Neues aus Buechnerland

Peter Brunners Buechnerblog

Ach

 

Leitmotivisch stand dieser Laut über der Jahrestagung der Georg Büchner Gesellschaft vom 6.-8- November in der Goethe Universität Frankfurt. Schon einer kleinen Tradition folgend haben Esther Köhring, Denise Reimann und Roland Borgards beim call for papers festgelegt, welches Moment aus Büchners Werk oder Leben Gegenstand der Tagung wurde, und nach „Elemente“, „Bühnen“, „Pflanzen“ und „Dinge“ waren 2025 „Klänge“ dran.

Im Detail findet sich das Programm hier, die Texte werden auf Dauer im nächsten Büchnerjahrbuch abgedruckt.

Daher hier nur mein bescheidenes Resümee (ohne Berücksichtigung des letzten Tagungstages, den ich verpassen musste) zu Inhalt und Ablauf:

 

Nora Eckert: Lenz als Chiffre der Verstörung. Wolfgang Rihm macht aus Büchners
Lenz-Erzählung eine Kammeroper als extreme „Seelenraummusik“

 

 

Alfons Glück: Gegenklänge. Herrschende Sprache – Sprache der Unterdrückten;
Naturklänge und Stille

 

Norbert Abels: Alles hohl und niemals still. Büchners Klangdramaturgie im
Musiktheater

 

Ariane Martin: Leise Töne. Lautstärkeregelungen bei Georg Büchner

 

 

 

Auffällig, dass der kleine Laut „Ach“ fast in jedem Beitrag auftauchte, frappierend, wie er bei Büchner von Erstaunen bis Ersterben aufscheint. Naheliegend, wie viel „laut“ und „leise“ sich findet: vom Keine Regung in der Luft als ein leises Wehen, als das Rauschen eines Vogels, der die Flocken leicht vom Schwanze stäubte. Alles so still,“ (Lenz) zu „Heftige Bewegung unter den Zuhörern, Geschrei des Beyfalls, viele Stimmen:“ (Danton). Bedenken muss ich noch, dass gelegentlich nicht zwischen Büchners Lauten und Lauten zu Büchner unterschieden wurde – da wird das Nachlesen hoffentlich differenzieren helfen.

Mit Gerhard Stäblers Capricci für Violine solo von 2002, kongenial präsentiert von der grandiosen Virtuosin Annette Reisinger, gewann die Tagung akustisch „Klänge“ auf Weltniveau. Roland Borgards berichtete von Reisingers bereits vor Jahren gemachtem Angebot, die Komposition zu präsentieren, und von dem großen Glück, das diesmal möglich zu machen. In der Einführung erwies er sich als auch in diesem Genre kompetent: bei der Einführung in Stäblers Werk verband er das Bekenntnis zum Berufswunsch Saxophonspieler mit dem Hinweis, das Stück vorab zwar nicht gehört, aber die Partitur gelesen zu haben – Respekt!

 

Annette Reisinger (Violine): CAPRICCI für Violine solo 2022 (Gerhard Stäbler (* 1949),

Bei all meiner Laienhaftigkeit: Annette Reisingers furioses Spiel, ihre souveräne Beherrschung des Instrumentes, die elegante Präsentation von Strichen, Lauten und Pizzicati machte das kleine Konzert zu einem wirklich unvergesslichen Ereignis, für das ihr und der Tagungsorganisation kaum genug zu danken ist.

Auf die unkompliziert verlaufene Vereins-Hauptversammlung fogte die Präsentation der digitalen Büchner-Ausgabe, deren launch erfolgte.

Ab sofort steht der interessierten Öffentlichkeit der vollständige Text der großen Marburger Ausgabe mit allen verweisen, Erläuterungen, Quellen, digitalisierten Originalen und den „emendierten Texten“ (nach Maßgabe der Herausgebenden der vom Autor „gewünschte“ Text) frei zur Verfügung.

