Peter Brunners Buechnerblog

Kategorie: Veranstaltung (Seite 7 von 35)

Zum Jahreswechsel: kleiner Rück- und kurzer Ausblick

Wie in jeden Jahr zum Jahresende heute ein kurzer Blick auf die Nutzerstatistik des Blogs:

2017 ist die Gesamtzahl der Besucher leicht zurückgegangen. Nach (2016) 158.902 waren es 2017 insgesamt 145.041 Besucher*innen.

Gleichzeitig stieg aber die Zahl der aufgerufenen Seiten leicht von 677.951 auf 683.936 und die durchschnittliche Verweildauer nahm deutlich zu – von 38 auf 53 Sekunden, in denen gleichzeitig statt 2,8 (2016) durchschnittlich jetzt 3,4 Seiten aufgerufen wurden. Für ein Blog scheint mir das ganz gut zu sein; offenbar fühlen sich viele Besucher*innen animiert, mehr als nur den aktuellen Beitrag zu lesen.

 

Durch die Restriktion der Mailsoftware mailpoet, die nach jedem neuen Beitrag eine Nachricht an eingetragene Abonnenten sendet, ist deren Zahl bei mir stets auf unter 1.000 beschränkt, wobei mir ohnehin nicht klar ist, warum und woher der größere Teil dieser „Abonnent*innen” kommt. Tatsächlich aktiv eingetragen und später wiederholt auf der Site sind davon heute ca. 150, die als Reaktion auf die Mail mehr oder weniger regelmäßig nach jedem neuen Beitrag vorbeikommen – vielen Dank dafür! Wer diesen Service bisher noch nicht nutzt, ist herzlich dazu eingeladen – mit einem Klick auf „Anmelden“ hier rechts unten (oder einfach hier) öffnet sich das entsprechende Eintragsfenster. Das verpflichtet zu nichts und ist und bleibt durchaus nicht umsonst, wohl aber kostenlos!

  • Für die nächsten Tage bereite ich einen Bericht über einen äußerst attraktiven neuen Tagebuch-Fund vor, der insbesondere auf Georg Büchners Mutter Caroline ein interessantes neues Licht wirft und in dessen Zusammenhang eine bisher gänzlich unbekannte verwandtschaftliche Beziehung zu einem „Gerechten unter den Völkern”  aufgetaucht ist.
  • Auch die Veranstaltungsreihe zu „2018 – das Jahr der republikanischen Jubiläen“, u.a. mit Peter Brandt, Frank Deppe und Gerd Koenen sowie den beiden Vorsitzenden der Enquete-Komission zur Hessischen Verfassung, Jürgen Banzer und Heike Hofmann,  im Büchnerhaus wird hier in Kürze ausführlich angekündigt.
  • Schließlich sind insbesondere die in der Nähe angesiedelten Leser*innen herzlich zu einer kleinen Vortragsreihe im Büchnerhaus eingeladen, die ich ab dem 5. Februar monatlich für die Kreisvolkshochschule Groß-Gerau veranstalte: „Hier bietet sich die Gelegenheit, … in kommunikativer Runde mit der außergewöhnlichen Biographie der sechs Büchners – dem Dichter , Revolutionär und Naturforscher Georg, dem Chemiker und Unternehmer Wilhelm, der Bürgerin Mathilde, der Frauenrechtlerin, Publizistin und Historikerin Luise, dem Arzt, Philosophen und Publizisten Ludwig und dem Anwalt, Sprachforscher, Autor und Feuilletonisten Alexander bekannt gemacht zu werden.”
  • Schon am 21. Januar, um 11 Uhr vormittags, stellen wir im Büchnerhaus eine Neuerwerbung vor, die uns die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und die Sparkassenstiftung Gross-Gerau ermöglichten: wir konnten ein historisches Flugblatt erwerben, auf dem in Leipzig die Hinrichtung von Johann Christian Woyzeck angekündigt wird: “ sich während der Hinrichtung „ … allen ungestümen Drängens schlechterdings (zu) enthalten“. Reinhard Pabst trägt dazu neue Erkenntnisse vor: „Was geschah mit Woyzecks Schädel?“

 

Also: tragen Sie sich ein, kommen Sie gerne und oft virtuell auf dem Blog und ganz besonders gerne materiell im Büchnerhaus vorbei, beenden Sie das Jahr in Frieden und hoffnungsfroh und haben Sie Ihre guten Wünsche im nächsten Jahr erfüllt!

