Peter Brunners Buechnerblog

Kategorie: Zeitgen (Seite 3 von 5)

Leben, Kochen, Putzen, Historisches

… und zum Lohne gib dafür, Grab in freier Erde mir!

Heute vor 176 Jahren, am 22. Februar 1837, nur vier Tage nach Georg Büchners Tod in Zürich,  starb im Gefängnis in Darmstadt der Revolutionär, Demokrat, Turner und Pfarrer Friedrich Ludwig Weidig.

Verzweifelt und vom sadistischen Richter Georgi  unmenschlich gequält hinterließ er an der Wand seiner Zelle, mit eigenem Blut geschrieben, den Satz:

Da mir der Feind jede Vertheidigung versagt, so wähle ich einen schimpfl. Tod aus freien Stücken 

  

 Weidig war sicher einer der bedeutendsten hessischen Demokraten im frühen 19. Jahrhundert, sein Beitrag zur Verfassungsbewegung von 1820, im Vorfeld des Frankfurter Wachensturms und zur demokratisch-aufrührerischen Bewegung um den hessischen Landboten ist nicht hoch genug zu bewerten. Noch immer steht die Bewertung seiner Lebensleistung unter dem Vorwurf, er habe Büchners Landboten-Text „entstellt“ und „entschärft“. Wahr ist wohl, dass er den Text des unerfahrenen jungen Wilden Büchner verändert und ergänzt hat. Aber wahr ist auch, dass Weidig das mit der profunden Erfahrung eines jahrzehntelangen Agitators und Volksbildners tat, mit einer Erfahrung also, über die Georg Büchner nicht verfügen konnte. Der „Landbote“ als Gemeinschaftswerk der Revolutionäre des Gießen-Butzbacher Kreises wurde zum Meilenstein der hessischen, ja der deutschen Demokratie, als vorbildliches und wirkungsvolles Flugblatt gegen Willkür, Unterdrückung und Fürstenherrschaft.

Weidig wurde auf dem Darmstädter Friedhof begraben, ich habe heute früh zwei Rosen auf sein Grab gelegt.

Das Zitat auf dem Grabkreuz entstammt seinem Gedicht

 Vaterlandsliebe

Frühling 1831

 

Wann die Glut des Morgens funkelt

Wann mich still die Nacht umdunkelt,

Schlägt dir, Vaterland, mein Herz,

Denket dein mit Freud und Schmerz.

 

Wann des Frühlings Keime schwellen,

Schlägt mein Herz in raschern Wellen,

Fragt: wann wirst Du, Deutschland, blühn

Sind dir bald die Zweige grün?

 

Wann des Sommers Ähren schwellen,

Schlägt mein Herz in raschern Wellen,

Fragt: ob dir statt Eigensucht

Wachse des Gemeinwohls Frucht?

 

Wann im Herbst die Traube reifet,

Sehnsucht durch das Herz mir schweifet,

Ob der Freiheitswein wohl gährt,

Frag ich: ob er wohl sich klärt?

 

Wann die Winterflur erstarret,

Bang das Herz des Frühlings harret,

Frag ich: ob nach Eis und Schnee

Freiheits-Frühling dich umweh? –

 

Vaterland, dein sei mein Leben,

Dein mein Fürchten, Hoffen, Streben;

Und zum Lohne gib dafür

Grab in freier Erde mir!

 

 

Seine Heimatstadt, die Weidig-Stadt Butzbach, dort besonders der Museums- und Archivleiter Dr. Dieter Wolf, pflegen und betreuen seine Erinnerung.

