Neues aus Buechnerland

Peter Brunners Buechnerblog

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Luise Büchner zum Weltfrauentag

 

Zum Weltfrauentag eines meiner Lieblingszitate von Luise Büchner (aus ihrer ersten Veröffentlichung „Die Frauen und ihr Beruf, 1855):

 „ … Was können uns jene jungen Wesen nutzen, die aus der Schule heraus nicht eilig genug ins Leben treten können, ohne Ahnung eines höheren Berufes, eines ernsteren Strebens? Aus ihren Reihen wird nur selten die tüchtige Mutter, das ächte Weib hervorgehen. Trunken vom Glanze der Ball- und Gesellschaftssäle, schweben sie, wie im Traume, durch ihre Jugend; aber wohl selten birgt sich unter dem flatternden Gewand das starke Herz, die hochbeschwingte Seele, deren die Frau doch so sehr, so nothwendig bedarf. Wie lieblich rauschen einige Jahre dahin, leichtbeschuht und voller Glanz; aber die Scene muß sich ändern, das wirkliche Leben klopft an die Pforten. Wie Viele wird es dann zum Kampfe bereit finden? Wie viele sind dann seinen gerechten Ansprüchen gewachsen? Ob die Ehe oder das Loos der Unverheirateten diese heiteren Gestalten erwartet, nur diejenige Frau kann ihren höheren Lebenszweck erfüllen, welcher die Erziehung die Mittel dazu an die Hand gegeben. Aber diejenige Erziehung kann weder Ernst noch Tüchtigkeit verleihen, der es selber daran fehlt, und wer den Lebensweg der meisten weiblichen Naturen verfolgt, wird finden, daß ihnen mit richtiger Bildung Alles gegeben wäre, während ihnen ohne dieselbe Alles genommen ist. O, ihr rosigen Kinder, euren Frohsinn und eure Heiterkeit möchten wir um keinen Preis der Welt euch rauben, ihr sollt Rosen in´s Haar flechten und das weiße Gewand tragen, aber darunter die Rüstung der Pallas Athene.“

Die Luise-Büchner-Gesellschaft lädt für morgen ins Literaturhaus Darmstadt ein: 

Vortrag, Lesung und Gespräch

mit Agnes Schmidt, Sigrid Schütrumpf und Edda Feess

Die Frauen und ihre Geschichte

Veranstaltung zum Internationalen Frauentag

 

 

 

In Darmstadt gibt es weder eine Luise Büchner-Schule noch eine Charlotte Heidenreich von Siebold Geburtsklinik. Nur zwei kurze Straßen und wenige Institutionen  erinnern an diese bahnbrechenden Darmstädterinnen. Auch die Arbeit und Tätigkeit von vielen anderen Frauen, die sich früher für das Gemeinwohl einsetzten, sind in den Darmstädter Geschichtsbüchern kaum dokumentiert. Anlässlich des Internationalen Frauentages wollen wir an diesem Nachmittag an vergessene Frauen in Darmstadts Geschichte erinnern.  Unter dem Motto „Jede Frau ändert sich, wenn sie erkennt, dass sie eine Geschichte hat“ stellen die Frauenbeauftragte der Stadt Darmstadt Edda Feess mit den Auszubildenden Shanita Arnold und Sky Nicoll  ihr Geschichtsprojekt  vor.
Eintritt frei

Eine gemeinsame Veranstaltung mit dem Frauenbüro Darmstadt

Wann 09.03.2013 
von 16:00 bis 19:00

Wie bestellt: Lenz? Reichlich im Angebot!

Es wird in den Sternen bleiben, ob die Verantwortlichen wirklich die Jahreszeit zum Anlass genommen haben, oder ob doch die allfälligen Büchnerjubiläen ihren Beitrag dazu geleistet haben: im Rhein-Main-Gebiet konnte ich in den letzten Wochen vier höchst unterschiedliche Interpretationen von Büchners Lenz sehen, zuletzt gestern Abend in Willy Pramls Theater in Frankfurt.

