Heute vor 176 Jahren starb Georg Büchner, noch nicht 24 Jahre alt, in Zürich in den Armen seiner Geliebten Minna Jaeglè.
2012 und 2013 wurden als Büchner-Biennale zur Erinnerung an die„runden” Jahrestage seines Todes und seiner Geburt begangen. Das Ende der Darmstädter Ausstellung markiert das Ende des institutionalisierten und gelegentlich auch ziemlich ritualisierten Gedenkens.
„Büchner hält das aus” sagte der Feuilleton-Chef des Darmstädter Echos, Johannes Breckner, zu Beginn der Feierlichkeiten.
Hoffen wir das Beste.
Der Sockel von Büchners Grabstein auf dem Friedhof Krautgarten in Zürich
Am 4. Juli 1875 wurden die sterblichen Überreste Georg Büchners umgebettet, weil der „Krautgarten-Friedhof” aufgelassen wurde. Heute liegt Georg Büchner am „Rigiblick” oberhalb Zürichs. Nach der Feier nahm Georgs Bruder Wilhelm den alten Grabstein mit nach Pfungstadt und stellte ihn im Park seiner Villa auf. Sein Enkel Anton schreibt in seinen unveröffentlichten Memoiren:
„ … Am Fuß eines anderen (Baumes – pb) lehnte ein hoher, von Efeu umwundener, halbverwitterter Stein. Er trug eine Inschrift, aber sie war fast unleserlich geworden. (Heute ist er ganz verschwunden). Es war der erste Grabstein des Dichters Georg Büchner (1813 – 1837), den sein Bruder Wilhelm, eben mein Großvater, in seinen Garten holte und dort aufstellte, als 1875 deutsche Studenten dem in Zürich verstorbenen Dichter und Forscher auf der „Germaniahöhe” ein Ehrengrab richteten. … ”
An anderer Stelle ergänzt er zu dem Stein „ .. bis er schließlich ganz verging”. Der Pfungstädter Lokalhistoriker Valentin Liebig entdeckte den übriggebliebenen Sockel auf dem Gelände des ehemaligen Parks und sicherte ihn für das Pfungstädter Heimatmuseum, das ihn als Leihgabe an das Goddelauer Büchner-Haus gegeben hat.
In den letzten Monaten sind mit unterschiedlich großem Echo mehrere Flugschriften veröffentlicht worden, die je nach Standpunkt der Beobachter als Fanal, Aufschrei, Hilfestellung, Erläuterung, manchmal aber auch als Zeichen der Hilflosigkeit angesichts gesellschaftlicher Umbrüche interpretiert werden.
Ich bin gebeten worden, die Vorstellung dieses Textes durch drei der sieben Autoren (6 Männer, eine Frau) zu moderieren.
(ISBN 978-3-944137-64-3, Peter-Grohmann-Verlag, Stuttgart)
Neben der Gesprächsführung werde ich auch auf die Frage eingehen, ob und wie die gesellschaftlichen Verhältnisse der 1830er Jahre mit unseren heutigen vergleichbar sind und ob und wie sich der Rückgriff auf das große Vorbild rechtfertigt.
Lesung und Diskussion am 13. Februar 2014
im Stadtmuseum Groß-Gerau
Am Marktplatz 3, 64521 Groß-Gerau, 19:30 Uhr, Eintritt frei
Den 200. Geburtstag von Georg Büchner am 17. Oktober 2013 hat eine Autorengruppe mit Gewerkschaftern aus dem Kreis Groß-Gerau zum Anlass genommen, eine Broschüre unter dem Titel „Der Hessische Landbote 2013“ zu veröffentlichen: als „Ermutigung zum Denken und Handeln“. Die Autoren beschreiben darin ihre Sicht auf aktuelle gesellschaftliche und soziale Missstände und deren Ursachen. Die Schrift macht auf kritikwürdige Zustände und Verhältnisse aufmerksam und ist damit, wie es im Untertitel heißt, „ein Aufruf, der anstiften will zur Auflehnung“. In acht Kapiteln behandelt die Autorengruppe unter anderem Themen wie Armut und Reichtum, Arbeit, Bildung, Migration, Krankheit und Gesundheit. Der Initiatiator des Projekts, Edgar Weick, und die Mitverfasser Bernd Heyl und Martin van de Rakt werden in der Lesung am 13. Februar, die Veranstaltung ist in das Stadtmuseum verlegt worden, Passagen lesen, erläutern und zur Diskussion stellen. Moderation: Peter Brunner, Betreiber des Blogs „Neues aus Büchnerland“.
