„Und das ist der Grund, warum Sie heute hier sind“
oft enden die Einführungsworte für Besucher in Georg Büchners Geburtshaus mit diesen Worten. In dem Fachwerkhaus in der Weidstraße wurde der Republikaner, Dichter und Naturforscher am 17. Oktober 1813 geboren.
Die Gäste haben dann schon ein erstes Rätsel gelöst und Goddelau in Riedstadt gefunden – das ehemals kleine Bauerndorf im hessischen Ried ist Teil der Stadt Riedstadt, einer aufstrebenden Gemeinde im dynamischen Rhein-Main-Neckar-Gebiet.
Heute ist Büchners Geburtshaus in Riedstadt-Goddelau mit der weltweit ersten und bisher einzigen Dauerausstellung zu seinem Leben und Wirken und den Veranstaltungsmöglichkeiten in Galerie und Büchnerscheune zentraler Veranstaltungsort und kultureller Mittelpunkt für Riedstadt, die Region und darüber hinaus.
Die BüchnerBühne als professionelles Autorentheater mit eigenem Ensemble in Riedstadt-Leeheim hat sich mit ihrem Konzept Leben, Werk und Menschenbild ihres Namensgebers verpflichtet.
Reisegruppen und Schulklassen, Büchnerforschende und Republikaner*innen, Theaterenthusiast*innen, Autor*innen und Leser*innen besuchen Riedstadt, die Büchnerstadt.
Das „Büchnergedenken“ ist durchaus nicht unproblematisch oder eindeutig. In § 4.2 der Satzung der Georg Büchner Gesellschaft heißt es z.B.: „Die Georg Büchner Gesellschaft e. V. enthält sich dagegen jeglichen weihevollen Vereinslebens sowie aller Fest- und Feierveranstaltungen zu ihrem Gegenstand ebenso wie zu ihren eigenen Aktivitäten oder verdienten Mitgliedern.“.
Die Geschichte von Büchners Geburtshaus, höchst kontroverse Beiträge zum Büchnerpreis, die versuchte Kanonisierung ausgerechnet durch den Abdruck seines Steckbriefs auf der Gedenkbriefmarke durch die Bundesregierung, die Auseinandersetzungen um Gedenkausstellungen und Werkausgaben belegen, dass es dabei immer um kritische und strittige Aktualität geht.
2006 war seitens der Stadt Riedstadt erstmals der Versuch unternommen worden, vom hessischen Innenministerium die Erlaubnis zu erhalten, „Büchnerstadt“ als offiziellen Bestandteil des Namens führen zu dürfen. Geregelt ist dieses Verfahren im § 13.2 der Hessischen Gemeindeordnung: „Die Gemeinden können auch andere Bezeichnungen, die auf der geschichtlichen Vergangenheit, der Eigenart oder der Bedeutung der Gemeinde beruhen, weiterführen. Der Minister des Innern kann nach Anhörung der Gemeinde derartige Bezeichnungen verleihen oder ändern.“ Schon damals geschah das mit der berechtigten Begründung, dass die Präsenz Georg Büchners in der Stadt und das ehrenamtliche und politische Engagement dies mehr als rechtfertigten. Das wurde mit der spaßigen Antwort abgelehnt, Riedstadt sei ja nicht Georg Büchners Geburtsort. Mit anderen Worten: „Hessen“ könnte eigentlich weder das Stammland Goethes noch der Grimms sein – die lebten ja in der freien Stadt Frankfurt bzw. in Hessen-Kassel …
Im Rahmen der Positionierung von Büchnerhaus und Büchnerbühne in Riedstadt wurden in den vergangenen zwei Jahren zahlreiche Besuche aus Politik und Kulturwesen organisiert. Ein Ergebnis der Bemühungen, das außergewöhnliche Engagement der Stadt zu würdigen und langfristig zu unterstützen, ist die jetzt erfolgte Namensgebung. Dabei gibt es Anlass zur Hoffnung, dass hiermit kein Grabstein gesetzt wird, unter dem ein für alle Mal alles Strittige zugunsten gelangweilter oder „weihevoller” Gedenkroutine versinkt, sondern
ein Wegweiser zu Makkaroni, Melonen und Feigen, musikalischen Kehlen, klassischen Leibern und einer kommoden Religion
für all die, die wissen, dass dieses Ziel in der Unendlichkeit liegt und wir gerade deshalb stets danach streben müssen.
