Peter Brunners Buechnerblog

Kategorie: Alexander Büchner (Seite 3 von 11)

Das Museum der Büchners ist wieder da!

Das Hessische Landesmuseum in Darmstadt hat gestern nach jahrelanger Umbauzeit endlich wieder geöffnet.

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Und der wunderbare Bau mit seiner aussergewöhnlichen Präsentation als Universalmuseum bestätigt in jedem Raum, in jedem Ausstellungsstück die Nähe zum Kanon der Geschwister Büchner: die Welt verstehen, indem sie angeschaut wird.

Die Ursprünge des Museums, die großherzogliche Sammlung in Darmstadt, die seit 1820 öffentliches Museum war, hat Georg Büchner 1833 zusammen mit seinem französischen Freund Georges Muston besucht. Auf der seiner website hat das Museum die eigene Frühgeschichte so zusammengefasst:

 

Ende des 18. Jahrhunderts vererbte Landgräfin Karoline ihrem Sohn Ludwig X. (1753–1830, ab 1806 Großherzog Ludewig I.) ihre Sammlung von Naturalien und physikalischen Instrumenten, die den Grundstock für die naturwissenschaftlichen Sammlungen des heutigen HLMD bildete. Während seiner Regierungszeit (1790–1830) fügte Ludewig I. wichtige Bestände hinzu: Glasgemälde, altdeutsche Altäre, niederländische Gemälde des 17. Jahrhunderts, Kupferstiche und naturgeschichtliche Objekte wie den Nachlass Johann Heinrich Mercks, der viele Säugetierfossilien beinhaltet. 1802 erwarb Ludewig I. das gesamte druckgraphische Werk Albrecht Dürers und Rembrandts. 1805 vererbte ihm der Kölner Sammler Baron von Hüpsch seine hochbedeutende Kunst- und Naturaliensammlung, darunter Elfenbeinarbeiten und Gemälde des Mittelalters sowie wertvolle Mineralien und Fossilien. 52 Gemälde des 17. und 18. Jahrhunderts wurden im Jahr 1808 von dem Baseler Kaufmann Nikolaus Reber angekauft, etwas später kam die 81 Gemälde umfassende Sammlung des Grafen Truchseß von Waldburg hinzu sowie 1450 Handzeichnungen aller bedeutenden europäischen Schulen aus der Sammlung E. F. J. von Dalberg.

Im Jahr 1820 übergab Ludewig I. seine Kunst- und Naturaliensammlung in Form einer Stiftung in das Eigentum des Staates. Damit machte er die Sammlung, die seit dem 17. Jahrhundert von den Landgrafen Hessen-Darmstadts kontinuierlich aufgebaut worden war, der Öffentlichkeit zugänglich. … 1817 wurde die Sammlung vom alten Residenzschloss in das neue Schloss verlegt. …

 

Und noch heute sind sie da – der „Christus in Emmaus“ von Carl von Savoy, der Dinotherium-Kinnbacken und auch die protzigen Kirchenschätze.

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C. v. Savoy, Christis in Emmaus (Ausschnitt)

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Die Sammlung von Kirchenschätzen

 

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Die Funde aus den rheinhessischen „Dinotheriumssanden“

 

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Die Sammlung historischer Korkmodelle antiker Stätten

 

Susanne Lehmann hat in „Georg Büchners Schulzeit. Ausgewählte Schülerschriften und ihre Quellen”, ausführlich aufgezählt, dass Georg Büchner sicher bereits als Schüler in den Sammlungen war und wie viele der Stücke bis heute dort gezeigt werden.

 

Die wunderschön gestaltete naturkundliche Sammlung ist eine Darstellung der Evolution, wie sie sich Ludwig Büchner in kühnsten Träumen nicht erhofft hätte,

 

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Skelettparade

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Heckels „Stammbaum des Menschen“

 

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Ein kleiner Teil der Funde aus dem Messeler Urschiefer

 

Luise Büchner wäre über den Anschauuungsunterricht der bildenden Kunst von Rembrandt bis Beuys begeistert gewesen

 

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Andy Warhol: Joseph Beuys

 

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Kleiner Einblick in die Mittelalter-Sammlung

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Die Holländer

und Alexander kann ich mir sehr gut in van de Veldes Büro vorstellen:

 

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 H. van de Velde: Büro für die Chefredaktion der „Revue Blanche”

 

Kurz: Für künftige Darmstadt-Besucher, seien sie auf den Spuren der Geschwister Büchner oder „einfach nur so da”, ist jedenfalls der Besuch des Landesmuseums in Zukunft Pflicht!

