„Es hieß für den Kranken könne mein Anblick nicht schädlich wirken, denn er würde mich ja doch nicht erkennen – aber mir dürfe man nicht gestatten das entstellte Antlitz zu schauen. Sie können denken daß sobald nur mein Ich in Betracht kam, man mir den Eingang ins Krankenzimmer nicht mehr wehren durfte. Dr Zehnder führte mich hinein, noch vor der Thüre sagte er mir: fassen Sie sich, er wird Sie nicht kennen. Nein, er wird mich kennen, war meine Antwort. Und er hat mich erkannt, er fühlte meine Nähe und ich habe Ruhe über ihn gebracht. 

Er ist sanft eingeschlummert, ich habe ihm die Augen zugeküßt, Sontag d 19 Feb. um halb 4. 

Der Jammer der Eltern ist gränzenlos. Über meine übrigen Lebenstage ist ein schwarzer Schleier geworfen. Der Himmel möge sich meiner erbarmen und mich nur noch so lange leben lassen, als meinen alten Vater. Leben Sie wohl, Sein Freund ist auch der Meinige.“

Das ist der authentischste und unmittelbarste Bericht über Georg Büchners Tod, den wir kennen – die Geliebte Minna schreibt an den gemeinsamen Freund Eugen Boeckel am 5. März. 

Der Blumengruß der Wissenschaftsstadt Darmstadt zum Todestag auf Büchners Grab im Zürich



Das Leben des gebürtigen Goddelauers war in den Jahren von 1833 bis 1837, seinem zwanzigsten bis vierundzwanzigstem Lebensjahr, so unglaublich angefüllt mit Ereignissen und Erlebnissen, Erfahrungen und Leistungen, dass es leicht für zwei Jahrzehnte hätte reichen können.

Was ihn bis heute bedeutend und unvergessen macht, ist in diesen wenigen Jahren geschehen – er hat die bedeutendste Flugschrift deutscher Sprache seit Jahrhunderten verfasst, drei Jahrhundert-Dramen und eine bedeutende Novelle geschrieben, eine naturwissenschaftliche Promotion von höchster Qualität vorgelegt und, nicht zuletzt, hunderte von Briefen geschrieben.

Die bedauerlich wenigen davon, die uns erhalten oder wenigstens in Auszügen oder Abschriften erhalten sind, bestimmen unser Bild von dem Weltgenie, das mit Empathie und Liebe auf die Welt blickt, für die er uns allen „ … Makkaroni, Melonen und Feigen, … musikalische Kehlen, klassische Leiber und eine komm[o]de Religion.“ wünscht. 

Wie der lieben konnte, leiden, fühlen, wünschen – es bricht heute noch jedes fühlende Herz, wenn er uns vom Weihnachtsmarkt in Straßburg schreibt oder sich dagegen verwehrt, die einfachen Leute zu verachten: „Die Lächerlichkeit des Herablassens werdet Ihr mir doch wohl nicht zutrauen. Ich hoffe noch immer, daß ich leidenden, gedrückten Gestalten mehr mitleidige Blicke zugeworfen, als kalten, vornehmen Herzen bittere Worte gesagt habe.“ 

Die BüchnerBühne hat in diesen Zeiten der Beschränktheit ein Video erarbeitet, das sich mit Motiven der Lenz-Novelle auf Büchners Spur macht. 

„Am 20. Jänner ging Lenz ins Gebirge … „ – so beginnt Büchners Erzählung über die einsame Wanderung des an der Welt verzweifelten Dichters.

Also sind auch wir im Januar losgelaufen – mit einer Videokamera – zunächst ohne weiteren Plan – und wollten uns – selbst zweifelnd an der Zeit und in der Hoffnung auf ein Stückchen Theaterzukunft  – auf seine Spur begeben: Mitten im Ried, in einer benachbarten Kirche, im Odenwald …

Entstanden ist die Idee einer kleinen Lenz-Serie mit einfachen Mitteln. Sehen Sie hier die erste Station: „Die alten Dichter“ …

mit BASTIAN HAHN als Lenz
JOHANNA BRONKALLA als Mutter Oberlin
AYLIN KEKEC als Mädchen

Regie: Christian Suhr
@ 2021 BüchnerFindetStatt

Von Peter Brunner