Am
Dienstag, dem 13. August 2019, ab 9 Uhr
veranstaltet die Stadt Riedstadt auf dem Gelände des Bücherhauses in Kooperation mit den beiden Büchervereinen Haus und Bühne ein
„Büchnerfrühstück“,
zu dem alle herzlich eingeladen sind.
Museum und Bühne werden dabei (und in Zukunft) dafür sorgen, dass Georg Büchners Geschichte und seiner Aktualität in Riedstadt ohne jedes Weihevolle gedacht wird.
Gegen 10:30 Uhr erfolgt dabei die offizielle Übergabe der Landesurkunde an den Bürgermeister und Vorsitzenden des Fördervereins Büchnerhaus, Marcus Kretschmann, durch den hessischen Innenminister Peter Beuth.
Und dann setzen Haus und Bühne in der Büchnerstadt Riedstadt fort, was Büchner angemessen ist: Vermitteln und Recherchieren, Suchen und Finden, Fragen und Antworten, Lachen und Weinen, Hoffen und Fürchten –
„Und dann umstellen wir das Ländchen mit Brennspiegeln, daß es keinen Winter mehr giebt und die uns im Sommer bis Ischia und Capri hinaufdestilliren, und wir das ganze Jahr zwischen Rosen und Veilchen, zwischen Orangen und Lorbeern stecken.“
Zum Tag der Literatur am 26. Mai hatten drei Büchnervereine ein gemeinsames Programm geplant und Gäste eingeladen, mit dem Bus durchs Büchnerland
zu fahren. Stadt Land Fluss
war als Motto ausgegeben worden, und so nahm sich die städtische Luise-Büchner-Gesellschaft das Leben in der Stadt um 1830 zum Thema, die „ländliche” BüchnerBühne in Riedstadt-Leeheim Büchner und das Land. Für das Büchnerhaus in Goddelau blieb dann, durchaus passend, der Fluss – hier sollte es um die ständige Präsenz des Rheins und des Wassers in Bächen, Pfützen und Sümpfen gehen.
Papa Legbas Blues Lounge vertrieben die letzte Morgenmüdigkeit, bevor sich zwei Peters einem dritten widmeten: Peter Engels vom Stadtarchiv sprach mit Peter Brunner vom Büchnerhaus über König Peter von Poponien und seine Gefolgschaft.
Peter Engels legt Wert darauf, dass die Ähnlichkeiten zwischen Büchners Königreich Popo und dem Darmstadt der 1830er Jahre nur gering sind: Hessen-Darmstadt war kein Zwergstaat, sondern das sechstgrößte Land im Deutschen Bund und in der Hauptstadt Darmstadt wehte ein durchaus kritischer Geist. Auch der Terrorstaat, den der Hessische Landbote bekämpfe, sei Hessen-Darmstadt nicht gewesen. Das Darmstadt um 1820 war jedenfalls auch das Darmstadt, das der Architekt Moller in einer Dimension vergrößerte und erweiterte, die den Vergleich mit dem neuen Frankfurt einhundert Jahre später durchaus zulässt.
Brunner machte darauf aufmerksam, dass die Lage in Oberhessen, auf die sich der Landbote bezieht, sehr wohl dramatisch und unterdrückerisch war: Hungeraufstände wurden militärisch niedergeschlagen.
Pünktlich auf die Minute stand der Bus vor der Tür, und die fröhliche Gesellschaft machte sich auf den Weg zur nächsten Station, der Büchnerbühne.
