Peter Brunners Buechnerblog

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Georg Büchner zum 212. am 17.10.2025

 
 
 
Am 17. 10. war Georg Büchners Geburtstag (*1813). Mit unserem Freund Stefan Howald, dem Zürcher Linksbüchnerianer und einigen freundlichen Gästen haben wir ein Glas rheinhessischen Sekt auf ihn getrunken und einen Blumengruß von aufs Grab gelegt.



„Ich bin so jung und die Welt ist so alt“ – er wurde keine 24 Jahre alt, aber buchstäblich jeder hinterlassene Satz macht ihn unsterblich.
 
Abends durfte ich im  Zürcher Bücherraum f das Familienalbum der Büchners aufblättern: das geduldige Publikum hörte mir fast zweieinhalb Stunden lang zu, um mir schließlich darin zuzustimmen, dass noch fast unendlich viel mehr zu berichten bleibt. 
 
 
Ich hoffe, wir sehen uns nächstes Jahr wieder! 

Im Geburtsort unvergessen

Der 17. Oktober 2022 ist Georg Büchners 209. Geburtstag.

Der Dichter, Republikaner und Naturwissenschaftler aus Goddelau starb 1837 im Zürcher Exil, noch nicht 24 Jahre alt. Heute ist sein Grab auf dem “Rigiblick“ oberhalb der Stadt.

BüchnerFinderStatt, der Verein von Büchnerhaus und Büchnerbühne, begeht den Geburtstag Tag seit Jahren mit einer besonderen Erinnerung. 2022 führte die Bühne Büchners „Dantons Tod“ auf und der Museumsleiter fuhr an Büchners Grab, um dort einen Blumengruß abzulegen.

 

BüchnerFindetStatt – Büchnerhaus und BüchnerBühne“ und „Im Geburtsort unvergessen – Büchnerstadt Riedstadt-Goddelau“ steht auf den beiden hessisch-weiß-roten Kranzschleifen.

Wie in den vergangenen Jahren waren auch diesmal Zürcher Freunde ans Grab gekommen – Daniel Rohr vom benachbarten Theater Rigiblick war verhindert, Dr. Stefan Howald, Gründer der Zürcher „Linksbüchnerianer“ brachte einen Freund mit; die beiden legten eine Rose und ein Exemplar des „Danton“ als Gruß aufs Grab.

Man habe sich, sagte Brunner, zwar am Grab versammelt, gedenke aber eines erfreulichen Ereignisses, nämlich eines Geburtstages, der in der Büchnerfamilie sicher auch stets festlich begangen wurde – daher sei es ganz angemessen, mit einem Glas Rheingauer Sekt auf den Jubilar anzustoßen.

 

Georg Büchners Geburtstag – „… warum schreibe ich noch, wenn andere solche Sätze schreiben?“

Der 17. Oktober 1813 ist einer der Tage, „die die Welt erschütterten“. Napoleons Truppen unterliegen in der „Schlacht bei Leipzig“, wie die „Völkerschlacht“ zunächst beschrieben wird, den vereinigten Truppen von Russen, Preußen, Österreich und Schweden. Die Geschichte dieses Frontwechsels der anderen deutschen Länder in den folgenden Monaten füllt Bände; das Großherzogtum Hessen von Napoleons Gnaden trat am 23. November aus dem Bündnis aus, nachdem sich am 30. Oktober die Bayern in der Schlacht bei Hanau noch eine blutige Nase geholt hatten – in der letzten Schlacht, die Napoleons Truppen auf deutschem Boden gewannen.

Im hessischen Ried wird es zwei, drei Tage gedauert haben, bis die weltgeschichtlichen  Nachrichten die Provinz erreichten, als im Haus des späteren Schultheissen in der Goddelauer Weidstraße dem Kreisschirurgus Ernst Büchner und seiner Frau Caroline das erste Kind geboren wird. Dr. Büchner wird die Nachrichten mit größtem Interesse verfolgt haben – war er doch bis 1810 napoleonischer Soldat und „chirurgien sous aide major“ der holländischen Armee; später Ober-Chirurgus am Spital der kaiserlichen alten Garde (das Jean Larray leitete, Napoleons Leibarzt). Seine Hochachtung des Empereurs, der ihn immerhin einst persönlich ansprach, ist gut dokumentiert; es ist wahrscheinlich, dass er den Ausgang der Leipziger Schlacht für eine Niederlage hielt.

