Leitmotivisch stand dieser Laut über der Jahrestagung der Georg Büchner Gesellschaft vom 6.-8- November in der Goethe Universität Frankfurt. Schon einer kleinen Tradition folgend haben Esther Köhring, Denise Reimann und Roland Borgards beim call for papers festgelegt, welches Moment aus Büchners Werk oder Leben Gegenstand der Tagung wurde, und nach „Elemente“, „Bühnen“, „Pflanzen“ und „Dinge“ waren 2025 „Klänge“ dran.
Im Detail findet sich das Programm hier, die Texte werden auf Dauer im nächsten Büchnerjahrbuch abgedruckt.
Daher hier nur mein bescheidenes Resümee (ohne Berücksichtigung des letzten Tagungstages, den ich verpassen musste) zu Inhalt und Ablauf:

Nora Eckert: Lenz als Chiffre der Verstörung. Wolfgang Rihm macht aus Büchners
Lenz-Erzählung eine Kammeroper als extreme „Seelenraummusik“
Auffällig, dass der kleine Laut „Ach“ fast in jedem Beitrag auftauchte, frappierend, wie er bei Büchner von Erstaunen bis Ersterben aufscheint. Naheliegend, wie viel „laut“ und „leise“ sich findet: vom „Keine Regung in der Luft als ein leises Wehen, als das Rauschen eines Vogels, der die Flocken leicht vom Schwanze stäubte. Alles so still,“ (Lenz) zu „Heftige Bewegung unter den Zuhörern, Geschrei des Beyfalls, viele Stimmen:“ (Danton). Bedenken muss ich noch, dass gelegentlich nicht zwischen Büchners Lauten und Lauten zu Büchner unterschieden wurde – da wird das Nachlesen hoffentlich differenzieren helfen.
Mit Gerhard Stäblers Capricci für Violine solo von 2002, kongenial präsentiert von der grandiosen Virtuosin Annette Reisinger, gewann die Tagung akustisch „Klänge“ auf Weltniveau. Roland Borgards berichtete von Reisingers bereits vor Jahren gemachtem Angebot, die Komposition zu präsentieren, und von dem großen Glück, das diesmal möglich zu machen. In der Einführung erwies er sich als auch in diesem Genre kompetent: bei der Einführung in Stäblers Werk verband er das Bekenntnis zum Berufswunsch Saxophonspieler mit dem Hinweis, das Stück vorab zwar nicht gehört, aber die Partitur gelesen zu haben – Respekt!
Bei all meiner Laienhaftigkeit: Annette Reisingers furioses Spiel, ihre souveräne Beherrschung des Instrumentes, die elegante Präsentation von Strichen, Lauten und Pizzicati machte das kleine Konzert zu einem wirklich unvergesslichen Ereignis, für das ihr und der Tagungsorganisation kaum genug zu danken ist.
Auf die unkompliziert verlaufene Vereins-Hauptversammlung fogte die Präsentation der digitalen Büchner-Ausgabe, deren launch erfolgte.
Ab sofort steht der interessierten Öffentlichkeit der vollständige Text der großen Marburger Ausgabe mit allen verweisen, Erläuterungen, Quellen, digitalisierten Originalen und den „emendierten Texten“ (nach Maßgabe der Herausgebenden der vom Autor „gewünschte“ Text) frei zur Verfügung.
Burghard Dedner, der Doyen dieses Jahrhundertwerks, führte in einer durchaus bewegten und bewegenden Schilderung durch die Entstehungsgeschichte der Edition. Unbestreitbarer Verdienst, „dieses Gebirge bestiegen zu haben“, gehöre ohne Zweifel Thomas Michael Mayer. Der habe mit dem Vorsatz, „Büchner zu befreien von Fehlern und Unrat, die ihm angetan wurden“ erstmals die verstreuten Verhörprotokolle, Lebenszeugnisse und Quellen zum Werk zusammengetragen, die Büchner-Gesellschaft gegründet und schließlich den Marburger Germanisten Dedner, „der von Büchner keine Ahnung hatte, aber über das gegenüber Mayer unabdingbare ausgeglichene Wesen“ verfügt habe, gewonnen.