 

 

„ … ein Mädchen zum Küssen – für jüngere Leute als mich.”

Am 31. August 1899 heiratete in Caen in der Normandie die 24-jährige Martha Bahlsen Alexander Büchner. Büchner war 72 Jahre alt und sich der Besonderheit des Altersunterschiedes durchaus bewusst. Die beiden führten, nach allem war wir wissen, eine glückliche Ehe und verlebten ein paar schöne Jahre zusammen. Sie reisten häufig, unter anderem für längere Zeit nach Nordafrika, und zogen schließlich in Marthas Geburtsstadt, nach Hannover, wo Alexander am 3. Juli 1904 starb. Das Grab, in dem auch die viele Jahre später, am 26. 2. 1949,  in Goslar gestorbene Martha lag, gibt es leider nicht mehr. Alexanders jüngerem Freund Elissen, dem dieser mit der Nachricht von der Hochzeit im Spaß angeboten hatte, er könne Martha ja nach seinem Tode heiraten, hat Martha deutlich zu verstehen gegeben, dass sie daran kein Interesse hatte. Sie hat nicht wieder geheiratet. Offenbar pflegten die Nachfahren in Darmstadt und Pfungstadt den Kontakt mit Martha, aus Pfungstadt ist überliefert, dass sie nie ohne Kisten mit Plätzchen  anreiste.

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Schlecht abfotografiertes Foto (mit kleinem Selbstportrait…)
des Bahlsen-Kiosks auf der Darmstädter Jugendstilausstellung von 1914 

 

In seinen hier schon öfter zitierten Memoiren hat Alexander Büchner mit dem Bericht über seine zweite Ehe ein besonders schönes Beispiel für seine große Fähigkeit zur feuilletonistischen Formulierung abgeliefert. Neben der Schilderung seiner Beziehung zu Martha findet sich hier übrigens auch wieder einer der häufigen Büchnertexte, in dem Geschwister liebevoll beschrieben werden.

 

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„ … ich bin zum Hädoniker geworden, das heißt ich gewann die Überzeugung, das diesseitige Leben sei sich Selbstzweck und bestehe aus einer ungleichen Mischung von Annehmlichkeiten und deren Gegenteil. Diese Mischung hängt von den persönlichen Anlagen und Verhältnissen eines jeden ab, und zwar erhält mit zunehmendem Alter das Unangenehme das Übergewicht. Von dem Augenblicke an, wo Letzteres eintritt, ist der Mensch bankerott und tut am besten die Bude selbst zuzumachen. So war die Lebensanschauungen im klassischen Altertum. Brutus stürzte sich in sein Schwert, um seinen Feinden nicht in die Hände zu fallen. Unsere grimmen germanischen Vorfahren, sobald sie fühlten, dass sie zu nichts mehr nütze seien, schnitten sich als bouches inutiles tödliche Runen in die Brust. In der christlichen Welt dagegen pflegt man diese Art von Bankerott mit dem hässlichen Namen des Selbstmordes zu bezeichnen und als schwere Sünde zu verbieten. Dennoch fängt dieselbe mehr und mehr an wieder in die Mode zu kommen und nicht als etwas ästhetisch Widerwärtiges angesehen zu werden. Unsere seitherige Bekanntschaft mit den Religionen des Orients und namentlich dem Buddhismus hat in gleicher Weise gewirkt, und so gelangte auch ich mit zunehmendem Alter zu der Überzeugung von dem schließlichen Sieg des Bösen über das Gute, des Ahriman über Ormuzd, desTyphon über Osiris, der Schwäche über die Kraft, des Hässlichen über das Schöne, des Doit über das Avoir, welcher mit dem Alter hereinbricht. Wenn ich mich umsehe, gewahre ich nur die Lücken, welche das Todesgeschick in die Reihen der Mitlebenden gerissen hat.

