Aus den Reihen unserer Mitglieder bin ich auf den beklagenswerten Zustand des Grabes von Ludwig Amelung (1798 – 1849) auf dem wunderschönen Hospital-Friedhof bei der heutigen Vitos-Klinik aufmerksam gemacht worden. Der Wikipedia-Eintrag zu ihm ist ganz ordentlich und nennt auch eine Menge seiner Veröffentlichungen, die als Digitalisate leicht zu finden sind. Seit Oktober 1821 war er der Leiter des Hofheimer Hospitals, in unmittelbarer Nähe zu Georg Büchners Geburtsort Goddelau (wohin dieses Hofheim später eingemeindet wurde). Er wurde medizinischer Leiter, nachdem bis zum Tode von Georg Büchners Großvater Johann Georg Reuß (1757 – 1815) noch Verwaltungsbeamte an der Spitze  standen. 

Amelungs Engagement für die Verbesserung der Lage der Hospitalinsassen war außerordentlich. Unter seiner Leitung wurde aus der gefängnisähnlichen „Verwahrung“ der Patienten die Unterbringung von Erkrankten. Damit wurde das Hospital ein Vorbild im Umgang mit psychischer Erkrankung. Es ist kein Zufall, dass er den Fall des Mörders Woyzeck und seine Gerichtsverhandlung in Leipzig beobachtet und in seinen Veröffentlichungen erwähnt. Hier wurde die Frage der Schuld und  Zurechnungsfähigkeit gestellt, die später, vielleicht von ihm angeregt, Georg Büchner in den Mittelpunkt seines Dramas stellt.

 

Büchners Lebensfrage – „Was ist das, das in uns lügt, mordet, stiehlt?“ – hat ganz bestimmt auch Franz Amelung umgetrieben.

 

Amelung wurde im Patientengespräch von einem Patienten erstochen und auf dem Friedhof des Hospitals bestattet. Erst 1873 wurde ein „von der Anstalt gestifteter Gedenkstein“ auf sein Grab gelegt. Wahrscheinlich liegt in unmittelbarer Nähe auch Georg Büchners Großvater Reuß, der als Verwalter des Hospitals 1815 starb. Dessen Grabstein ist leider verloren. Durch den verstorbenen Lokal- und Büchnerforscher Hans Deuster wurde Amelungs Grab aufgefunden und hergerichtet. Mittlerweile ist der Stein stark verwittert und nicht mehr lesbar. Aufgrund der Bedeutung Amelungs für das Hospital, die Psychiatrie in Deutschland und Georg Büchners Werk muss das Grab unbedingt wieder hergerichtet, erhalten und entsprechend gewürdigt werden.

Ich habe mir das angesehen und bin von der Anlage beeindruckt – das ist ein ganz aussergewöhnlicher, bei uns sehr unterschätzter Ort!

Blick über die Brache des Friedhofs zur Jugendstilkapelle

Tatsächlich ist Amelungs Grab kaum noch zu finden, der Grabstein gänzlich unleserlich. Glücklicherweise hat sich der verstorbene, verdiente Lokalforscher Goddelaus, Hans Deuster, zusammen mit seiner Frau Marianne  schon vor vielen Jahren sorgfältig und gründlich um Dokumentation bemüht; sie hat mir eine umfangreiche Arbeit dazu zur Verfügung gestellt. Dort ist der Stein abgebildet und seine Beschriftung vollständig dokumentiert.

Der aktuelle Zustand. Auf dem Grab links liegt ein späterer Hospitalleiter.

 

Marianne Deuster auf dem Hospitalfriedhof im Gespräch mit Reinhard Pabst

 

 

Die Inschrift ist gänzlich unleserlich

 

 

Hans Deusters Aufzeichnung. (Das untere Datum 1849 ist ein Lesefehler, richtig ist 1873)

 

Zu Amelung habe ich inzwischen Korrespondenz mit der Büchner- und der Psychiatriegeschichte-Forschung: mir scheint, als ob beide ihn bisher in seiner Bedeutung für Büchners Werk sträflich unterschätzt haben.

Tatsächlich ist Amelung in enger Verbindung mit Büchners Vater Ernst (1786 – 1861) gewesen: er hat ein bedeutendes Werk des Leibarztes von Napoleon übersetzt. Für mich steht außer Frage, dass sein Interesse an diesem Werk eben von einem Schüler Dominique Jean Larreys angeregt wurde: Georg Büchners Vater Ernst hat an Larreys kaiserlichem Hospital gearbeitet!

 

Titelblatt von Amelungs  Übersetzung

 

 

Dominique Jean Larrey auf einer Wohlfahrtsedition der französischen Post

                             

Es gibt zahlreiche Veröffentlichungen Amelungs zur Schuldfrage von Geisteskranken, die für die Psychiatriegeschichte sehr bedeutend sind. Es ist so gut wie sicher, dass sich diese Titel im Hause Büchner fanden.

 

Georg Büchner hat von der aktuellen Auseinandersetzung mit „Geisteskrankheit“ wahrscheinlich durch Amelung lange vor seiner Kenntnis des Woyzeck-Prozesses Kenntnis gehabt. Tatsächlich hat sich Amelung auch selbst über das Woyzeck-Gutachten geäussert – vielleicht ist das sogar die eigentliche Quelle für Büchners Adaption.

 

 

 

Es wäre dringend erforderlich und mehr als angemessen, Amelungs Bedeutung zu befördern; dazu soll die Sanierung seines Grabsteines einen ersten Beitrag leisten.

Die hochkompetente Darmstädter Steinmetzin Ruth Andres, mit der ich in den letzten Jahren mehrfach an Projekten arbeiten konnte, hat nach erster Sichtung von Fotos versichert, dass sich der Stein wieder gut instand setzen lasse.

 

Ruth Andres montiert die Büste Luise Büchners auf dem von ihr gestalteten Denkmal in Darmstadt

Unser Verein BüchnerFindetStatt konnte mit Hilfe der sehr engagierten Volksbank Südhessen ein Crowdfunding ins Leben rufen, über das die Sanierung des Grabes ermöglicht werden soll – schon kleinste Beträge würden das befördern.

Bitte beteiligen Sie sich und spenden Sie großzügig: es gibt sogar ganz besondere „Dankeschöns“ zu verdienen!

 

Die Site zum Crowdfunding