 

von Peter Brunner

 

Peter Brunner

Peter Brunner

„Ich saß auch im Gefängnis …“*

Kürzlich habe ich hier  über den Büchner-Zyklus der Schaubühne Lichtenfels berichtet.

Zusammen mit Christian Suhr von der BüchnerBühne habe ich für ein event in der ehemaligen Hinrichtungsstätte der DDR ein Video aufgenommen,  das sich mit Verfolgung, Flucht, Gefängnis und Exil beschäftigt.

Nachdem das dort „wunderbar in den Abend passte” steht es jetzt auch hier – wie immer mit der ausdrücklichen Aufforderung zu kritischer Rezeption – zur Verfügung:

 

*Georg Büchner an Gutzkow. Ca. 1.6.1836 

 

 

von Peter Brunner

 

Peter Brunner

Peter Brunner

Was Du in bits und bytes besitzt, kannst Du getrost auch morgen hören

Freundlicherweise hat der Hessische Rundfunk die Veranstaltung mit „Erben der Geschichte” (eine beeindruckte Besucherin), die ich für das Museum Büchnerhaus organisieren und moderieren durfte, aufgezeichnet, von meinen Hustern und Sprechfehlern weitestgehend befreit und letzte Woche ausgestrahlt.

Darüber hinaus steht die Sendung „Das aktuelle Kulturgespräch” der „Kulturszene Hessen” online zum Anhören bereit. Und wer das lieber auf dem eigenen Rechner speichern und jederzeit wieder hören möchte, kann die Datei dort (über den kleinen Abwärtspfeil rechts unter dem Bild) auch downloaden.

Wer also nachhören möchte, ob sich Rebellion oder absoluter Herrschaftsanspruch vererbt, ob Familienbande stärken oder belasten und ob hinter „Krieg den Pallästen” ein Ausrufe- oder doch eher ein Fragezeichen gehört, findet dort Anregungen zum Vertiefen gewonnener Erkenntnis.

 

Rainer von Hessen (links), Nachfahre von Ludwig II. von Hessen, der die Landboten-Verschwörer verfolgen ließ, mit Peter Soeder, Nachfahre von Georg Büchners Bruder Ludwig, der 1848 in Gießen „Revolution machte” und bis zu seinem Tod 1899 republikanisch dachte und schrieb.

 

 

„ … habe es nicht leicht, vom Gedicht als Genre her mich in Beziehung zu dem zu setzen, was uns von Georg Büchner überkam”*

Am 28.10. überreichte der gerade geschiedene Präsident der Akademie für Sprache und Dichtung, Heinrich Detering, dem Lyriker Jan Wagner den Büchnerpreis 2017.

An anderer Stelle war ich gebeten worden, eine paar Sätze zum Büchnerpreis zu schreiben (der Titel ist nicht von mir …), und dort endete mein Text „Selten haben die Reden beim Büchnerpreis kalt gelassen, und das ist ja vielleicht das Beste, was sich von einer Rede sagen lässt: dass sie nämlich Feuer macht unter dem Kessel der Gedanken. Hoffen wir, dass 2017 der Preisträger Jan Wagner, ein junger Lyriker, mit seinem Beitrag Funken schlägt. Der Georg-Büchner-Preis wird am 28. Oktober verliehen.”

 

Jan Wagner hat mich mit seiner Rede überrascht: abgesehen davon, dass er meint, Georg Büchner habe bis auf die erhaltenen Schülerversuche keine Gedichte geschrieben (wo doch „Rosettas Lied” in Leonce und Lena ganz sicher eines, und kein schlechtes, ist), hat er seinen Büchner gründlich, und, wie er mir in einem kurzen Gespräch nach der Verleihung versicherte, noch einmal ganz und neu, gelesen. Tatsächlich beginnt ja der oft zitierte Eintrag im Stammbuch für den Freund August Stöber „Verse kann ich keine machen”. Wagner ergänzte, einen Reim habe er sich sehr wohl machen können. Und er trug mit Emphase vor, dass Büchner heute gelesen werden muss, dass die Texte dieses Frühvollendeten über zweihundert Jahre frisch und aktuell geblieben sind. In Kürze wird auf der Website der Akademie hier Laudatio und Dankrede verfügbar sein.

