Peter Brunners Buechnerblog

Kategorie: Luise Büchner (Seite 17 von 24)

Luise-Büchner-Preis für Publizistik an Bascha Mika verliehen

 

 Vor überfülltem Auditorium im diesmal viel zu kleinen Vortragssaal des Darmstädter Literaturhauses wurde am Sonntag, dem 2.12., der erste Luise-Büchner-Preis für Publizistik an Bascha Mika vergeben.

 

 In ihrer Begrüßung erinnerte Agnes Schmidt, die Vorsitzende der verleihenden Luise-Büchner-Gesellschaft, an Luise Büchners 135. Todestag am 28. November. Erst kürzlich waren im Literaturhaus an diesem Tag Nachrufe auf und Erinnerung an die Frauenrechtlerin und Publizistin vorgetragen worden.

 Sie verwies auf Luises berühmtes Zitat: „Feder und Wort sind Euch gegeben so gut wie dem Manne … die Stunde ist da und der Weg eröffnet, der die Frauen zu ihrer höchsten Entwicklung führen soll.” und ergänzte dann : „Man kann die Rolle der Presse auf dem Weg zur Frauenbefreiung nicht hoch genug einschätzen, auch wenn sich männliche Autoren häufig gegen die Gleichstellung der Geschlechter aussprachen.“

Das Thema Frauendiskriminierung hielten viele vor etwa 10 Jahren für erledigt. Der Unterschied zwischen den Bildungsmöglichkeiten von Mädchen und Jungen sei verschwunden. Aber damit seinen noch lange nicht alle strukturellen Hindernisse verschwunden, sie abzuschaffen nannte sie Aufgabe der gegenwärtigen Frauenbewegung. Es existierten darüber hinaus auch unsichtbare, in den Frauen selbst versteckte Unfreiheiten, die aufzudecken gar nicht so einfach sei.

Mit der Einsetzung des Preises verfolgte der Vereinsvorstand den Plan, eine Journalistin oder einen Journalisten auszeichnen, die oder der durch neue Sichtweisen die Gleichstellungsdebatte bereichert. Auf Bascha Mika konnte man sich da schnell einigen, da sie in ihren Artikeln die Gleichstellungsdebatte mit neuen Impulsen bereicherte.

 

Oberbürgermeister Jochen Partsch beglückwünschte die Gesellschaft zur guten Wahl und begrüßte, dass sie nicht nur als historischer Gedenkverein, sondern auch praktisch in Luises Nachfolge arbeiten will.

 

Er erinnerte daran, dass in Darmstadt jetzt binnen weniger Wochen drei große Preise an Frauen vergeben wurde: der Büchner-Preis an Felicitas Hoppe, die Kesten Medaille an Irina Khalip und heute der Luise-Büchner-Preis für Publizistik an Bascha Mika.

 

 

Johannes Breckner,  Feuilletonchef des DARMSTÄDTER ECHO und Mitglied der Jury, griff die Aufzählung des Oberbürgermeisters mit dem Vorschlag auf, eine Statistik der vergebenen Preise einer Stadt relativ zu ihren Einwohnern aufzustellen, die erfreulicherweise sicher Darmstadt anführen werde.

 

Selbstverständlich gehe es bei der Vergabe dieses Preises um gesellschaftliche Teilhabe, und so sei Bascha Mika offenbar und unbestreitbar eine hervorragende Wahl. Die Zeiten seien nicht danach, über Publizistik zu sprechen und vom Medienwandel zu schweigen; er sehe den medialen Wandel vor allem als Chance; im Ergebnis werde die qualifizierte Nachricht immer kostbarer und die Angst vor dem Untergang des Journalismus sei daher unnötig.

Die erste Vergabe des neuen Darmstädter Preises sei natürlich „nur“ ein schöner Anfang, dem noch viele schöne Preisverleihungen folgen sollen, bei denen das ECHO sich gerne weiter beteiligen werde. 

 

 

Musikalische Intermezzi kamen von der „fabelhaften Büchnerbande“,
die Auszüge aus ihrer musikalischen Revue zu Leben und Werk
der Geschwister Büchner vortrugen.