Das entstehende Editionsprojekt einer Ausgabe, die die übliche Form bei weitem übertreffen sollte, war von Anfang mit Attributen wie Hybris oder undurchführbar beschrieben, aber beharrlich weiterverfolgt worden, bis schließlich 1993 die DfG als „geduldiger Förderpartner“ gefunden wurde. Im gleichen Jahr erschien Jan Hauschilds Büchner-Biographie, und Dedner berichtete, dies habe Mayer veranlasst, den fälligen Editionsbericht nicht zu erstellen; schließlich habe er das übernehmen müssen. Endlich landete die Edition bei der Mainzer Akademie und im Jahr 2000 erschien die vierbändige Danton-Edition, die der Spiegel „monströs und skuril“ nannte. Dedner belächelt das heute und amüsiert sich über die Kritik „wer das alles lesen“ solle – tatsächlich sei die Edition dafür so wenig gedacht wie eine Enzyklopädie. Dass es auf diesem Wege zur Würdigung des sicher höchst komplizierten und kaprizierten Mayer kam, mit dem Dedner in Marburg gebrochen hatte, war so honorig wie angemessen und mag auch die anwesenden „Zeitzeug*innen“ (unter ihnen Ariane Martin und Susanne Lehmann) bewegt haben.
Claudia Bamberger (in Vertretung von Thomas Burch) und Felix Thielen vom „Trier Center for Digital Humanities“ machten mit der Arbeit vertraut, die Edition digital komfortabel zur Verfügung zu stellen: Die Marburger Ausgabe digital. Entstanden ist ein System, das analog zur gedruckten Edition die „Schichten“ von Büchners Texten erschließt. Vom Manuskript bzw. den frühesten überlieferten Texten über komplette Transkription zu Lesefassung zu „emdendiertem Text“ lässt sich künftig jede Textstelle finden und begutachten. (Zur Kritik an der Verbindung von Text und Kommentar hatte Dedner darauf hingewiesen, dass jedenfalls ab jetzt tagesaktuell neue Erkenntnis ein- und Fehler ausgearbeitet werden könnten). Dass sich aktuell etwa 130.000 Verlinkungen in der Edition finden, die auf Knopfdruck aufgerufen und durch das Werk verfolgt werden können, lässt die Dimension des Werkes ahnen – tatsächlich bieten sich ungeahnte Recherchemöglichkeiten und unerwartete Erkenntnisse allein durch die neue technische Aufarbeitung.
Zurück ins Analoge zeigte Roland Borgards schließlich noch zwei besondere Zimelien der Sammlung der Forschungsstelle, die inzwischen vollständig in Frankfurt angekommen ist: das Lebenswerk des verstorbenen Thomas Michael Mayer, 31 Folianten mit Kopien von tausenden von Protokollen, Untersuchunsgberichten und anderne Justizakten „zum Prozeß gegen die oberhessische Demokratie“. Es sei ein bedeutendes Desiderat der Forschung, dieses Material zu transkribieren und digital zur Verfügung zu stellen. Dem ist mehr als zuzustimmen, allerdings muss die erforderliche Arbeit wohl mit Attributen wie Augias und Sisyphus beschrieben werden – „wer das lesen könnte“ …
Ebenfalls der Systematisierung (und dazu der Pflege und Fortschreibung) bedarf die bemerkenswerte Sammlung von Unterlagen zu Büchner-Inszenierungen, die in zahlreichen Aktenkisten lose gesammelt wurden. Auch das bedarf gründlicher Archivarbeit, scheint mir aber, gerade im Vergleich zur ersten Aufgabe, eher bewältigbar. Einmal auf Stand gebracht müsste eine solche Sammmlung tagesaktuell weitergeführt und damit eine weitere dringend benötigte Quelle zur Büchnerrezeption werden.




