Der Weg vom Darmstädter Hauptbahnhof ins hessische Ried heißt ganz zu recht „Büchnerlinie“, der Bus fährt von Büchnerort zu Büchnerort. Wie gut sich ein Linienbus zum Musikmachen eignet, konnten die Papas auf dem Weg zur Stadtgrenze beweisen – der Bus schwebte förmlich auf einer Woge von Blues …
Brunner fasste dann kurz die vielen Darmstädter Bezüge der Familie zusammen, bevor der Bus die Pfungstädter Gemarkung bei Eschollbrücken erreichte. Das war Anlass, Wilhelm Büchners Biografie zu rekapitulieren: der Mann, der zwischen 1845 und 1892 aus dem Bauerndorf Pfungstadt eine moderne Stadt machte, hat mit seinem Ultramarinblau das erste Industrieprodukt geschaffen, das erfolgreich aus Hessen-Darmstadt exportiert wurde. Als politisch und sozial engagierter Unternehmer hat er eine ganze Gegend geprägt (und politisch in Land- und Reichstag als Liberaler vertreten). Vom Darmstädter Architekten Balthasar Harres ließ er 1863 die Villa Büchner bauen („nach außen bescheiden wirkend, im Innern an Mitteln nicht sparend“ hieß Büchners Auftrag). Als er 1892 an Cholera stirbt, ist Pfungstadt, das eine zeitlang „das südhessische Manchester“ hieß, nicht mehr wiederzuerkennen. Aus dem Dorf ist eine Stadt, aus Bauern sind Arbeiter und aus Landidylle ist städtische Geschäftigkeit geworden.
Von Pfungstadt ging es weiter zum Hospital, dem „Irrenhaus“, dessen Verwalter Georg Büchners Großvater wurde. Ernst Büchner heiratete in der Hospitalkirche Caroline Reuß und holte sie zu sich in sein Untermietzimmer in der Goddelauer Weidstraße. Das Hospital wurde 1813 nicht ärztlich, sondern administrativ geleitet; erst 1821 wurde mit Carl C. G. Amelung ein Mediziner Hospitalleiter. Am Ort des großherzoglichen Hospitals betreibt heute das Unternehmen Vitos eine moderne psychiatrische Klinik; das Psychiatriemuseum dokumentiert seine Geschichte. Die Buslinie würde ab hier direkt nach Goddelau weiterfahren und dort an den beiden Büchnerhäusern Hospital- und Weidstraße vorbeikommen. Wegen einer langwierigen Baustelle ist dieser Weg aktuell verbaut; die Büchnertour fuhr daher direkt über Land nach Leeheim, einen anderen der fünf Stadtteile Riedstadts.
Leeheim ist der Standort der BüchnerBühne und bildet eigentlich den Endpunkt der Büchnerlinie.
Zum Thema Land hatte sich Theaterleiter Suhr mehr ausgedacht als einfach nur platte Landschaftszitate – er führte den Gästen Büchners Gedanken zur Provinz in den Köpfen vor.
Dies bot Gelegenheit zu einer Parforcetour durch Büchners Leben und das Repertoire der kleinen Bühne. Das blendend aufgelegte Ensemble zeigte Ausschnitte aus der Edschmid-Dramatisierung „Wenn es Rosen sind …“, dem Danton, aus Lenz, Leonce und Lena und dem Woyzeck.
Quer durchs hessische Ried fuhr die bestens aufgelegte Reisegesellschaft schließlich nach Goddelau, in Georgs Geburtshaus, zur letzten Station der Reise – Fluss.
Das wunderbare Ehrenamtsteam des Fördervereins Büchnerhaus hatte Kaffe gekocht und Kuchen besorgt, bereits Stunden vorher erste Gäste im Museum begrüßt und eine sommerliche Bewirtung eingerichtet, und so konnte bei bestem Wetter zunächst im gastlichen Hof des Anwesens Rast gemacht werden.
Den Schluß machte Brunner mit einem Zitat des Büchner-Herausgebers Wilhelm Hausenstein, der in seiner Einleitung zur Werkausgabe (Leipzig, 1916) schrieb:
„An der Bahnlinie zwischen Mannheim und Frankfurt liegt nicht weit von Darmstadt – das hessische Dorf Goddelau. Der Ort ist kahl, und die umliegende Ebene ist dürftig. – Nur die Erhebungen des hessischen Odenwaldes im Osten und Südosten drüben geben diesem kümmerlichen Stück Welt einige Anziehung.