So sind zunächst meine Geschwister dahingegangenen, vor mir, dem jetzt 72-jährigen Nesthäkchen, erst der apolloartige Denker und Dichter Georg, dessen ich mich nur noch aus dem Dunkel meiner frühesten Kindheit erinnere; dann die intuitive Luise, mit dem idealschönen Gesicht, aber ihrem durch einen Unfall verkrümmten Körper; ferner der fidele, freizügige Wilhelm, der Krösus der Familie als Erfinder des künstlichen Ultramarins, der eines Tages unserer Mutter ein Stück blauen gebrannten Ton auf ihren Arbeitstisch legte mit den Worten: „Hier habe ich eine Million!“ Endlich die edle aufopfernde Mathilde, mit dem Felsencharakter, welche, wenn die Mutter bettlägerig war, an uns jüngeren und zumal an mir Mutterstelle vertrat, und schließlich der „Kraft und Stoff,“ (Ludwig – pb) fast mein Altersgenoss mit dem weichen Gemüt und dem spekulativen Kopf, der ideologische Materialist, in welchem christliche Menschenliebe und sprödeste Hinnahme der nacktesten Tatsachen so wunderlich zusammenflossen.

Nun komme ich selbst an die Reihe, und die schimmernde Salzflut hebt mir ihre durchsichtigen Wellen entgegen, indem sie zu sagen scheint „was tust du noch da oben auf dem Sand? Wie deine Geschwister, so sind auch deine teuersten Freunde verschwunden, der edle Franz Wirth, der redegewandte Rudolf Fendt, der spöttische Wilhelm Franck, der tiefsinnige Ästhetiker Leon Dumont, der fuchsrote August Becker vom jüngsten Tag, der unglückselige Karl Ohly, der wackere Dr. Wilhelm Zimmermann. Du hast lange genug gelebt, geliebt und genossen und fängst an, nur noch zu leiden. Deine erste Frau ist seit 20 Jahren tot, Dein Sohn mit 35 Jahren versorgt, Du selbst hast die Altersschmerzen von Kopf bis zu den Füßen bei dir im Hause; schlag´ den Schmerz ein Schnippchen und komm!“

Unter solchen Gedanken stand ich eines Morgens elf Uhr in der Sonne, Rue Bicoquet zu Caen vor meinem Hause und sah zu, wie der übliche Kohlenvorrat abgeladen wurde; und wie ich mich herumdrehe, steht vor mir, vom Sonnengold umflossen, ein schlankes Mädchen, im einfachen hellen Kattunkleidchen, ein Strohhütchen auf den goldbraunen Wellen des Haares über einer glatten Denkerstirn, Nixenaugen und einer geraden Nase über einem etwas breiten schwellenden Mund und fragt mich, in etwas mangelhaftem Französisch, ob ich der Professor so und so wäre. Es war keine idealschöne aber über alle Begriffe anmutige und anziehende Erscheinung.

„Leicht und frei wie aus dem Nichts gesprungen“, kräftig und zierlich zugleich, mit einem Wort, ein Mädchen zum Küssen – für jüngere Leute als mich.

„Der Professor, den Sie suchen, bin ich – leider,“ antwortete ich auf Deutsch; „womit kann ich Ihnen dienen?“

„Ich möchte gern gut Französisch lernen, und wie ich dies von einigen deutschen Damen höhre, kann man das an ihrer Fakultät.“

„Je nachdem man sich danach anstellt,“ versetzte ich, „und sie scheinen mir richtig dazu angelegt.“ Ein Wort gab das andere, und ich erklärte der Dame, dass ich schon mehreren anderen deutschen und englischen Studentinnen als onkelhafte Professor gedient und denselben zu vollgiltigen Diplomen verholfen habe.

Ich gewann das herzige Kind schnell sehr lieb, und da ich keck genug war zu denken, dass sie diese Gefühle im stande sei zu teilen, so heirateten wir uns bald darauf, da ich gerade in Ruhestand versetzt worden war. Wir zogen ans Meer, und ich kann immer noch ins Wasser springen, welches jeden Tag, bald morgens, bald abends mit der Flut seine Aufwartung macht und, bald sanft lispelnd, bald mit Donnerstimme fragt: „Ist´s immer noch nicht gefällig?“ Ich aber stehe mit Martha ruhig auf dem Balkon unserer Villa Bijou, drehe meine Zigarette und meinen Schnurrbart und versetzte: „Abwarten! Nirwana!“

