Peter Brunners Buechnerblog

Kategorie: Büchner (Seite 33 von 45)

Jetzt geht’s los!

Am Samstag Abend fand vor ausverkauftem Haus mit an die 1.000 Besuchern im großen Haus des Darmstädter Staatstheaters die Vernissage zur Ausstellung „Georg Büchner -Revolutionär mit Feder und Skalpell“ statt. Mit meinen beschränkten technischen Möglichkeiten habe ich Fotos geknipst, die nur der Dokumentation und nicht dem ästhetischen Anspruch dienen  (übrigens gab es eigentlich keinen Grund dafür, das Publikum in tiefste Theater-Dunkelheit zu tauchen – „mehr Licht“ hätte nicht geschadet):

 

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Ralf Beil, der Kurator, hatte sich ganz wörtlich in Frack geworfen und präsentierte nach der ersten (von später mehrfach wiederholten) Aufzählungen der immer gleichen Honoratiorinnen, teils mit, teils ohne vollständigem Titel,  sich selbst als Zampano, was darin gipfelte, dass ihm am Ende auch noch ein Preis für seine Kuratorentätigkeit für eine vergangene Ausstellung überreicht wurde. 

Kluge Regie hatte die unvermeidlichen Ansprachen zwischen gut ausgewählten Darbietungen hervorragender Ausschnitte von Büchner-Interpretationen platziert.

 

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Andreas Manz-Kozár  mit der Sain-Just-Rede aus dem „Danton“:
Soll eine Idee nicht ebensogut wie ein Gesetz der Physik vernichten dürfen, was sich ihr widersetzt?

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Leider unkrönbar: der unbestrittene Star des Abend, unser Freund Christian Wirmer, mit der sensationellen Interpretation von Büchners Lenz – wahrhaftig auf dem Kopf stehend. Als einziger wagte Wirmer nicht nur akrobatisch, sondern auch akustisch die Leistung, unverstärkt zu sprechen – obwohl der Kopfstand die Artikulation nicht leichter machte. Er erntete verdient den stärksten Applaus des Abends.

 

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Margit Schulte-Tigges:
Das Märchen aus Woyzeck  „ … und da sitzt es noch und ist ganz allein“

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Das Orchester unter Martin Lukas Meister mit
dem Orchesterzwischenspiel im 3. Akt von Alban Bergs „Wozzeck“

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Aart Veder:
Büchners letzter Brief – „Adio, piccola mia“

 

 

Zwei Honoratioren sprengten glücklicherweise den Rahmen veranstaltungstypischer Betulichkeit:

Der Darmstädter Oberbürgermeister Jochen Partsch zitierte den Bericht Carl Vogts über Büchner als Gießener Student, der ihn als schroff und wunderlich charakterisiert, und stellte die Frage, ob denn dieser Büchner heute hier und unter uns besser aufgenommen würde. In der Tat gibt es gute Gründe, sich Georg Büchner als demonstrativ unangepasst im Auftreten vorzustellen. Sein Bruder Wilhelm schreibt in dem Gedicht  „Am Grab des Bruders“:

 

Das blaue Aug, sein lockig Haar,
Die kühne Stirn mit den Apollo-Bogen,
Ein schlanker, grosser, junger Mann,
Geziert mit rother Jakobiner-Mütze
Im Polen-Rock, schritt stolz er durch die Strassen
Der Residenz, die Augenweide seiner Freunde!
Wie Anders ist es heut!

 

Man vergegenwärtige sich im biedermeierlich-behäbige Darmstadt („so lang und breit die Rheinstraß‘ ist, es wimmelt drin – ein Accessist“ – Alexander Büchner) einen Halbwüchsigen im demonstrativen Dresscode der französischen Revolution! Mir fehlen angemessene Beispiele  für eine heute vergleichbare Provokation. Die ersten Hippies auf deutschen Straßen oder vermummte Frauen in orthodoxen Kirchen mögen ähnlich anstößig gewesen sein. Es ist dem Oberbürgermeister und seinem Redenschreiber nicht hoch genug anzurechnen, dieses „deviante“ Verhalten des jungen Studenten zu thematisieren und damit eine Aktualisierung Büchners zu ermöglichen, die leider viel zu selten versucht wird. Diese Frage muss nämlich in der Tat gestellt werden: ist unsere Gesellschaft heute bereiter und fähiger, Provokateure und Kritiker anzunehmen und konstruktiv mit ihnen umzugehen?