Burghard Dedner, der Doyen dieses Jahrhundertwerks, führte in einer durchaus bewegten und bewegenden Schilderung durch die Entstehungsgeschichte der Edition. Unbestreitbarer Verdienst, „dieses Gebirge bestiegen zu haben“, gehöre ohne Zweifel Thomas Michael Mayer. Der habe mit dem Vorsatz, „Büchner zu befreien von Fehlern und Unrat, die ihm angetan wurden“ erstmals die verstreuten Verhörprotokolle, Lebenszeugnisse und Quellen zum Werk zusammengetragen, die Büchner-Gesellschaft gegründet und schließlich den Marburger Germanisten Dedner, „der von Büchner keine Ahnung hatte, aber über das gegenüber Mayer unabdingbare ausgeglichene Wesen“ verfügt habe, gewonnen.

Thomas Michael Mayer

 

Das entstehende Editionsprojekt einer Ausgabe, die die übliche Form bei weitem übertreffen sollte, war von Anfang mit Attributen wie Hybris oder undurchführbar beschrieben, aber beharrlich weiterverfolgt worden, bis schließlich 1993 die DfG als „geduldiger Förderpartner“ gefunden wurde. Im gleichen Jahr erschien Jan Hauschilds Büchner-Biographie, und Dedner berichtete, dies habe Mayer veranlasst, den fälligen Editionsbericht nicht zu erstellen; schließlich habe er das übernehmen müssen. Endlich landete die Edition bei der Mainzer Akademie und im Jahr 2000 erschien die vierbändige Danton-Edition, die der Spiegel „monströs und skuril“ nannte. Dedner belächelt das heute und amüsiert sich über die Kritik „wer das alles lesen“ solle – tatsächlich sei die Edition dafür so wenig gedacht wie eine Enzyklopädie. Dass es auf diesem Wege zur Würdigung des sicher höchst komplizierten und kaprizierten Mayer kam, mit dem Dedner in Marburg gebrochen hatte, war so honorig wie angemessen und mag auch die anwesenden „Zeitzeug*innen“ (unter ihnen Ariane Martin und Susanne Lehmann) bewegt haben.

 

Claudia Bamberger (in Vertretung von Thomas Burch) und Felix Thielen vom „Trier Center for Digital Humanities“ machten mit der Arbeit vertraut, die Edition digital komfortabel zur Verfügung zu stellen: Die Marburger Ausgabe digital.  Entstanden ist ein System, das analog zur gedruckten Edition die „Schichten“ von Büchners Texten erschließt. Vom Manuskript bzw. den frühesten überlieferten Texten über komplette Transkription zu Lesefassung zu „emdendiertem Text“ lässt sich künftig jede Textstelle finden und begutachten. (Zur Kritik an der Verbindung von Text und Kommentar hatte Dedner darauf hingewiesen, dass jedenfalls ab jetzt tagesaktuell neue Erkenntnis ein- und Fehler ausgearbeitet werden könnten). Dass sich aktuell etwa 130.000 Verlinkungen in der Edition finden, die auf Knopfdruck aufgerufen und durch das Werk verfolgt werden können, lässt die Dimension des Werkes ahnen – tatsächlich bieten sich ungeahnte Recherchemöglichkeiten und unerwartete Erkenntnisse allein durch die neue technische Aufarbeitung.

Zurück ins Analoge zeigte Roland Borgards schließlich noch zwei besondere Zimelien der Sammlung der Forschungsstelle, die inzwischen vollständig in Frankfurt angekommen ist: das Lebenswerk des verstorbenen Thomas Michael Mayer, 31 Folianten mit Kopien von tausenden von Protokollen, Untersuchunsgberichten und anderne Justizakten „zum Prozeß gegen die oberhessische Demokratie“. Es sei ein bedeutendes Desiderat der Forschung, dieses Material zu transkribieren und digital zur Verfügung zu stellen. Dem ist mehr als zuzustimmen, allerdings muss die erforderliche Arbeit wohl mit Attributen wie Augias und Sisyphus beschrieben werden – „wer das lesen könnte“ …

Roland Borgards mit einem der Bände

 

Titelei eines Bandes

 

Ebenfalls der Systematisierung (und dazu der Pflege und Fortschreibung) bedarf die bemerkenswerte Sammlung von Unterlagen zu Büchner-Inszenierungen, die in zahlreichen Aktenkisten lose gesammelt wurden. Auch das bedarf gründlicher Archivarbeit, scheint mir aber, gerade im Vergleich zur ersten Aufgabe, eher bewältigbar. Einmal auf Stand gebracht müsste eine solche Sammmlung tagesaktuell weitergeführt und damit eine weitere dringend benötigte Quelle zur Büchnerrezeption werden.