Alexander Büchner: Das tolle Jahr. von einem, der nicht mehr toll ist. Giessen. Emil Roth. 1900. SS 373 – 375

 

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von Peter Brunner

UtopiAmerika – Die Fabelhafte Büchnerbande goes west

Unser UtopiAmerika-Programm ist noch nicht fertig. Zum  Sommerfest der Luise Büchner-Gesellschaft am 27.7. präsentieren wir ein paar Ausschnitte aus unseren bisherigen Recherchen. Die musikalischen Leckerlis der großartigen Papa Legbas Blues Lounge bleiben vorerst den Gästen vorbehalten – kommen Sie doch vorbei!

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Die Fabelhafte Büchnerbande in Klein-Umstadt

Hier die ersten Sätze aus unserer neuen Revue: 

 

Das Sommerfest heute wollen wir nutzen, zu erklären, wie wir auf die Schnapsidee gekommen sind, die Büchners in Amerika zu suchen.

Von der Debatte über die Ziele der aufrührerischen Demokraten berichtet August Becker, der engste Vertraute Georg Büchners, nach dem Tod von Büchner und Weidig, in einem Verhör:

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August Becker im „Deutschen Pionier“, 1871 

 

Büchner meinte, in einer gerechten Republik, wie in den meisten nordamerikanischen Staaten, müsse jeder ohne Rücksicht auf Vermögensverhältnisse eine Stimme haben, … .

Am 3. März 1835, Georg Büchner hat seinen Danton beendet und bereitet seine Flucht vor, schreibt ihm Gutzkow aus Frankfurt:

„Nun scheint es aber, als hätten Sie große Eile. Wo wollen Sie hin? brennt es Ihnen wirklich an den Sohlen? Ich kann Alles hören, nur nicht, daß Sie nach Amerika gehen. Sie müssen sich in der Nähe halten, (Schweiz, Frankr.) wo Sie Ihre herrlichen Gaben in die deutsche Literatur hineinflechten können; denn Ihr Danton verräth einen tiefen Fond, in den viel hineingeht, u viel heraus, u das sollten Sie ernstlich bedenken.“

Amerika war ein Thema im Europa des 19. Jahrhunderts. August Becker, der uns weiter begleiten wird, ist 1853 ausgewandert. Schon 1830 hatte er darüber nachgedacht. Im „Deutschen Pionier“ einer in Amerika erscheinenden deutschsprachigen Zeitung, hat er 1869 berichtet, warum er zunächst blieb. …

 

 

Und ein Ausblick:

 

Was noch zu erzählen bleibt:
Das Schicksal der Gießener um Follen und Münch. Münchs Leben als Farmer, sein Kontakt mit dem Badener Revolutionär Hecker, ja, dem aus dem Hecker-Lied. Beide hatten mit Wein experimentiert, und als die Reblausplage den gesamten europäischen Weinbau in den Abgrund zu reißen droht, sind es diese zwei, die herausfinden, dass es amerikanische Reben gibt, die reblausresistent sind. Und bis heute sind alle europäischen Weinreben auf amerikanische Grundstöcke gepfropft und wir verdanken unseren Weingenuss den alten Kämpen!

Die Geschichte der Darmstädter Kolonisten in Texas, die als Kommunarden und als Landwirte scheiterten. Man nannte sie die Lateiner, weil sie in der Kartoffelkiste in der Küche zur Hälfte – Bücher lagerten. Und die Geschichte der Verträge, die dort mit den Indianern abgeschlossen wurden – die einzigen, die von beiden Seiten nie gebrochen wurden und bis heute mit einem alljährlichen „Pow-Wow gefeiert werden.

Georg Büchners Genossen, die Deutschland nach Amerika verließen – Minnigerode, der nur aus der Haft entkam, weil er versprach, auszuwandern. August Beckers Leben – vom Theologiestudenten zum Revolutionär zum Publizisten zum Landtagsabgeordneten zum Zirkusakrobaten zum Feldprediger zum Herausgeber deutscher Zeitungen, zuletzt in Cincinatti. Der Offenbacher Landbotendrucker Preller, der zwar nie nach Amerika ging, aber in Mainz ein Auswandererbüro betrieb.