In Facebook schrieb er spät nachts: 

„Habe darauf hingewiesen , dass bei aller Freude und Feier viele Menschen heute unter uns sind, die auch nicht verstanden werden, sensibel sind, revolutionäre Ideen haben, auch heute draußen stehen, Hmm nicht auf Empfängen … Darmstadt bleibt kritisch, natürlich auch gegenüber dem OB. Und völlig richtig ist Danys Anmerkung: Wenn ich mir das alles betrachte wäre für Büchner der Veggieday peanuts! Soisses.“

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Prof. B. Dedner

 

Auch Burkhard Dedner, der Leiter der Büchner-Forschungsstelle in Marburg,  widersetzte sich erfolgreich der üblichen Lobhudelei von Eröffnungsansprachen. Ihm war das Büchner-Zitat aus einem Schulheft als Motto zugeordnet, und er ließ erfreulicherweise keine der naheliegenden frechen Bemerkungen über DARM-stadt, Poponien und die Venus mit den schönen Hintern aus. Ihm ist zu verdanken, dass die Büchnerausstellung mindestens von den Anwesenden ab jetzt nicht nur als Labsal für Ohr und Auge, sondern auch mindestens als Bedürfnis der fühlenden Hand empfunden werden kann.

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Für Herz und Hand: die Venus mit dem schönen Hintern in der Ausstellung
Edit: (auf Wunsch mehrerer Altsprachler) Aphrodite Kallipygos  http://de.wikipedia.org/wiki/Aphrodite_Kallipygos

Der Weisheit der Vielen soll hier dann aber doch eine Bemerkung unterworfen werden, die mich verblüfft hat: Dedner meint nämlich , dieses „lambe me in podice” (für die glücklichen Nicht-Humanisten: „Leck mich am Arsch!“)  sei in der gesamten Literatur von Büchner als Erstem aufgeschrieben worden; ihm sei es nicht gelungen, eine frühere Fundstelle zu identifizieren. Ich persönlich hätte bis gestern darauf gewettet, dass sich das schon als Marginalie in einer mittelalterlichen Handschrift finden lässt – weiß wer mehr?

Die Festversammlung löste sich schließlich auf – hoffentlich zahlreiche Gäste nutzten dann noch die Gelegenheit zu einer ersten Besichtigung und dem Vernissagen-Schwoof im naheliegenden Welcome-Hotel. Der Berichterstatter, der ja bereits einen ersten Einblick haben durfte, zog ein Privatissimum vor.

 

 

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Erster Blick auf die Büchner-Ausstellung in Darmstadt

Mit großer Besetzung fand am Mittwoch die Pressekonferenz zur bevorstehenden Ausstellung „Georg Büchner- Revolutionär mit Feder und Skalpell“ im Darmstädter Kongreßzentrum „Darmstadtium“ statt.

 

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Das „Panel" der Pressekonferenz 
(Klick auf Bild öffnet neues Fenster mit großem Bild, auf dem die Namensschilder lesbar werden)

Der Darmstädter Oberbürgermeister Jochen Partsch erwähnte zutreffend, dass unsicher bleiben muss, ob sich Georg Büchner ausgerechnet in dem doch eher palast- als hüttenartigen Neubau angemessen untergebracht gefühlt hätte. Bevor das Anwesende fälschlich als Kritik an dem in Darmstadt nicht unumstrittenen Bau interpretieren konnten, kriegte er grade noch die Kurve mit einer  Volte zu neuen Zeiten und demokratischen, jedenfalls demokratischeren, Zugängen zu solchen Gebäuden heute gegenüber 1830.

Angeführt von Ralf Beil, der seine Euphorie kaum verbergen konnte und von nun an für etwa 2 Stunden nicht mehr aufhörte, seine Installationen, Präsentationen und Interpretationen vorzuführen und zu erläutern, konnte schließlich der angekündigte erste Blick in die Ausstellung geworfen werden.