 

 Adrienne Goehlers Laudatio stand unter der Überschrift „ICH BIN JA MISSIONARIN AUF DEM GEBIET!“ (Bascha Mika)

Sie griff damit ein biographisches Detail auf: die junge Bascha Mika träumte kurzfristig davon, ihr Leben als Missionarin zu verbringen; dieser Traum habe nun auch ohne religiöse Bindung seinen Gegenstand gefunden. Allerdings führten aus dem Patriarchat, auch dem weiblichen, keine lauen Lüfte, sondern nur heftige Stürme. Bascha Mika gehe es um Ein- und Aufmischung, nicht um Säuseln!

Egal ob als Frau mit und ohne Kinder, allein lebend oder als Paar: Frauen müssten an jeder Stelle die Verantwortung für sich übernehmen. Und immer aufs Neue den Raum der Wahlfreiheit ausloten, ihn erkämpfen und durchsetzen. Und schließlich: „ … Mikas Aufruf: „Wir müssen Subjekte unseres Lebens werden. Biologie mag Schicksal sein – alles andere nicht“, könnten wir uns auch gut von Luise Büchner vorstellen.“

 

 

 

 

Bascha Mika begann ihre Dankrede mit dem Versprechen, den Preis nicht nur als Ehre und Anerkennung ist, sondern auch als Ansporn zu nehmen.

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Er stelle als Besonderheit die Verbindung zu den streitbaren Frauen des 19. Jahrhunderts her, die immer noch immens wichtig seien, denn „ … sie haben uns gezeigt, dass man den Frauen nichts schenkt, auch nicht, was ihnen zusteht, dass Rechte nur eingeräumt werden, wenn sie gefordert werden, und dass wir nur vorangehen, wenn wir streiten.“ Natürlich sei seit Mitte des 19. Jahrhunderts viel geschehen, aber es bleibe noch viel zu tun. Auch heute noch komme für Frauen der Schock der gesellschaftlichen Realität spätestens mit dem Eintritt ins Berufsleben, „ … und so sind wir wieder bei Luise Büchner.“

Es gehe noch immer um Befreiung aus Unmündigkeit, um Ermutigung und Ermöglichung; nicht nur um Theorie, sondern auch um Praxis, darum, etwas zu tun, mit konkretem Handeln die Verhältnisse zu verändern, „ … und dafür ist Beruf unendlich wichtig. Um Geld zu verdienen, aber auch um die Sinnstiftung, um das in der Welt sein, um Kontakte und all das, was für Männer selbstverständlich ist und was Frauen bis heute für einen Luxus halten, den man sich gönnt oder nicht.“

Sie schloss: „Aber trotzdem ist das Ziel, dass jemand in baldiger Zukunft fragt: `Georg Büchner? Das ist doch der Bruder von …´ – denn, meine Damen und Herren, wir Frauen sind weiß Gott nicht Alles, aber ohne uns ist Alles Mist“. 

 

 

Countdown zur Verleihung des Luise-Büchner-Preises für Publizistik

Die Verleihung des Preises an Bascha Mika wurde ja hier bereits angekündigt; mitten in einigem Trubel hier ein paar knappe Hinweise und links, bis dann Montag der Bericht über die Verleihung hier erscheinen wird:

– am 30. 11. erschien im DARMSTÄDTER ECHO das Gespräch, das Bascha Mika anlässlich der Verleihung führte  (Das ECHO hat nach dem Vorbild der NY Times eine Anmeldeschwelle eingebaut; der Text ist nur angemeldeten Lesern, diesen aber kostenfrei, zugänglich.) 

–  ebenfalls am 30. 11. gab ich Ulrich Biermann von WDR3-Resonanzen – ein kurzes Interview, das sich hier findet.

Ein kurzer Ankündigungstext dazu findet sich hier.

BITTE BEACHTEN SIE:

 Die Preisverleihung am Sonntag, dem 2. Dezember, um 11 Uhr im Literaturhaus Darmstadt, ist wegen des großen Interesses leider nur angemeldeten Besuchern zugänglich; alle Plätze sind bereits vergeben. 

Wir werden hier ausführlich berichten; voraussichtlich werden auch die Laudatio von Adrienne Goehler und Bascha Mikas Dankrede hier veröffentlicht.

