Karol Sauerland, polnischer Germanist und Philosoph, kommt auf Einladung des Poleninstitutes und des Instituts Mathildenhöhe als Veranstalter der Georg-Büchner-Ausstellung
am Donnerstag, dem 30. Januar 2014, 19:30 Uhr
ins Darmstädter Staatsarchiv,
Karolinenplatz 3
zu einem Vortrag:
Büchner und Polen – Polen und Büchner
„Der angesehene polnische Germanist Karol Sauerland beschäftigt sich in seinem Vortrag mit der Büchner-Rezeption in Polen, nicht zuletzt durch Stanisława Przybyszewska, deren von Büchner inspiriertes Danton-Drama von Andrzej Wajda verfilmt und von Frank Castorf an der Berliner Volksbühne inszeniert wurde.“
Nicht zuletzt durchs Georg Büchners Nachwirkung sind die Kämpfe des „polnischen Aufstandes“ vom November 1830 und die große Sympathie, die den geschlagenen Aufständischen in ganz Europa entgegengebracht wurde, bekannt geblieben.
Als Augenzeuge schrieb Georg Büchner nach Hause:
Als sich das Gerücht verbreitete, daß Ramorino durch Straßburg reisen würde, eröffneten die Studenten sogleich eine Subskription und beschlossen, ihm mit einer schwarzen Fahne entgegenzuziehen. Endlich traf die Nachricht hier ein, daß Ramorino den Nachmittag mit den Generälen Schneider und Langermann ankommen würde. Wir versammelten uns sogleich in der Akademie; als wir aber durch das Tor ziehen wollten, ließ der Offizier, der von der Regierung Befehl erhalten hatte, uns mit der Fahne nicht passieren zu lassen, die Wache unter das Gewehr treten, um uns den Durchgang zu wehren. Doch wir brachen mit Gewalt durch und stellten uns drei- bis vierhundert Mann stark an der großen Rheinbrücke auf. An uns schloß sich die Nationalgarde an. Endlich erschien Ramorino, begleitet von einer Menge Reiter; ein Student hält eine Anrede, die er beantwortet, ebenso ein Nationalgardist. Die Nationalgarden umgeben den Wagen und ziehen ihn; wir stellen uns mit der Fahne an die Spitze des Zugs, dem ein großes Musikchor vormaschiert. So ziehen wir in die Stadt, begleitet von einer ungeheuren Volksmenge unter Absingung der Marseillaise und der Carmagnole; überall erschallt der Ruf: Vive la liberté! vive Ramorino! à bas les ministres! à bas le juste milieu! Die Stadt selbst illuminiert, an den Fenstern schwenken die Damen ihre Tücher, und Ramorino wird im Triumph bis zum Gasthof gezogen, wo ihm unser Fahnenträger die Fahne mit dem Wunsch überreicht, daß diese Trauerfahne sich bald in Polens Freiheitsfahne verwandeln möge. Darauf erscheint Ramorino auf dem Balkon, dankt, man ruft Vivat! – und die Komödie ist fertig.“ (Straßburg, Dezember 1831)
Brustbilder dreier Generäle der polnischen Armee, die sich in Straßburg ins französische Exil begaben:
Daniel Gottfried Georges Langermann, Gerolamo A. Romarino und Franz Sznayde
(Entrée des Généraux à Strasbourg, le 4 Decembre 1831.
Lithographie nach der Natur von Johann Daniel Beyer. Straßburg: Simon, 1831.)
Kürzlich stieß ich auf ein Gedicht Alexander Büchners, das dieser in der Folge des weniger bekannten „letzten Aufstandes“ der Polen von 1846 geschrieben hat, als die Sympathie bei weitem nicht mehr so großherzig war und nur Frankreich bereit war, Flüchtlinge aufzunehmen. Mich bedrückt die schreckliche Aktualität, die dieser Text leider immer noch oder wieder hat:
Alexander Büchner: Polenlieder aus dem Februar 1846
Frankreich
Dank Dir, o Volk, das eines Volkes Schande
zu achten weiß, und zu erleichtern strebt‘,
Dank Menschen euch, die ihr in eurem Lande
Den Heimathlosen eine Heimath gebt!
Fluch Völker euch! Auf eure Häupter Kohlen!
Die ihr zuseht, wie man ein Volk zerreißt,
Fluch Staaten euch, die ihr den flieh’nden Polen
In seine Henkers Hand zurücke weißt!
Wir sitzen warm, doch kommen einst die Tage,
Wo Gleiches uns zu thun dem Herrn gefällt,
Und Niemand hört auf unsre bange Klage –
Wie wir den Polen, thut uns dann die Welt.
(A. Büchner: Gedichte. Butzbach. Kuhl. 1851, S. 13)
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