 

Borgards mit einer der Sammlungskisten

Georg Büchner zum 212. am 17.10.2025

 
 
 
Am 17. 10. war Georg Büchners Geburtstag (*1813). Mit unserem Freund Stefan Howald, dem Zürcher Linksbüchnerianer und einigen freundlichen Gästen haben wir ein Glas rheinhessischen Sekt auf ihn getrunken und einen Blumengruß von aufs Grab gelegt.



„Ich bin so jung und die Welt ist so alt“ – er wurde keine 24 Jahre alt, aber buchstäblich jeder hinterlassene Satz macht ihn unsterblich.
 
Abends durfte ich im  Zürcher Bücherraum f das Familienalbum der Büchners aufblättern: das geduldige Publikum hörte mir fast zweieinhalb Stunden lang zu, um mir schließlich darin zuzustimmen, dass noch fast unendlich viel mehr zu berichten bleibt. 
 
 
Ich hoffe, wir sehen uns nächstes Jahr wieder! 

Luise-Büchner-Preis für Publizistik 2025 an Antje Schrupp

Begründung der Jury:


„Sich anvertrauen“ – Affidamento, die feministische Parole der italienischen Philosophinnengruppe Diotima, brachte die promovierte Politikwissenschaftlerin, Journalistin, Autorin und Übersetzerin Antje Schrupp zum Feminismus. Für sie ist nicht die Gleichheit von Frauen und Frausein entscheidend, sondern gerade ihre Verschiedenheit. Antje Schrupps Überzeugung „Dem eigenen Begehren folgen“ verlangt, das eigene Frausein in Auseinandersetzung mit anderen Frauen neu zu
bestimmen. So stehen die (authentischen) Beziehungen und Netzwerke von Frauen im Mittelpunkt ihrer Politik und ihrer Freiheit; der Parteienpolitik und dem Parlamentarismus obliegt hingegen die Aufgabe, die Voraussetzungen für freie Entscheidungen zu schaffen. 

Antje Schrupp in Darmstadt, Oktober 2024


Die Luise Büchner-Gesellschaft zeichnet mit dem Luise-Büchner-Preis 2025 eine engagierte Publizistin aus, die sich für das Begehren der Frauen einsetzt, historische Bezüge erläutert und zu aktuellen Themen klar Stellung bezieht. Antje Schrupp nimmt auf der Basis „der Liebe der Frauen zur Freiheit und zur Welt“ teil am öffentlichen Diskurs, ist produktiv mit Podcast, Blog und Postings, wissenschaftlichen Artikeln und Buchveröffentlichungen.

 
Mit Luise Büchner verbindet sie die Offenheit gegenüber Veränderungen, die Bereitschaft, Überkommenes in Frage zu stellen und Neues zu versuchen.

Die 1964 in Weilburg an der Lahn geborene Politikwissenschaftlerin, Jornalistin und Redakteurin studierte Evangelische Theologie an der Johann Wolfgang Goethe Universität, machte ein Volontariat beim Evangelischen Presseverband Frankfurt und studierte anschließend Politologie, Philosophie und Evangelische Theologie in Frankfurt mit Abschluss „Magistra Artium“.


Parallel arbeitete sie als Freie Journalistin für Presse und Hörfunk und von 1989 bis 1999 als Redakteurin in der Pressestelle des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt. Nach Studienaufenthalten in Rom, Paris, Sao Paulo, London und Bern promovierte sie im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften in Frankfurt mit einer Arbeit zur weiblichen politischen Ideengeschichte, übernahm 2001 kommissarisch die Leitung der Evangelischen Öffentlichkeitsarbeit, war Redakteurin der Zeitung „Frauen unterwegs“ und Mitbegründerin des Online-Forums „Beziehungsweise weiterdenken“.

