… das hofften die Demokraten der 1848-Revolution im September 1848 – es hat dann noch bis 1918 gedauert, bis endlich der Monarchismus beseitigt und freie, gleiche und geheime Wahlen in Deutschland durchgesetzt waren.

Wenige Tage nach Georg Büchner starb in Darmstädter Haft am 23. Februar 1837 der Butzbacher Pfarrrer Friedrich Ludwig Weidig, den seine Freunde Fritz nannten.

 

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Hier habe ich darüber schon im letzten Jahr berichtet. 

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Weidigs Grab auf dem Darmstädter Alten Friedhof (Februar 2013) 

Weidig gehört zu den wichtigsten frühen Demokraten Hessens, die Bedeutung seines unermüdlichen, tapferen  und konsequenten Einsatzes für Gleichheit und Gerechtigkeit kann kaum überschätzt werden. Lange vor der Verschwörung zum Hessischen Landboten hat Weidig schon 1814 einen Turnplatz eingerichtet und dort Turn- und Exerzierübungen organisiert – im Butzbacher Museum zeigt man bis heute hölzerne Gewehr und Säbel der ersten hessischen Turner. Die „Weidig-Stadt” Butzbach hat auf ihrer Homepage hier Weidigs „Predigt vom gemeinen Nutzen” von 1819 veröffentlicht. Er gehörte zu den Vorbereitern des Hambacher Festes von 1832, nahm aber selbst aus Angst vor Verfolgung nicht an dem Treffen teil. Auch in die Planungen des Frankfurter Wachensturms vom 3. April 1833 war Weidig eng eingebunden. Sein „Leuchter und Beleuchter für Hessen”, der als illegales Flugblatt 1834 in insgesamt vier Ausgaben erschien, ist ein wichtiges Dokument der Überlegungen und Planungen der frühen Demokraten. Ihre Unzufriedenheit kulminiert im Wunsch nach der Wiederherstellung alter, vorgeblich besserer Verhältnisse. Wahlkönigtum, Einheit der Nation und Gerechtigkeit sind die zentralen Stichworte. Georg Büchners dagegen aufsässige Forderungen nach radikaler Veränderung und Umsturz hat Weidig sicher nicht gänzlich geteilt, aber geduldet – der Hessische Landbote und das bis heute andauernde Rätsel, welche Textteile von welchem Autor sind und welchen gesellschaftlichen Intentionen entstammen, sind ein beredtes Zeugnis für die strategische Uneinheitlichkeit der Aufrührer. 

Wie Georg Büchner macht sich auch Weidig nach dem Verrat der Landboten-Aktion auf den Weg ins Exil, entscheidet sich aber zur Umkehr und verzichtet auf die prekäre Sicherheit in Frankreich oder der Schweiz. Gut möglich, dass er auf die Wirksamkeit eines öffentlichen Prozesses und die Möglichkeit, dort offen für seine Überzeugungen einzutreten, gesetzt hat. Das unmenschliche und autokratische System gab ihm diese Chance nicht – stattdessen wurde er in Darmstadt mit  skandalösen Verhörmethoden ohne Rechtsbeistand und unter Folter gequält.  Am 23. Februar 1837 wurde er in seiner Zelle schwer verletzt aufgefunden; der verbrecherische Richter Georgi ließ Stunden verstreichen, bis endlich ärztliche Hilfe gerufen wurde. In Deutschland und im Ausland kam es zu zahlreichen Veröffentlichungen, in denen der Darmstädter Justiz die alleinige Verantwortung für Weidigs Tod zugeschrieben wurde. Georgs Bruder Alexander Büchner hat 1848 eine Novelle veröffentlicht, in der er Georgi als Mörder Weidigs bezeichnet, im darauf folgenden Verleumdungsprozeß wurde er in einem der ersten hessischen Geschworenenprozesse freigesprochen. 

An der Zellenwand fand sich mit Weidigs Blut geschrieben der Satz:

Da mir der Feind jede Vertheidigung versagt, so wähle ich einen schimpfl. Tod aus freien Stücken 

 

Im September 1848 wurde in Darmstadt „Zur Inauguration seines Denkmals”, nachdem endlich auch der vorgesehene Text gezeigt werden durfte,  der folgende Text vorgetragen:

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Die beiden Plaketten auf der Vorder- und Rückseite des Grabkreuzes

 

An Dr. Friedrich Weidig,

am Tage

der Inauguration seines Denkmals.

 

Darmstadt, 17. Sept. 1848.

 

 

Verklärter Geist! Blick‘ Du aus Himmelshallen

Herab zu uns ins laute Erdenthal,

Sieh, wie hier freie deutsche Männer wallen

In Eintracht, in der Freiheit goldnem Strahl,

Vernimm der Freiheit Worte, die wir spenden,

die wir hinauf zu deinem Strahlensitze senden.

 

Dein Blut zu sühnen sind wir heut gekommen

Zu deines Grabes blutig düst’rem Rand;

Der Fluch ist nun vom Vaterland genommen,

Uns all‘ umschlingt der Einheit starkes Band.

Drum, hoher Geist, blick‘ segnend auf uns nieder,

Erkenne Deutschlands freie Söhne in uns wieder.

 

Du wolltest brechen Deutschlands Sklavenketten,

Du wolltest brechen Deutschlands tiefster Schmach,

Du wolltest uns von schwerem Druck erretten,

der, einem Alb gleich, rings auf Deutschland lag;

doch für der Freiheit heiligste Verfechtung

Traf dich des Polizeistaats allertiefste Knechtung.

 

Im Kerkernacht als argen Hochverräter

hat dich der Dunkelmänner Brut geführt,

und Dich verdammt als Mietern Missetäter,

weil Du der Wahrheit heiliges Schwert geführt,

weil du gekämpft für unsere höchsten Güter

D’rum würgte dich des Polizeistaats gift’ge Hyder

 

Aus dunkler Kerkernacht, von martervollen Qualen,

Hob sich dein Geist empor zum ew’gen Licht,

um dort in reiner Glorie zu strahlen,

bis einst ein neuer Morgen Bahn sich bricht.

Doch wie Dein heil’ger Streiter Leib gefallen?

Ist noch ein dunkel unauflösbar Räthsel Allen.

 

Dein Blut zu sühnen, sind wir heut gekommen,

die Eulenbrut ist nun durch’s Licht verjagt;

die Schmach ist nun vom Vaterland genommen,

der Freiheit sonnenheller Morgen tagt.

Und überall sieht man in deutschen Gauen

das Volk auf seine eigne Kraft vertrauen.

 

Der Freiheitshauch um schwebt die heil’ge Stätte,

wo deiner Seele ird’sche Hülle ruht;

so schlummre sanft im kühlen Erdenbette,

gesühnt ist jetzt dein heilig Märtyr’blut:

was du gewollt, wofür du hast gelitten,

hat Deutschlands Volk sich muthig jetzt erstritten.

 

Ph. Blüttel.

 

von Peter Brunner