Die beiden Söhne Johann Karl Büchners, Wilhelm und Herrmann, Cousins „unserer“ Geschwister, die als Arzt und Apotheker nach Amerika gingen. Mehrfach sind die beiden zu Besuch in Deutschland gewesen, und ständig wechselten Briefe den Atlantik. Hermanns Tochter Luise, „Lulu“ Büchner, kommt zurück nach Darmstadt und heiratet in die Familie Welcker ein.

Friedrich Büchner, ein andere Cousin, Pfarrer in Zwingenberg, der einen Märchenband mit amerikanischen Grenzergeschichten veröffentlicht.

Karl „Don Carlos“ Buss, badischer Revolutionär, gebürtig aus Friedberg, der 1849 Hals über Kopf aus Deutschland flieht, im texanischen Neu-Braunfels kaum genug zu Essen hat, Bettelbriefe nach Hause schreibt, schließlich knapp den Südstaatlern entkommt, die ihn auf Seite der Sklavenhalter zur Armee pressen wollen. In Mexiko wird er mit einem Sägewerk schwer reich, seine Kinder schickt er nach Darmstadt zur Schule. Dort heiratet sein Sohn Ludwig Büchners Tochter Mathilde, und den heute hochbetagten Enkel hat der Großvater als Cowboy mit dem Lasso eingefangen. Er hat es uns selbst erzählt.

Luise Büchners aufmerksamer Blick ins Land der Zukunft: ihr „Kleiner Vagabund“ wandert als Fotograf aus Zwingenberg nach New York aus, wird reich und berühmt und holt sich schließlich seine Jugendliebe von der Bergstraße. Luise Büchner hat auch aufmerksam die Berufschancen und die gesellschaftliche Stellung der Amerikanerinnen verfolgt.

Alexander Büchner, der 1851 in London mit Deutschen Exilanten, unter ihnen der spätere amerikanische Innenminister Carl Schurz, konferiert: das künftige, einige, republikanische Deutschland solle sich schleunigst mit den Vereinigten Staaten zusammenschließen. So dachte man sich mal die Weltrevolution.

Ludwig Büchner, der 1872 eine sensationelle Vortragsreise durch die USA macht: vor Hunderten von Zuhörern sprach er jeweils mehrere Stunden lang über den „Gottesbegriff“; natürlich in deutscher Sprache. In der „Gartenlaube“ hat er einen vierteiligen Reisebericht veröffentlicht, der alleine ein abendfüllendes Programm bietet.

Sie hören, es gibt noch viel zu erzählen aus dem Büchner’schen UtopiAmerika. Wir bleiben dran!

 

Büchnerbande goes west

AMERUTOPIA oder UTOPIAMERIKA wird das neue Programm der fabelhaften Büchnerbande heißen.

Seit einem kulinarisch unterstützen brainstorming steht fest, dass es auch nach den Büchner-Jubiläumsjahren 2012/13 mit Auftritten der Fabelhaften Büchnerbande weitergehen wird.

AMERIKA als Land des Exils, der Zukunft und  der in Europa versperrten Möglichkeiten ist im 19. Jahrhundert ein ständig präsentes Thema. Das hat auch die Familie Büchner nicht unberührt gelassen. Die Exilanten der Demokratenverfolgung in Europa haben wichtigen Anteil an der Staatswerdung der USA genommen, als die „fourty-eigthers” werden sie (in Anspielung auf die Vielzahl der seit der gescheiterten Revolution von 1848 geflohenen Demokraten)  dort dokumentiert und geschätzt.

Vorab schon mal so viel: wir werden natürlich die unmittelbaren Verbindungen der Büchners ins gelobte Land jenseits des Ozeanes schildern. Becker, Minnigerode und Möser sind persönliche Freunde Georg Büchners gewesen, die alle auf der Flucht nach Amerika kamen. Luise Büchners Novelle über den Zwingenberger Fotografen, der in New York sein Glück macht („Der kleine Vagabund”) wird vorkommen und auch Ludwig Büchners große Vortragsreise 1872. Ein kleines Geheimnis sollen vorerst weitere persönliche, familiäre Verbindungen bleiben, zu denen wir Unbekanntes und Unveröffentlichtes beitragen werden.