 

Antje Schrupp lebt in Frankfurt. Sie schreibt Bücher, Essays und Radiobeiträge, sie ist Bloggerin und veröffentlicht ihre Artikel in der Taz, Zeit-Online, Deutschlandfunk Kultur und vielen anderen Medien.

 


Zuletzt sind ihre Bücher „Reproduktive Freiheit. Eine feministische Ethik der Fortpflanzung“ (2022) im Unrast Verlag erschienen, „Schwangerwerdenkönnen. Essay über Körper, Geschlecht und Politik“ (2019) im Ulrike Helmer Verlag. Weitere Titel sind u.a. „Was wäre wenn? Über das Begehren und die Bedingungen weiblicher Freiheit“ und „Methusalems Mütter. Chancen des demografischenWandels“. Ihr neues Buch erscheint im August 2025: „Unter allen Umständen frei. Revolutionärer Feminismus bei Victoria Woodhull, Lucy Parsons und Emma Goldman“. Dabei legt Antje Schrupp die Bezüge zwischen dem sozialrevolutionären Feminismus Ende des 19. Jahrhunderts in den USA, den
Anfängen des intersektionalen Feminismus und der aktuellen Debatte in den USA und weltweitoffen.


Bisherige Auszeichnungen:
2012: Publikumspreis „Goldene Blogger“ für ihren Blog antjeschrupp.com
2015: Hauptpreis der „Else-Mayer-Stiftung“ für ihr publizistisches Werk für die Rechte der Frauen

Der Luise Büchner Preis wird Antje Schrupp am 23. November 2025 in Darmstadt verliehen.

omnia est communia

„Alles sei Allen“ – über die Parole der Bauern und ihre überraschende Nähe zum  Hessischen Landboten sprach ich mit meiner Tochter im podcast VII „500 Jahre Demokratie?“.  Mit einigem Gewinn habe ich danach anlässlich der 500. Wiederkehr des Bauernaufstandes Mühlhausen besucht. 

Der Thüringer Landesausstellung an drei Orten gelingt es, Informationen zum Alltagsleben, zum Verlauf und Ende der Aufstände und zur Rezeption dieses bedeutenden Ereignisses unserer Geschichte höchst anschaulich zu vermitteln. 

Hier einige wenige Bilder der gut gestalteten Ausstellung: 

 

 

Fürs Büchnerhaus wird der Besuch in das Themenführungsprogramm des zweiten Halbjahrs 2025 einfließen; voraussichtlich erstmals am Samstag, dem 23. August, 15 Uhr. 

Büchners Welt – der Podcast von Luise und Peter

Nach der Erstsendung auf RadioDarmstadt  werden hier alle Folgen des Podcast zu finden sein – ganz bequem zum Anhören per Mausklick. 

Selbstverständlich finden Sie die Folgen auch auf allen gängigen Portalen zum Anhören wo´s beliebt. 

Zur Sendung

Im Kern der Sendereihe Büchners Welt steht Georg Büchner. Um ihn, seine Werke, seine Familie und seine Freundschaften spinnt sich ein Netz von Bezügen, Wirkungen, Ereignissen und Forschungen, die schier endlos erscheinen und in diesem Vielklang auch noch lange nicht abschließend beschrieben sind, ja wohl gar nicht abgeschlossen werden können.

Luise und Peter Brunner wollen in ihrer Sendung gemeinsam mit den Zuhörer:innen in diese Welt eintauchen. Dabei spielen nicht nur Büchners familiäre Bande eine zentrale Rolle, sondern auch die Vater-Tochter Beziehung zwischen Peter und Luise.

Peter Brunner beschäftigt sich seit Anfang der 2000er Jahre intensiv mit der Familie Büchner und begann, sich für die Sanierung der Pfungstädter Villa Büchner zu engagieren. Später hat er die Familienbiographie „Die Büchners oder der Versuch, die Welt zu verändern“ mit zwei Ko-Autoren veröffentlicht, Veranstaltungen in Darmstadt zu Georg Büchners 200. Geburtstag kuratiert, Aufsätze und Textbeiträge zum Thema veröffentlicht, zahlreiche Bilder und Texte zusammengetragen und den Stammbaum der Familie zusammengestellt und erweitert. Seit 2017 leitet er das Museum Büchnerhaus in Georg Büchners Geburtshaus in Riedstadt-Goddelau und ist Gründungsmitglied des hessischen Literaturrates, der Luise Büchner-Gesellschaft und von „BüchnerFindetStatt“.