 

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Das „Familienzimmer", rechts die eigens angefertigte Tapete, die als Motiv in launigem Wechsel 
die überlieferte Haarlocke Büchners und den „Blutschwamm" aus einer der medizinischen Veröffentlichungen 
des Vaters Ernst Büchner zeigt. (Nicht nur, dass unsereiner vor einer solchen Tapete lieber nicht 
frühstücken würde, sondern auch, dass sich ein solcher Wandschmuck bei Büchners schwerlich hätte finden lassen,
schafft hierzu beim Autor eine gewisse Distanz)

 

Anlässlich Dr. Beils Vortrag in der BüchnerBox habe ich hier ja ein Modell der Ausstellung zeigen können, wie dort angekündigt, findet sich der Besucher zunächst im Familienzimmer der Büchners, auf dem Tisch aufgeschlagen Titel, deren Lektüre im Hause Büchner (den Häusern Büchner, wie hier in Kürze noch einmal erläutert werden wird) gesichert ist. Es ist ja schon lange bekannt, dass der (durchaus nicht nur vom Autor) geäußerte Wunsch, den Schwerpunkt dieser ja doch immerhin zweiten Büchner-Ausstellung auf Familie und persönliches Umfeld zu legen, nicht erfüllt wird. Dass das aber so konsequent nicht geschieht, dass sich selbst im Familienzimmer kein einziges Bild von Vorfahren, Eltern, Geschwistern, geschweige denn von Nachfahren findet, verblüfft dann doch.

 

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Beil mit Druckerpresse                                       OB mit Guillotine                                 Museumsdirektor Jülich mit der Schönhintrigen

 

Mit den Abteilungen Landbote, französische Revolution, Straßburg, Leonce und Lena, Naturwissenschaften, einem „Lenz-Tunnel“ und einer medizinisch-naturwissenschaftlichen Abteilung vollzieht Beils Präsentation die wesentlichen Lebensstationen Büchners nach, die vor dem Guckkasten des Züricher Sterbezimmers endet. Außergewöhnlich und noch nie gesehen ist dabei die filmische Rekonstruktion von Büchners Barben-Sezierung, bei der mich zunächst die überraschende Größe des Fisches verblüfft hat. Professor Hagner hat ja bei der Veranstaltung von Literaturland Hessen im Senckenbergmuseum darauf hingewiesen, wie außerordentlich sorgfältig und kenntnisreich Büchner diese Arbeit vorgenommen hat. Er sprach davon, dass kaum ein heutiger Student imstande sei, derart akribisch zu arbeiten und zu dokumentieren, um so weniger mit den bescheidenen Mitteln und unter den Umständen, unter denen Büchner arbeiten musste – ohne Mikroskop und künstliches Licht, im Studierzimmer statt im Labor, buchstäblich auf dem kaum vom Frühstück freigeräumten Arbeitstisch. Hier jedenfalls kann das Experiment in Großaufnahme nachvollzogen werden – Chapeau zu diesem Coup!

An Büchner-Zimelien ist alles versammelt, was Rang und Namen hat oder haben möchte: Handschriften aus Weimar und aus dem Besitz der Sparkassen-Kulturstiftung, die kürzlich sensationell wieder aufgetauchten Muston-Portraits,  das immer wieder zitierte „Emmaus-Bild“ von Savoys aus dem Landesmuseum, sämtliche Erstdrucke vom Landboten bis zur Dissertation und natürlich auch das umstrittene „Korsaren-Portrait“.

Geplant ist, dass die Besucher die Ausstellung mit Audio-Guide besuchen, den der wunderbare Max von Pufendorf, der ja schon 2008 und 2012 für uns in Pfungstadt und Darmstadt Büchner las, besprach.

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Woyzeck und Doktor. Marionetten aus der Inszenierung der Handspring Puppet Company

Am Ende findet sich noch ein kleiner Raum mit Informationen zur „Nachwirkung“, die aus Platzgründen auf einige Woyzeck-Inszenierungen beschränkt sind.

 

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 Der gewissenhafte Autor nach erster Augenscheinnahme

Für ein Fazit ist es sicher noch zu früh. Nur soviel schon hier: Ralf Beil ist eine schlüssige, nachvollziehbar inszenierte und im positiven Sinn pädagogische Präsentation von Leben und Werk Georg Büchners gelungen. Manche nicht unmittelbar „büchnersche“ Ausstellungsstücke wie eine Caspar David Friedrich Landschaft zum Woyzeck (Ried und Weiden) oder Géricaults „Floß der Medusa“ zur Guillotine sind freie Interpretation, bei denen ich mir als erläuternden Zusatz ein „Ich stelle mir vor“ oder „dazu fällt mir ein“ wünschen würde. Dass die mitkuratierende Marburger Forschungsstelle und ihr gerade fertiggestelltes Editionswerk nicht vorkommt, verblüfft. Dass die Georg-Büchner-Gesellschaft nicht vorkommt, war Eingeweihten schon bei den ersten Ankündigungen des Ausstellungsprojektes aufgefallen. Diese Eingeweihten hatten sich allerdings gleichzeitig schon damals gefragt, was diese denn beizutragen haben würde.

