Peter Brunners Buechnerblog

Schlagwort: Todestag

Am 19.2. 1837 starb Georg Büchner im Zürcher Exil



„Es hieß für den Kranken könne mein Anblick nicht schädlich wirken, denn er würde mich ja doch nicht erkennen – aber mir dürfe man nicht gestatten das entstellte Antlitz zu schauen. Sie können denken daß sobald nur mein Ich in Betracht kam, man mir den Eingang ins Krankenzimmer nicht mehr wehren durfte. Dr Zehnder führte mich hinein, noch vor der Thüre sagte er mir: fassen Sie sich, er wird Sie nicht kennen. Nein, er wird mich kennen, war meine Antwort. Und er hat mich erkannt, er fühlte meine Nähe und ich habe Ruhe über ihn gebracht. 

Er ist sanft eingeschlummert, ich habe ihm die Augen zugeküßt, Sontag d 19 Feb. um halb 4. 

Der Jammer der Eltern ist gränzenlos. Über meine übrigen Lebenstage ist ein schwarzer Schleier geworfen. Der Himmel möge sich meiner erbarmen und mich nur noch so lange leben lassen, als meinen alten Vater. Leben Sie wohl, Sein Freund ist auch der Meinige.“

Das ist der authentischste und unmittelbarste Bericht über Georg Büchners Tod, den wir kennen – die Geliebte Minna schreibt an den gemeinsamen Freund Eugen Boeckel am 5. März. 

Der Blumengruß der Wissenschaftsstadt Darmstadt zum Todestag auf Büchners Grab im Zürich



Das Leben des gebürtigen Goddelauers war in den Jahren von 1833 bis 1837, seinem zwanzigsten bis vierundzwanzigstem Lebensjahr, so unglaublich angefüllt mit Ereignissen und Erlebnissen, Erfahrungen und Leistungen, dass es leicht für zwei Jahrzehnte hätte reichen können.

Was ihn bis heute bedeutend und unvergessen macht, ist in diesen wenigen Jahren geschehen – er hat die bedeutendste Flugschrift deutscher Sprache seit Jahrhunderten verfasst, drei Jahrhundert-Dramen und eine bedeutende Novelle geschrieben, eine naturwissenschaftliche Promotion von höchster Qualität vorgelegt und, nicht zuletzt, hunderte von Briefen geschrieben.

Die bedauerlich wenigen davon, die uns erhalten oder wenigstens in Auszügen oder Abschriften erhalten sind, bestimmen unser Bild von dem Weltgenie, das mit Empathie und Liebe auf die Welt blickt, für die er uns allen „ … Makkaroni, Melonen und Feigen, … musikalische Kehlen, klassische Leiber und eine komm[o]de Religion.“ wünscht. 

Wie der lieben konnte, leiden, fühlen, wünschen – es bricht heute noch jedes fühlende Herz, wenn er uns vom Weihnachtsmarkt in Straßburg schreibt oder sich dagegen verwehrt, die einfachen Leute zu verachten: „Die Lächerlichkeit des Herablassens werdet Ihr mir doch wohl nicht zutrauen. Ich hoffe noch immer, daß ich leidenden, gedrückten Gestalten mehr mitleidige Blicke zugeworfen, als kalten, vornehmen Herzen bittere Worte gesagt habe.“ 

Die BüchnerBühne hat in diesen Zeiten der Beschränktheit ein Video erarbeitet, das sich mit Motiven der Lenz-Novelle auf Büchners Spur macht. 

„Am 20. Jänner ging Lenz ins Gebirge … „ – so beginnt Büchners Erzählung über die einsame Wanderung des an der Welt verzweifelten Dichters.