 

 

Taufschale Georg Büchners in der evangelischen Kirchengemeinde Goddelau.

Bei der Taufe seines ersten Sohnes am 26. Oktober, der die Vornamen der beiden Großväter, Carl und Georg, erhielt, wurde als Pate auch ein Bruder der Mutter eingetragen, der abwesende Leutnant Georg Reuß. Spätestens an diesem Tag ist der Krieg für alle Beteiligten präsent gewesen; die folgende Einquartierung von „Kosaken“ während des französischen Rückzuges hat in Südhessen zahlreiche Berichte und Erinnerungen hinterlassen. Als dann Blücher in der Neujahrsnacht 1813/14 bei Kaub den Rhein überquerte, wird das manchen Südhessen an den legendären Übergang Gustav Adolfs im Dezember 1631 am „Hahnensand“ bei Erfelden erinnert haben.

 Kaum eine Biographie Georg Büchners verzichtet auf den Hinweis auf diese weltgeschichtlichen Ereignisse. Im hessischen Landboten kommt der Empereur eher schlecht weg: „Aber die Franzosen verkauften selbst ihre junge Freiheit für den Ruhm, den ihnen Napoleon darbot, und erhoben ihn auf den Kaiserthron.“

Büchner wird kaum einen Geburtstag haben feiern können, ohne dass irgendwer an die historischen Umstände während seiner Geburt erinnerte. Später schreibt seine Schwester Luise in­ ihrer ziemlich national besoffenen, dennoch  äußerst lesenswerten „Deutsche Geschichte von 1815 – 1870“ (Leipzig 1875):  

 

„Der Großherzog von Hessen blieb noch hartnäckiger; er hatte sich bei dem Heranrücken der Verbündeten nach Mannheim geflüchtet, fast unter den Schutz der Franzosen, während sein Minister du Thil doch klugerweise bereits mit dem bayerischen General Wrede darüber unterhandelte, auf welche Weise sich der Herzog mit den Verbündeten werde vergleichen können. Die erste Bedingung war natürlich der Austritt aus dem Rheinbunde, aber der Großherzog zögerte solange, dass nun unter dem Drang der Verhältnisse du Thil dem General Wrede auf das Schlachtfeld von Hanau nach reisen musste, wo man eiligst auf einer Trommel eine Militärkonvention zwischen Hessen und den Verbündeten unterzeichnete, die den Bestand des Großherzogtums rettete.“ (S. 16) und weiter „So sah sich nun der größte Teil Deutschlands von der französischen Herrschaft befreit; die Centralverwaltung konnte endlich ihre Tätigkeit beginnen, aber mit der Sprengung des Königreichs Westphalen kehrten jetzt die alten Regierungen, aus deren Landesteile dieses „lustike royaume“ war zusammengewürfelt worden, zurück. Und wie kehrten sie zurück, diese Hannoveraner, Braunschweiger und Hessen-Kassler –  einzig und allein von dem Gedanken erfüllt, das Alte, das Ungerechte und Gestürzte, wieder neu aufzurichten, ganz ebenso wie es gleich nach ihnen die Bourbonen auf dem Boden Frankreichs versuchten. … (Napoleon) sollte den Kelch, den er selbst sich zubereitet, bis zur Neige leeren, sollte nun an sich selbst erfahren was es heißt, Treubruch üben und den Freund verraten. Alles fiel von ihm ab und wendete sich den neuen Sternen zu, während Marmont, der Herzog von Ragusa schon lange mit dem Feinde unterhandelt hatte. Ein Regiment nach dem anderen zug von Fontainebleau ab, nur seine Garden umringten noch den gefallenen Mann, und auch von diesen musste er einen letzten, ergreifenden Abschied nehmen, nachdem er am 12. April, durch die eiserne Notwendigkeit dazu gezwungen, seine Abdankung unterzeichnet und mit einem Federzug alles vernichtet hatte, was er in unersättlichen Ehrgeiz, mit Blut und Leichen und Menschenelend zusammen gekittet. Napoleon konnte der Wohltäter der ganzen zivilisierten Menschheit werden und er ward ihre Geissel, er kam im Namen eines neuen Geistes, einer neuen Weltanschauung und er benutzte seine Macht zur Wiederherstellung und Stütze des alten, des Verrotteten und Abgelegten. Darum wurde jetzt auch dem Gewaltigen, der die Fürsten Europeen`s zwar unter seine Füße getreten, sie aber zugleich, damit sie ihm wirksamer dienten, zu Satrapen und Despoten gemacht, ein verhältnismäßig mildes Los zuteil, bei dessen Bestimmungen die Klugheit nicht den Vorsitz führte. … Deutschland aber hatte damit die Aufgabe seiner Befreiung von der Fremdherrschaft gelöst, wieder stand es auf eigenen Füßen, nun galt es darum, sich auch innerlich frei zu machen, die geschlagenen Wunden zu heilen und neue Bahnen des Fortschritts aufzusuchen.“

