Neues aus Buechnerland

Peter Brunners Buechnerblog

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29. 6. 2012 – Christian Wirmer erzählt Georg Büchners „Lenz” als einen neuen Text

Glücklicherweise ist es gelungen, Christian Wirmer für eine Veranstaltung des Kultursommer Südhessen 2012 zu gewinnen. Seine Interpretation von Georg Büchners Lenz ist unbedingt sehens- und hörenswert.

Es steht noch eine Anzahl von Karten zur Verfügung, ab dem 21. 6. im Vorverkauf beim Ticketservice Pfungstadt und – vor Ort – im Restaurant Strud´l Stub´n in der Villa Büchner.

Ich zitiere mich ungern selbst, aber meiner Besprechung von Christian Wirmers unvergesslichem Auftritts im Darmstädter Literaturhaus habe ich nichts hinzuzufügen:

 Ganz frei, wie erzählt, wie gerade erlebt trug er den großartigen Text vor. Das bewies erneut, wie „aus der Zeit” Büchners Texte, die ja eigentlich inhaltlich ganz konkret angesiedelt und zuordenbar sind, dennoch wirken. In allen Wendungen der „Novelle” verzichtet Wirmer darauf, „dem Affen Zucker zu geben”. Weder er als Interpret noch der Text selbst haben es nötig, dass wir mit der Nase auf die richtige „Stelle” gestoßen werden. Lenz´ Sprung in den Brunnen, die Beschwörung am Bett des toten Kindes, der erste und der letzte Satz, alles bleibt im Duktus der Erzählung, und Wirmer füllt den Begriff Erzählung auf, wie es dem Publikum noch nie begegnet war. Da steht ein Mann und spricht, e r z ä h l t , und wir hören einen altbekannten Text plötzlich wie zum ersten Mal.

 

 (Christian Wirmer)

 

Büchners Lenz ist wirklich zum Erzählen geschrieben (neben dem „Landboten” ist es ja auch sein einziger Prosatext), und das führt Christian Wirmer unpathetisch vor. Es gibt ja in der Büchner-Familie die belegte Tradition des Erzählens, Luise Büchner schildert das im „Dichter”, Georg spielt gerne mit erzählenden Figuren, Luise Büchner selbst hat ihre Märchen zuerst Ludwig Büchners Kindern vorgelesen. Vielleicht müssen wir uns ab jetzt den Lenz als eine (wörtlich) E r z ä h l u n g Georg Büchners denken, als einen Text, von einem Dramatiker als Sprechtext geschrieben.

 Der Verdienst, diesen wichtigen Gedanken angeregt zu haben, gehört Christian Wirmer. Nach über einer Stunde konzentriertester Aufmerksamkeit lobte das Publikum mit anhaltendem Beifall.

Nicht alles Preußentum ist Schwarz-Weiß

Donnerstag, 21. Juni, 19.30 Uhr

Literaturhaus Darmstadt, Kasinostr. 3

Vortrag von Dr.Thomas Lange: Liebesbriefe als politische Provokation? –

Alexander Büchners Ausgabe der Korrespondenz

von Prinz Louis Ferdinand mit Pauline Wiesel

 

 

 

 

 

 

1865 erschien in Leipzig ein unzeitgemäßes Buch: „Briefe des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen an Pauline Wiesel. Herausgegeben von Alexander Büchner.“ Neben den 1804/5 geschriebenen Briefen des Prinzen enthielt das Buch auch Briefe anderer Männer an die von vielen begehrte Pauline.

                                               

Pauline Wiesel und Prinz Louis Ferdinand, „der preussische Apoll“

(Die beiden gemeinfreien Bilder entnahm ich den oben zitierten Wikipedia-Einträgen) 

Nicht nur die sprachliche Direktheit der prinzlichen Korrespondenz wurde als skandalös empfunden, sondern auch die Tatsache, dass mit diesen Briefen an ein Preußen erinnert wurde, das sich sehr von dem Staat unterschied, der sich in den 60er Jahren anschickte, ein neues Deutsches Reich erobernd zu gründen. Entstehungsbedingungen und politischer Kontext dieser Briefausgabe durch den jüngsten Bruder von Georg Büchner weisen das Buch als gezielte politische Provokation aus.