28. November 2012 – Luise Büchners 135. Todestag

Am 135. Todestag Luise Büchners hatte die Luise-Büchner-Gesellschaft zu einer kleinen Feierstunde ins Darmstädter  Literaturhaus eingeladen.

Frau Rosemarie Wrede-Grischka las Texte aus den in dem Sammelband „Die Frau“ erschienenen Nachrufen auf Luise Büchner, Gabriele Emde-Hauffe ergänzte mit klug ausgewählter Harfenmusik den Abend.

Agnes Schmidt, Gabriele Emde-Hauffe

 

Hier mit ihrer freundlichen Erlaubnis: Händels Arpeggio

 

 

Meine Wenigkeit durfte neben einem kleinen Nachruf aus der Pfungstädter Zeitung :

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das Gedicht vortragen, das die Brüder Ludwig und Wilhelm auf ihre tote Schwester verfasst haben. Vor einiger Zeit trug ich bereits Wilhelm Büchners Gedicht auf den toten Bruder Georg vor, dass er 1877 am neuen Grab in Zürich zum besten gab, und musste es mit der Bemerkung kommentieren, dass das vermutlich das schlechteste Gedicht ist, dass von den Büchers jemals verfasst wurde. Insofern war das Gedicht auf Luise also schlimmstenfalls das zweitschlechteste.

 Die von Agnes Schmidt klug ausgwählten Texte belegten überzeugend, welch großen Einfluss Luise Büchner in ihrer Zeit hatte und welche Wertschätzung ihre Arbeit genoss. Zu ihrer Beerdigung auf dem Darmstädter (Alten) Friedhof am erhaltenen Grab kamen weit über 1.000 Trauernde!

 

 

In Büchners Speisesaal speisen wie Büchners

„ … (Es) kann doch kein Zweifel darüber sein, dass Unmäßigkeit in Essen und Trinken sowie in den Lebensgenüssen überhaupt, zu allen Zeiten und bei allen Völkern eine Hauptursache für Krankheit und Lebensverkürzung gebildet hat, und das umgekehrte Mäßigkeit im Genießen eines der ersten und wichtigsten Erfordernisse gesunden und langen Lebens bildet. Freilich wusste schon Hippokrates so gut wie wir, dass es ebenso nachteilig ist, wenn man in den entgegengesetzten Fehler verfällt und seinen Körper unnatürlichen Kasteiungen unterwirft. Denn er schließt Nummer fünf der ersten Abteilung seiner unsterblichen Aphorismen, nachdem er sich wegwerfend über allzu große Enthaltsamkeit geäußert, mit den Worten: „aus diesem Grunde kann eine allzu magere und ausgesuchte Diät gefährlichere Folgen haben, als eine etwas reichlichere.“ (Ludwig Büchner: Kaleidoskop. Skizzen und Aufsätze aus Natur und Menschenleben. 1901)

 

 

Ein Text, der sich gut als Motto für den schönen Abend geeignet hat, den die Luise-Büchner-Gesellschaft am Samstag in der Pfungstädter Villa Büchner veranstaltete.

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Die Tischgesellschaft in der Villa – rechts vorn Hans-Willi Ohl, der die Musik beitrug

 

 

Nach Recherchen von Ute-Meißner-Ohl hat das Team des Strud’l Stub’n in der Villa ein viergängiges Menü serviert, das exakt in dieser Form auch vor 150 Jahren bei einer Büchnerschen Familienfeier hätte auf den Tisch kommen können.

 

Es gab:

 

  1. Fischsuppe aus der Normandie

  2. Böflamott
    Pommes Duchesse
    Häuptersalat mit Radieschen

  3. Holländische Käsespezialitäten und Feigensenf

  4. Hessische Apfelweincreme

     

     

     

    Apfelweincreme – unmittelbar vor dem Ende des Menus mit letzter Kraft  fotografiert



