Neues aus Buechnerland

Peter Brunners Buechnerblog

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Das erste Mal, dass sich eine literarische Quelle als Geldquelle erweist

Dass das hessische Ried erhebliche Vorräte an Erdöl und Erdgas birgt, ist lange bekannt. Dass Büchner einen Hinweis auf diesen Schatz in seinem Werk versteckte, konnte erst jetzt nachgewiesen werden.

Georg Büchner wurde bekanntlich 1813 in Goddelau geboren. Dass die Familie anschließend 1815/16 bis zum Umzug nach Darmstadt in Stockstadt wohnte, ist dagegen kaum bekannt. Dorthin zurück führen wohl Georg Büchners früheste Kindheitserinnerungen, und auch in späteren Jahren hat es sicher Besuche der Büchners am Rhein gegeben. Der Bau des Rheindurchbruchs am Kühkopf zwischen 1826 und 1828 war sicher Thema bei den Büchners, und wahrscheinlich ist der Vater Ernst Büchner mit den Kindern dort gewesen, um die Arbeiten für den Durchstich, der die Rheinfahrt verkürzte und Stockstadt seinen Hafen verlieren ließ, zu besichtigen.

Im Werk Büchners versteckt sich ein Hinweis, der jetzt durch die intensive Zusammenarbeit von örtlichen Geologen und Literaturwissenschaftlern fruchtbar gemacht werden konnte.

In der „Handschrift 2” von Büchners Fragment Woyzeck findet sich gleich zu Beginn eine Szene, die nach intensivem Quellenstudium einem konkreten Ort, dem Schwarzbach zwischen Goddelau und Stockstadt,  („Freies Feld. Die Stadt in der Ferne”) zugeschrieben werden konnte:

Woyzeck. Ja Andres, das ist er der Platz ist verflucht. Siehst du den leichten Streif, da über das Gras hin, wo die Schwämme so nachwachsen da rollt Abends der Kopf, es h[o]b ihn einmal einer auf, er meint es sey ein Igel, 3 Tage und 2 Nächte nur das Zeichen, und er war todt. (Leise) Das waren die Freimaurer, ich hab’ es haus.

Andres. Es wird finster, fast macht Ihr einem Angst. (er singt)

Woyzeck (Faßt ihn an). Hörst du’s Andres? Hörst du’s es geht! neben uns, unter uns, Fort, die Erde schwankt unter unsern Sohlen. Die Freimaurer! Wie sie wühlen!

(Er reißt ihn mit sich)

Andres. Laßt mich! Seyd Ihr toll! Teufel.

Woyzeck. [B]ist du ein Maulwurf, sind deine Ohren voller Staub? Hörst du das fürchterliche Getös am Himmel, Ueber der Stadt, Alles Gluth! Sieh nicht hinter dich. Wie es herauffliegt, und Alles daunter

Louise. Was hast du Franz, du siehst so verstört?

Woyzeck. pst! still! Ich hab’s aus! Die Freimaurer! Es war ein fürchterliches Getös am Himmel und Alles in Gluth! Ich bin viel auf der Spur! sehr viel!

Der Bezug auf die Freimaurer wurde bisher stets als Symbol für die heimlichen, verschwörerischen Kräfte gedeutet, von denen sich der verwirrte Woyzeck verfolgt sieht. In der Tat aber hat Büchner einen ganz handfesten Hinweis in seinem Werk versteckt, der jetzt entschlüsselt werden konnte.

Büchner bedient sich eines zu seiner Zeit weitverbreiteten Verschlüsselungscodes, bei dem jeder zweite Buchstabe eines Wortes ersetzt wird. Aus den ersten drei Buchstaben von „Freimaurer“ ergibt die Entschlüsselung – E r d ! (erster Buchstabe F -1=E, zweiter Buchstabe unverändert R, dritter Buchstabe E-1=D). Das elektrisierte die Forscher, die auf der Spur nach ausbeutbaren Schätzen jeder Art seit Jahren Handschriften und Bodenfunde analysieren.