Christian Wirmer reist mit seinem (jetzt im Vergleich) fast spröden Vortrag des Textes, der mir erstmals die Augen darüber öffnete, wie sehr er sich wirklich zum Hören eignet,

 Christian Suhr hat in Erfelden „seinen“ Lenz so auf die Bühne gebracht, dass er von den hier erwähnten am ehesten zu einem Schauspiel wurde (er hat mir kürzlich gesagt, dass er die heutigen Aufführungen gegenüber der Premiere, die ich sehen konnte, verknappt hat und selbst als reifer empfindet),

das Darmstädter Staatstheater führt Wolfgang Riehms Kammeroper Lenz von 1979 auf, und eben

das Frankfurter Theater Willy Praml präsentiert Bücher.Lenz & Schubert.Schöne Müllerin  fast wie die Brücke zwischen Wirmer und Suhr – mehr Schauspiel als Wirmer, weniger Bühne als Suhr. 

Arbeitsstätte 

Praml stellt neben den „Lenz“ (Michael Weber)  eine „Tänzer“ genannte Figur (Andreas Bach), der stumm, aber in sprechenden Gesten Lenzens Widerpart gibt und so die Gespaltenheit der Figur repräsentiert. Vassily Dück (Akkordeon) und Gregor Praml (Bass+ Gesang) übernehmen den Schubert-Part der Vorstellung. Gregor Pramls wunderbare Stimme, die sich jeder Melodiosität standhaft verweigert, macht das zu einem wirklichen Erlebnis. So einleuchtend Willy Pramls Begründung für die Parallelität der Lebensdaten von Büchner, Schubert und Müller (dem Verfasser der vertonten Gedichte)  ist, so sehr bewegt mich dabei die Frage, ob Schuberts „Kunstlieder“ nicht auf scharfe Ablehnung des volksliedliebenden Büchner gestoßen wären.

Weber, Bach im ebenfalls von Michael Weber gestaltetem Bühnenbild 

Auch Michael Weber beherrscht und präsentiert den Text: wo bei Wirmer die erzählende Distanz des Büchnertextes eingehalten wird und wo Suhr dies durch freies Spiel und zusätzlichen Text erweitert, steht Willy Pramls Aufführung zwischen Vortrag und Spiel.  

Verdienter Beifall am 2.3.: Dück, G. Praml, Weber, Bach  (v.l.n.r.)
(Freundlicherweise hat mir Willy Praml ausnahmsweise das Aufnehmen erlaubt, vielen Dank dafür!)

Ich werde nun als „Büchnerblogger“ den Teufel tun und mich hier tiefschürfend über Interpretationsansätze und Zugänglichkeiten der Stücke zu äußern; schon, weil ich viel zu gerne hätte, dass möglichst viele Interessenten ebenfalls alle vier Stücke sehen. Mich hat die Oper wirklich herausgefordert, aber das will ich gerne meinem musikalischen Kretinismus anlasten. 

Soviel aber schon:  alle haben mir etwas Neues gegeben, und ich bedaure keine Minute. Und: ich habe mich sehr gefreut, als mir Willy Praml gestern erzählte, dass er plant, eine Aufführung von Christian Wirmer zu sehen.

Ich wünsche mir jetzt eine Einladung an alle Beteiligten zu einem öffentlichen Gespräch!  Gerade nachdem wir erste Berichte über gründlich misslungene Auseinandersetzungen mit Büchners Werk zur Kenntnis nehmen (und erleiden) mussten, könnte hier eine ganz neue und fruchtbare Perspektive auch für den künstlerischen Austausch eröffnet werden. 

… und zum Lohne gib dafür, Grab in freier Erde mir!

Heute vor 176 Jahren, am 22. Februar 1837, nur vier Tage nach Georg Büchners Tod in Zürich,  starb im Gefängnis in Darmstadt der Revolutionär, Demokrat, Turner und Pfarrer Friedrich Ludwig Weidig.