Leider hat Jan Wagner wohl niemand auf die schöne Rede aufmerksam gemacht, die Kart Krolow, einer der wenigen Lyriker, die vor ihm Büchnerpreisträger wurden, 1956 hielt.

„Wer Gedichte schreibt, muß zur rechten Zeit Blicke in Zauberspiegel tun von der Art »Leonce und Lena«, auch wer heute moderne Gedichte zu schreiben versucht.”  sagte er da, und schildert Büchners „Komödie”, als wäre sie ein einziges, langes Gedicht.

Krolows beginnt: „Nun bin ich Lyriker und habe es nicht leicht, vom Gedicht als Genre her mich in Beziehung zu dem zu setzen, was uns von Georg Büchner überkam. Aber es scheint mir, daß es auch weniger darauf ankomme, sich auf etwas Bestimmtes im Werke des Dichters Büchner einzulassen als vielmehr dem »Phänomen« sich zu nähern, wie es heute sichtbar ist. Ich möchte Ihnen darum nicht zu ausführlich von meinen persönlichen Erfahrungen mit der Dichtung dieses Mannes, nicht von meinen Büchner-Lektüren erzählen. Allerdings kann ich mich nicht entschließen, über den Eindruck zu schweigen, den mir eine Büchnersche Arbeit gemacht hat, ein Eindruck, der sich mir im Laufe der Zeit immer nachhaltiger verfeinerte. Ich meine »Leonce und Lena«, jenes Stück, das man – wenn man sich rasch verständigen möchte – ein Lustspiel zu nennen gewohnt geworden ist. Ich werde diesen Ausdruck vermeiden, weil er mir zu heikel, zu ungenau, zu wenig individuell zutreffend ist.”

und fährt, als wolle er Wagner damals schon gegen die heute erhobenen Vorwürfe verteidigen:

„ … Wer Gedichte schreibt, muß zur rechten Zeit Blicke in Zauberspiegel tun von der Art »Leonce und Lena«, auch wer heute moderne Gedichte zu schreiben versucht. Er muß sich der Verwandlung durch die leicht gewordene Phantasie überlassen, die ihn unmerklich zu weiteren, heiteren Metamorphosen führen wird. Und er mag sich dabei ohne Scheu mit Leonce fragen: »Bin ich ein Müßiggänger?« Er wird in den Stand versetzt sein müssen, der ihn wie Büchners so zärtlich, so spielerisch erfundenen Prinzen wünschen läßt: »Wer sich einmal auf den Kopf sehen könnte«.”

Wagner kokettiert mit dem Verhältnis von Büchners Werk zu seinem eigenen. Es ist ein schönes Bild dieses Dichters der kleinen Dinge, dass sich in der Botanisiertrommel, die Büchner als Behältnis und Tarnung des Landbotenmanuskriptes nutzte, als er es zum Drucker Preller nach Offenbach trug, vielleicht auch ein Zweig von Aegopodium podagraria, des gemeinen Giersch, den Wagner in seinem bekanntesten Gedicht würdigt, und vielleicht ein Borkenkäfer, den er der Bedichtung wohl ebenfalls würdig findet, gefunden hätte. Büchner, der beides sicher hätte erkennen und bestimmen können, wird so dem aufmerksamen modernen Dichter nah, und dass der meist lästige, wenn auch durchaus wohlschmeckende, wuchernde Giersch dem unerreichten, zum Klassiker gewordenen und doch Aktualität behaltenen Landbotentext zur Seite gestellt wird, ist sein trotziges Manifest.

Schön, dass mein Wunsch, „dass die Reflektionen über Georg Büchners Leben und Werk in einer guten Büchnerpreisrede neu zur Auseinandersetzung mit ihm führen können” von Jan Wagner eingelöst wurde.

Ich habe ihn eingeladen, ebenso wie seine Büchnerpreis-Vorgänger*innen in den nächste Monaten zu einer Lesung ins Büchnerhaus zu kommen, und er hat zugesagt. Darüber freue ich mich sehr.