Den Ort „wo die Schwämme so nachwachsen”, gibt es zwischen Riedstadt und Goddelau, und da kam Ortskenntnis der detektivischen Suche zu Hilfe. „Am Schwarzbach haben wir immer die besten Steinpilze gefunden” kommentiert Margarete M., erfahrene Kräutersammlerin und die beste Kennerin der sumpfigen Umgebung ihres Heimatortes Stockstadt. Dass „Am Schwarzbach” auch als mittelalterlicher Hinrichtungsort bekannt ist, konnte Markus Zwittmaier, ortskundiger Forscher aus Trebur und verdienstvoller Blogger von „Tribur. Geschichte und so Zeugs”, sicher bestätigen: „da rollt abends der Kopf” heißt es bei Büchner, und die Treburer Ortschronik berichtet für die Jahre 1214, 1338 und 1467 von Urteilsvollstreckungen mittels Handbeil „an dem swarzen Bace uff Stochstett”. Damit war die Indiziensuche vollständig, und „wir wagen es” entschied Dr. Michael Suana, Geschäftsführer der Rhein Petroleum GmbH (Heidelberg) „wir sind ja geradezu verpflichtet, dem Hinweis des berühmtesten Bürgers der Gegend zu folgen”. Traditionsbewusst wurde die erste Bohrung an Büchners Geburtstag, dem 17. Oktober 2014, am Riedstädter Schwarzbach niedergebracht. Und tatsächlich stießen die mutigen Probebohrungen der Prospektoren jetzt auf einen reichen Vorrat hochwertigen Erdöls, über den nicht nur die lokale Presse, sonder auch überregionale Medien berichten. „Nach einem Namen für de Quelle mussten wir nicht mehr suchen” so Suana weiter, ”die wird natürlich Georg Büchner heißen”. Burghard Dedner, Doyen der Büchnerforschung, kommentierte „dies ist das erste Mal, dass sich eine literarische Quelle auch als Geldquelle erweist“. 

Eine Arbeitsgruppe, zu der jetzt auch die Mitglieder der Georg Büchner-Gesellschaft hinzugezogen werden soll, wird sich unter diesem ganz neuem Aspekt noch einmal gründlich des Werkes des großen Goddelauers annehmen „Mit diesen Kennern, die in der Vergangenheit ja schon mutig genug waren, bei einer Bildzuschreibung herkömmliche Methoden der Wissenschaft über Bord zu werfen und frei zu spekulieren, erhoffen wir uns noch weitere geldwerte Hinweise aus dem Werk unseres Landsmannes Büchner, der uns bisher ja immer nur Geld gekostet hat”, so Werner Amendt, der Bürgermeister Riedstadts. „Auch den nächsten Fund erhoffe ich mir auf unserer Gemarkung; vielleicht kannte Büchner ja den Ort, wo Hagen den Nibelungenschatz versenkte”. Seit den Stockstädter Funden ist jedenfalls unwiderlegbar, wie wertvoll eine historisch-kritische Werkausgabe für praktische Anwendungen werden kann.

Zu Ludwig Büchners 191. Geburtstag am 29. März

Friedrich Karl Christian Ludwig Büchner wurde am 29. 3. 1824, also vor jetzt 191 Jahren, in Darmstadt geboren.

 

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Die Familie lebte damals im Haus „Obere Baustraße” , der heutigen Elisabethenstraße, von dem leider kein Stein und auch nur wenige Ansichten erhalten blieben. Zu dem Haus konnte ich vor einiger Zeit neue und bis dahin unbekannte Details ermitteln, weil mich eine Nachfahrin des Vermieters der Büchners, Ernst Emil Hoffmann, auf einige Hinterlassenschaften ihrer Familie aufmerksam machte. Dort sind zwei von Georgs Geschwistern, Luise (1821) und Ludwig (1824), geboren, Georg Büchner war zu der Zeit also zwischen sieben und zehn Jahre alt. Zu den mir überlassenen Materialien gehört ein lithographiertes Familienbild der Hoffmanns und eine mehrbändige genealogische Ausarbeitung, auf deren allerletzter Seite ich das lang gesuchte Hoffmann’sche Haus abgebildet fand:

 

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Blick durch die Ludwigstraße auf das Hoffmann’sche Haus. Photographie (Postkarte) von ca. 1900

 

 

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Das gleiche Haus auf einer Photographie aus den 1930er Jahren als „Haus Böttiger”. (Zur Orientierung: das Haus stand dort, wo sich heute das „C&A”-Kaufhaus befindet) Mit freundlicher Erlaubnis des Stadtarchiv Darmstadt

 

Seit 1825 lebte die Familie dann in der Grafenstraße, im ebenfalls nicht erhaltenen Haus Nr. 39

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Das Haus der Büchners, Darmstadt, Grafenstraße 39. Aufnahme ca. 1920.

 

wo Ludwig die Praxis des Vaters übernahm, bis er schließlich in der Hölgesstraße das Haus kaufte, in dem seine Nachfahren bis zur Zerstörung 1944 lebten.

Ich selbst habe ihn in den vergangenen Jahre je nach Alter des Publikums mit den Protagonisten der Wissenschaftspopularisierung unserer Zeit, Heinz Haber, Hoimar von Ditfurth und Rangar Yogeshwar, verglichen – er war ein Welterklärer par excellence.

Neben dem schönen Vorwort zur 21. Ausgabe seines Hauptwerkes „Kraft und Stoff”, in dem sein Bruder Alexander auf sein Leben zurückschaut, gibt es zwei weitere Texte, die aus interessanter Perspektive und mit überraschenden Ergebnissen über Ludwig Büchners Leben berichten.

Rudolf Steiner hat am 13. Mai 1899 einen Nachruf auf ihn im „Magazin für Literatur“ verfasst, der für Materialisten wohl ebenso verblüffend zu lesen ist für Anthroposophen.  Der Text findet sich hier im „Steiner Online Archiv” .

Steiner schreibt u.a.:

 

„Wenn heute die Rede auf Ludwig Büchner kommt, wird man nur selten einem anderen Urteile als dem begegnen, dass sein «populäres Gerede» längst abgetan ist und dass er «in seiner Oberflächlichkeit allen Halbwissern und Dilettanten naturwissenschaftlich interessante Tatsachen und eine damit vermischte, kindlich rohe Metaphysik in leichtfasslicher Form darbot». … Es wird immer viel zu wenig darauf hingewiesen, woher eigentlich das Gefasel über den «rohen Materialismus» stammt. Es hat seinen Grund gar nicht in der Vernunft, sondern in der Empfindungs- und Gefühlswelt. Eine jahrtausendalte Erziehung des Menschengeschlechtes, zu der das Christentum ein Ungeheures beigetragen hat, war imstande, uns die Empfindung einzupflanzen, dass der Geist etwas Hohes, die Materie etwas Gemeines, Rohes sei. Und wie soll das Hohe aus dem Gemeinen stammen?… Tief steckt unseren Zeitgenossen noch die Sucht im Leibe, das Wissen zu beschränken, um für den Glauben Platz zu bekommen. Und Geister, welche dem Wissen die Macht zuerkennen, den Glauben allmählich zu verdrängen, werden als unbequem empfunden. Ja, «es ist zum Entzücken gar», wenn man irgendwelche Fehler m ihren Gedankengängen nachweisen kann. Als ob es nicht eine alte Erkenntnis wäre, dass im Anfange alle Dinge in unvollkommener Gestalt auftauchen! …”

Und einige Jahre nach der deutschen „Wende” veröffentlichte die Leibniz Societät hier einen Aufsatz ihres Mitglieds Dieter Wittich, in dem dieser auf eine geradezu honorige Art und Weise eine Ehrenrettung des von vielen Marxisten als „Vulgärmaterialist” und „Reiseprediger” abgetanen Büchner unternimmt:

 

„Warum haben Marx und Engels diesen Mut so wenig honoriert, sich einzig auf offensichtliche Schwächen von Büchners philosophischem Denken konzentriert und diese mit Hohn und Spott bedacht? … Ein Grund hierfür ist sicher in der Arbeiterbewegung selbst zu suchen. Nicht nur dass Büchners Schriften in dieser verbreitet waren und dort philosophisch
andere Akzente setzten, als dies Marx und Engels lieb sein konnten. Büchner widersetzte sich auch bald nach der Revolution von 1848/49 dem Bemühen, eigenständige Arbeiterparteien zu bilden und erst recht der Forderung nach einem gewaltsamen Umsturz der bestehenden sozialen Verhältnisse. In der Frage der Machterlangung entfernte er sich vom zweiten Teil der berühmten Losung seines Bruders Georg, dem „Krieg den Palästen!“, um so mehr je älter er wurde. Freilich, die bestehenden kapitalistischen Verhältnisse hielt auch er auf Dauer nicht für haltbar. Viele der auch heute noch ins Auge springenden Widersprüche hat er wieder und wieder angeprangert. Eine gerechtere Gesellschaft, die er sozialistische nannte, schien auch ihm nicht nur begehrenswert, sondern auch unausweichlich. Aber sein Allheilmittel waren nicht die „Diktatur des Proletariats“, nicht die politische Revolution, nicht die Herrschaft einer sozialen Klasse (einer relativ ungebildeten zudem, von deren Macht er nur ein politisches und kulturelles Desaster erwartete, einer Klasse, die noch lange Zeit der Fürsorge sozial engagierter Bürger und besonders von Intellektuellen bedürfe). Der Weg zur Macht könne allein durch Einsicht, Vernunft, Überzeugung und vor allem eine weit höhere Volksbildung geebnet werden. Für eine solche friedliche Überwindung des Kapitalismus lebte und wirkte er. Auch ein staatliches Eigentum an Produktionsmitteln im Unterschied zu einem gesellschaftlichen wollte er nicht, denn das, meinte Büchner schon 1863 gegenüber Ferdinand Lassalle, würde die Eigeninitiative hemmen, die staatliche Bürokratie und Bevormundung grandios vermehren.
Ja, eine solche Nationalproduktion müsse an der Schwerfälligkeit ihrer Bürokratie ersticken. Das waren Einwände, über die auch ich mich in früheren Publikationen geringschätzig hinweggesetzt habe, die aber nach dem in den letzten Jahrzehnten Erlebten weit ernsthafter zu betrachten sind.”

 

 

 

SPeterBrunner

von Peter Brunner

Georg Büchner und Anna Seghers

Im November 2012 konnte ich zusammen mit dem Vorsitzenden der Anna Seghers-Gesellschaft, Hans-Willi Ohl, eine „Büchner-Marginalie” veröffentlichen: Anna Seghers hat sich möglicherweise 1947 bei der sowjetischen Administration für die Freilassung eines Urgroßneffen von Georg Büchner eingesetzt, jedenfalls durch Korrespondenz mit Anton Büchner von der Büchnerschen Nachfahrenschaft erfahren. Inzwischen hat Ohl über Büchner im Werk Anna Seghers geforscht und trägt seine Ergebnisse nun bei einer Benefizveranstaltung im Büchnerhaus vor, zu der ich mit der Veröffentlichung seiner Pressemitteilung hier gerne einlade:

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Hans-Willi Ohl spürt der „literarischen Wahlverwandtschaft” der beiden Dichter nach –
Benefizvortrag am Freitag, 20. März am Büchnerhaus

 

Hans Willi Ohl ist seit Jahren als Sänger der Folkband „Le Cairde“ in der Region unterwegs und mit den jährlichen Konzerten am Büchnerhaus auch ein treuer Sponsor der Goddelauer Kultureinrichtung. Jetzt kommt der im „Hauptleben“ als Studienleiter des Abendgymnasiums Darmstadt tätige Pädagoge mit einem interessanten Vortrag an das Büchnerhaus: Am Freitag, 20. März um 19:00 Uhr geht es in der Kunstgalerie (Weidstraße 9, Riedstadt-Goddelau) um die literarischen Verbindungen zwischen Georg Büchner und Anna Seghers.