Peters Tochter Luise ist heute Soziologin und Gewerkschaftssekretärin. Seit ihrer frühen Kindheit erlebt sie die lebendigen Geschichten, die ihr Vater von den Büchners erzählt. Zwar ist sie vertraut mit den zahlreichen Figuren und Anekdoten, die sich um die Büchners ranken, doch es gibt viele lose Enden der Erzählungen und viele ungeklärte Kontexte. In dieser Sendung will Luise versuchen, diese nie zu Ende geknüpften Netze von Zusammenhängen zu verbinden und die überraschenden aktuellen Bezüge zu hinterfragen. Peter stellt sich diesem Versuch, in jeder Folge im Gespräch mit seiner Tochter einer offenen Frage nachzugehen – von den politischen und historischen Hintergründen über die literarischen und wissenschaftlichen Aufsätze bis zu den Familienmitgliedern in der Welt der Büchners.

Das Jingle zum Podcast: die Büchnerband mit „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“

 

 

Der „Teaser“ zum Podcast- kleine Einführung in knapp drei Minuten als Verführung zum zuhören

I: Einleitung

Für Peter hat es nicht mit Georg begonnen, sondern mit dessen Bruder Wilhelm und einer alten Villa. Er stolperte über die Geschichte der Büchners – und kann nicht mehr loslassen. Jahre später sitzt er mit seiner Tochter Luise im Studio und erzählt, wie aus Neugier eine Obsession wurde. Wer waren die Büchners und warum lohnt es sich, über sie zu sprechen? War Georg Büchner ein Genie? Und die wichtigste Frage: Wurde Luise wirklich nicht nach Luise Büchner benannt?

 

 

II: Historischer Kontext:
Das lange 19. Jahrhundert


Damit wir uns in Büchners Welt stürzen können, sollten wir zunächst über den historischen und gesellschaftlichen Kontext sprechen: Der Historiker Eric Hobsbawm prägte den Begriff des Langen 19. Jahrhunderts von 1789 (Französische Revolution) bis 1914 (Erster Weltkrieg). Welche politischen Verhältnisse prägten die Büchners zu der Zeit? In welcher Welt leben sie? Und warum ist dieses Wissen oft so schwer zu verstehen und wie und wo könnte das besser gelingen?

III: Der junge Georg



Nachdem wir in Folge 2 über die Jahre vor Georgs Geburt gesprochen haben, beschäftigen wir uns hier mit den ersten Jahren seines Lebens. Georg wurde 1813 als erstes Kind des Arztes Karl Ernst Büchner und Louise Caroline Büchner, geborene Reuß, geboren. Nach mehreren Wohnungswechseln kommt die Familie in ihrem Haus in Darmstadt an. War die Familie wirklich zu 9. oder gab es noch mehr Personen, die mit ihnen zusammen gelebt haben? Was wissen wir über Georgs Schulzeit und über seine frühe Politisierung? Und warum hält er am Gymnasium eine Rede über einen alten Römer?

IV: Georg in Straßburg

Nach Georgs Abitur soll er als der Erstgeborene in seiner Familie und als Sohn eines Arztes selbst auch Medizin studieren. Er darf ins Ausland gehen und beginnt in Straßburg sein Studium. Er ist überwältigt von der Großstadt, der Offenheit der politischen Debatte, der Präsenz der „Gewitterstimmung“ seit der Revolution und wird zum überzeugten Republikaner. Georg liest, schreibt, studiert, wandert – und verliebt sich. Wir sprechen in dieser Folge aber auch darüber, woher wir die ganzen Informationen über die Büchners eigentlich haben. Und was ist eigentlich eine Botanisiertrommel? 