So muß es schon vor hundert Jahren gewesen sein. Es ist das seltsamste Gefühl, sich die Heimat eines Genies so vorstellen zu müssen. So viel unbestimmte Bedrücktheit, so wenig Profil, so wenig Horizont, so wenig Schwung: Das ist die Geburtsstätte des Dichters, der das Drama der Weltgeschichte umfaßte und im wonnigen Luxus des Märchens dionysisch umherging wie ein idealer Fürstensohn in einem morgenländischen Garten.“
Dem anwesenden Publikum konnte erfreulicherweise das Goddelau der Gegenwart durchaus dionysische Züge zeigen …
Versprochen musste versprochen bleiben: die BüchnerBande war angekündigt und die Büchnerbande trat auf. Das noch immer nicht erschöpfte Publikum freute sich über Wilhelm Büchners Bedenken, einen Orden anzunehmen, ebenso wie über Luise Büchners Spott über die Verehrung des „heiligen“ Rocks und schließlich über Ludwig Büchners Haschischexpertise.
Durch den höchst komfortablen Service der Lokalen Nahverkehrsgesellschaft Gross-Gerau und ihren hervorragenden Fahrer endete der Tag mit einer kurzweiligen Heimfahrt wie geplant am Darmstädter Hauptbahnhof.
Zweierlei steht fest: das Büchnerland hat viel zu bieten, und die südhessischen Büchnerstätten liegen nah beieinander und sind bestens verbunden durch die Büchnerlinie – Büchnerhaus und Büchnerbühne liegen nah der Stadt im Land am Fluss, aber da sind sie leicht zu finden und schnell zu erreichen!
Darmstadt ist die erste Station der Stadt-Land-Fluss-Reise durch das Büchnerland: Wie sah die Stadt zur Zeit der Geschwister Büchner aus? Was hat das „Königreich Popo“ aus Georg Büchners Lustspiel „Leonce und Lena“ mit dem historischen Darmstadt zu tun? Darüber sprechen der Darmstädter Stadtarchivar Peter Engels und der Leiter des Goddelauer Büchnerhauses, Peter Brunner.
Musikalisch werden die beiden von Petra Bassus und Papa Legba’s Blues Lounge begleitet.
Um 12 Uhr fährt ein Sonderbus auf der Linie 40 (Büchnerlinie) nach Riedstadt ab, zu „Land“ und „Fluss“. Unterwegs gibt es Informationen zum Büchnerland und Musik.
Eine Veranstaltung der Luise Büchner-Gesellschaft e.V. in Kooperation mit dem Büchnerhaus Riedstadt-Goddelau, dem Stadtarchiv Darmstadt, der BüchnerBühne Leeheim e.V., Papa Legba’s Blues Lounge und KLAUSE – Bier- und Wein-Garten und Zentrum der Initiative Essbares Darmstadt
10
– 12 Uhr | Eintritt frei| Klause am Hauptbahnhof Darmstadt | Am
Fürstenbahnhof | 64293 Darmstadt
Land. Riedstadt-Leeheim: Büchner-Matinee im Theater
Die BüchnerBühne ist die zweite Station der Stadt-Land-Fluss-Reise durch’s Büchnerland. Christian Suhr und Ensemble-Mitglieder präsentieren Büchners Bild vom Land: In Briefen und Dramentexten, die von der Verehrung der Elsässer Berge bis zur Verachtung der Gießener Niederungen reichen.
Petra Bassus und Papa Legbas Blues Lounge machen Musik.
Der Sonder-Bus der Linie 40 (Büchnerlinie) fährt um 14 Uhr weiter zum Büchnerhaus. Unterwegs gibt es Informationen zum Büchnerland und Musik von Papa Legba’s Blues Lounge.
Eine Veranstaltung der BüchnerBühne Leeheim e.V. in Kooperation mit dem Büchnerhaus Riedstadt-Goddelau, der Luise Büchner-Gesellschaft e.V. und Papa Legba’s Blues Lounge
Das hessische Ried zur Zeit der Büchners. Georg Büchners Geburtshaus am Altrhein bildet den Abschluss der Stadt-Land-Fluss-Reise von Darmstadt nach Riedstadt. Peter Brunner, Leiter des Büchnerhauses, spricht über die Lebensumstände am Ufer des Flusses am Anfang des 19. Jahrhunderts und über die Gestalt der Flusslandschaft vor der Rheinbegradigung am Kühkopf.
Die Fabelhafte Büchnerbande mit Petra Bassus, Heiner Dieckmann, Peter Brunner und Papa Legbas Blues Lounge tritt auf.
Dazu gibt es Kaffee und Kuchen.
Der Sonderbus der Büchnerlinie (Linie 40) fährt danach in 30 Minuten zurück zum Darmstädter Hauptbahnhof.
