Am 19. 2. 2013, Georg Büchners 176. Todestag, konnte die Luise-Büchner-Gesellschaft die gerade erschienene Büchner-Biographie des Büchnerforschers Jan-Christoph Hauschild im überfüllten Literaturhaus Darmstadt vorstellen.
Der Autor Jan-Christoph Hauschild und sein Verleger Günter Berg
Heute vor 176 Jahren, am 19. Februar 1837, starb in seiner Kammer in der Zürcher Spiegelgasse der deutsche Revolutionär, Dichter und Naturwissenschaftler Georg Büchner, noch nicht 24 Jahre alt, in den Armen seiner Geliebten Minna Jaeglè.
Das Haus in der Spiegelgasse 2006
Georg Herwegh schrieb 1841 ein Gedicht als Nachruf, die Zeilen:
Ein unvollendet Lied sinkt er ins Grab, der Verse schönsten nimmt er mit hinab“
stehen auf seinem neuen Grabstein auf dem Zürcher Rigiblick.
Georg Herwegh
Zum Andenken an Georg Büchner
den Verfasser von »Dantons Tod«
Zürich, im Februar 1841
Die Guten sterben jung,
Und deren Herzen trocken, wie der Staub
Des Sommers, brennen bis zum letzten Stumpf.
I
So hat ein Purpur wieder fallen müssen!
Hast eine Krone wiederum geraubt!
Du schonst die Schlangen zwischen deinen Füßen
Und trittst den jungen Adlern auf das Haupt!
Du läßt die Sterne von dem Himmel sinken
Und Flittergold an deinem Mantel blinken!
Sprich, Schicksal, sprich, was hast du diesen Tempel
So früh in Schutt und Asche hingelegt?
So rein und frisch war dieser Münze Stempel
Was hast du heute sie schon umgeprägt?
O teurer als im goldenen Pokale
Einst jene Perle der Kleopatra
Lag eine Perle in dem Haupte da;
Der Mörder Tod schlich nächtlich sich ins Haus,
Der rohe Knecht zerbrach die zarte Schale
Und goß den hellen Geist als Opfer aus.
Mein Büchner tot! Ihr habt mein Herz begraben!
Mein Büchner tot, als seine Hand schon offen
Und als ein Volk schon harrete der Gaben,
Da wird der Fürst von jähem Schlag getroffen;
Der Jugend fehlt ein Führer in der Schlacht,
Um einen Frühling ist die Welt gebracht;
Die Glocke, die im Sturm so rein geklungen,
Ist, da sie Frieden läuten wollt, zersprungen.
Wer weint mit mir? Nein, ihr begreift es nicht,
Wie zehnfach stets das Herz des Dichters bricht,
Wie blutend, gleich der Sonne, nur sich reißt
Von dieser Erde stets ein Dichtergeist,
Wie immer, wo er von dem Leib sich löste;
Sein eigner Schmerz beim Scheiden war der größte.
Ein Zepter kann man ruhig fallen sehn,
Wenn einmal nur mit ihm die Hand gespielt,
Von einem Weibe kann man lächelnd gehn,
Wenn man’s nur einmal in den Armen hielt;
Der Todesstunde Qual sind jene Schemen,
Die wir mit uns in unsre Grube nehmen,
Die Geister, die am Sterbebette stehn
Und uns um Leben und Gestaltung flehn,
Die schon die junge Morgenröte wittern
Und ihrem Werden bang entgegenzittern,
Des Dichters Qual die ungeborne Welt,
Der Keim, der mit der reifen Garbe fällt.
Ich will euch an ein Dichterlager bringen.
Seht mit dem Tod ihn um die Zukunft ringen,
Seht seines Auges letzten Fieberstrahl,
Seht, wie es trunken in die Leere schaut
Und drein noch sterbend Paradiese baut!
Die Hand zuckt nach der Stirne noch einmal,
Das Herz pocht wilder an die schwachen Rippen,
Das Zauberwort schwebt auf den blassen Lippen
Noch ein Geheimnis möcht er uns entdecken,
Den letzten, größten Traum ins Dasein wecken.
O Herr des Himmels, sei ihm jetzt nicht taub!
Noch eine Stunde gönn ihm, o Geschick!
Verlösche uns nicht des Propheten Blick!
Umsonst es bricht die müde Brust in Staub
Und mit ihr wieder eine Freiheitsstütze,
Aufs stille Herz fällt die gelähmte Hand,
Daß sie im Tod noch vor der Welt es schütze!