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Anna Seghers, 1966 (Bundesarchiv-Bild 183-F0114-0204-003) – retouched by Carschten

 

Die in Mainz geborene Schriftstellerin Anna Seghers („Das siebte Kreuz“) hat immer den Einfluss der Schriften ihres südhessischen Landsmanns Georg Büchner auf ihr eigenes Werk betont. Ihre frühen Erzählungen aus den Jahren 1925 bis 1932 sind im vergangenen Jahr im Rahmen der Werkausgabe im Berliner Aufbau-Verlag neu erschienen. Bei der Lektüre ist Hans-Willi Ohl, Vorsitzender der Anna-Seghers-Gesellschaft Berlin und Mainz, aufgefallen, dass es verblüffende Parallelen zwischen Büchner und Seghers gibt. In seinem Vortrag wird er mit Hilfe von Beispielen die thematischen und sprachlichen Berührungspunkte vorstellen, die bisher in dieser Form noch nicht dargestellt wurden. Anna Seghers (1900 – 1983) erhielt im Jahre 1947 den Georg-Büchner-Preis.

 

Der Eintrittspreis beträgt sieben Euro und kommt in voller Höhe dem Büchnerhaus zugute. Kartenreservierungen nimmt das Kulturbüro unter der Telefonnummer 06158 930841/2, per Fax: 930843 oder per E-Mailkultur@riedstadt.de entgegen.

 

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von Peter Brunner

Was bleibt

Eine qualifizierte Kritik zur vergangenen „Büchner-Biennale”, dem öffentlichen Begehen von Georg Büchners 175. Todestag und anschließend seines 200. Geburtstages in den Jahren 2012/13,  liegt bisher nicht vor. Mein Versuch, die eine oder den anderen „Büchnerianer” anlässlich des Endes der Jubiläumsausstellung zu Georg Büchner in Darmstadt zu einer schriftlichen Äusserung zu bewegen, ist leider gescheitert: einige haben die Ausstellung gar nicht erst besucht. Hier eine repräsentative Auswahl aus den Antwortschreiben:

  • „Daß weniger als 25.000 Leute … das Drumherum sehen wollten, deutlich weniger als 1987, erfüllt mich mit großer Schadenfreude”;
  • „ … haben Sie aber bitte Verständnis, dass ich mich da nicht äußern möchte”
  •  „Bitte haben Sie Verständnis für meine Situation. Ich bin einfach zu weit vom Schuss, um einen Kommentar abgeben zu können”;
  • „Über die Ausstellung selbst kann ich mich nicht äußern, weil ich sie nicht gesehen habe. Ich versprach mir davon nichts. Was ich darüber erfuhr, hat mich fassungslos gemacht (Wundschwamm-Tapete).”

Nach meiner unmaßgeblichen Einschätzung ist wenig, zu wenig, geblieben:

