroth zu dessen Woyzeck-Comic, der ganz zu Recht mit besten Kritiken besprochen wurde und den er bei einer sehr schönen Veranstaltung am 14.11. präsentiert hat. Er hat mir kürzlich mitgeteilt, dass er an einem weiteren Büchner-Werk arbeitet; mit einigem Glück dürfen wir auf einen Lenz-Comic von ihm hoffen!

Zu Ende März hat dann unser Freund Mario Derra, der Graphiker, Typograph und Bewahrer der Lithographie, zugesagt, seine neuen Lithographien zu Leonce und Lena zusammen mit neuen Bronzearbeiten zu präsentieren. Das wird unter anderem für diejenigen spannend, denen die wunderbaren Holzschnitte von Leo Leonhardt zu Leonce und Lena noch präsent sind, die wir bis zum Winter gezeigt haben.

Das Büchnerhaus ist schon lange in enger Kooperation mit „Geist der Freiheit“ , dem Zusammenschluss von Orten unserer Demokratiegeschichte in der „Kulturregion Frankfurt“. Es war leicht, zum diesjährigen Thema „Kleidung“ einen Anknüpfungspunkt zu finden: weil es immerhin ein paar Hinweise über Georg Büchners gelegentlich provokante Kleidung gibt, und weil wir schon lange gut mit einer Forscherin bekannt sind, die zu diesem Thema arbeitet: Elsbeth Wallnöfer aus Wien hat vor einiger Zeit vor der Darmstädter Luise Büchner-Gesellschaft über ihre Forschung zum „Dirndl“ gesprochen und kommt nun zum Thema „Kleidung als Programm“ am 5. März ins Büchnerhaus: „Geziert mit rother Jakobiner-Mütze im Polen-Rock, schritt stolz er durch die Strassen“ heißt ihr Vortrag, den sie so ankündigt: „Kleidung ist vielmehr als nur den klimatischen Gegebenheiten angepasste Körperbedeckung. Vom Hermelin des Herrschers bis zur Parka der „68er“, vom„Polenrock“ als Ausdruck der Sympathie mit den polnischen Aufständischen von 1833 bis zum „Pali-Tuch“ der rebellischen europäischen Jugend hat sie stets Haltung vermittelt.“ Wir warten gespannt auf den Vortrag (und hätten nichts dagegen, wenn an dem Abend unsere Gäste „programmatisch gekleidet“ kämen … ).

Elsbeth Wallnöfer wird auf unsere Vermittlung hin bereits am Vortag für die Volkshochschule ihr neuestes Buch „Heimat. Ein Vorschlag zur Güte“ vorstellen.

Für die kommenden Monate arbeiten wir intensiv an einer Veranstaltungsreihe zu einem Ereignis, das als Jubiläum bisher kaum Wellen schlug: 2020 jährt sich die Inkraftsetzung der ersten hessischen Verfassung zum zweihundertsten Male. Die Ambivalenz dieses Gesetzes wollen wir beleuchten. Es wurde einerseits vom Fürsten oktroyiert, bot aber andererseits so bemerkenswerte Garantien wie „Jeder Hesse ist vor dem Gesetz gleich“, es war sowohl die Verfassung, die Friedrich Weidig seinen Schülern zum Auswendiglernen aufgab, andererseits aber auch die, unter der er im Gefängnis ums Leben kam und die Büchner ins Exil zwang. Das wird überraschend aktuell, wenn Parallelen zu heutigen Volksbeglückern hergestellt werden. In China und in den USA, in Polen und in Ungarn stellt sich plötzlich wieder die Frage, ob nicht „ein guter König“ viel besser und effektiver Glück und Wohlstand fürs Volk schaffen kann als mühselige republikanische Anstrengungen um Konsens und Mehrheit. Wir wollen diese Frage Historiker*innen und Verfassungsrechtler*innen stellen und den Versuch unternehmen, ihre Erkenntnisse mit Schauspieler*innen, Autor*innen und bildenden Künstler*innen in künstlerische Ausdrucksformen zu vermitteln. Ganz getreu Georg Büchners Anspruch:
“  … der dramatische Dichter ist in meinen Augen nichts, als ein Geschichtschreiber, steht aber über Letzterem dadurch, daß er uns die Geschichte zum zweiten Mal erschafft und uns gleich unmittelbar, statt eine trockne Erzählung zu geben, in das Leben einer Zeit hinein versetzt, uns statt Charakteristiken Charaktere, und statt Beschreibungen Gestalten gibt. Seine höchste Aufgabe ist, der Geschichte, wie sie sich wirklich begeben, so nahe als möglich zu kommen.“ (Brief an die Eltern vom 28. 7. 1835)