* Karl Krolow 1956 in seiner Dankesrede zum Büchnerpreis

 

Nachtrag am 31.10.: Der Deutschlandfunk bietet den Mitschnitt der Rede hier zum live anhören und zum download als Podcast.

von Peter Brunner

 

Peter Brunner

Peter Brunner

ist friede in den hütten ist friede in den palästen amen

1982 hat das Franz Hodjak als „Variation auf ein Thema von Büchner” gedichtet, und dieser vielleicht knappstmögliche Kommentar zu Büchners Landbote, den ich zu Beginn des Gesprächs mit den Nachfahren der Landboten-Protagonisten zitierte, war, scheint mir, in der munteren und aufschlussreichen Runde konsensfähig.

 

Das „Panel” – vlnr: Ludwig Steinmetz, Manfred Büchner, Thomas Will, Magda Pillawa, Peter Brunner, Brita Flinner, Rainer von Hessen, Peter Soeder

 

Alle hatten nachgedacht und vorbereitet, ob und wie sie biographisch, politisch, gesellschaftlich auf besondere Weise mit den frühen hessischen Republikanern und/oder ihren Widersachern verbunden sind. Sei es, das Magda Pillawa kein Spur des Jähzorns bei sich findet, für den Ludwig Büchner bekannt war (es gibt da eine Geschichte von einem voller Wut aus dem Fenster geworfenen Schweinebraten …), sei es, dass Manfred Büchner über Wilhelm Büchners Neugier auf die Naturwissenschaften reflektierte. Beeindruckend, wie Rainer von Hessen schilderte, dass für ihn in der Auseinandersetzung mit den unsäglichen Verstrickungen seiner Vorfahren in die Verbrechen des Nationalsozialismus klar wurde, dass Herkunft und Geburt kein Privileg verschaffen darf und schon gar keine Garantie für überlegenes Verhalten verschaffen kann. Und berührend, wie Peter Soeder, Oberkirchenrat a.D.,  auf die Frage, wie er es mit der Religionskritik seines Urgroßvater Ludwig Büchner halte, diesen ganz direkt ansprach: „Hallo Urgroßvater …“.  Ganz zu Recht habe er sich von der Amtskirche und ihren Verstrickungen mit der Macht, den Palästen, abgewandt. Und sein Engagement für gerechtere Erbschaftsbesteuerung, Reform der Grundbesitzverhältnisse und Versicherungsschutz sei bis heute gerade für Christen vorbildlich.  Landrat Will, der als Repräsentant der  aktuellen Macht eingeladen war, fand deutliche Worte zur Ungleichheit. Es dürfe nicht sein, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufspreize. Glücklicherweise seien die Verhältnisse, gegen die sich die Landboten-Verschwörer empörten, überwunden, aber es bedürfe aktiven politischen Einflusses für Chancengleichheit, insbesondere in Bildungsfragen. Auch zur Meinungsfreiheit gab er ein klares Bekenntnis ab: nicht ihre Einschränkung, sondern ihr Schutz sei  gegen „Fake-News“ und Desinformation erforderlich, und auch hier spiele Bildung die zentrale Rolle. Brita Flinner hat mit ihren Erfahrungen aus Namibia, wo sie einen Teil ihres Lebens verbrachte, den wichtigen Hinweis darauf gemacht, dass die Hütten des 21. Jahrhunderts für uns im Ausland stehen und wie eng das Leben in unseren „Palästen” mit ihnen verbunden ist.

Schön, dass ich zum Schluss in das Exemplar von Edschmids Büchner-Roman „Wenn es Rosen sind … ” für Rainer von Hessen aufrichtig schreiben konnte: „Von Citoyen zu Citoyen“.

Und gut, dass sich das Büchnerhaus mit diesem „Familientreffen” wieder als „Ort der Freiheit” positionieren konnte.

Der Hessische Rundfunk hat das Gespräch aufgezeichnet
und wird es in  „Kulturszene Hessen”
am Samstag, dem 25. November, von 18:04 bis 19 Uhr auf HR 2 senden.

 

Mehr Fotos von der Veranstaltung hat Werner Höfler vom Vorstand des Vereins Büchnerhaus hier eingestellt. 

von Peter Brunner

 

 

 

 

 

 

Peter Brunner

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