Das Gedicht findet sich bei:

Friedrich Ludwig Weidig. Gesammelte Schriften. Darmstadt. Eduard Roether Verlag. Hrsgg. v. d. Gesellschaft Hessischer Literturfreunde. 1987 

„Rettet Schorsch“ schlägt Wellen und hat Erfolg:

Die Affaire um das zum Verschrotten verkaufte Schiff im Rostocker Hafen ist noch nicht zu Ende, und offenbar gibt es Parallelen zu einem anderen banausenhaften Umgang mit kulturellen Werten: dem skandalösen Verkauf der  Schulbibliothek in Stralsund. Hier hat sich Klaus Graf mit Archivalia ja bleibende Verdienste erworben, weil er unüberhörbar geltendes Recht eingefordert hat.

Hier war die „Charlesville / Georg Büchner“ ja schon mehrfach Berichtsgegenstand:

zur angedrohten Verschrottung 

und zum Erscheinen eines Bastelbogens sowie als Urlaubsziel 

In Rostock sollte klammheimlich ein bedeutendes Denkmal als Schrott zu Geld gemacht werden. Dort ist es offenbar der lokalen Öffentlichkeit gelungen, das zu vermeiden.

Hier ein paar links zu aktuellen Pressemitteilungen:

 eine eigens eingerichtete Website mit dem Angebot, T-Shirts zu kaufen und morgen, Freitag, um 17 Uhr zu Demonstration zu kommen:

die ebenfalls rührige Webzeitung Das ist Rostock

die regionale Site der WELT  zum gleichen Thema

eine Meldung des NDR und

die Schweriner Volkszeitung

Insgesamt spielt der (neue) Name des Schiffes bisher aus nahe liegenden Gründen kaum ein Rolle; das Schiff ist nicht wegen seines schönen Namens wichtig und bewahrenswert. Es geht vielmehr um den „Zweitakter-Gegenkolben-Achtzylinder“ und die bedeutende belgische Kolonialgeschichte der „Charlesville“.  Dennoch ist es für mich Anlass genug, sein Schicksal aufmerksam zu verfolgen. Und sollte es eines Tages in einem belgischen Hafen als Museumsschiff liegen (was wohl die beste Lösung wäre) und vielleicht auch wieder seinen alten Namen tragen, werde ich ganz sicher irgendwann hinfahren und mich hier darüber freuen, dass ich die „Georg Büchner“ gesehen habe. 

Nachtrag
(mit Dank an die Facebook-Crew  – dort auch viele weitere Informationen und aktuelle Beiträge, hier ab jetzt keine Nachträge mehr, bis der Verbleib des Schiffes endgültig geklärt ist):

Hier die webcam des Max Planck Institutes für demografische Forschung,
deren Übertragung uns darüber informiert, dass das Schiff noch am richtigen Platz liegt! 

 

 

 

LUDWIG BÜCHNER UND DIE FRAUENFRAGE

 

Die Luise Büchner-Gesellschaft e. V.  lädt herzlich ein: 

 

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Die enge Verbindung der Büchner-Geschwister ist durch ihre Schriften belegt. Dass Luise Büchner (1821-1877) ähnliche Gedanken zu Religion, Politik und Kunst vertrat wie ihre jüngeren Brüder, war in einer patriarchalischen Gesellschaft normal. Erstaunlich jedoch, dass auch sie das Werk ihrer Brüder beeinflusste. Ludwig Büchners Schriften zur so genannten Frauenfrage zeugen davon. Ziemlich bekannt ist Ludwig Büchners Bemerkung in seinem aufschlussreichen Bericht über seine Kontakte zu Ferdinand Lassalle:

 