Peter Brunner

 

von Peter Brunner

Adolf Muschg an Büchners Grab

Foto: Brigitta Stahel

2018 haben sich die Stadt Darmstadt und der Förderverein Büchnerhaus darauf verständigt, dass Blumengrüße auf Büchners Grab künftig zum Geburtstag aus dem Geburtsort und zum Todestag aus der Wissenschaftsstadt, in der Georg Büchner aufwuchs, kommen sollen.

Für das Büchnerhaus hat Daniel Rohr, der umtriebige Impressario des Theaters Rigiblick in Zürich, freundlicherweise die Organisation in der Schweiz übernommen.

In diesem Jahr tat er ein Übriges: er konnte den hochgeschätzten und liebenswürdigen Büchnerpreiträger Adolf Muschg gewinnen, zu Büchners Geburtstag ans Grab zu kommen.

 

Im Museum Büchnerhaus läuft das Video „Ein Büchner der Regisseure, Schauspieler, Autoren“. Muschg sagt dort: Büchner war „ein Shakespeare, gekreuzt mit einem unglaublich eleganten lateinischen, griechischen Poeten“.

Unsere Freunde von der BüchnerBühne haben das Video, das Brigitta Stahel vom Theater Rigiblick freundlicherweise für uns aufgenommen hat, hier auf ihrem youtube-chanel eingestellt. 

 

 

Adolf Muschg und Daniel Rohr an Georg Büchners Grab

Peter Brunner

von Peter Brunner

Eine Stadt für Georg Büchner

Zum „Büchnerfrühstück” am 13. August sind viele Freundinnen und Freunde von BüchnerBühne und BüchnerHaus gekommen, um mit uns zu feiern, dass das Land Hessen unsere Arbeit anerkennt und schätzt.

Die Stadt hatte eingeladen und ließ sich nicht lumpen – schon vor den feierlichen Reden gabs Essen und Trinken satt, zwar weder Melonen noch Feigen wie zum Schluß von Leonce und Lena, aber es ging ja auch nicht ums Happy End.

1997 erschien im Jonas-Verlag „Ein Haus für Georg Büchner“, herausgegeben von zwei unersetzlichen Freunden und Unterstützern des Büchnerhauses, Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz. Das schöne Bändchen ist auch eine Art Festschrift zur Eröffnung des Museums in Georg Büchners Geburtshaus. Nicht zuletzt ihrer Freundschaft und Unterstützung ist es zu verdanken, dass Riedstadt mittlerweile auf der literarischen Landkarte unübersehbar geworden ist. Die Verleihung der Bezeichnung „Büchnerstadt“ durch den hessischen Innenminister ist ein weiterer Schritt dahin, den unsterblichen Georg Büchner dort jederzeit auffindbar zu machen, wo Museum und Bühne stets auf seine Aktualität und Bedeutung weisen.

Unter den Gästen der Büchnerstadt-Verleihungsfeier war auch die frühere hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Ruth Wagner. Wagner, geboren in einfachen Verhältnissen im heutigen Riedstadt-Ortsteil Wolfskehlen, erhielt als Mädchen die außergewöhnliche Gelegenheit, das Gymnasium im nahegelegenen Gernshein zu besuchen. Ihr Schulweg, sie erzählt das oft und gerne, führte am Goddelauer Büchnerhaus vorbei. Als Siebzehnjährige schrieb sie über Büchner – „sehr gut, was den Inhalt betrifft, aber stilistisch nicht ganz gelungen” urteilte der Lehrer. Ein Urteil, das nicht nur Politiker*innen allemal besser ansteht als Lob für blendende Pointen.