Und die so reich vor seinem Geiste stand,
Er darf die Zukunft nicht zur Blüte treiben,
Und seine Träume müssen Träume bleiben;
Ein unvollendet Lied sinkt er ins Grab,
Der Verse schönsten nimmt er mit hinab.
Du flammst nun wieder, nach durchbrochner Schranke,
In Gottes Haupt ein leuchtender Gedanke;
Am kalten Herde sitzen wir allein
Und weinen in die Asche still hinein.
Oh, mein Jahrhundert, sammle sie geschwind!
Er war ein Held, und mehr: Er war dein Kind!
An deiner Brust hast du ihn aufgesäugt,!
Dein Banner einzig hat er ja geschwenkt;
Vor dir allein hat er sein Knie gebeugt,
Vor dir, vor dir allein sein Schwert gesenkt;
Für dich und mit dir hat er kühn gestritten,
Für dich und mit dir hat er treu gelitten;
Um deinetwillen stieß sein Vaterland
Ihn aus, gleich wie der Mutterborn die Welle,
Daß sie am fremden, freudenlosen Strand
Mit allen Himmeln in der Brust zerschelle.
An fremdem, freudenlosem Strande, ja!
Denn wessen Herz stand hier dem seinen nah?
Wo scheu der Mensch den Fuß vom Boden hebt
Und Fels und Stein allein nach oben strebt?
Wo doppelt, doppelt schön der Äther blaut
Und doppelt tief der Mensch zur Erde schaut,
Wo stolze Adler ihre Heimat haben,
Und wo am Ruder sitzen doch die Raben.
Der Alpen Kind, wie ist dein Ruf verhallt!
Einst groß, wie sie, und jetzt, wie sie, nur kalt!
II
Gleich Rosenhauch auf einer Jungfrau Wangen
Seh ich den Abend im Gebirge prangen;
Im zarten Dufte glühen sie vor mir,
Die Gletscher, denen treu die Sonne hier
Ihr erstes und ihr letztes Lächeln zeigt,
Und aus den Flammen wie ein Phönix steigt
Der Mond mit silberstrahlendem Gefieder,
In jede Woge taucht sein Bildnis nieder,
Ob stumm sie ruht, ob leuchtend sie sich bricht,
Sie wird verklärt, und er vergißt sie nicht;
So mag der Geist der Welt in unser Denken,
In jede Blüte, jede Brust sich senken.
Dem Mond streut still mit schmeichelnder Gebärde
Goldwölkchen auf die Bahn des Abends Wehn
Gleich Blumen, doch nicht Blumen dieser Erde,
Die welken müssen, ehe sie vergehn.
Dort in den Nachen wirft mit kalter Hand
Sein letztes Gold das herbstlich gelbe Land,
Und meine Seele sieht in süßer Ruh
Der Perlen Träufeln von den Rudern zu,
Wie sie von Ringen hin zu Ringen tönen,
Ein fließendes Symbol der Ewigkeit,
Und endlich sich, von jeder Form befreit,
Gestaltlos mit dem Element versöhnen.
O Geist der über diesen Wassern lebt
Der hier aus diesen kühlen Gründen taut,
Der aus der Tiefe Himmel widerblaut,
Du Geist des Friedens, der mich jetzt umschwebt,
Der sich den Äther maßlos läßt entfalten,
Der Erde stillen Drang zum Lenz gestalten
So liebend beut die Luft des Vogels Schwingen
Der Harfe Ton, um drin sich auszuklingen
Was hast du uns um diesen Stern betrogen
Und, eh es tagen wollte, uns entzogen
Den Genius, der dir so rein verwandt,
Sich in dein All, wie Hauch in Hauch, empfand,
Drein, wie in einer Blume Kelch, sich senkte,
Und draus ein Herz, so gottesdurstig, tränkte?
Du hast ein Auge der Natur genommen,
Das ihr in ihre tiefste Seele sah,
Um einen Beter bist du selbst gekommen
Um einen Beter? ei, so staunet, ja!
Um keinen Beter, ruhig, sicher, still,
Die Flamme bebt, wenn sie nach oben will!
Um keinen Beter nein, um keinen Wurm
Es tobt das Meer und lobt den Herrn im Sturm!
Der Blumen schönste brauchet einen Dorn,
Ein edles Herz zu Schutz und Trutz den Zorn;
Manch heiß Gebet hüllt sich in einen Fluch
Wie unsre Hoffnung in das Leichentuch.