„ … Am 15. früh (Mai 1863 – pb) erhielt ich ein Telegramm aus Frankfurt, welches Lassalles Ankunft bei mir auf elf Uhr ankündigte. Er kam mit dem riesigen Selbstvertrauen, welches ihn auszeichnete und welches auch aus seinen Briefen hervorleuchtet, in der Hoffnung des Veni vidi vici und in der Überzeugung, dass es ihm ein Leichtes sein würde, mich für seine Sache zu gewinnen und damit auf der Frankfurter Versammlung durch Herüberziehung der gesammten Arbeiterverbindung des Maingaues eine starken Trumpf auszuspielen. Diese Hoffnung mußte, nachdem ich mich auf der Rödelheimer Versammlung in der geschilderten Weise ausgesprochen hatte, selbstverständlich getäuscht werden, und sehr mißmutig darüber verließ mich nach langen Diskussionen der Agitator am Abend desselben Tages, ohne indessen die Hoffnung eines schließlichen Umschlages für den 17. Mai ganz aufgegeben zu haben. Obgleich vollkommener Weltmann, ließ er sich doch durch diesen Mißmut hinreißen, die Regeln der Höflichkeit gegen Damen außeracht zu setzen, indem er meiner Schwester Luise (Verfasserin von „Die Frauen und ihr Beruf“ usw.), welch sich einmal in die Diskussion gemischt hatte, zurief: „davon verstehen Frauenzimmer nichts – ” und die vollständig eingeschüchterte Rednerin damit für den übrigen Teil des Tages mundtot machte. …“

Ludwig Büchner: Meine Begegnung mit Ferdinand Lasssalle. Ein Beitrag zur Geschichte der sozialdemokatischen Bewegung in Deutschland. Nebst fünf Briefen Lassalles. Von Prof. Dr. Ludwig Büchner in Darmstadt. Berlin. Hertz und Süßenguth. 1894. S. 28/29

 

Es gibt zahlreiche weitere Stellen in Ludwig Büchners Werk, die seine ungewöhnlich moderne und aufgeschlossene Haltung gegenüber Frauen dokumentieren.

 

Agnes Schmidt und Peter Brunner,

Vorstandsmitglieder der Luise Büchner-Gesellschaft,

stellen einige dieser Schriften vor:

 

Literaturhaus Darmstadt 

18. 9. 2012, 19.30 Uhr

Kasinostr. 3, Darmstadt 

Eintritt 5 €

 

Mitglieder der Luise Büchner-Gesellschaft frei

 

 

 

 

Wirth und Sieben Pfeiffer Leben hoch!

Heute vor 180 Jahren wurde das Hambacher Fest begangen. Zu den Einzelheiten der Ereignisse in dieser Wiege unserer Demokratie hier nur der Hinweis auf den Wikipedia-Artikel; via Google fand ich gerade Hinweise auf immerhin an die 380 neue Ergebnisse aus den letzten 24 Stunden.

Die beiden großen Redner des Festes, Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth, wurden festgenommen, aber im Juni 1833 bei einem spektakulären Prozeß freigesprochen. Über  Wirth habe ich hier schon einmal mit einem Ausstellungshinweis geschrieben.  Beide wurden danach übrigens in skandalöser Rechtsbeugung wegen Beamtenbeleidigung zu zwei Jahren Haft verurteilt.

In dem schönen Katalog zur Ausstellung aus Speyer (Kämpfer für Freiheit und Demokratie Johann Georg August Wirth / hrsg. von Armin Schlechter. – Neustadt an der Weinstraße, 2010. – (Stiftung zur Förderung der Pfälzischen Geschichtsforschung : Reihe B ; 12). – ISBN 978-3-942189-07-1. – S. 37-51, 2010. – ISBN 978-3-942189-07-1. 18 €) findet sich auf Seite 166 das folgende Blatt:

Karikatur Wirth Siebenpfeiffer

mit dem Kommentar:

… ein in zwei Varianten bezeugter, vorgeblicher Werbetext, der mit den Namen Wirth und Siebenpfeiffer spielt, … Das bekanntere Objekt, eine Lithographie, zeigt einen imaginären Wirtstisch zwischen Bäumen. Der vollständige, zweispaltige Text lautet:

Gast Wirth Weinschenk und Garküche zu den Sieben Eichen bey Eduard Pfeiffer. Die Gäste Leben hoch!

Die rechte Spalte allein ergibt den Text:

Wirth und Sieben Pfeiffer Leben hoch!