Ruth Wagner (rechts) neben Innenminister Beuth und Bürgermeister Kretschmann

Ruth Wagner hat einen wichtigen Anteil an der öffentlichen Wahrnehmung des Büchnerhauses als bedeutender Erinnerungsort, und dass sie heute „einen ,Out-standing Universal Value‘ …, also einen außergewöhnlichen universellen Wert im Sinne der Unseco-Welterbekonvention” sieht und schließt „Die Bewerbung als Weltkulturerbe muss daher der nächste Schritt sein!“ nehmen wir gerne als Ansporn, auch wenn uns der gute alte Tucholsky-Satz „Ham’ses nich ne Nummer kleiner?” in solchen Fragen Motto bleibt …

Dass sich das auch in Cent und Euro darstellt, ist immerhin im Koalitionsvertrag der hessischen Landesregierung angekündigt. Der Gross-Gerauer Landrat Will konnte in der Rolle des Onkels auftreten, der was mitgebracht hat: der Kreisaussschuss hat bereits in diesem Jahr 60.000 € überwiesen – damit kann zum Beispiel das Bücherhaus seitdem statt an zwei an vier Wochentagen regelmäßig öffnen.

Landrat Thomas Will beim Grußwort
Landrat Thomas Will, Bürgermeister und Büchnerhaus-Fördervereinsvorsitzender Marcus Kretschmann, Museumsleiter Peter Brunner, Innenminister Peter Beuth, Theaterleiter Christian Suhr, MdL Ines Claus

„Büchner hält das aus“ hat schon 2013, als die Phantasien, wie Büchners Jubiläen zu gedenken wäre, Kobolz schlugen, der kluge Echo-Journalist, unser Freund Johannes Breckner, gesagt.

Büchners Hinterlassenschaft und unsere Auseinandersetzung damit ist und bleibt Garant und Nagelprobe dafür, im Museum Büchnerhaus und auf der BüchnerBühne Inhalt stets über Stil zu stellen.

Peter Brunner

von Peter Brunner

Es war eine rauschende Busfahrt

Zum Tag der Literatur am 26. Mai hatten drei Büchnervereine ein gemeinsames Programm geplant und Gäste eingeladen,

mit dem Bus durchs Büchnerland


zu fahren.
Stadt Land Fluss

war als Motto ausgegeben worden, und so nahm sich die städtische Luise-Büchner-Gesellschaft das Leben in der Stadt um 1830 zum Thema, die „ländliche” BüchnerBühne in Riedstadt-Leeheim Büchner und das Land. Für das Büchnerhaus in Goddelau blieb dann, durchaus passend, der Fluss – hier sollte es um die ständige Präsenz des Rheins und des Wassers in Bächen, Pfützen und Sümpfen gehen.

Sonntag früh um 10 waren an die 50 Gäste in der Klause am Darmstädter Hauptbahnhof. Adrian Jost begrüßte als Gastgeber für die Initiative Essbares Darmstadt, Heiner Dieckmann als zweiter Vorsitzender der Luise Büchner-Gesellschaft.

Papa Legbas Blues Lounge vertrieben die letzte Morgenmüdigkeit, bevor sich zwei Peters einem dritten widmeten: Peter Engels vom Stadtarchiv sprach mit Peter Brunner vom Büchnerhaus über König Peter von Poponien und seine Gefolgschaft.

Peter Engels legt Wert darauf, dass die Ähnlichkeiten zwischen Büchners Königreich Popo und dem Darmstadt der 1830er Jahre nur gering sind: Hessen-Darmstadt war kein Zwergstaat, sondern das sechstgrößte Land im Deutschen Bund und in der Hauptstadt Darmstadt wehte ein durchaus kritischer Geist. Auch der Terrorstaat, den der Hessische Landbote bekämpfe, sei Hessen-Darmstadt nicht gewesen. Das Darmstadt um 1820 war jedenfalls auch das Darmstadt, das der Architekt Moller in einer Dimension vergrößerte und erweiterte, die den Vergleich mit dem neuen Frankfurt einhundert Jahre später durchaus zulässt.