  •  Vom Katalog zur großen Ausstellung, den ein wohlmeinender Rezensent ganz zu Recht „pompös” genannt hat, wird hinter (noch) vorgehaltener Hand baldige Verramschung angekündigt, ein Schicksal, das den vorbildlichen und unerreichten Katalog zur Büchner-Ausstellung 1987 erst nach über 25 Jahren getroffen hat (wobei bemerkt werden soll, dass dies neben der Qualität des Bandes auch der vorbildlichen Autoren- und Titelpflege beim Verlag Stroemfeld zu verdanken ist). Der größte Batzen Geld wurde für die aberwitzige Nutzung eines ungeeigneten Ausstellungsraumes verballert, während die besser geeigneten Ausstellungsräume der Mathildenhöhe angeblich nicht genutzt werden konnten, weil sie eines Tages saniert werden sollen;
  • Das Goddelauer Büchnerhaus sitzt unverändert auf einem Schuldenberg, der durch die uninspirierte neue „Aufenthaltshalle” an Stelle der historischen Scheune größer statt kleiner geworden ist;
  • Die Büchnerbühne, die mit der Dramatisierung von Edschmids Büchner-Roman, Büchners Lenz und nicht zuletzt dem sensationellen multinationalen Danton-Projekt ein Highlight nach dem anderen  präsentierte, muss noch immer unter prekärsten wirtschaftlichen Umständen arbeiten;
  • Die Forschungsstelle Georg Büchner wird „höchstwahrscheinlich nach Würzburg umziehen” (B. Dedner);
  • Die Villa Büchner, für die es weder zu einer Dauerausstellung noch zu einer Präsentation in der „Biennale” gekommen ist, steht leer, ihre Zukunft liegt in den Händen hoffnungs- und inspirationsloser Kommunalpolitiker.

Es bleibt mit ein Rätsel, wieso die Kulturpolitik von Land und Kommunen bereit war, dem Andenken des wohl größten Dichters Hessens (dies ist Büchner um so sicherer, wenn wir den Geheimrat den Thüringern überlassen …) ein paar Millionen zum Event-Verballern zu genehmigen, aber keinerlei Anstalten zur sonst doch so gerne bemühten Nachhaltigkeit gemacht hat.

Um so erfreulicher war es kürzlich für mich, als mir Mahdi Ehsaei eine Mail schickte:

„ … vielleicht interessiert Sie diese audible Internetseite von einem meiner Projekte beim Büchner200 Festival: …¨
Mahdi Ehsaei hatte sich mit zwei Projekten an den Installtionen des Fachbereichs Gestaltung der Hochschule Darmstadt im Umfeld des Hauptbahnhofes beteiligt.
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M. Ehsaeis Installation von Büchnerzitaten im Beet vor dem Darmstädter Hauptbahnhof. Sommer 2013

Das große Blumenbeet hat er mit kleinen Schildern voller Büchnerzitate versehen, die auf den ersten Blick wie botanische Erläuterungen wirkten.

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M. Ehsaeis Installation von Büchnerzitaten im Beet vor dem Darmstädter Hauptbahnhof. Sommer 2013

 

Und im „Königreich Popo”, dem kleinen Gartenidyll (das übrigens auch noch in die obige Auflistung versäumter Nachhaltigkeit gehört…), hat er „sprechende Betonwürfel” mit Dosentelefonen aufgestellt, die auf Knopfdruck zufällige Zitate aus Büchners Werk widergaben.

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„Bluespapa” Reiner Lenz im Juni 2013 an einer von Ehsaeis Hörstationen

Auf seiner Homepage hat er beide Projekte vorgestellt und erläutert, hier die „Listening Station” und hier die Quote Signs.

Seit kurzem hat er eine Website eingerichtet, die analog zu seinen „Stations” auf Knopfdruck ein kleines Stück Büchner liefern. Mindestens einmal täglich sollten Sie in Zukunft dort vorbeisurfen und Büchner „tanken” – es gibt keine bessere Möglichkeit, die Behauptung zu überprüfen, dass sich fast jeder Satz Georg Büchners zum Zitat eignet.

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Screenshot von Ehsaeis Zitate-Website

Ich wünsche Mahdie Ehsaei viel Erfolg bei seinen Arbeiten und seiner audible-Site ein nachhaltiges, langes Leben!