Technische Informationen wie Öffnungszeiten und Anreise finden sich hier, eine Besprechung des Kataloges, der wohl erst einige Tage nach Ausstellungsbeginn verkauft werden kann, folgt in Kürze.

 

 

 

 

 

 

 

In den letzten Tage des 200. Lebensjahres

 

Wenige Tage vor Georg Büchners 200. Geburtstag, der jetzt seit fast zwei Jahren vorbereitet wird, heute ein Hinweis auf gleich vier Veranstaltungen.

Für Offenbach und Zwingenberg empfehle ich dringend baldige Reservierung bei den angegebenen Adressen! :

 

am Donnerstag, dem 10. Oktober, präsentiert der traditionsreiche Offenbacher Oratorienchor seine Revue „Tun wir was dazu!“, zu der Peter Kühn und ich beitragen.

Plakat Offenbach Pfade[5]

 

Am Tag darauf ein weiterer Auftritt der „Fabelhaften Büchner-Bande“, diesmal im wunderschönen Zwingenberger „Theater mobile“:

 

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und ab Sonntag, dem 13. 10. ist dann die Ausstellung nach einer Vernissage im Darmstädter Staatstheater (Samstag, 12.10., 18:30, nach der aktuellen Meldung vom Staatstheater ist diese Veranstaltung bereits ausgebucht!) offen:

 

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und ebenfalls am 13.10. gibt es dann im Staatstheater Darmstadt noch die einmalige Gelegenheit, Georg Büchners dramatisches Werk in den Inszenierungen von Malte Kreutzfeld vollständig aufgeführt an einem Tag zu sehen; sozusagen ein Büchner-Ring.

 

 

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Titel der ersten Werkausgabe Georg Büchners von 1850, ohne den Woyzeck  

 

In Kürze dann mehr von der Pressekonferenz zur Ausstellungseröffnung und über die Termine der kommenden Woche zum Geburtstag am 17.10. 

 

Geredet wird zwar in diesen Parlamenten unendlich viel, aber gethan oder erreicht um so weniger.

Ludwig Büchners letzte Veröffentlichung ist eine Art politisches Testament. „Am Sterbelager des Jahrhunderts. Blicke eines freien Denkers aus der Zeit in die Zeit” hat er 1898, ein Jahr vor seinem Tod, bei Emil Roth in Gießen veröffentlicht.

 

Anlässlich der Tagesereignisse hier ein kleiner Auszug aus dem Kapitel „Politik”

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„Man bedenke ferner, dass der Parlamentarismus keine wirkliche Volksherrschaft bedeutet (namentlich dort nicht, wo er, wie in Deutschland seine Herrschaft mit derjenigen der Krone teilen muss), sondern eine Tyrannei zufälliger Majoritäten in den parlamentarischen Körperschaften. Ja diese Tyrannei kann unter Umständen zu derjenigen eines Einzelnen oder weniger werden, wenn die Stimmenzahl auf beiden Seiten sich so sehr ausgleicht, das eine oder einige Stimmen den Ausschlag geben.