Eine Veranstaltung des Büchnerhauses Riedstadt-Goddelau und des Fördervereins Büchnerhaus e.V. in Kooperation mit: BüchnerBühne Leeheim e.V., Luise Büchner-Gesellschaft e.V. und Papa Legba’s Blues Lounge
Ich gestehe: der Fund ist ein Fake – mein Beitrag zum 1. April 2019. Aber alle Umstände darum herum sind so genau wie möglich geschildert, und: es hätte so sein können! Insofern ist es auch nicht ausgeschlossen, dass sich eines Tages wirklich noch Reste des illegalen Drucks finden.
Am heikelsten bei der Rekonstruktion war übrigens die Frage, warum sich der Strick, mit dem der Druckstock zusammengebunden war, nicht längst aufgelöst und das Puzzle in tausend einzelne Teile zerlegt hat. Daher der Stahldraht …
Die Reingelegten bitte ich um Verzeihung, den Besserwissenden gratuliere ich. Und jetzt folgen wieder 12 Monate garantiert wahre Originalberichte aus dem Büchnerland – bleiben Sie verbunden!
Ein Anruf aus Fechenheim hat mich kürzlich ans Mainufer geführt. Ob ich mich mit Büchner, dem hessischen Landboten und Offenbach auskenne, hier liege ein merkwürdiger Fund, den ich mir ansehen solle.
Kurz darauf stand ich dort am Ende der Starkenburger Straße mit Blick aufs gegenüber liegende Offenbacher Ufer. Dort steht seit dem späten 16. Jahrhundert das Isenburger Schloss .
Im 19. Jahrhundert, genau von 1819 – 1887, überquerte an dieser Stelle eine Schiffbrücke den Main und verband das Großherzogtum Hessen mit Kurhessen, der Landgrafschaft Hessen-Kassel.
Auf kurhessischer
Seite, also am nördlichen Mainufer, nahe bei der Schiffsanlegestelle
und dem Restaurant „Schloßblick“, hat eine aufmerksame
Spaziergängerin, die (noch?) unbekannt bleiben möchte, einen
außergewöhnlichen Fund gemacht. Am Rande der dort eingerichteten
Baustelle, im aufgewühlten Boden, lag ein Objekt, das ihr Interesse
erregte.
Leider hat sie es nicht nur freigelegt, sondern auch nach Hause getragen und dort gründlich abgeduscht und abgebürstet. Nun lässt sich daraus schwerlich im Nachhinein ein Vorwurf machen – an Fundsachen steht halt selten ein Hinweis über ihre außerordentliche Bedeutung …
Das Fundstück, und deshalb gehört die Nachricht hierher, ist ein „Büchnerianum“ erster Güte:
es ist der erhaltene Druckstock der ersten Seite des hessischen Landboten von 1834.
Zur Erläuterung
bedarf es drucktechnischer und historischer Erläuterungen:
Die hessischen
republikanischen Verschwörer um den Butzbacher Friedrich Weidig
entschieden am 3. Juli 1834 bei einem Treffen auf der Badenburg bei
Gießen, Georg Büchners aufrührerisches Flugblatt „Der Hessische
Landbote“ drucken und verteilen zu lassen. Am 5. Juli hat Büchner
das Manuskript zusammen mit dem Mitverschworenen Jakob Friedrich
Schütz nach Offenbach zu Karl Preller getragen. Preller war auch der
Drucker der bis dahin von den Demokraten herausgegebenen illegalen
Flugschrift „Leuchter und Beleuchter für Hessen“.
Preller druckte bis zum 31. Juli, am 1. August holten die Gießener Studenten Minnigerode, Schütz und Zeuner die Exemplare ab. Hier wird die Überlieferung ungenau, sicher scheint, dass sie in Offenbach zunächst abgewiesen wurden, vielleicht, weil unliebsame Zeugen anwesend waren, und sich auf den Mönchshof, nördlich von Offenbach, zwischen den kurhessischen Orten Enkheim und Bergen, begaben, wo sie übernachteten. Am nächsten Morgen, so Hauschild, wurden die gedruckten Exemplare, die „ … wahrscheinlich als Lederpacken deklariert bzw. in solchen versteckt, aus Offenbach herausgeschmuggelt“ waren (Hauschild, aaO, S. 364), auf die beiden Kuriere verteilt. Der Schmuggel aus der Stadt und damit aus Hessen-Darmstadt heraus war also offenbar schon geschehen.