III
Was er geschaffen, ist ein Edelstein,
Drin blitzen Strahlen für die Ewigkeit;
Doch hätt er uns ein Leitstern sollen sein
In dieser halben, irr gewordnen Zeit,
In dieser Zeit, so wetterschwül und bang,
Die noch im Ohr der Kindheit Glockenklang
Und mit der Hand schon nach dem Schwerte zittert,
Zur Hälfte tot, zur Hälfte neugeboren,
Gleich einer Pflanze, die den Frühling wittert
Und ihre alten Blätter nicht verloren.
Er hätte aber gönnt ihm seine Ruh!
Die Augen fielen einem Müden zu;
Doch hat er, funkelnd in Begeisterung,
Vom Himmelslichte trunken, sie geschlossen,
Der Dichtung Quelle hat sich voll und jung
Noch in den stillen Ozean ergossen.
Und eine Braut nahm ihn der andern ab;
Vor der verhaucht‘ er friedlich sanft sein Leben,
Die Freiheit trug den Jünger in das Grab
Und legt sich bis zum Jüngsten Tag daneben.
Auch nicht allein ist er dahingegangen,
Zwei Pfeiler unsrer Kirche stürzten ein;
Erst als den freisten Mann die Gruft empfangen,
Senkt man auch Büchner in den Totenschrein,
Büchner und Börne!- Deutsche Dioskuren,
Weh, daß der Lorbeer nicht auf deutschen Fluten
Für solch geweihte Häupter wachsen darf!
Der Wind im Norden weht noch rauh und scharf,
Der Lorbeer will im Treibhaus nur gedeihen,
Ein freier Mann holt sich ihn aus dem Freien!
O bleibe, Freund, bei deinem Danton liegen!
’s ist besser, als mit unsern Adlern fliegen.
Der Frühling kommt, da will ich Blumen brechen
Auf deinem Grab und zu den Deutschen sprechen:
»Kein Held noch, noch kein Ziska oder Tell?
Und eure Trommel noch das alte Fell?«
Hier zitiert nach http://gutenberg.spiegel.de/buch/1196/6
Unter dem schönen Titel Erst kommt die Politik“ ist am 18.2. hier im DARMSTÄDTER ECHO meine Rezension zu dem Buch erschienen.
Es wäre heute gleich doppelt anzüglich, Jan-Christoph Hauschild den Papst der Büchnerforschung zu nennen – des gehabten Rücktritts wegen ebenso wie wegen des fast gleichnamigen Reinhard Pabst, ebenfalls Büchnerforscher von hohem Anspruch.
Nennen wir ihn also nureinen der wichtigsten Büchnerforscherund freuen uns, dass er rechtzeitig zu den Höhepunkten der Georg-Büchner-Feierei ein wunderbares Buch über Georg Büchner vorlegt.
Hauschild greift zurück auf über 30 Jahre intensiver Forschung und Auseinandersetzung zu Georg Büchner; sein Band Georg Büchner. Biografie von 1993 ist unersetzliche Quelle nicht nur zu Büchners Leben und Werk, sondern auch zur demokratischen Bewegung im 19. Jahrhundert. Leider ist das 700-Seiten-Werk, das zuletzt 1997 bei Ullstein als Taschenbuch erschien, nicht mehr lieferbar. Einen wie in dieser Reihe üblich knappen und skizzenhaften Einstieg vermittelt immer noch seine Rowohlt-Monographie (2. Aufl. 2004).
Einen Büchner-Romane gibt es schon von Kasimir Edschmid (Wenn es Rosen sind, werden sie Blühen“ von 1950, kürzlich von Christian Suhrs Büchnerbühne wunderbar dramatisiert); einige weitere Veröffentlichungen geben das zwar vor, aber leider, ohne dem Anspruch auch nur entfernt gerecht zu werden. Mit Verschwörung für die Freiheit“ gibt es jetzt auf dem Stand neuester wissenschaftlicher Erkenntnis, aber ohne jede wissenschaftliche Attitüde, die das Lesen beeinträchtigen könnte, einen Band für die Hand des heute an Georg Büchner interessierten Lesepublikums. Der Verlag spricht von einer Biographie …, die sich zwischen spannender Nacherzählung und faktengestützter Rekonstruktion bewegt und die Person Georg Büchner auf besondere Art greifbar macht“, mir scheint beim erfreuten ersten Lesen der Begriff biographischer Roman passend.
Eine der ersten Lesungen hat Jan-Christoph Hauschild freundlicherweise der Luise-Büchner-Gesellschaft in Darmstadt zugesagt, und daher ergeht hier die herzliche Einladung zur Buchvorstellung an Georg Büchners 176. Todestag:
Dienstag, 19. Februar
19 Uhr im Literaturhaus Darmstadt
Kasinostraße 3. Eintritt 6 .