… 

Oder die parlamentarische Mehrheit kann in Wirklichkeit die Minderheit des Volkes, die parlamentarische Minderheit die Mehrheit desselben ausdrücken. … Selbst die allgemeine Hebung der Bildung, welche man als Korrektiv des allgemeinen Stimmrechtes anzusehen oder anzupreisen pflegt, würde schwerlich etwas nützen. Wären z. B. alle französischen Wähler so intelligent, wie die Mitglieder des Senats und der Deputiertenkammer, so würde das allgemeine Stimmrecht nichtsdestoweniger die Herrschaft der Gewalt durch die Zahl sein. Nicht selten hat, wenn sich die Regierungspartei und die Opposition in einigermaßen gleicher Stärke gegenüberstehen, eine verhältnismäßig kleine Fraktion es in der Hand, den Ausschlag nach dieser oder jener Seite zu geben, und beherrscht somit trotz ihrer Minderzahl das Land und seine Interessen. Dazu kommt der erbärmliche, unwürdige Schacher, der zwischen den einzelnen Fraktionen um die heiligsten Volksinteressen nach dem Prinzip „Eine Hand wäscht die andere“ getrieben zu werden pflegt. Überhaupt ist die ehedem nicht gekannte Zerspaltung der gesetzgebenden Körperschaften in eine Anzahl politischer Fraktionen und Fraktiönchen ein Krebsschaden des modernen Parlamentarismus. Früher kannte man das nicht, und der Gegensatz zwischen rechts und links, zwischen Regierungspartei und Opposition war in der Regel der einzige, welcher diese Körperschaften spaltete, während die Zentrumspartei das ausgleichende und vermittelnde Moment darstellte. Heutzutage aber geht jede Fraktion ihre eigenen, mit den Wegen anderer Parteien in der Regel unvereinbaren Wege. Ein ewiges Gezänke oder gegenseitiges unwürdiges Feilschen ist die notwendige Folge, und man muss von Glück sagen, wenn diese Gezänke nicht, wie leider so oft, in gemeine und die Würde der Volksvertretung auf das Schwerste kompromittierende Handgreiflichkeiten ausartet. Fragt man nach der Ursache dieser wenig erfreulichen Erscheinung, so wird sie wohl hauptsächlich darin zu suchen sein, dass nach und nach infolge der großartigen Entwickelung aller materiellen Verhältnisse an die Stelle der ehemaligen Ideal-Politik die jetzt herrschende Interessen-Politik getreten ist, vermittelst welcher jeder Einzelne oder jede einzelne Gesellschaftsklasse bei der allgemeinen Güterteilung soviel Vorteile wie möglich für sich selbst herauszuschlagen sucht. Diese Interessenpolitik ist aber die geschworene Feindin derjenigen Politik, welche Vernunft und Wissenschaft vorschreiben. Wenn z.B. Schutzzölle im Interesse gewisser Gesellschaftsklassen liegen, so werden ihre Vertreter dafür stimmen, einerlei was Wissenschaft und Gerechtigkeit dazu sagen. Oder wenn die Verfechter dieser letzteren im Interesse einer vernünftigen Sozialpolitik Maßregeln zu größeren Ausgleichung des Besitzes vorschlagen, so werden sich die Vertreter der besitzenden Klassen dadurch schwerlich ihre Zustimmung abnötigen lassen. Zwei der hervorragendsten und wohlbegründetsten Forderungen, welch der vernünftige und wissenschaftliche Sozialismus aufstellt, sind bekanntlich einmal die Zurückführung des Grundes und Bodens in den Besitz der Allgemeinheit und zum zweiten die Einschränkung der Erbrechte. Aber wie gering ist die Zahl derjenigen, welche diesen Forderungen zustimmen oder welche überhaupt nur Kenntnis davon genommen haben; und wie noch weit geringer würde die Zahl der Volksvertreter sein, welche es den persönlichen Interessen der Wähler und ihrer selbst gegenüber wagen würden, solchen Vorschlägen auch nur ein Ohr zu leihen! Auch unser, an anderer Stelle dieser Schrift genauer begründeter Vorschlag einer Umwandlung der menschlichen Gesellschaft und des Staates in eine große, auf Gegenseitigkeit beruhende Versicherungsgesellschaft gegen Krankheit, Unfall, Alter, Invalidität und Tod, dessen Ausführung allein schon den größten und drückendsten Teil des sozialen Elends aus der Welt schaffen würde, dürfte in unseren gegenwärtigen Parlamenten schwerlich auf Unterstützung zu rechnen haben, so sehr auch Vernunft und Wissenschaft dafür sprechen. Geredet wird zwar in diesen Parlamenten unendlich viel, aber gethan oder erreicht um so weniger.

Übrigens wird die Politik der Zukunft und damit auch der künftige Parlamentarismus ganz anderen und schwierigeren Aufgaben gegenüberstehen, als den bloß politischen der Gegenwart; denn sie steht, wie in einem späteren Kapitel noch eingehender nachzuweisen werden wird, unter dem Zeichen des Sozialismus oder der Gesellschaftsverbesserung, im Vergleich mit welcher das Streben nach politischer Einheit und Freiheit, so berechtigt dasselbe an sich sein mag, doch nur eine untergeordnete oder zweite Rolle zu spielen vermag. Denn nur der gesellschaftlich und wirtschaftlich Freie kann in Wahrheit auch politisch frei sein!