Brunner machte darauf aufmerksam, dass die Lage in Oberhessen, auf die sich der Landbote bezieht, sehr wohl dramatisch und unterdrückerisch war: Hungeraufstände wurden militärisch niedergeschlagen.

Tatsächlich parodiert Büchners Komödie die Lage zur Karikatur. So treffend immerhin, dass die erste Aufführung von 1923 (!) in Darmstadt noch zu einem veritablen Theaterskandal führte, der schließlich sogar den Landtag befasste.

Pünktlich auf die Minute stand der Bus vor der Tür, und die fröhliche Gesellschaft machte sich auf den Weg zur nächsten Station, der Büchnerbühne.

Party im Bus: Die Papas spielen in jeder Lebenslage
Nur vorübergehend schläfrig: der Autor bei einer kreativen Pause

Der Weg vom Darmstädter Hauptbahnhof ins hessische Ried heißt ganz zu recht „Büchnerlinie“, der Bus fährt von Büchnerort zu Büchnerort. Wie gut sich ein Linienbus zum Musikmachen eignet, konnten die Papas auf dem Weg zur Stadtgrenze beweisen – der Bus schwebte förmlich auf einer Woge von Blues …

Brunner fasste dann kurz die vielen Darmstädter Bezüge der Familie zusammen, bevor der Bus die Pfungstädter Gemarkung bei Eschollbrücken erreichte.
Das war Anlass, Wilhelm Büchners Biografie zu rekapitulieren: der Mann, der zwischen 1845 und 1892 aus dem Bauerndorf Pfungstadt eine moderne Stadt machte, hat mit seinem Ultramarinblau das erste Industrieprodukt geschaffen, das erfolgreich aus Hessen-Darmstadt exportiert wurde. Als politisch und sozial engagierter Unternehmer hat er eine ganze Gegend geprägt (und politisch in Land- und Reichstag als Liberaler vertreten). Vom Darmstädter Architekten Balthasar Harres ließ er 1863 die Villa Büchner bauen („nach außen bescheiden wirkend, im Innern an Mitteln nicht sparend“ hieß Büchners Auftrag). Als er 1892 an Cholera stirbt, ist Pfungstadt, das eine zeitlang „das südhessische Manchester“ hieß, nicht mehr wiederzuerkennen. Aus dem Dorf ist eine Stadt, aus Bauern sind Arbeiter und aus Landidylle ist städtische Geschäftigkeit geworden.

Wilhelm Büchners „Blaufabrik“

Von Pfungstadt ging es weiter zum Hospital, dem „Irrenhaus“, dessen Verwalter Georg Büchners Großvater wurde. Ernst Büchner heiratete in der Hospitalkirche Caroline Reuß und holte sie zu sich in sein Untermietzimmer in der Goddelauer Weidstraße. Das Hospital wurde 1813 nicht ärztlich, sondern administrativ geleitet; erst 1821 wurde mit Carl C. G. Amelung ein Mediziner Hospitalleiter. Am Ort des großherzoglichen Hospitals betreibt heute das Unternehmen Vitos eine moderne psychiatrische Klinik; das Psychiatriemuseum dokumentiert seine Geschichte.
Die Buslinie würde ab hier direkt nach Goddelau weiterfahren und dort an den beiden Büchnerhäusern Hospital- und Weidstraße vorbeikommen. Wegen einer langwierigen Baustelle ist dieser Weg aktuell verbaut; die Büchnertour fuhr daher direkt über Land nach Leeheim, einen anderen der fünf Stadtteile Riedstadts.

Leeheim ist der Standort der BüchnerBühne und bildet eigentlich den Endpunkt der Büchnerlinie.

Zum Thema Land hatte sich Theaterleiter Suhr mehr ausgedacht als einfach nur platte Landschaftszitate – er führte den Gästen Büchners Gedanken zur Provinz in den Köpfen vor.