Der Rest der Geschichte ist bekannt. Minnigerode wird am 1. 8. gegen 18:30 am Stadttor von Gießen verhaftet, er ist verraten worden. Büchner, ebenfalls verdächtigt (in seiner Abwesenheit wird seine Wohnung aufgebrochen und durchsucht), macht sich Hals über Kopf (und zu Fuß …) auf den Weg, den Drucker in Offenbach zu warnen. (Für die gut 60 km lange Strecke gibt übrigens Google Maps heute 12:30 Stunden „Fußweg” an.) Gegen Mittag des 2. Augusts trifft er ein, Preller lässt Beweismaterial verschwinden. Die unmittelbar folgenden Durchsuchungen am Nachmittag des gleichen Tages in der Offenbacher Druckerei und in Prellers Wohnung außerhalb auf dem Weg nach Frankfurt bleiben erfolglos.
Wo und mit welcher
Technik Preller druckte, ist bis heute ungeklärt. Hauschild, der die
Umstände von Auftrag, Druck und Verteilung der „1.500 – 2.000“
gedruckten Exemplare des Landboten in seiner Büchner-Biographie
ausführlich schildert (Hauschild, Georg Büchner. Biographie.
Stuttgart. Metzler. 1993, SS 361 ff), erwähnt das nur in einem
Nebensatz, in dem es um die erfolgreiche Vertuschung des Drucks vor
der Durchsuchung geht. Danach habe Weidig später berichtet, „ ..
.sie sind auf dem Versteck herumgegangen, in dem sie sich befand, und
wenn sie nur eine Diele aufgehoben hätte, so hätten sie die Presse
gefunden“.
Ralf Beil hat in der Darmstädter Büchner-Ausstellung von 2013 eine Druckerpresse (Modell Stanhope) aufstellen lassen, die zwar ziemlich sicher das falsche Modell war, aber immerhin anschaulich machen konnte, dass sich ein solches Trumm jedenfalls nicht unter Dielen hätte verstecken lassen.
Das gilt sicher für
jede denkbare Drucktechnik der Zeit, mit der sich 2.000 Exemplare des
Flugblattes in vier Wochen herstellen ließen (auch wenn dieser
wichtige Hinweis in der Ausstellung unterblieb).
Wenn nun also nicht die Druckerpresse unter den Dielen steckte, was war es dann? Tatsächlich ist es unter den Gesellen der schwarzen Kunst gar nicht unüblich, „Presse“ als Synonym für mindestens dreierlei zu benutzen: so kann eine Presse natürlich die Druckmaschine sein, wie das Zitat bisher immer verstanden wurde, aber ebenso kann auch das Zeitungswesen oder eine Zeitung gemeint sein; und schließlich kann Presse auch der Druckstock sein, von dem gedruckt wird. Ein solcher Druckstock besteht aus den von Hand gesetzten bleiernen Lettern, zu Zeilen und Absätzen angeordnet, mit Füllmaterial auf Seitengröße gebracht und mit einem festen Band so stabil umschlossen, dass das bis dahin ganz filigrane Objekt aus tausenden von Einzelteilen dann wie eine einzige Metalltafel wirkt. Dieser Druckstock, das erhabene Spiegelbild des späteren Drucks, wurde zu Prellers wie zu Gutenbergs Zeiten in der Druckerpresse eingespannt und mit Farbe versehen. Unter Druck (daher der Name) wird dann ein Bogen Papier darübergelegt und – abgedruckt. Ist der Druck beendet, wird der Druckstock gereinigt, das Band gelöst und das Setzmaterial – Buchstaben und Füllmaterial – zurück in den Setzkasten sortiert. Ist allerdings absehbar, dass bald der gleiche Text erneut gedruckt wird, und steht dem Drucker eine ausreichende Menge an Bleibuchstaben zur Verfügung, so wird der ganze Druckstock, der „Stehsatz“ aufbewahrt. Das macht natürlich weitere Auflagen erheblich schneller und billiger möglich. Die Tatsache, dass der gefundene Druckstock ungewöhnlicher Weise mit einem Stahldraht statt mit einem gewöhnlichen Strick umbunden war (und so überhaupt erst ermöglichte, dass das Stück in Ganzen erhalten und geborgen werden konnte!), lässt vermuten, dass an eine Wiederverwendung gedacht wart. Solche „Tafeln“ könnten in der Tat unter Fußbodendielen versteckt worden sein.