 

Einer guten Tradition folgend hat der Förderverein Büchnerhaus auch 2020 an Georg Büchners Geburtstag einen Kranz niederlegen lassen. Unser Freund Daniel Rohr vom nebenan gelegenen, wunderbaren „Theater Rigiblick“ hat Bernhard Schlink gewonnen, ihn dieses Jahr zum Grab zu begleiten. Schlink, der am Abend eine Lesung im Theater hatte, beschrieb seine Verbindung laut dem Zürcher Tagesspiegel so: „Das erste Stück, das er sah, war Dantons Tod … Ich war zwölf und von dieser Sprache total begeistert … und dass er vor einem Jahr Büchners Lenz wiedergelesen habe – dort stehen Sätze, die sind zum Niederknien … warum schreibe ich noch, wenn andere solche Sätze schreiben?“

 

Bernhard Schlink am Büchnergrab
Foto: Theater Rigiblick
Gruß aus der Büchnerstadt
Foto: U.K., Zürich

„Doch was mir dort geschehen, Wirkt mutig in mir fort!”*

Als Georg Büchner am 19. Februar 1837 in Zürich in den Armen der geliebten Minna Jaeglé stirbt, ist kein Familienmitglied anwesend.

Am Tag nach der Beerdigung am 21.2.  veröffentlichen die Eltern in Darmstadt eine knappe Anzeige:

 

Unser innigst geliebter Sohn Georg, Dr. philos. und Privatdocent an der Universität Zürich, ist uns durch den Tod entrissen worden. Er starb am 19. d. Mts. an dem Orte seiner Bestimmung, nach kaum zurückgelegtem 23. Jahre seines Alters, an einem bosartigen Fieber.

Ihren lieben Verwandten und Bekannten, sowie den Freunden des Verewigten widmen diese Anzeige, mit der Bitte um stille Theilnahme, die tiefgebeugten Eltern.

Darmstadt, den 22. Februar 1837.

Dr. Büchner, Gr. Med. Rath.

Caroline Büchner, geb. Reuß.

(Großherzoglich Hessische Zeitung, Nr. 56, 25. Februar 1837)

Es gibt keine Äusserung darüber, ob und wie es ihnen möglich gewesen wäre, rechtzeitig nach Zürich zu reisen; theoretisch war allerdings auch eine Überführung des Leichnams und eine Bestattung in Darmstadt nicht ausgeschlossen.

Das unwürdige Verhalten der Darmstädter Behörden, die wenig später verhinderten, dass auf Weidigs Grab die Inschrift

„Vaterland, Dein sei mein Leben,

Dein mein Fürchten, Hoffen, Streben,

und zum Lohne gieb dafür

Grab in freier Erde mir”

gezeigt werden durfte, mag als Hinweis dafür genügen, dass es gute Gründe gab, den gesuchten Staatsverbrecher Georg Büchner jedenfalls zunächst in tatsächlich freier, schweizerischer, Erde ruhen zu lassen. Auch der Satz „an dem Orte seiner Bestimmung“ mag ein Hinweis darauf sein, dass die Eltern  in dem Eindruck lebten, Georg habe mit der Dozentenstelle in der Schweizer Republik einen besseren Ort gefunden als es Darmstadt für ihn sein konnte.

Auf den „Rigiblick” umgebettet liegt er dort noch heute, und immer wieder erreichen mich Nachrichten von Büchnerfreund*innen, die seine letzte Ruhestätte dort besucht haben.

Im Juni 2019 wird die Luise Büchner-Gesellschaft eine Reise veranstalten, deren Teilnehmer*innen bereits einen Ortstermin dort vereinbart haben.

Die Stadt Darmstadt legt zum Todestag regelmäßig einen Kranz auf sein Grab, und unser Freund DW aus Riedstadt hat ihm bei jedem seiner regelmäßigen Besuche eine Erinnerung auf’s Grab gelegt.