Wir wollen uns aber nicht auf die direkte, persönliche Büchner-Beziehung beschränken. Deshalb wird auch das historische Vorbild für Karl Mays „weißen Indianer“ Klekih Petra vorkommen, Friedrich Hecker, Carl Schurz und vielleicht auch Friedrich Wilhelm von Steuben. Und dass nicht alle Frauen als Begleiterin und Haushälterinnen ihrer Männer nach Westen aufbrachen, werden wir auch berichten können.

Konzeptionell bleibt es bei der gefundenen Form. Die Fabelhafte Büchnerbande ist keine Volksliedertruppe mit Anspruch auf exakteste Authentizität von Kostüm und Instrument, auch kein reisender Geschichtsunterricht mit erhobenem Zeigefinger, sondern eine Gruppe von Freunden um die Luise Büchner-Gesellschaft und die Bluesband Papa Legbas Blueslounge mit Spaß am Zitat und am Geschichtenerzählen und ohne jede Berührungsangst gegenüber Musik verschiedenster Zeit und Herkunft.

Zur Zeit tragen wir Biographien, Texte, Briefe, Bilder und Berichte der Deutsch-Amerikaner zusammen, dazu natürlich zeitgenössische und moderne Musik. Vorschläge, Wünsche und Hinweise dazu sind uns willkommen.

Ab dem Sommer kann es dann also neue Begegnungen mit der

Fabelhaften Büchnerbande mit ihrem neuen Programm

„AMERUTOPIA / UTOPIAMERIKA”

geben – Anfragen für Auftritte sind uns ab sofort willkommen!

 

 

von Peter Brunner

Was du gewollt, wofür du hast gelitten, hat Deutschlands Volk sich muthig jetzt erstritten

… das hofften die Demokraten der 1848-Revolution im September 1848 – es hat dann noch bis 1918 gedauert, bis endlich der Monarchismus beseitigt und freie, gleiche und geheime Wahlen in Deutschland durchgesetzt waren.

Wenige Tage nach Georg Büchner starb in Darmstädter Haft am 23. Februar 1837 der Butzbacher Pfarrrer Friedrich Ludwig Weidig, den seine Freunde Fritz nannten.

 

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Hier habe ich darüber schon im letzten Jahr berichtet. 

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Weidigs Grab auf dem Darmstädter Alten Friedhof (Februar 2013) 

Weidig gehört zu den wichtigsten frühen Demokraten Hessens, die Bedeutung seines unermüdlichen, tapferen  und konsequenten Einsatzes für Gleichheit und Gerechtigkeit kann kaum überschätzt werden. Lange vor der Verschwörung zum Hessischen Landboten hat Weidig schon 1814 einen Turnplatz eingerichtet und dort Turn- und Exerzierübungen organisiert – im Butzbacher Museum zeigt man bis heute hölzerne Gewehr und Säbel der ersten hessischen Turner. Die „Weidig-Stadt” Butzbach hat auf ihrer Homepage hier Weidigs „Predigt vom gemeinen Nutzen” von 1819 veröffentlicht. Er gehörte zu den Vorbereitern des Hambacher Festes von 1832, nahm aber selbst aus Angst vor Verfolgung nicht an dem Treffen teil. Auch in die Planungen des Frankfurter Wachensturms vom 3. April 1833 war Weidig eng eingebunden. Sein „Leuchter und Beleuchter für Hessen”, der als illegales Flugblatt 1834 in insgesamt vier Ausgaben erschien, ist ein wichtiges Dokument der Überlegungen und Planungen der frühen Demokraten. Ihre Unzufriedenheit kulminiert im Wunsch nach der Wiederherstellung alter, vorgeblich besserer Verhältnisse. Wahlkönigtum, Einheit der Nation und Gerechtigkeit sind die zentralen Stichworte. Georg Büchners dagegen aufsässige Forderungen nach radikaler Veränderung und Umsturz hat Weidig sicher nicht gänzlich geteilt, aber geduldet – der Hessische Landbote und das bis heute andauernde Rätsel, welche Textteile von welchem Autor sind und welchen gesellschaftlichen Intentionen entstammen, sind ein beredtes Zeugnis für die strategische Uneinheitlichkeit der Aufrührer. 