Der Fechenheimer Fund erklärt sich also so, dass Preller tatsächlich den Stehsatz des Landboten noch zur Hand hatte, sei es, weil er weiter drucken wollte, sei es, weil er keine Zeit gefunden hatte, die Druckstöcke aufzulösen. Büchners Besuch muss ihn aufs höchste alarmiert haben. Es ging um Minuten – und ums Leben. Die Druckstöcke mussten schleunigst verschwinden, und der Main bot sich als verschwiegenes Grab dafür an. Für alle Seiten des Landbotendrucks zusammen brachten die Druckstöcke an die 100 kg auf die Waage, ein Gewicht, das sich so einfach und von einer Person alleine nicht transportieren lässt. So wurden vielleicht einige wirklich unter die Dielen gesteckt, andere außer Haus geschafft.
Büchner übernachtete anschließend, vom 2. auf den 3. August, bei einem Cousin seines Vaters, bei Carl Christian Becker in der Frankfurter Döngesgasse. Er reiste über das großherzoglich-hessische Offenbach nach Frankfurt ein. Am 3. 8. schreibt er an die Eltern „ … weil es von dieser Seite leichter ist, in die Stadt zu kommen, ohne angehalten zu werden. Die Zeit erlaubte mir nicht, mich mit den nötigen Papieren zu versehen”. Offen ließ er dabei, wie er die „Anreise” ohne Papiere bewerkstelligt hatte; es war unmöglich, von Gießen nach Offenbach, beide Hessen-Darmstädtisch – zu kommen, ohne Landesgrenzen zu überschreiten. Ob nun die Druckplatten bis dahin noch in Prellers Druckerei in der Frankfurter Straße in Offenbach oder – was jetzt wahrscheinlicher erscheint – im Fechenheimer Mönchshof lagen, ist heute nicht sicher zu sagen. Offenbar ist jedenfalls „unsere“ Druckplatte für die erste Seite genau in diesem Zusammenhang im Main gelandet. Möglich erscheint, dass das wertvolle Material von Fechenheim zurück gebracht werden sollte, um zurück in Offenbach aufgelöst zu werden, und dass die Grenze an der Schiffbrücke wider Erwarten stark bewacht war. Dann musste die Konterbande schnell verschwinden. Vielleicht waren aber auch mehrere Druckplatten erfolgreich aus Offenbach „ins Ausland“ geschafft worden, aber die Träger waren zu erschöpft, um alle weiter zu tragen, und ließen stattdessen eine oder mehrere unterwegs im Fluss verschwinden.
Immerhin verfügt die Büchnerforschung jetzt über einen bedeutenden Schatz: das Original der Seite eins des Landboten, anhand dessen nun unter anderem die von Klaus Kroner aufgeworfene Frage geklärt werden kann, ob das Satzmaterial, die Bleilettern der „Lutherfraktur“, mit den Typen beim Verleger Sauerländer identisch sind, mit denen später Büchners „Danton“ gedruckt wurde. Das hätte dann also zur Voraussetzung, dass andere (Seiten-)Druckstöcke des Landboten auf irgend einem Weg nach Frankfurt und dort in Sauerländers Drckerei geraten und dort dann fachmännisch zur Wiederverwendung aufgelöst worden wären.
Nachdem die
naheliegenden drucktechnischen Untersuchungen zur Typographie der
beiden Schriften, des Landboten und des Danton, immer noch nicht
erfolgt sind, obwohl Kroner mit seinem Nachweis der Druckvariante des
Landboten mit einem Fragezeichen hinter der Parole „Krieg den
Palästen“ dafür wahrlich schon Anlass genug gegeben hat, wird das
jetzt hoffentlich endlich und gründlich erfolgen.