 Die Fischsuppe war als Reminiszenz an Georgs Forschung über die Barben und an Alexanders langjährigen Aufenthalt in der Normandie gewählt worden, das Böflamot (eingedeutscht für Boeuf a la mode) ist ein geschmorter Rinderbraten, zu dem als Anklang an fürstlichen Speisen Pommes Duchesse, also Kartoffelplätzchen und ein Kopfsalat, der als Häuptersalat manche Gäste an die rollenden Köpfe der Revolutionen erinnern wollte, gereicht wurde. Der holländische Käse rief die Erinnerung an die vielen Büchner-Verbindungen in die Niederlande wach: Wilhelm Büchners Frau Elisabeth, seine Kusine aus Gouda, war berühmt für ihre „holländischen Frühstücke“, und dass gelegentlich ein Rad Goudaer Käse in Pfungstadt angeliefert wurde, können wir uns gut vorstellen. Schließlich bot das Dessert die nötige Bodenhaftung: der südhessische Apfelwein gab dem Nachtisch eine angenehme, fruchtige Säure.

 

Hans-Willi Ohl sang und spielte die schönen Lieder aus der Zeit, und es ist kein Zufall, dass seine Auswahl mit „Die Gedanken sind frei“, „In dem Turme saßen“ und dem „Bürgerlied“ aus dem gleichen Schatz schöpfte, der auch die „Büchner-Revue“ bereichert.

 

Hier erstmals im Blog eine kleine Audio-Datei:

Der Verfasser dieses Textes über Georg Büchner, die Barben und Fischsuppe:

 121124_tafeln_pb_georgbarben.mp3

 

 

Agnes Schmidt und Peter Brunner hatten eine bunte Mischung von Geschichten und Zitaten der Büchner-Geschwister zusammengestellt, die an dem Abend ganz präsent und gegenwärtig wurden: Georg Büchner, der die Reste der Barben, die er für seine Doktorarbeit in Straßburg sezierte, sicher aufgegessen hat; Alexander, der an der Kanalküste in Frankreich mit der Küche seiner neuen Heimat vertraut wurde; Luise Büchner, die über die Soldatenverpflegung im Lazarett schrieb (jedenfalls 1870 in Darmstadt war die offenbar reichlich und wohlschmeckend – gelegentlich spendete der Großherzog ein Reh), Elisabeth Büchner, die als Hausherrin der Villa stets für gefüllte Teller sorgte und nicht zuletzt Dr. Ludwig Büchner, dessen publizistische Tätigkeit immer wieder auf Fragen der Ernährung, des Nährstoffgehaltes von Nahrung, scharlatanische Ernährungsempfehlungen und die von ihm abgelehnte „Naturheilkunde“ zu sprechen kommt.

 

Der Grauburgunder und der St. Laurent von der Bergsträsser Winzergenossenschaft, die das Essen begleiteten, waren ebenfalls mit Sorgfalt ausgewählt und wurden auch Mitte des 19. Jahrhunderts getrunken – der Grauburgunder schon seit Anfang des 18. Jahrhunderts, der St. Laurent war ausgerechnet von einem Elsässer Vinologen namens Oberlin als eigene Sorte des Elsass beschrieben und kurz darauf in Deutschland angebaut worden. Im Darmstädter „Weinberg“ der Familie Büchner allerdings, der sich hinter dem Büchnerschen Haus in der Grafenstrasse befand, stand wahrscheinlich kein sortenreiner Wein – man pflanzte und kelterte meist sogenannten „gemischten Satz“ aus verschiedenen Sorten, die zusammen im Weinberg standen. Das hatte den Vorteil, dass Ausfälle einer Sorte nicht zum Totalverlust der Ernte führte.

 

Nach einer großen Tafel in bürgerlichen Gesellschaften war es früher üblich, dass man sich vom Speisesaal in den Salon begab, um am Kamin zu einem guten Cognac eine Zigarre zu rauchen. Auf diese gelebte Authentizität mussten die Gäste leider verzichten, natürlich herrscht in der Villa heute strengstes Rauchverbot. Glücklichweise musste aber auch der andere Teil bürgerlicher Realität nicht nacherlebt werden: Abräumen und Spülen hat diesmals das freundliche Restaurant-Personal übernommen. 

 

Nachtrag vom 26.11.: Frau Bergstedt hat es auch gefallen, schreibt sie heute im DARMSTÄDTER ECHO 

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