Veranstaltet in Zusammenarbeit und mit freundlicher Unterstützung des Literaturhaus Darmstadt.
Hier liste ich einmal meine Verabredungen zu öffentlichen Auftritten, bei denen Sie mich treffen und gerne auch befragen können, zur freundlichen Kenntnisnahme auf. Diese Liste wird ggf. aktualisiert!:
Donnerstag, 14. Februar, bei den Kunstfreunden Bergstraße in Auerbach
Vortrag über die Geschwister Büchner
Mittwoch, 20. Februar, 19 Uhr (Einlass, Beginn 20 Uhr),
Jagdhofkeller Darmstadt
Die fabelhafte Büchner-Bande
Musikalische Revue mit Petra Bassus, Heiner Dieckmann und Papa Legba’s Blues Lounge
Info und Karten gibts hier
Samstag, 23. Februar, 18 Uhr, im Bunten Löwen, Zwingenberg
Literarische Weinprobe zu den Büchners
literarische Weinprobe zusammen mit Heinrich Hillenbrand, dem Eisweinpapst und langjährigen Leiter des Staatsweingutes.
Info und Anmeldung unter: 06158 930 841 oder 842 oder E-Mail: kultur@riedstadt.de
Samstag, 4. Mai, Nachmittags, Büchnerplatz, Darmstadt
15 Jahre Theater Mollerhaus
Büchneraktionen in der Darmstädter Innenstadt
Donerstag, 16. Mai, Saalbau-Kino, Pfungstadt
Aufführung des Büchner-Films Eine Deutsche Revolution“
Deutschland 1982 unter der Regie von Helmut Herbst. Darsteller u.a. Peter Becker, Bazon Brock, Marquard Bohm, Peter O. Chotjewitz. Nach dem Roman von Kasimir Edschmid
Film mit Rahmenprogramm, anlässlich des 200. Geburtstags von Georg Büchner.
Einleitung und Gespräch mit dem Regisseur Helmut Herbst und dem Sohn des Autors Kasimir Edschmid, Enzio Edschmid, Frankfurt am Main
Saalbau Kino Pfungstadt
Samstag, 14. September, Hofgut Guntershausen
Die fabelhafte Büchner-Bande
Musikalische Revue mit Petra Bassus, Heiner Dieckmann und Papa Legba’s Blues Lounge
VHS-Kurs im Landkreis Darmstadt-Dieburg (6 Abende, 27. 2. bis 22. 5. 2013)
Im Jubiläumsjahr Georg Büchners, zum Gedenken an seinen 200. Geburtstag 2013, werden drei zentrale Aspekte seines Lebens aus verschiedenen Perspektiven betrachtet: die Rolle des Revolutionärs, die des Mediziners und Naturforschers und die des Dichters.
Luise, Ludwig und Alexander Büchner, August Becker, Karl Minnigerode, Wilhelm Schulz, die Straßburger Brüder August Daniel Ehrenfried und Adolf Stoeber, der Drucker Karl Preller aus Offenbach und einige mehr sind Geschwister, Freunde und Gefährten Georg Büchners gewesen, die ihn in brüderlicher Nähe begleitet haben. Ihre Biographien spiegeln die Geschichte des 19. Jahrhunderts wider, das leider nicht das Jahrhundert Georg Büchners werden konnte.
Lassen sich aus den Biographien seiner Genossen oder seiner Geschwister aus Darmstadt, Straßburg, Gießen und Zürich Schlüsse ziehen? Oder gehört zu seiner unbestrittenen Geniebegabung eine solche Einzigartigkeit, dass auch sein politisches Leben anders verlaufen wäre als das der Verwandten und Mitstreiter, die die Demagogenverfolgung überlebten?
Der Kurs liefert Informationen über Personen und Zeit und wagt danach den Versuch einer Spekulation. Wäre Georg Büchner Paulskirchenabgeordneter gewesen – und mit welcher Haltung? Hätte er ein Charles Darwin werden können? Kann man sich sein Leben in Zürich als Dichter denken? War Aretino wirklich der Gegenstand seines nächsten Dramas – und wie hätte das ausgesehen?
Referent: Peter Brunner, Pfungstadt
Veranstalter: Volkshochschule Darmstadt-Dieburg
mit freundlicher Unterstützung des Evangelischen Dekanats Darmstadt-Land