Neues aus Buechnerland

Peter Brunners Buechnerblog

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Ein Gespenst ruft als Landbote zu Revolte: Empört Euch

In den letzten Monaten sind mit unterschiedlich großem Echo mehrere Flugschriften veröffentlicht worden, die je nach Standpunkt der Beobachter als Fanal, Aufschrei, Hilfestellung, Erläuterung, manchmal aber auch als Zeichen der Hilflosigkeit angesichts gesellschaftlicher Umbrüche interpretiert werden.

Nach Stephane Hessels „Empört Euch!“ (hier in Auszügen bei der FAZ) erschien Konstantin Weckers „Aufruf zur Revolte“ (hier als pdf) und ein Titel, der für dieses Weblog besondere Bedeutung hat:

 

Der Hessische Landbote 2013

Ich bin gebeten worden, die Vorstellung dieses Textes durch drei der sieben Autoren (6 Männer, eine Frau) zu moderieren.

Titel_Landbote_2013

 

(ISBN 978-3-944137-64-3, 
Peter-Grohmann-Verlag, Stuttgart)

 

Neben der Gesprächsführung werde ich auch auf die Frage eingehen, ob und wie die gesellschaftlichen Verhältnisse der 1830er Jahre mit unseren heutigen vergleichbar sind und ob und wie sich der Rückgriff auf das große Vorbild rechtfertigt.

 

Lesung und Diskussion am 13. Februar 2014
im Stadtmuseum Groß-Gerau

Am Marktplatz 3, 64521 Groß-Gerau, 19:30 Uhr, Eintritt frei

 

 

Den 200. Geburtstag von Georg Büchner am 17. Oktober 2013 hat eine Autorengruppe mit Gewerkschaftern aus dem Kreis Groß-Gerau zum Anlass genommen, eine Broschüre unter dem Titel „Der Hessische Landbote 2013“ zu veröffentlichen: als „Ermutigung zum Denken und Handeln“. Die Autoren beschreiben darin ihre Sicht auf aktuelle gesellschaftliche und soziale Missstände und deren Ursachen. Die Schrift macht auf kritikwürdige Zustände und Verhältnisse aufmerksam und ist damit, wie es im Untertitel heißt, „ein Aufruf, der anstiften will zur Auflehnung“. In acht Kapiteln behandelt die Autorengruppe unter anderem Themen wie Armut und Reichtum, Arbeit, Bildung, Migration, Krankheit und Gesundheit. Der Initiatiator des Projekts, Edgar Weick, und die Mitverfasser Bernd Heyl und Martin van de Rakt werden in der Lesung am 13. Februar, die Veranstaltung ist in das Stadtmuseum verlegt worden, Passagen lesen, erläutern und zur Diskussion stellen. Moderation: Peter Brunner, Betreiber des Blogs „Neues aus Büchnerland“.

Kooperationspartner der KVHS sind: DGB Ortsverband Groß-Gerau im Rahmen der AG „Arbeit und Leben“ (DGB/VHS) Südhessen.
Der Eintritt ist frei.

von Peter Brunner

Friede den Hütten … * :-)

Zu den besonderen Präsentationen der „Büchner-Biennale“ gehörte ganz bestimmt die große Ausstellung „Da geht Büchner” der Darmstädter Galerie Netuschil. Hier findet sich mein Bericht von der Finissage.

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Bruno Feger mit Claus Netuschil vor seiner Büchner-Skulptur 

Das Werk ist ein „Lichtwort aus Stahl”, wie Bruno Feger seine Serie von metallenen Worten nennt. Einige davon zeigt er hier auf seiner Website. Das großformatige Werk, dessen Aufhängung von der Galerie eher handgreifliche Fertigkeiten erforderte, bildete einen starken Blickpunkt der Ausstellung, und viele Besucherinnen wünschten, dass es dauerhaft in Darmstadt bleiben könne.

Dem hat sich jetzt die Darmstädter Bundestagsabgeordnete und Staatssekretärin Brigitte Zypries angenommen. Mit einem ausführlichen Schreiben, das ich hier mit ihrer freundlichen Erlaubnis zeigen darf, bittet sie um Unterstützung für den Ankauf, damit das meistzitierte Büchner-Wort an der Darmstädter Georg-Büchner-Schule angebracht werden kann. (Ich habe mich übrigens über die persönliche Anrede und das verschmitzte Sternchen bei „wie Sie vielleicht wissen…“ sehr gefreut!)