Also sind auch wir im Januar losgelaufen – mit einer Videokamera – zunächst ohne weiteren Plan – und wollten uns – selbst zweifelnd an der Zeit und in der Hoffnung auf ein Stückchen Theaterzukunft  – auf seine Spur begeben: Mitten im Ried, in einer benachbarten Kirche, im Odenwald …

Entstanden ist die Idee einer kleinen Lenz-Serie mit einfachen Mitteln. Sehen Sie hier die erste Station: „Die alten Dichter“ …

mit BASTIAN HAHN als Lenz
JOHANNA BRONKALLA als Mutter Oberlin
AYLIN KEKEC als Mädchen

Regie: Christian Suhr
@ 2021 BüchnerFindetStatt

Von Peter Brunner

„Doch was mir dort geschehen, Wirkt mutig in mir fort!”*

Als Georg Büchner am 19. Februar 1837 in Zürich in den Armen der geliebten Minna Jaeglé stirbt, ist kein Familienmitglied anwesend.

Am Tag nach der Beerdigung am 21.2.  veröffentlichen die Eltern in Darmstadt eine knappe Anzeige:

 

Unser innigst geliebter Sohn Georg, Dr. philos. und Privatdocent an der Universität Zürich, ist uns durch den Tod entrissen worden. Er starb am 19. d. Mts. an dem Orte seiner Bestimmung, nach kaum zurückgelegtem 23. Jahre seines Alters, an einem bosartigen Fieber.

Ihren lieben Verwandten und Bekannten, sowie den Freunden des Verewigten widmen diese Anzeige, mit der Bitte um stille Theilnahme, die tiefgebeugten Eltern.

Darmstadt, den 22. Februar 1837.

Dr. Büchner, Gr. Med. Rath.

Caroline Büchner, geb. Reuß.

(Großherzoglich Hessische Zeitung, Nr. 56, 25. Februar 1837)

Es gibt keine Äusserung darüber, ob und wie es ihnen möglich gewesen wäre, rechtzeitig nach Zürich zu reisen; theoretisch war allerdings auch eine Überführung des Leichnams und eine Bestattung in Darmstadt nicht ausgeschlossen.

Das unwürdige Verhalten der Darmstädter Behörden, die wenig später verhinderten, dass auf Weidigs Grab die Inschrift

„Vaterland, Dein sei mein Leben,

Dein mein Fürchten, Hoffen, Streben,

und zum Lohne gieb dafür

Grab in freier Erde mir”

gezeigt werden durfte, mag als Hinweis dafür genügen, dass es gute Gründe gab, den gesuchten Staatsverbrecher Georg Büchner jedenfalls zunächst in tatsächlich freier, schweizerischer, Erde ruhen zu lassen. Auch der Satz „an dem Orte seiner Bestimmung“ mag ein Hinweis darauf sein, dass die Eltern  in dem Eindruck lebten, Georg habe mit der Dozentenstelle in der Schweizer Republik einen besseren Ort gefunden als es Darmstadt für ihn sein konnte.

Auf den „Rigiblick” umgebettet liegt er dort noch heute, und immer wieder erreichen mich Nachrichten von Büchnerfreund*innen, die seine letzte Ruhestätte dort besucht haben.

Im Juni 2019 wird die Luise Büchner-Gesellschaft eine Reise veranstalten, deren Teilnehmer*innen bereits einen Ortstermin dort vereinbart haben.

Die Stadt Darmstadt legt zum Todestag regelmäßig einen Kranz auf sein Grab, und unser Freund DW aus Riedstadt hat ihm bei jedem seiner regelmäßigen Besuche eine Erinnerung auf’s Grab gelegt.

 

Hier eines seiner neuesten Fotos (danke dafür!), schon unter der neu gepflanzten, jungen Linde

Büchners Grab auf dem Rigiblick in Zürich, Januar 2019 (C) DW

von Peter Brunner

Peter Brunner

* aus Luise Büchners Gedicht „Am Grab des Bruders”

Der Darmstädter Blumengruß von 2019. Das Foto von Herrn K. aus Zürich hat mir freundlicherweise Herr F. aus Darmstadt überlassen, vielen Dank dafür!