V: Ein Bild von Georg

Georg verlässt das große Straßburg und fühlt sich nach Gießen verbannt. Aber bevor er dorthin aufbricht, wandert er durch den Odenwald, über den Frankenstein, Zwingenberg und den Melibokus. Auf dieser Wanderung entstehen zwei kleine Zeichnungen von Georg, die sein Freund Alexis Muston anfertigt. Das bringt uns zu den Fragen, welche Bilder es von den Büchners gibt – und welche nicht. Gibt es echte Portraits und woher wissen wir überhaupt, welche authentisch sind?

Wir sprechen über die Malaria im hessischen Ried, Einsamkeit in der Provinz und über das Motto, das Georgs Leben prägte. Und war Georg eigentlich ein lebenslustiger Mensch?

VI: Gießen, 1834:

Georg ist neu in der Stadt und niedergeschlagen – aber nicht tatenlos. Er schreibt wohl seinen bekanntesten Brief, der heute Fatalismusbrief genannt wird. Er trifft auf politische Netzwerke, schließt Freundschaften, eckt aber auch an – nicht zuletzt bei Burschenschaftern, die ihm eine „Katzenmusik“ bringen.

Wir klären, was das eigentlich ist und widmen uns der Frage, was Georg motivierte, politisch aktiv zu werden.

 

 

 

VII: 500 Jahre Demokratie?


Wir machen einen Zeitsprung ins Jahr 1525. Richtig, fast 300 Jahre vor Georg Büchners Geburt: Zu Thomas Müntzer, den Bauernkriegen und der blutigen Schlacht und Niederlage der Bauern bei Frankenhausen. Aber was hat das mit den Büchners zu tun? Gibt es eine Linie von den aufständischen Bauern zu den Adressaten des Hessischen Landboten? Luise ist skeptisch aber Peter meint: Ja. Wir diskutieren, ob 1525 demokratische Hoffnungen begraben wurden – oder ob sie gerade erst Wurzeln schlugen.

VIII: Der Hessische Landbote –
           Krieg den Palästen? 

In der Schule haben viele von uns den Hessischen Landboten gelesen, besonders bekannt ist die Parole „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ In dieser Folge geht es aber auch um Konspiration und die politische Verfolgung, die zur Entstehungsgeschichte des Flugblatts gehören.

Anhand des Drucksatzes lassen sich ganze Kriminalgeschichten erzählen.

Und neben all der Verschwörung sprechen Luise und Peter auch darüber, ob es heute wohl einen neuen Hessischen Landboten bräuchte.

IX: Woyzeck? Wozzeck! 


Das Staatstheater Darmstadt zeigt Alban Bergs Oper Wozzeck. Die Musik: überwältigend. Die Sänger*innen, allen voran Oliver Zwarg in der Hauptrolle: eindrucksvoll.

Aber warum steht die Figur Woyzeck – ganz im Widerspruch zu ihrer sozialen Randexistenz – alleine auf einer riesigen, weißen, beweglichen Bühne?

Und ja: Woyzeck begeht einen Femizid – scheußlich und unverzeihlich. Das Programmheft verurteilt die Tat. Büchner hingegen stellt eine andere Frage: Warum?

Wir diskutieren – und empfehlen: hingehen, selbst urteilen!

X: Wer die Wahrheit spricht, wird gehenkt

 

Seit 1820 garantiert die hessische Verfassung Meinungs- und Pressefreiheit. Wovor hatten die Landbotenverschwörer trotzdem solche Angst? Wir begeben uns auf die Spur der Demagogenverfolgung, des Tyrannenmordes und der Karlsbader Beschlüsse. Und stellen fest: Die Bürokratisierung von politischer Verfolgung hat eine lange Geschichte.

XI.: Dantons Tod I

Die Landbotenverschwörung ist aufgeflogen, Büchner fürchtet Verfolgung und Haft. Selbstbewusst wie er ist, vertraut er auf sein Können: Um seine geplante Flucht ins Exil zu finanzieren, entscheidet der gerade 19 Jährige, ein Theaterstück zu schreiben und zu verkaufen. Bevor wir uns in der nächsten Folge mit dem Inhalt und den Figuren des Textes ausführlicher beschäftigen, sprechen wir dieses Mal darüber, wie das Stück Dantons Tod entstand.