Eine Variante hierzu lässt sich in den Akten der Regierung der Rheinpfalz fassen. Eine Anzeige vom 21. September 1833 berichtete von dem Plan, ein ähnliches Wirtshausschild auf dem Dürkheimer Wurstmarkt aufzustellen. Die Fahndung nach dem Schild, dessen Inhalt als Skizze beigefügt wurde, verlief erfolglos. Trotz dem wurde der Wurstmarkt am 29. September 1833 von zehn Soldaten beaufsichtigt

.

 

 

„Christ und Bürger, deine Pflicht, heißt dich suchen Recht und Licht!“*

Im Rahmen der Bildungsarbeit hat das evangelische Dekanat Darmstadt-Land zu einer Exkursion auf den Spuren von Friedrich Ludwig Weidig nach Butzbach und Umgebung eingeladen.

 

Eine Stadtführung durch die schöne Fachwerkinnenstadt (mit den üblichen Problemen Sanierungsstau und Konflikt mit Eigentümerinteressen), eine Führung durch das außergewöhnlich gut ausgestattete Museum und schließlich noch die Besichtigung zweier Stätten außerhalb der Stadt waren auf dem Programm.

 

In Butzbach ist die Scheune verschwunden, in der Weidig das Manuskript und später die gedruckten Exemplare des Hessischen Landboten versteckte; die Kirche, sein Elternhaus, das Haus des Konrektors und auch die damalige Lateinschule sind erhalten.

Butzbach: rechts das Haus, in dem Weidig als Konrektor lebte, links die ehemalige Lateinschule, wo er unterrichtete 

 

Im Museum gibt es einen Gedächtnisraum an Weidig und die Zeit von 1800 – 1850; dabei Hinweise auf die Sammlung des Weidig-Forschungsarchives, besonders auch die dort untergebrachte bedeutende Sammlung Heil.

 

Am Stadtrand liegt der „Schrenzer“, die Gegend an der historischen „Schranke“, dem Limes, der dort verlief (das Kastell war größer als die Saalburg!). Dort errichtete Weidig den ersten hessischen Turnplatz, an den ausgerechnet die Nazis mit einem Gedenkstein erinnerten. Schon 1848 haben die Butzbacher dort einen „Weidig-Hain“ angepflanzt, dessen Bäume den Schriftzug seines Namens bildeten. Zwei der großen Eichen aus dieser Zeit stehen noch vor Ort. Auch eine großer Gedenkstein, den kurz nach Weidigs 175. Todestag noch der Gedenkkranz der Stadt schmückte, ist dort aufgestellt.

 Weidig Gedenkstein

 

 Der Weidig-Gedenkstein  und der historische Turnplatz auf dem „Schrenzer“ oberhalb von Butzbach

 

Schließlich führte die Fahrt noch nach Wölfersheim, wo der Ort des „Blutbads von Södel“, wo die enthemmten Truppen des Darmstädter Prinzen Emil am 1. Oktober 1830 eine wehrlose Bauerngruppe zusammenschossen, aufgesucht werden sollte. Leider gibt es vor Ort kaum Erinnerung an diese Schandtat, die Büchner und Weidig im „Hessischen Landboten“ erwähnen, und auch den Gedenkstein, den man aufsuchen wollte, gibt es nicht.

 

Der Dorfplatz von Södel, heute einem Stadtteil von Wölfersheim, Schauplatz des „Blutbades“ 

 

Allerdings hat eine örtliche Laienspielgruppe vor einiger Zeit am historischen Ort ein Theaterstück zu diesem wichtigen Teil der Ortsgeschichte aufgeführt.

 

* Aus Weidigs Predigt „Vom gemeinen Nutzen“, gehalten um 1819 in Butzbach.

Zit. nach „Weickhardt, Ludwig. Dr. Friedrich Ludwig Weidig. Das Lebensbild eines aufrechten deutschen Mannes“. Butzbach. luwei. 1969

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