Wie Georg Büchner macht sich auch Weidig nach dem Verrat der Landboten-Aktion auf den Weg ins Exil, entscheidet sich aber zur Umkehr und verzichtet auf die prekäre Sicherheit in Frankreich oder der Schweiz. Gut möglich, dass er auf die Wirksamkeit eines öffentlichen Prozesses und die Möglichkeit, dort offen für seine Überzeugungen einzutreten, gesetzt hat. Das unmenschliche und autokratische System gab ihm diese Chance nicht – stattdessen wurde er in Darmstadt mit  skandalösen Verhörmethoden ohne Rechtsbeistand und unter Folter gequält.  Am 23. Februar 1837 wurde er in seiner Zelle schwer verletzt aufgefunden; der verbrecherische Richter Georgi ließ Stunden verstreichen, bis endlich ärztliche Hilfe gerufen wurde. In Deutschland und im Ausland kam es zu zahlreichen Veröffentlichungen, in denen der Darmstädter Justiz die alleinige Verantwortung für Weidigs Tod zugeschrieben wurde. Georgs Bruder Alexander Büchner hat 1848 eine Novelle veröffentlicht, in der er Georgi als Mörder Weidigs bezeichnet, im darauf folgenden Verleumdungsprozeß wurde er in einem der ersten hessischen Geschworenenprozesse freigesprochen. 

An der Zellenwand fand sich mit Weidigs Blut geschrieben der Satz:

Da mir der Feind jede Vertheidigung versagt, so wähle ich einen schimpfl. Tod aus freien Stücken 

 

Im September 1848 wurde in Darmstadt „Zur Inauguration seines Denkmals”, nachdem endlich auch der vorgesehene Text gezeigt werden durfte,  der folgende Text vorgetragen:

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Die beiden Plaketten auf der Vorder- und Rückseite des Grabkreuzes

 

An Dr. Friedrich Weidig,

am Tage

der Inauguration seines Denkmals.

 

Darmstadt, 17. Sept. 1848.

 

 

Verklärter Geist! Blick‘ Du aus Himmelshallen

Herab zu uns ins laute Erdenthal,

Sieh, wie hier freie deutsche Männer wallen

In Eintracht, in der Freiheit goldnem Strahl,

Vernimm der Freiheit Worte, die wir spenden,

die wir hinauf zu deinem Strahlensitze senden.

 

Dein Blut zu sühnen sind wir heut gekommen

Zu deines Grabes blutig düst’rem Rand;

Der Fluch ist nun vom Vaterland genommen,

Uns all‘ umschlingt der Einheit starkes Band.

Drum, hoher Geist, blick‘ segnend auf uns nieder,

Erkenne Deutschlands freie Söhne in uns wieder.

 

Du wolltest brechen Deutschlands Sklavenketten,

Du wolltest brechen Deutschlands tiefster Schmach,

Du wolltest uns von schwerem Druck erretten,

der, einem Alb gleich, rings auf Deutschland lag;

doch für der Freiheit heiligste Verfechtung

Traf dich des Polizeistaats allertiefste Knechtung.

 

Im Kerkernacht als argen Hochverräter

hat dich der Dunkelmänner Brut geführt,

und Dich verdammt als Mietern Missetäter,

weil Du der Wahrheit heiliges Schwert geführt,

weil du gekämpft für unsere höchsten Güter

D’rum würgte dich des Polizeistaats gift’ge Hyder

 

Aus dunkler Kerkernacht, von martervollen Qualen,

Hob sich dein Geist empor zum ew’gen Licht,

um dort in reiner Glorie zu strahlen,

bis einst ein neuer Morgen Bahn sich bricht.

Doch wie Dein heil’ger Streiter Leib gefallen?

Ist noch ein dunkel unauflösbar Räthsel Allen.

 

Dein Blut zu sühnen, sind wir heut gekommen,

die Eulenbrut ist nun durch’s Licht verjagt;

die Schmach ist nun vom Vaterland genommen,

der Freiheit sonnenheller Morgen tagt.

Und überall sieht man in deutschen Gauen

das Volk auf seine eigne Kraft vertrauen.

 

Der Freiheitshauch um schwebt die heil’ge Stätte,

wo deiner Seele ird’sche Hülle ruht;

so schlummre sanft im kühlen Erdenbette,

gesühnt ist jetzt dein heilig Märtyr’blut:

was du gewollt, wofür du hast gelitten,

hat Deutschlands Volk sich muthig jetzt erstritten.

 

Ph. Blüttel.

 

von Peter Brunner
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