 

Zypries_Stahlwort_01          Zypries_Stahlwort_02

Es geht um Georg Büchner – wir müssen also gewärtigen, dass der Text weder von ihm „erfunden” wurde (er zitiert mit dieser großartigen Überschrift des Hessischen Landboten eine französische Parole) noch etwa seine Handschrift abbildet – es gibt keine handschriftliche Überlieferung des Hessischen Landboten, und eine Büchner-Handschrift zu reproduzieren würde ohnehin wohl sogar Bruno Feger überfordern – ganz zu schweigen von der Schwierigkeit, sie zu entziffern.

Die Geschichte der Stadt Darmstadt und ihrer Klimmzüge, zu einem anständigen Georg-Büchner-Denkmal zu kommen, ist übrigens Legende – und niemand kennt sie so gut und kann sie so ausführlich schildern wie Claus Netuschil! Ich persönlich konnte mich mit der nachträglichen Benennung von Arnaldo Pomodoros „Grande Disco“ auf dem Büchner-Platz vor dem Darmstädter Theater jedenfalls nie anfreunden. Mit Fegers Stahlwort käme eine Büchnerzitat – ganz wörtlich in ehernen Lettern – in seine Heimatstadt!

Ich möchte das sehr gerne unterstützen und beginne damit, hier dafür zu werben – spenden Sie großzügig:

 

Förderverein der Georg-Büchner-Schule Darmstadt, betreff „Büchner-Plastik”, Konto 9696601, BLZ 508 900 00 

… und reden Sie sich nicht damit heraus, dass Ihre Bank auf der neuen IBAN besteht:

IBAN DE60 5089 0000 0009 6966 01

 

Herrenclub Moderne – Warum die Kunstgeschichte umgeschrieben werden muss

Auf die schöne, von der Luise Büchner-Gesellschaft mitveranstaltete

Ausstellung „Der weibliche Blick“

habe ich hier ja mehrfach hingewiesen.

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Hier findet sich ein Flyer mit ausführlichen Hinweisen. 

Kurz vor dem Ende ist es gelungen, die letztjährige Trägerin des Luise Büchner-Preises für Publizistik,

Frau Dr. Julia Voss 

zu einem Vortrag dorthin einzuladen. Unter dem Titel

Herrenclub Moderne – Warum die Kunstgeschichte umgeschrieben werden muss

 

wird Sie erläutern, was aus den vielen malenden, zeichnenden und bildhauernden Frauen der Moderne geworden ist. Warum spielen sie bis heute in der Kunstgeschichte und im Kunstbetrieb eine so geringe Rolle?

Der Vortrag beginnt mit den Veränderungen im 19. Jahrhundert, die einer Vielzahl von Frauen den Zugang zur Kunst ermöglichten, und verhandelt dann die Ereignisse des 20. Jahrhundert, die dazu führten, dass Künstlerinnen wieder aus der Kunstgeschichte gestrichen wurden.

 

 Donnerstag, 6. Februar, 19:30 Uhr

Kunstarchiv im Literaturhaus Darmstadt, 1. Stock, Kasinostr. 3

Eintritt 6 €, für Mitglieder der veranstaltenden Vereine frei

Wie wir den Polen, thut uns dann die Welt

Karol Sauerland, polnischer Germanist und Philosoph, kommt auf Einladung des Poleninstitutes und des Instituts Mathildenhöhe als Veranstalter der Georg-Büchner-Ausstellung

 

am Donnerstag, dem 30. Januar 2014, 19:30 Uhr

ins Darmstädter Staatsarchiv,

Karolinenplatz 3

zu einem Vortrag:

 

Büchner und Polen – Polen und Büchner

„Der angesehene polnische Germanist Karol Sauerland beschäftigt sich in seinem Vortrag mit der Büchner-Rezeption in Polen, nicht zuletzt durch Stanisława Przybyszewska, deren von Büchner inspiriertes Danton-Drama von Andrzej Wajda verfilmt und von Frank Castorf an der Berliner Volksbühne inszeniert wurde.“ 

 

Nicht zuletzt durchs Georg Büchners Nachwirkung sind die Kämpfe des „polnischen Aufstandes“ vom November  1830 und die große Sympathie, die den geschlagenen Aufständischen in ganz Europa entgegengebracht wurde, bekannt geblieben.