Kooperationspartner der KVHS sind: DGB Ortsverband Groß-Gerau im Rahmen der AG „Arbeit und Leben“ (DGB/VHS) Südhessen. Der Eintritt ist frei.
Zu den besonderen Präsentationen der „Büchner-Biennale“ gehörte ganz bestimmt die große Ausstellung „Da geht Büchner” der Darmstädter Galerie Netuschil. Hier findet sich mein Bericht von der Finissage.
Bruno Feger mit Claus Netuschil vor seiner Büchner-Skulptur
Das Werk ist ein „Lichtwort aus Stahl”, wie Bruno Feger seine Serie von metallenen Worten nennt. Einige davon zeigt er hier auf seiner Website. Das großformatige Werk, dessen Aufhängung von der Galerie eher handgreifliche Fertigkeiten erforderte, bildete einen starken Blickpunkt der Ausstellung, und viele Besucherinnen wünschten, dass es dauerhaft in Darmstadt bleiben könne.
Dem hat sich jetzt die Darmstädter Bundestagsabgeordnete und Staatssekretärin Brigitte Zypries angenommen. Mit einem ausführlichen Schreiben, das ich hier mit ihrer freundlichen Erlaubnis zeigen darf, bittet sie um Unterstützung für den Ankauf, damit das meistzitierte Büchner-Wort an der Darmstädter Georg-Büchner-Schule angebracht werden kann. (Ich habe mich übrigens über die persönliche Anrede und das verschmitzte Sternchen bei „wie Sie vielleicht wissen…“ sehr gefreut!)
Es geht um Georg Büchner – wir müssen also gewärtigen, dass der Text weder von ihm „erfunden” wurde (er zitiert mit dieser großartigen Überschrift des Hessischen Landboten eine französische Parole) noch etwa seine Handschrift abbildet – es gibt keine handschriftliche Überlieferung des Hessischen Landboten, und eine Büchner-Handschrift zu reproduzieren würde ohnehin wohl sogar Bruno Feger überfordern – ganz zu schweigen von der Schwierigkeit, sie zu entziffern.
Die Geschichte der Stadt Darmstadt und ihrer Klimmzüge, zu einem anständigen Georg-Büchner-Denkmal zu kommen, ist übrigens Legende – und niemand kennt sie so gut und kann sie so ausführlich schildern wie Claus Netuschil! Ich persönlich konnte mich mit der nachträglichen Benennung von Arnaldo Pomodoros „Grande Disco“ auf dem Büchner-Platz vor dem Darmstädter Theater jedenfalls nie anfreunden. Mit Fegers Stahlwort käme eine Büchnerzitat – ganz wörtlich in ehernen Lettern – in seine Heimatstadt!
Ich möchte das sehr gerne unterstützen und beginne damit, hier dafür zu werben – spenden Sie großzügig:
Kurz vor dem Ende ist es gelungen, die letztjährige Trägerin des Luise Büchner-Preises für Publizistik,
Frau Dr. Julia Voss
zu einem Vortrag dorthin einzuladen. Unter dem Titel
Herrenclub Moderne – Warum die Kunstgeschichte umgeschrieben werden muss
wird Sie erläutern, was aus den vielen malenden, zeichnenden und bildhauernden Frauen der Moderne geworden ist. Warum spielen sie bis heute in der Kunstgeschichte und im Kunstbetrieb eine so geringe Rolle?
Der Vortrag beginnt mit den Veränderungen im 19. Jahrhundert, die einer Vielzahl von Frauen den Zugang zur Kunst ermöglichten, und verhandelt dann die Ereignisse des 20. Jahrhundert, die dazu führten, dass Künstlerinnen wieder aus der Kunstgeschichte gestrichen wurden.