 

Zu Luise Büchners 191. Geburtstag am 12. Juni 2012

 

 

„ … Was können uns jene jungen Wesen nutzen, die aus der Schule heraus nicht eilig genug ins Leben treten können, ohne Ahnung eines höheren Berufes, eines ernsteren Strebens? Aus ihren Reihen wird nur selten die tüchtige Mutter, das ächte Weib hervorgehen. Trunken vom Glanze der Ball- und Gesellschftssäle, schweben sie, wie im Traume, durch ihre Jugend; aber wohl selten birgt sich unter dem flatternden Gewand das starke Herz, die hochbeschwingte Seele, deren die Frau doch so sehr, so nothwendig bedarf. Wie lieblich rauschen einige Jahre dahin, leichtbeschuht und voller Glanz; aber die Scene muß sich ändern, das wirkliche Leben klopft an die Pforten. Wie Viele wird es dann zum Kampfe bereit finden? Wie viele sind dann seinen gerechten Ansprüchen gewachsen? Ob die Ehe oder das Loos der Unverheirateten diese heiteren Gestalten erwartet, nur diejenige Frau kann ihren höheren Lebenszweck erfüllen, welcher die Erziehung die Mittel dazu an die Hand gegeben. Aber diejenige Erziehung kann weder Ernst noch Tüchtigkeit verleihen, der es selber daran fehlt, und wer den Lebensweg der meisten weiblichen Naturen verfolgt, wird finden, daß ihnen mit richtiger Bildung Alles gegeben wäre, während ihnen ohne dieselbe Alles genommen ist. O, ihr rosigen Kinder, euren Frohsinn und eure Heiterkeit möchten wir um keinen Preis der Welt euch rauben, ihr sollt Rosen in´s Haar flechten und das weiße Gewand tragen, aber darunter die Rüstung der Pallas Athene.“

 

Luise Büchner: Die Frauen und ihr Beruf. Leipzig: Thomas. 5. Aufl. 1884, S. 9/10

Exkursion der Luise Büchner-Gesellschaft nach Weimar im Spiegel eines Twit-Streams

Vom  7. bis 10. Juni war die Luise Büchner-Gesellschaft Darmstadt auf einer Exkursion nach Weimar.

Hier folgt die Wiedergabe der unkorrigierten und ungekürzten Kommentare via Twitter, die ich als Teilnehmer während dieser Fahrt zu den spontanen Eindrücken der Besichtigungen und Ereignisse verschickt habe. (Twitter-Unkundige müssen dazu hier eigentlich nur wissen, dass das eine Kommunikationsstruktur ist, die den Versand von Nachrichten in knapper Form möglich macht.) Lesen konnten das meine „Follower“, also diejenigen, die meine (eher seltenen) Twitter-Kommentare regelmäßig lesen, sowie alle, die dieses Thema, markiert durch den „Hashtag“ (das Stichwort) #LuiseWeimar verfolgen wollten.

Natürlich ist das hier ein Experiment, das ich nicht ständig wiederholen werde, keine Angst!

Die hier rot angezeigten „Links“ führen zu den Bildern, die ich ebenfalls unmittelbar aus dem Geschehen heraus gemacht und verschickt habe, sie sind daher auch nicht der Höhepunkt meiner fotografischen Möglichkeiten; hier sollen sie aber so „roh“ (und gelegentlich, wie ich feststellen musste, auch gekippt)  wiedergegeben werden.

 Ich freue mich über Kommentare und Fragen.

 

Luise Büchner-Gesellschaft Darmstadt auf Weimar-Exkursion:#LuiseWeimar

#LuiseWeimar Agnes Schmidt: grosse Landgräfin verbindet Darmstadt und Weimar: verheiratet Tochter Luise

#LuiseWeimar A. Schmidt über Goethe in Darmstadt; J H Merck. „Empfindsame“ einziger erwähnenswerter Literaturkreis Darmstadts

 #LuiseWeimar Johanna Schopenhauer über Goethes „Bettschatz“: wenn Goethe ihr seinen Namen gibt, können wir ihr eine Tasse Tee geben

#LuiseWeimar J. Schopenhauer wunderte sich, dass die Darmstädter anstelle von Milch oder Limonade auch Frauen ein Glas Wein reichten

#LuiseWeimar Grenzübertritt: Gofforaum auf!

 #LuiseWeimar Im Schatten der Wartburg erinnert die ungarnstämmmige Agnes Schmidt an die gemeinsame Stammmutter Erszebet/Elisabeth

 #LuiseWeimar wurde genötigt, die Anreiseszene aus Lotte in Weimar vorzulesen. Sächsle mit Kammerdiene Mager. Jetzt sprachlos.

#LuiseWeimar angekommen http://via.me/-1t71kdk

#LuiseWeimar Hotel Elephant. Eingecheckt. Gattin verschwindet vorübergehend im begehbaren Kleiderschrank.