Dies bot Gelegenheit zu einer Parforcetour durch Büchners Leben und das Repertoire der kleinen Bühne. Das blendend aufgelegte Ensemble zeigte Ausschnitte aus der Edschmid-Dramatisierung „Wenn es Rosen sind …“, dem Danton, aus Lenz, Leonce und Lena und dem Woyzeck.

Alexander Valerius, Oliver Kai Müller,
Melanie Linzer, Christian Suhr

Quer durchs hessische Ried fuhr die bestens aufgelegte Reisegesellschaft schließlich nach Goddelau, in Georgs Geburtshaus, zur letzten Station der Reise – Fluss.

Das wunderbare Ehrenamtsteam des Fördervereins Büchnerhaus hatte Kaffe gekocht und Kuchen besorgt, bereits Stunden vorher erste Gäste im Museum begrüßt und eine sommerliche Bewirtung eingerichtet, und so konnte bei bestem Wetter zunächst im gastlichen Hof des Anwesens Rast gemacht werden.

Aber es stand ja noch „Fluss“ auf dem Programm, und Peter Brunner schilderte anschaulich, wie viel feuchter und „fließender” die ganze Geged vor 200 Jahren war. Mit Wolfgang Roth aus Eschollbrücken, der kurz vorher einen Vortrag über die Modau im hessischen Ried für seinen Heimatverein gehalten hatte, und Markus Zwittmeier aus Trebur, der sein Wissen zum Thema inzwischen wunderbarerweise auch noch im eigenen Blog aufgeschrieben hat, waren zwei Ko-Referenten anwesend, die Gegend und Geschichte bestens kennen und hervorragend präsentieren können.


Den Schluß machte Brunner mit einem Zitat des Büchner-Herausgebers Wilhelm Hausenstein, der in seiner Einleitung zur Werkausgabe (Leipzig, 1916) schrieb:

„An der Bahnlinie zwischen Mannheim und Frankfurt liegt nicht weit von Darmstadt – das hessische Dorf Goddelau. Der Ort ist kahl, und die umliegende Ebene ist dürftig. – Nur die Erhebungen des hessischen Odenwaldes im Osten und Südosten drüben geben diesem kümmerlichen Stück Welt einige Anziehung.

So muß es schon vor hundert Jahren gewesen sein. Es ist das seltsamste Gefühl, sich die Heimat eines Genies so vorstellen zu müssen. So viel unbestimmte Bedrücktheit, so wenig Profil, so wenig Horizont, so wenig Schwung: Das ist die Geburtsstätte des Dichters, der das Drama der Weltgeschichte umfaßte und im wonnigen Luxus des Märchens dionysisch umherging wie ein idealer Fürstensohn in einem morgenländischen Garten.“

Dem anwesenden Publikum konnte erfreulicherweise das Goddelau der Gegenwart durchaus dionysische Züge zeigen …

Versprochen musste versprochen bleiben: die BüchnerBande war angekündigt und die Büchnerbande trat auf. Das noch immer nicht erschöpfte Publikum freute sich über Wilhelm Büchners Bedenken, einen Orden anzunehmen, ebenso wie über Luise Büchners Spott über die Verehrung des „heiligen“ Rocks und schließlich über Ludwig Büchners Haschischexpertise.

Die fabelafte Büchnerbande –
Reiner Lenz, Peter Brunner, Heiner Dieckmann,
Petra Bassus, Jürgen Queißner, Thomas Heldmann

Durch den höchst komfortablen Service der Lokalen Nahverkehrsgesellschaft Gross-Gerau und ihren hervorragenden Fahrer endete der Tag mit einer kurzweiligen Heimfahrt wie geplant am Darmstädter Hauptbahnhof.

Zweierlei steht fest: das Büchnerland hat viel zu bieten, und die südhessischen Büchnerstätten liegen nah beieinander und sind bestens verbunden durch die Büchnerlinie Büchnerhaus und Büchnerbühne liegen nah der Stadt im Land am Fluss, aber da sind sie leicht zu finden und schnell zu erreichen!

Peter Brunner

von Peter Brunner

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