Donnerstag, 6. Februar, 19:30 Uhr
Kunstarchiv im Literaturhaus Darmstadt, 1. Stock, Kasinostr. 3
Eintritt 6 €, für Mitglieder der veranstaltenden Vereine frei
Karol Sauerland, polnischer Germanist und Philosoph, kommt auf Einladung des Poleninstitutes und des Instituts Mathildenhöhe als Veranstalter der Georg-Büchner-Ausstellung
am Donnerstag, dem 30. Januar 2014, 19:30 Uhr
ins Darmstädter Staatsarchiv,
Karolinenplatz 3
zu einem Vortrag:
Büchner und Polen – Polen und Büchner
„Der angesehene polnische Germanist Karol Sauerland beschäftigt sich in seinem Vortrag mit der Büchner-Rezeption in Polen, nicht zuletzt durch Stanisława Przybyszewska, deren von Büchner inspiriertes Danton-Drama von Andrzej Wajda verfilmt und von Frank Castorf an der Berliner Volksbühne inszeniert wurde.“
Nicht zuletzt durchs Georg Büchners Nachwirkung sind die Kämpfe des „polnischen Aufstandes“ vom November 1830 und die große Sympathie, die den geschlagenen Aufständischen in ganz Europa entgegengebracht wurde, bekannt geblieben.
Als Augenzeuge schrieb Georg Büchner nach Hause:
Als sich das Gerücht verbreitete, daß Ramorino durch Straßburg reisen würde, eröffneten die Studenten sogleich eine Subskription und beschlossen, ihm mit einer schwarzen Fahne entgegenzuziehen. Endlich traf die Nachricht hier ein, daß Ramorino den Nachmittag mit den Generälen Schneider und Langermann ankommen würde. Wir versammelten uns sogleich in der Akademie; als wir aber durch das Tor ziehen wollten, ließ der Offizier, der von der Regierung Befehl erhalten hatte, uns mit der Fahne nicht passieren zu lassen, die Wache unter das Gewehr treten, um uns den Durchgang zu wehren. Doch wir brachen mit Gewalt durch und stellten uns drei- bis vierhundert Mann stark an der großen Rheinbrücke auf. An uns schloß sich die Nationalgarde an. Endlich erschien Ramorino, begleitet von einer Menge Reiter; ein Student hält eine Anrede, die er beantwortet, ebenso ein Nationalgardist. Die Nationalgarden umgeben den Wagen und ziehen ihn; wir stellen uns mit der Fahne an die Spitze des Zugs, dem ein großes Musikchor vormaschiert. So ziehen wir in die Stadt, begleitet von einer ungeheuren Volksmenge unter Absingung der Marseillaise und der Carmagnole; überall erschallt der Ruf: Vive la liberté! vive Ramorino! à bas les ministres! à bas le juste milieu! Die Stadt selbst illuminiert, an den Fenstern schwenken die Damen ihre Tücher, und Ramorino wird im Triumph bis zum Gasthof gezogen, wo ihm unser Fahnenträger die Fahne mit dem Wunsch überreicht, daß diese Trauerfahne sich bald in Polens Freiheitsfahne verwandeln möge. Darauf erscheint Ramorino auf dem Balkon, dankt, man ruft Vivat! – und die Komödie ist fertig.“ (Straßburg, Dezember 1831)
Brustbilder dreier Generäle der polnischen Armee, die sich in Straßburg ins französische Exil begaben:
Daniel Gottfried Georges Langermann, Gerolamo A. Romarino und Franz Sznayde (Entrée des Généraux à Strasbourg, le 4 Decembre 1831. Lithographie nach der Natur von Johann Daniel Beyer. Straßburg: Simon, 1831.)
Kürzlich stieß ich auf ein Gedicht Alexander Büchners, das dieser in der Folge des weniger bekannten „letzten Aufstandes“ der Polen von 1846 geschrieben hat, als die Sympathie bei weitem nicht mehr so großherzig war und nur Frankreich bereit war, Flüchtlinge aufzunehmen. Mich bedrückt die schreckliche Aktualität, die dieser Text leider immer noch oder wieder hat:
Alexander Büchner: Polenlieder aus dem Februar 1846
Frankreich
Dank Dir, o Volk, das eines Volkes Schande
zu achten weiß, und zu erleichtern strebt‘,
Dank Menschen euch, die ihr in eurem Lande
Den Heimathlosen eine Heimath gebt!
Fluch Völker euch! Auf eure Häupter Kohlen!
Die ihr zuseht, wie man ein Volk zerreißt,
Fluch Staaten euch, die ihr den flieh’nden Polen
In seine Henkers Hand zurücke weißt!
Wir sitzen warm, doch kommen einst die Tage,
Wo Gleiches uns zu thun dem Herrn gefällt,
Und Niemand hört auf unsre bange Klage –
Wie wir den Polen, thut uns dann die Welt.
(A. Büchner: Gedichte. Butzbach. Kuhl. 1851, S. 13)