Verzweifelt und vom sadistischen Richter Georgi  unmenschlich gequält hinterließ er an der Wand seiner Zelle, mit eigenem Blut geschrieben, den Satz:

Da mir der Feind jede Vertheidigung versagt, so wähle ich einen schimpfl. Tod aus freien Stücken 

  

 Weidig war sicher einer der bedeutendsten hessischen Demokraten im frühen 19. Jahrhundert, sein Beitrag zur Verfassungsbewegung von 1820, im Vorfeld des Frankfurter Wachensturms und zur demokratisch-aufrührerischen Bewegung um den hessischen Landboten ist nicht hoch genug zu bewerten. Noch immer steht die Bewertung seiner Lebensleistung unter dem Vorwurf, er habe Büchners Landboten-Text „entstellt“ und „entschärft“. Wahr ist wohl, dass er den Text des unerfahrenen jungen Wilden Büchner verändert und ergänzt hat. Aber wahr ist auch, dass Weidig das mit der profunden Erfahrung eines jahrzehntelangen Agitators und Volksbildners tat, mit einer Erfahrung also, über die Georg Büchner nicht verfügen konnte. Der „Landbote“ als Gemeinschaftswerk der Revolutionäre des Gießen-Butzbacher Kreises wurde zum Meilenstein der hessischen, ja der deutschen Demokratie, als vorbildliches und wirkungsvolles Flugblatt gegen Willkür, Unterdrückung und Fürstenherrschaft.

Weidig wurde auf dem Darmstädter Friedhof begraben, ich habe heute früh zwei Rosen auf sein Grab gelegt.

Das Zitat auf dem Grabkreuz entstammt seinem Gedicht

 Vaterlandsliebe

Frühling 1831

 

Wann die Glut des Morgens funkelt

Wann mich still die Nacht umdunkelt,

Schlägt dir, Vaterland, mein Herz,

Denket dein mit Freud und Schmerz.

 

Wann des Frühlings Keime schwellen,

Schlägt mein Herz in raschern Wellen,

Fragt: wann wirst Du, Deutschland, blühn

Sind dir bald die Zweige grün?

 

Wann des Sommers Ähren schwellen,

Schlägt mein Herz in raschern Wellen,

Fragt: ob dir statt Eigensucht

Wachse des Gemeinwohls Frucht?

 

Wann im Herbst die Traube reifet,

Sehnsucht durch das Herz mir schweifet,

Ob der Freiheitswein wohl gährt,

Frag ich: ob er wohl sich klärt?

 

Wann die Winterflur erstarret,

Bang das Herz des Frühlings harret,

Frag ich: ob nach Eis und Schnee

Freiheits-Frühling dich umweh? –

 

Vaterland, dein sei mein Leben,

Dein mein Fürchten, Hoffen, Streben;

Und zum Lohne gib dafür

Grab in freier Erde mir!

 

 

Seine Heimatstadt, die Weidig-Stadt Butzbach, dort besonders der Museums- und Archivleiter Dr. Dieter Wolf, pflegen und betreuen seine Erinnerung.

Das Gedicht findet sich bei:

Friedrich Ludwig Weidig. Gesammelte Schriften. Darmstadt. Eduard Roether Verlag. Hrsgg. v. d. Gesellschaft Hessischer Literturfreunde. 1987 

Die fabelhafte Büchnerbande unterwegs

Am Mittwoch, einen Tag nach Georg Büchners 176. Todestag und der Buchvorstellung von Jan-Christoph Hauschild musste Darmstadt schon wieder eine Büchner-Veranstaltung verkraften – und es scheint allen Beteiligten gut bekommen zu sein.

Der Darmstädter Jgdhofkeller am 20.2. – voll bis auf den letzten Platz

Im ausverkauften Jagdhofkeller traten wir auf Einladung von Marianne und Klaus  und vom Bessunger Buchladen mit dem vollen Programm auf – auch diesmal wieder mit einer ortsspezifischen Zugabe, die nach 1,5 Stunden Programm und einer Pause vom gar nicht erschöpften Publikum dringend gewünscht worden war.

Die Bande in Aktion

(v.l.n.r.: Heiner Dieckmann, Peter Brunner, Petra Bassus, Reiner Lenz, Jürgen Queißner, Thomas Heldmann)

Diesmal trugen wir ein paar Frechheiten von Alexander Büchner über das verschlafene Darmstadt der 1840er Jahre vor.

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Die nächste Gelegenheit, uns zu sehen, ist voraussichtlich der 1. Mai – aktuelle Termine für Auftritte der fabelhaften Büchnerbande und Informationen dazu immer hier.

Mit herzlichen Dank für die schönen Fotos (©) an Frank Backes !  

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