Xll: Unter allen Umständen frei

 

Büchners Welt kennt keine Grenzen: Wir bekommen Besuch von der diesjährigen Trägerin des Luise-Büchner-Preises für Publizistik. Dr.
Antje Schrupp ist eine profunde Kennerin feministischer politischer Ideengeschichte und wir sprechen mit ihr über ihr neuestes Buch „Unter allen Umständen frei“. Zwischen den Büchner-Geschwistern Luise und Georg will sie sich nicht entscheiden, wir finden aber, es wird deutlich, ob sie dem radikalen Georg oder der besonnenen Luise näher steht. 

 

 

XIII: Exil in Straßburg | Büchners Welt



Als Repression und Verfolgung für ihn und seine Freunde immer bedrohlicher werden, entscheidet sich Georg Büchner zur Flucht über Weißenburg nach Straßburg. Eigentlich wollten wir in dieser Folge die Zeit bis zu seinem frühen Tod zusammenfassen, doch wir brauchen Zeit für die wunderbare Briefen, die er aus dem Exil schreibt. Außerdem berichtet Papa in dieser Folge, wie ihn zwei künstliche Intelligenzen vor lauter Auskunftseifer frech belogen haben: Lebte Georg Büchner zu Beginn des Exils eigentlich unter Pseudonym?

 

Folge XIV: Dantons Tod 2

Aus der „Lektüreliste aus der Hölle“: Ein Stück über maulende Männer? Nachdem wir in Teil I die Entstehungsgeschichte besprochen haben, blicken wir nun auf Handlung und Figuren. Sind die Vorbehalte gerechtfertigt? Litt Danton an postrevolutionärer Depression? Wir lesen nach – und glauben nicht, dass Büchner uns das Revolution-Machen ausreden will. Aber vielleicht wären manche Revolutionen mit seinen Warnungen anders verlaufen?

XV: Lenz im Staatstheater Darmstadt 


Das Darmstädter Staatstheater bringt den Lenz – der ja eigentlich gar kein Drama, sondern ein kurzer Prosatext ist. Luise steht dem offen gegenüber und fürchtet, dass Peter jede Inszenierung nur als Ablenkung vom Text empfindet.

Das will der aber nicht gelten lassen: „Büchner hält das aus“.

Wir sprechen über die Inszenierung und Sensibilität gegenüber psychischen Erkrankungen. Und wie passt das Stück zu Paul Preciados Dysphoria Mundi, dem Unwohlsein einer Welt im Umbruch?

 

Folge XVI:  „Wir sind Tod, Staub, Asche“

1836: Georgs Exil scheint erträglicher zu werden. Er bekommt eine Aufenthaltsgenehmigung, Mutter und Schwester kommen zu Besuch und mit seiner neuroanatomischen Forschung geht es voran. Er schreibt wie besessen – der Lenz, Leonce und Lena und der Woyzeck entstehen, er wird tatsächlich in Zürich zum Dr. promoviert und plant ein neues Leben in der Schweiz. Wir beantworten in dieser Folge endlich, woran Georg eigentlich gestorben ist, sind wie immer gerührt von dem Ende seiner bewegenden Biographie und überlegen: War das alles zusammen einfach zu schnell und zu viel? Und was ist von seinen letzten Worten zu halten?

Folge XVII:  Mathilde Büchner und die Lage der Frauen im 19. Jahrhundert  mit Agnes Schmidt  


Georg Büchners älteste Schwester Mathilde umweht stets die Aura der Unbekannten. Umgeben von ihren weit über Darmstadt hinaus prominenten Geschwistern scheint unbedeutend, was wir von ihrem Leben wissen. Wir können das zurechtrücken und ein sehr wohl bemerkenswertes Frauenleben schildern: als „Fels in der Brandung“ bildet sie den ruhenden Pol im Trubel der umtriebigen Geschwister und als selbstbewusste Bürgerin engagiert sie sich öffentlich. Wir haben eine hervorragende Kennerin der Lage der Frauen zu Gast: unsere Freundin Agnes Schmidt. Sie erläutert uns, welche Rolle Frauen im Biedermeier zugeschrieben wurden und wie sich einige von Ihnen davon befreiten. 



« Ältere Beiträge