#LuiseWeimar Anna Amalia Bibliothek: wir hatten reserviert!http://via.me/-1tbwwlg

#LuiseWeimar Besuch am Grab von Goethes Christianehttp://via.me/-1tg17g2

#LuiseWeimar Aus dem reichhaltigen Frühstücksangebot im „Elephant“http://via.me/-1u5xn56

#LuiseWeimar Unvergesslicher Besuch im noch nicht eröffneten Goethe- und Schiller-Archiv. Und Buechnerhandschriften!http://via.me/-1u987x6

#LuiseWeimar Agnes Schmidt zitiert ein Gedicht von Petöfi, dem#Buechner Ungarns, vor seinem Denkmal http://via.me/-1ud8few

#LuiseWeimar Im Goethehaus. G. zum jungen Mendelssohn-Bartholdy: „Mache er mir ein wenig Lärm!“ http://via.me/-1uhkv94

#LuiseWeimar Darmstädter zur Sonne. … http://via.me/-1uo3lbc

#LuiseWeimar Annette Seemann zu Salons in W. J. Schopenhauer bietet Tee und Butterbrote, „aber sie kommen doch wieder“http://via.me/-1uo5yi8

#LuiseWeimar Frühstückstische sind gedeckt – und dann zum Wieland-Gut! http://via.me/-1v7tx42

#LuiseWeimar Kurzes Arno Schmidt Gedenken an Wielands Grabhttp://via.me/-1vapth2

#LuiseWeimar Scharfe Debatte über Fotoverbot in Tiefurt: Mißbrauch des Hausrechts! http://via.me/-1ve4khk

#LuiseWeimar #Buchenwald das KZ, das aus Pietätsgründen nicht Weimar heißen durfte http://via.me/-1vismsu .

#LuiseWeimar man muss Nietzsche nicht verehren, um für Van der Velde zu schwärmen http://via.me/-1vkcnri

#LuiseWeimar Kuchen bei Rose an der Herderkirche – seit vielen Jahren backt so in Darmstadt keiner mehr! http://via.me/-1vqpzuc

#LuiseWeimar Belvedere: Friede den Palästen? http://via.me/-1wm40fy

#LuiseWeimar Letzte Station Schloß Kochberg. Auf der Karte Georg#Buechner s Leibgericht? http://via.me/-1wyccd8

#LuiseWeimar Heimfahrt. Grenzübertritt nach Hessen komplikationslos.http://via.me/-1x133do

#LuiseWeimar Erfolgreich und erschöpft zurück; keine Verluste. Das war nicht die letzte Exkursion der Luise Büchner-Gesellschaft!

 


Wirth und Sieben Pfeiffer Leben hoch!

Heute vor 180 Jahren wurde das Hambacher Fest begangen. Zu den Einzelheiten der Ereignisse in dieser Wiege unserer Demokratie hier nur der Hinweis auf den Wikipedia-Artikel; via Google fand ich gerade Hinweise auf immerhin an die 380 neue Ergebnisse aus den letzten 24 Stunden.

Die beiden großen Redner des Festes, Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth, wurden festgenommen, aber im Juni 1833 bei einem spektakulären Prozeß freigesprochen. Über  Wirth habe ich hier schon einmal mit einem Ausstellungshinweis geschrieben.  Beide wurden danach übrigens in skandalöser Rechtsbeugung wegen Beamtenbeleidigung zu zwei Jahren Haft verurteilt.

In dem schönen Katalog zur Ausstellung aus Speyer (Kämpfer für Freiheit und Demokratie Johann Georg August Wirth / hrsg. von Armin Schlechter. – Neustadt an der Weinstraße, 2010. – (Stiftung zur Förderung der Pfälzischen Geschichtsforschung : Reihe B ; 12). – ISBN 978-3-942189-07-1. – S. 37-51, 2010. – ISBN 978-3-942189-07-1. 18 €) findet sich auf Seite 166 das folgende Blatt:

Karikatur Wirth Siebenpfeiffer

mit dem Kommentar:

… ein in zwei Varianten bezeugter, vorgeblicher Werbetext, der mit den Namen Wirth und Siebenpfeiffer spielt, … Das bekanntere Objekt, eine Lithographie, zeigt einen imaginären Wirtstisch zwischen Bäumen. Der vollständige, zweispaltige Text lautet:

Gast Wirth Weinschenk und Garküche zu den Sieben Eichen bey Eduard Pfeiffer. Die Gäste Leben hoch!

Die rechte Spalte allein ergibt den Text:

Wirth und Sieben Pfeiffer Leben hoch!

Eine Variante hierzu lässt sich in den Akten der Regierung der Rheinpfalz fassen. Eine Anzeige vom 21. September 1833 berichtete von dem Plan, ein ähnliches Wirtshausschild auf dem Dürkheimer Wurstmarkt aufzustellen. Die Fahndung nach dem Schild, dessen Inhalt als Skizze beigefügt wurde, verlief erfolglos. Trotz dem wurde der Wurstmarkt am 29. September 1833 von zehn Soldaten beaufsichtigt

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