Georg Büchners Grab restauriert

Das „Präsidialdepartement” der Stadt Zürich hat mitgeteilt, dass die Restaurierungsarbeiten an Georg Büchners Grab abgeschlossen sind. Schön, dass das noch vor seinem Todestag am 19. 2. fertig geworden ist. Offenbar ist der oft zitierte Fehler, dass dort Darmstadt als Geburtsort steht, nicht korrigiert worden (dazu müsste ja die inzwischen historische Inschrift geändert werden); vielleicht kann die Gemeinde Riedstadt, deren Ortsteil der korrekte Geburtsort Goddelau heute ist, ja eines Tages erreichen, dass eine Info-Tafel nebenbei die richtigen Daten nennt. Immerhin wird wohl auch in diesem Jahr ein Kranz der Gemeinde aufs Grab gelegt werden.

Bilder vom alten Zustand, im April 2001 noch mit der inzwischen vom Sturm gefällten Linde:

060401_Zuerich_Grb_GB_spbrunner_006

Georg Büchners Grabstein auf dem „Rigiblick” in Zürich mit der falschen Angabe zum Geburtsort „Darmstadt” (statt richtig „Goddelau”)

060401_Zuerich_Grb_GB_spbrunner_005

Die Linde über Georg Büchners Grab auf dem Rigiblick über Zürich im April 2001

 

 

 

Hier die Pressemeldung:

Präsidialdepartement

17. Februar 2015

Grab- und Denkmal Georg Büchners nach 140 Jahren restauriert
Das 140 Jahre alte Grab- und Denkmal Georg Büchners an der Germaniastrasse in Zürich-Oberstrass ist fertig restauriert. Mit der Restaurierung ist sichergestellt, dass das Grab- und Denkmal auch in den kommenden Jahrzehnten in würdigem Zustand erhalten bleibt.Georg Büchner, Dramatiker, Revolutionär und Dozent an der Universität Zürich, starb am 19. Februar 1837 in Zürich an Typhus und wurde zwei Tage später im alten Friedhof Krautgarten, an der heutigen Krautgartengasse, beerdigt. Bei der Aufhebung des Friedhofs im Jahr 1875 wurden seine Gebeine auf Wunsch der Gesellschaft deutscher Studierender in Zürich zum Grab- und Denkmal auf dem Germaniahügel in Zürich-Oberstrass überführt, das seither an das Leben und Werk Georg Büchners erinnert.

Der 200. Geburtstag Georg Büchners im Jahr 2013 wurde in Zürich mit zahlreichen kulturellen Veranstaltungen gefeiert. Zudem wurde am Büchner-Grab eine neue Linde gepflanzt. Bei den entsprechenden Vorbereitungen zeigte sich, dass auch das Grab- und Denkmal restaurierungsbedüftig war. Die daraufhin eingeleitete Restaurierung umfasste Büchners Felsengrabmal sowie die gusseiserne Grabeinfriedung. Die kunstvollen Eisenarbeiten, die das Grabmal umschliessen, mussten aus ihrem Sandsteinfundament herausgelöst, zerlegt und in der Werkstatt entrostet und neu verzinkt werden. Gleichzeitig wurden die beschädigten Sandsteinsockel geflickt und die Inschriftenplatte demontiert und gereinigt. Abschliessend wurden die entfernten Stücke wieder an ihre ursprüngliche Position gebracht. Durch die Restaurierung ist sichergestellt, dass das Grab- und Denkmal nach 140 Jahren auch für die nächsten Jahrzehnte in würdigem Zustand erhalten bleibt.

Für den Unterhalt und die Pflege von Denkmälern und Kunst im öffentlichen Raum (KiöR) ist die Arbeitsgruppe Bewirtschaftung mit Vertreterinnen aus der Geschäftsstelle KiöR des Tiefbauamts und der Gartendenkmalpflege von GrünStadt Zürich zuständig. Die Restaurierungsarbeiten wurden im vorliegenden Fall von Grün Stadt Zürich begleitet und finanziert und fachlich von der städtischen Denkmalpflege mitbetreut. Die Arbeiten kosteten rund 13 000 Franken. Das Grab- und Denkmal Georg Büchners ist nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten wieder in die Obhut des Bestattungs- und Friedhofsamts übergegangen.

SPeterBrunner

von Peter Brunner