Das Landesdenkmalamt im Wiesbaden, das ich selbstverständlich bereits über den sensationellen Fund unterrichtet habe und das den Druckstock zunächst in Verwahrung nehmen wird, wird sich mit weiteren Untersuchungen des Fundortes beschäftigen, der inzwischen abgesperrt ist und polizeilich überwacht wird. Großartig wäre natürlich, wenn sich dort noch mehr fände.
Inzwischen erreicht uns die Nachricht, dass sich im Düsseldorfer Heinrich-Heine-Institut die wohl früheste Handschrift Heinrich Heines gefunden habe – solche Überraschungen sind stets willkommen!
Satzungsgemäß tagte die Jahreshauptversammlung
des Fördervereins Büchnerhaus am 21. März.
Neben den vereinsrechtlichen Formalia wie der ohne Gegenstimmen erfolgten Entlastung des weiter amtierenden Vorstandes waren es insbesondere der Ausblick und zukunftsweisende Festlegungen, die das Programm des Abends dominierten.
In den vergangenen Monaten ist
es endlich gelungen, den Bau der Scheune gemäß dem eingereichten Bauantrag
fertigzustellen, Rück – und linke Seitenwand wurden geschlossen. Nach einer
Begehung durch die zuständige Kreisbehörde ist zu erwarten, dass nun wenigstens
die vorgesehene bescheidene und gelegentliche Nutzung für Veranstaltungen im
Freien möglich wird. Wir hoffen, dass das mit dem Auftritt unserer Freunde von
Le Cairde aus Darmstadt im Sommer losgeht.
In diesem Zusammenhang wird
Bürgermeister Marcus Kretschmann, der gleichzeitig Vorsitzender des
Fördervereins Büchnerhaus ist, den Stadtverordneten einen Beschluss darüber
vorlegen, die offizielle Benennung Riedstadts als „Büchnerstadt“ durch das
hessische Innenministerium zu beantragen.
Dem Förderverein ist in den letzten Monaten neben einer großzügigen Einzelspende und verschiedenen Landesfördermitteln auch, zusammen mit der BüchnerBühne, vom Kreistag des Landkreises Gross-Gerau Unterstützung zugesagt worden. Noch im Dezember 2018 haben die Parlamentarier insgesamt 60.000 € genehmigt.
„Die Mittel sind nach gemeinsamer Absprache für Maßnahmen der Demokratiebildung im Sinne Georg Büchners und den Zielen der beiden Institutionen für die Informations- und Bildungsarbeit mit jungen Menschen einzusetzen“
lautet der Beschluss. Nach interner Absprache und einem Treffen mit Landrat Thomas Will wird das Geld 2019 den beiden Vereinen zu gleichen Teilen zukommen. Das Büchnerhaus kann damit ab dem 1. Mai 2019 ein Jahr lang seine Öffnungszeiten um zwei weitere Tage verdoppeln und auf das Erheben von Eintritt für Einzel –und Gruppenbesuche verzichten. Der Vorstand begründet seinen Beschluss so:
„Erfahrungen anderer Museen belegen eindeutig, das selbst geringe Eintrittsgebühren prohibitiv wirken: insbesondere bildungs- oder sozial benachteiligte Personen scheuen kostenpflichtige Angebote. Die Unterstützung des Landkreises macht es möglich, auf die bisherigen Einnahmen von ca. 3 T€ im Jahr zu verzichten und die zusätzliche Arbeitszeit zu honorieren. Es ist ganz im Sinne Georg Büchners und seines Einsatzes für Gleichheit, alles dafür zu tun, dass nicht knappes Geld den Zugang ausgerechnet zu seinem Museum einschränkt. Dem war schon bisher durch Erlass des Eintritts für Minderjährige entsprochen worden, mit den zusätzlichen Mittel wird es möglich, dies auf alle Besucher*innen auszudehnen.
Die Ausdehnung der Öffnungszeiten soll es leichter machen, das Museum aufzusuchen. Insbesondere die künftige Möglichkeit, vor annähernd jeder Aufführung der BüchnerBühne das Goddelauer Museum zu besuchen, kann so angeboten werden.“
In den nächsten Monaten soll nun an der engen Kooperation von Büchnerhaus und BüchnerBühne gearbeitet werden; öffentlich werden nächste Ergebnisse wahrscheinlich am Tag der Literatur in Hessen, dem 26. Mai, wenn es heißt „Stadt, Land, Fluss – mit dem Bus durchs BüchnerLand“