SPeterBrunner

von Peter Brunner

Georg Büchners Grab restauriert

Das „Präsidialdepartement” der Stadt Zürich hat mitgeteilt, dass die Restaurierungsarbeiten an Georg Büchners Grab abgeschlossen sind. Schön, dass das noch vor seinem Todestag am 19. 2. fertig geworden ist. Offenbar ist der oft zitierte Fehler, dass dort Darmstadt als Geburtsort steht, nicht korrigiert worden (dazu müsste ja die inzwischen historische Inschrift geändert werden); vielleicht kann die Gemeinde Riedstadt, deren Ortsteil der korrekte Geburtsort Goddelau heute ist, ja eines Tages erreichen, dass eine Info-Tafel nebenbei die richtigen Daten nennt. Immerhin wird wohl auch in diesem Jahr ein Kranz der Gemeinde aufs Grab gelegt werden.

Bilder vom alten Zustand, im April 2001 noch mit der inzwischen vom Sturm gefällten Linde:

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Georg Büchners Grabstein auf dem „Rigiblick” in Zürich mit der falschen Angabe zum Geburtsort „Darmstadt” (statt richtig „Goddelau”)

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Die Linde über Georg Büchners Grab auf dem Rigiblick über Zürich im April 2001

 

 

 

Hier die Pressemeldung:

Präsidialdepartement

17. Februar 2015

Grab- und Denkmal Georg Büchners nach 140 Jahren restauriert
Das 140 Jahre alte Grab- und Denkmal Georg Büchners an der Germaniastrasse in Zürich-Oberstrass ist fertig restauriert. Mit der Restaurierung ist sichergestellt, dass das Grab- und Denkmal auch in den kommenden Jahrzehnten in würdigem Zustand erhalten bleibt.Georg Büchner, Dramatiker, Revolutionär und Dozent an der Universität Zürich, starb am 19. Februar 1837 in Zürich an Typhus und wurde zwei Tage später im alten Friedhof Krautgarten, an der heutigen Krautgartengasse, beerdigt. Bei der Aufhebung des Friedhofs im Jahr 1875 wurden seine Gebeine auf Wunsch der Gesellschaft deutscher Studierender in Zürich zum Grab- und Denkmal auf dem Germaniahügel in Zürich-Oberstrass überführt, das seither an das Leben und Werk Georg Büchners erinnert.

Der 200. Geburtstag Georg Büchners im Jahr 2013 wurde in Zürich mit zahlreichen kulturellen Veranstaltungen gefeiert. Zudem wurde am Büchner-Grab eine neue Linde gepflanzt. Bei den entsprechenden Vorbereitungen zeigte sich, dass auch das Grab- und Denkmal restaurierungsbedüftig war. Die daraufhin eingeleitete Restaurierung umfasste Büchners Felsengrabmal sowie die gusseiserne Grabeinfriedung. Die kunstvollen Eisenarbeiten, die das Grabmal umschliessen, mussten aus ihrem Sandsteinfundament herausgelöst, zerlegt und in der Werkstatt entrostet und neu verzinkt werden. Gleichzeitig wurden die beschädigten Sandsteinsockel geflickt und die Inschriftenplatte demontiert und gereinigt. Abschliessend wurden die entfernten Stücke wieder an ihre ursprüngliche Position gebracht. Durch die Restaurierung ist sichergestellt, dass das Grab- und Denkmal nach 140 Jahren auch für die nächsten Jahrzehnte in würdigem Zustand erhalten bleibt.

Für den Unterhalt und die Pflege von Denkmälern und Kunst im öffentlichen Raum (KiöR) ist die Arbeitsgruppe Bewirtschaftung mit Vertreterinnen aus der Geschäftsstelle KiöR des Tiefbauamts und der Gartendenkmalpflege von GrünStadt Zürich zuständig. Die Restaurierungsarbeiten wurden im vorliegenden Fall von Grün Stadt Zürich begleitet und finanziert und fachlich von der städtischen Denkmalpflege mitbetreut. Die Arbeiten kosteten rund 13 000 Franken. Das Grab- und Denkmal Georg Büchners ist nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten wieder in die Obhut des Bestattungs- und Friedhofsamts übergegangen.

SPeterBrunner

von Peter Brunner

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