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(Ludwig Büchner: Am Sterbelager des Jahrhunderts. Gießen, Roth, 2. Aufl., 1900, S. 249 ff)

Das schönste Büchner-Denkmal, das ich kenne!*

Sehr geehrte, liebe Damen und Herren,

Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen und Freunde 

 

es ist zur Zeit unter Meteorologen noch umstritten, ob wir den schönen Sommer dem Erfolg der BüchnerBox oder ob die BüchnerBox ihren Erfolg dem guten Wetter zu verdanken hat – weit über Meteorologenkreise hinaus ist jedenfalls unbestritten, dass Darmstadt mit der BüchnerBox und dem Königreich Popo einen wichtigen und erfolgreichen Baustein zu den Büchnerjubiläen beigetragen hat. 

 
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Ich selbst möchte keinen der Abende, keines der Gespräche, keinen einzigen Eindruck missen, den ich selbst dort erlebt habe, und ich bin sicher, dass das annähernd alle Gäste bestätigen werden. Ein paar Bilder und erste Eindrücke habe ich im Blog veröffentlicht

(http://geschwisterbuechner.de/2013/07/15/buchner200-in-darmstadt/) und unter www.buechner200.de konnte das Tagesprogramm verfolgt werden. In Facebook findet sich die Box unter https://www.facebook.com/buechner200.

 

Am Samstag, dem 31. 8., müssen wir uns von dem schönen Ort verabschieden, das Festival ist zu Ende. Die wenigen unter Ihnen, die immer noch nicht dagewesen sind, sollten diese letzte Gelegenheit unbedingt nutzen, und bei den vielen, die schon einmal da gewesen sind, bin ich sowieso überzeugt, dass sie sich den letzten Eindruck nicht entgehen lassen wollen.

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 Abendstimmung im Königreich Popo 
(*J.-C. Hauschild: „Das schönste Büchner-Denkmal, das ich kenne!“)


Bitte kommen Sie also zahlreich und gut gelaunt. 

 

Eines der Anliegen der Aktivitäten vor dem Hauptbahnhof war, wissbegierig auf die bevorstehende Jubiläumsausstellung zu Georg Büchners 200. Geburtstag im Darmstadtium zu machen, und da ist es nicht mehr als angemessen, dass ihr Kurator, Dr. Ralf Beil, selbst den Bogen schlägt, indem er ab 16 Uhr zum Abschluss Konzept und Stand der Dinge erläutert – niemand weiß zur Zeit genauer als er, wie uns der Jubilar in seiner Ausstellung begegnen wird. 

 

 
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Dr. Ralf Beil in der BüchnerBox


Um 19:30 gibt es die Gelegenheit, „La Baguette“, die musikalische Interpretation von Motiven aus Büchners „Dantons Tod“, die die Akademie für Tonkunst im Danton-Projekt der Theatermacher erarbeitet hat, (noch einmal) zu sehen. 

 
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„La Baguette“ im Juni 2012 im Hof der Georg-Büchner-Schule 


Und ab 21 Uhr feiern wir dann zusammen mit den Studentinnen und Studenten der Hochschule Darmstadt, die mit ihren Arbeiten so vielfältig, phantasievoll und intelligent zur Gestaltung beigetragen haben. Dazu wird Petra Bassus singen, die sowohl als moderierende wie singende Stütze der Büchnerbande wirkt und auch Ariane Martins Vortrag zu Büchners Liedern wunderbar begleitet hat. 

 
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Petra Bassus mit meiner Wenigkeit

 

Aus gut informierten Kreisen weiß ich, dass Papa Legba’s Blues Lounge, der „musikalische Teil“ der BüchnerBande, mit einiger Wahrscheinlichkeit am späten Abend eintreffen wird – 

 

 … und dann legen wir uns in den Schatten und bitten Gott um Makkaroni, Melonen und Feigen, um musikalische Kehlen, klassische Leiber und eine kommode Religion!

 

 
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Ganz herzlich grüßt
 
Ihr/EuerPeter Brunner
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