Als Augenzeuge schrieb Georg Büchner nach Hause:

 

Als sich das Gerücht verbreitete, daß  Ramorino  durch  Straßburg reisen würde, eröffneten die Studenten sogleich  eine Subskription und  beschlossen, ihm mit einer schwarzen Fahne entgegenzuziehen. Endlich traf die Nachricht hier ein, daß  Ramorino  den  Nachmittag  mit den  Generälen Schneider und  Langermann ankommen würde. Wir versammelten uns sogleich  in der Akademie;  als wir aber  durch  das Tor ziehen  wollten,  ließ der Offizier, der von der Regierung Befehl erhalten hatte, uns mit der Fahne nicht  passieren zu lassen, die Wache  unter  das Gewehr  treten, um uns den  Durchgang zu wehren. Doch wir brachen  mit Gewalt durch  und  stellten  uns drei- bis vierhundert Mann  stark an der großen Rheinbrücke auf. An uns schloß  sich die Nationalgarde an. Endlich erschien  Ramorino,  begleitet  von einer Menge Reiter; ein Student hält eine Anrede,  die er beantwortet, ebenso ein Nationalgardist. Die Nationalgarden umgeben den  Wagen  und  ziehen  ihn; wir stellen uns mit der Fahne an die Spitze des Zugs, dem  ein großes Musikchor  vormaschiert. So ziehen  wir in die Stadt,  begleitet von einer ungeheuren Volksmenge unter  Absingung der Marseillaise und  der Carmagnole; überall  erschallt  der Ruf: Vive la liberté! vive Ramorino!  à bas les ministres! à bas le juste milieu! Die Stadt  selbst illuminiert,  an den  Fenstern schwenken die Damen ihre Tücher,  und  Ramorino  wird im Triumph  bis zum Gasthof  gezogen, wo ihm unser  Fahnenträger die Fahne mit dem  Wunsch  überreicht, daß  diese Trauerfahne sich bald in Polens Freiheitsfahne verwandeln möge. Darauf erscheint Ramorino auf dem  Balkon, dankt,  man  ruft Vivat! – und  die Komödie  ist fertig.“ (Straßburg, Dezember 1831)

GenerauxStarsburg

Brustbilder dreier Generäle der polnischen Armee, die sich in Straßburg ins französische Exil begaben:
Daniel Gottfried Georges Langermann, Gerolamo A. Romarino und Franz Sznayde
(Entrée des Généraux à Strasbourg, le 4 Decembre 1831.
Lithographie nach der Natur von Johann Daniel Beyer. Straßburg: Simon, 1831.)

 

Kürzlich stieß ich auf ein Gedicht Alexander Büchners, das dieser in der Folge des weniger bekannten „letzten Aufstandes“ der Polen von 1846 geschrieben hat, als die Sympathie bei weitem nicht mehr so großherzig war und nur Frankreich bereit war, Flüchtlinge aufzunehmen. Mich bedrückt die schreckliche Aktualität, die dieser Text leider immer noch oder wieder hat:

 

Alexander Büchner: Polenlieder aus dem Februar 1846

 

Frankreich

Alexander_oval

 

Dank Dir, o Volk, das eines Volkes Schande

zu achten weiß, und zu erleichtern strebt‘,

Dank Menschen euch, die ihr in eurem Lande

Den Heimathlosen eine Heimath gebt!

 

Fluch Völker euch! Auf eure Häupter Kohlen!

Die ihr zuseht, wie man ein Volk zerreißt,

Fluch Staaten euch, die ihr den flieh’nden Polen

In seine Henkers Hand zurücke weißt!

 

Wir sitzen warm, doch kommen einst die Tage,

Wo Gleiches uns zu thun dem Herrn gefällt,

Und Niemand hört auf unsre bange Klage –

Wie wir den Polen, thut uns dann die Welt.

 

(A. Büchner: Gedichte. Butzbach. Kuhl. 1851, S. 13)  

 

von wegen Odenwaldhölle …

edit: Mitschnitt einer Zugabe mit Georg Büchners Bemerkungen über „sein“ Darmstadt, als illustrierender Beitrag zur Haltung Jugendlicher zur Stätte ihres Erwachsenwerdens.

edit: so war’s am Samstag in Klein-Umstadt:

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Die ganze Bande auf der Bühne.
Beim Anklicken wechseln die handelnden Personen – wie im richtigen Leben! 

Über den witzigen Beitrag von Antonia Baum in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung über ihre Erfahrungen als Heranwachsende im Odenwald ist in den letzten Wochen ja viel geschrieben und geredet worden. Zuletzt hat das Darmstädter Echo berichtet, dass der clevere Erbacher Unternehmer Koziol das wahrscheinlich einzig Richtige mit dieser Heimatbeschimpfung gemacht hat: er hat sie aufgegriffen und ihr öffentlich Referenz erwiesen: „Ich liebe die Odenwaldhölle“ könnte ein selbstironischer Slogan werden, der näher an den täglichen Erfahrungen der Einwohner ist als all der bemühte Tourismusslang mit Schäfchen und grünen Wiesen.

 

Am Rand der „Hölle“ trägt jedenfalls am Samstag, dem 25.1., um 20 Uhr im Alten Rathaus Klein-Umstadt, die fabelhafte Büchner-Bande schon mal zur kulturellen Vielfalt bei. 

 

Plakat_Buechnerbande

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