 

Hier eines seiner neuesten Fotos (danke dafür!), schon unter der neu gepflanzten, jungen Linde

Büchners Grab auf dem Rigiblick in Zürich, Januar 2019 (C) DW

von Peter Brunner

Peter Brunner

* aus Luise Büchners Gedicht „Am Grab des Bruders”

Der Darmstädter Blumengruß von 2019. Das Foto von Herrn K. aus Zürich hat mir freundlicherweise Herr F. aus Darmstadt überlassen, vielen Dank dafür!

Am 205. Geburtstag in Goddelau unvergessen

Georg Büchners Geburtshaus steht in Goddelau, auch wenn auf seinem Züricher Grabstein Darmstadt als Geburtsort steht. Im Haus des großherzoglichen Schultheißen wurde das erste Kind des Amtschirurgen Ernst Büchner und seiner Frau Caroline geb. Reuß am 17. Oktober 1813 geboren.

Schon lange informiert mich ein Darmstädter Mitglied der Luise-Büchner-Gesellschaft freundlich und regelmäßig über die Verhältnisse, die sein Zürcher Freund am dortigen „Rigiblick” vorfindet, dort, wo Georg Büchner heute begraben liegt.

Immer wieder war dabei Thema, wer eigentlich Grund und Verpflichtung habe,  dort mit Blumenschmuck Verbundenheit zu dem viel zu früh im Exil gestorbenen zu zeigen.

Es hat in der Vergangenheit verschiedene Ansätze dazu gegeben, dass die Stadt Riedstadt, die sich stolz „die Büchnerstadt“ nennt, oder der Trägerverein des Museums an Büchners Geburts- oder Todestag einen Blumengruß niederlegen.

Meine Recherchen ergaben, dass das Protokoll der Stadt Darmstadt jährlich Blumen schickt. Ganz freundlich,  entgegenkommend und unkompliziert konnte ich verabreden, dass dies künftig regelmäßig am 19. Februar, dem Todestag, geschieht.

Der Darmstädter Blumengruß im Februar 2018

Zum 205. Geburtstag am 17. Oktober 2018 grüßt also der Förderverein Büchnerhaus. Ich bin sehr froh, dass ich beim ambitionierten Zürcher Theater Rigiblick, das direkter Nachbar des Grabes ist, ganz offene Ohren für die Bitte fand, das Büchnerhaus dabei mit Rat und Tat zu unterstützen.

Das

Daniel Rohr, der Impressario, hat wiederholt liebenswürdig und engagiert mit mir telefoniert. Ich erfuhr dabei, dass er sich schon heftig für das Grab engagierte, als vor einigen Jahren nach einem Sturmschaden die große Linde gefällt wurde – Rohr fand und findet, zu Unrecht. Immerhin ist es nicht zuletzt ihm zu verdanken, dass wenigstens ein neuer Baum gepflanzt wurde. Und es ist müßig zu erwähnen, dass er den Dichter, den Forscher und den Politiker Büchner schätzt, ja verehrt.

Offenbar hat sich in den letzten Tagen das halbe Ensemble darum bemüht, die richtigen Blumen, die richtigen Kranzschleifen, den richtigen Text und nicht zuletzt den richtigen Lieferanten für uns zu finden. Dafür den allerherzlichsten Dank – ich verspreche: bei Gelegenheit treffen wir uns persönlich (im Büchnerhaus habt Ihr eine Exklusivführung gut!)

Die Bilder verdanken wir Isabelle Kroetsch und Brigitta Stahel, die natürlich das Urheberrinnenrecht daran haben, aber bei Namensnennung die Veröffentlichung gestatten.

 

Zusammen mit dem Schauspieler Hans Kremer (rechts) hat Daniel Rohr  den Kranz niedergelegt, vielen Dank dafür! In der NZZ hat Kremer gesagt „Es ist, als ob sich in dem Moment ein Licht konzentriert, und ein Ganzheitsgefühl stellt sich ein. Man ist eins mit dem Text, und er kommt in seiner ganzen Dimension zum Klingen. Ich als Instrument hebe Büchners Poesie für die Menschen auf, die sie heute hören. Per-sonare heisst ja ‹klingen lassen›, ‹durchklingen›. Auch Büchners wegen liebe ich Zürich sehr.”

Und für die vielen Nachfragenden:

So sah es mit der leider gefällten Linde bei meinem letzten Besuch 2013 aus:

19. Oktober 2013

 

 

 

 

 

 

von Peter Brunner

 

Peter Brunner Peter Brunner

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