Ich habs gefunden soll Archimedes gerufen haben, als seine Badewanne überlief und er so das Auftriebsprinzip entdeckte.
Mit einer Korrektur und einem erläuternden Schlußsatz vom 6. Oktober für H. B.
Und ich habs gefunden kann ich mit bestem Recht heute ebenfalls sagen, nachdem mir Dr. Wannowius in Darmstadt gezeigt hat, wie Ultramarin hergestellt wird. Seit Frühjahr 1999 ist er neben seinen Aufgaben im Hauptstudium der Lehramtsstudenten für den FB Chemie als Beauftragter für Schulkontakte tätig. Unter dem Logo Chemie für Schüler hat er eine Vielzahl von Veranstaltungen für Schüler und Schülerinnen jeglichen Alters und Begabung wie z. B.: TU Darmstadt unterwegs in Hessen und Studenten experimentieren für Grundschüler ins Leben gerufen und mit Unterstützung des Fachbereichs umgesetzt.
Ein Villabesucher riet mir kürzlich, mich mit ihm in Verbindung zu setzen, als ich wieder einmal darüber klagte, dass ich das oft beschriebene Wunder der Ultramarinherstellung selbst noch nie gesehen habe. Minuten nachdem ich eine erste Mail geschrieben hatte, haben wir schon miteinander telefoniert. Und wenige Tage später rief er mich wieder an, nachdem eine Schülergruppe das von ihm ausgestattete Experiment erfolgreich durchgeführt hatte.
Man braucht nicht mehr als Kaolin, Schwefel, Holzkohle (unter dem Link zum Wikipedia-Eintrag findet sich der interessante Hinweis, dass man früher ein identisches Produkt aus Torf hergestellt hat; vielleicht also auch aus dem Torf aus dem Pfungstädter Moor) und Soda.
Das Aerosil auf dem Bild ist eine moderne Zutat, die die Verarbeitung vereinfacht.
(Aerosil ist reines Siliziumdioxid, aus Siliciumtetrachlorid verdampft und in Hochtemperatur-Flamme mit Wasserstoff und Sauerstoff oxidiert. Die aggregierten amorphen nanogroßen Primärteilchen verleihen freien Materialien eine Art Pulverigkeit.)
Durch Klaus Wannowius´ geduldige und präzise Erläuterung habe ich jetzt verstanden, dass durch die Erhitzung auf fast 800 Grad Celsius in die Gitterstruktur des Tones Schwefelatome so eingebaut werden, dass das berühmte Blau entsteht. Wahrscheinlich bestimmt das Verhältnis von Holzkohle und Schwefel den Farbton, während das aus dem Soda freiwerdende CO2 Sauerstoff fernhält (und was daran hier falsch beschrieben ist, habe ich zu verantworten und falsch verstanden; aber so sehr im Geist der Büchners mehr Wissen mehr bildet, so wenig ist das hier ja auch eine Chemie-Vorlesung.)
Es war mir trotz vollständigem chemischem Kretinismus bereits länger bekannt, dass die Stoffe Ton, Schwefel, Holzkohle und Soda vermahlen und in Tigeln erhitzt werden müssen.
Und das funktioniert wirklich: nach 6 Stunden in 760° ist Ultramarin enstanden:
Schließlich hat mir Dr. Wannowius auch noch weitere Unterstützung zugesagt und seine Bereitschaft versichert, bei Gelegenheit am historischen Ort ein ebenso historisches Experiment durchzuführen: 2011 werden wir auf dem Gelände der Blaufabrik hoffentlich wieder einmal Ultramarin herstellen! Und weil das seine Zeit dauern wird, bietet sich an, gleichzeitig ein Spanferkel an den Spieß zu stecken und den Brennofen anzuheizen – dann kann es sechs Stunden später Blau und Sau geben…
Es war von dem Besitzer die Aufgabe gestellt, auf das Aeussere des Gebäudes nur das dringend Nothwendigste zu verwenden, bei der inneren Ausstattung dagegen mit den Mitteln nicht zu kargen.
(Balthasar Harres, der Architekt der Villa Büchner)
(Text mit einem Nachtrag vom 4.9.10)
1864 kann Wilhelm Büchner seine Villa beziehen – Balthasar Harres (1799 – 1868) hat für ihn geplant, aber Büchner hat massiv in die Planung eingegriffen.
Zur Einweihung des renovierten Hauses Ende Juni kam neben zahlreichen Büchner-Nachfahren auch die Ur-Ur-Enkelin des Architekten – und letzte Woche konnte ich bei ihr zuhause dieses wunderschöne Bild ihres Vorfahren kopieren.
Leider ist der Künstler nicht bekannt, das Bild ist auch nicht signiert. Wir schätzen, dass es Harres im Alter von etwa dreißig Jahren zeigt, also ungefähr 1830 entstand.
1830 ersucht der Architekt Balthasar Harres in Darmstadt um Zulassung zur Prüfung vor der Oberbaudirektion, 1838 ist er Stadtbaumeisterin Darmstadt, 1842 tritt er von diesem Amt zurück. 1842 ist er Lehrer an der Höheren Gewerbeschule zu Darmstadt, 1859 Baurat. Am 4. 8. 1868 wird er auf Nachsuchen pensioniert. Am 16. 8. 1868 stirbt er in Darmstadt. (Zit. nach Hessisches Archiv- Dokumentations- und Informationssystem HADIS)
1844 plant er in Darmstadt das Schulhaus Kapellstraße 5. Im westlichen Flügel findet die Realschule (eine Vorgänger-Einrchtung der heutigen Lichtenbergschule) bis 1872 eine Heimat, während die Mitte und der östliche Flügel der höheren Gewerbeschule (später Technische Hochschule) vorbehalten bleiben.
1862 – 1864, das ist die Zeit, in der auch für Pfungstadt plant, ist er kommissarischer Leiter der Darmstädter Realschule.
Die beiden großen Coburger Archive haben leider mit Fehlanzeige auf meine Frage nach Material über Harres geantwortet; bei Gelegenheit werde ich im Coburger Land seine Bauten besichtigen und fotografieren.
Auf dem Kapellplatz in Darmstadt soll es einen Gedenkstein für ihn gegeben haben, und beerdigt sei er in Bingen (daher stammte seine Frau) – ob dort noch Erinnerungen an ihn vorhanden sind, recherchiere ich noch.
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Nachtrag am 4.9.10
Freundlicherweise hat mir die Familie jetzt auch noch eine Kopie des bekannteren Bildes von Balthasar Harres übermittelt und ich kann es jetzt hier zeigen:
Harres wurde 69 Jahre alt – aber viel mehr, als dass er hier wohl über fünfzig ist, lässt sich kaum sagen.
In den letzten Monaten sind zwei Publikationen erschienen, die sich mit Wilhelm Büchners Zeit vor 1845, dem Beginn seiner Arbeit in Pfungstadt, beschäftigen.
Wilhelm Büchner als Student
Aus Familienbesitz. Repro: Peter Brunner
Ludwig Fertig hat im 42. Band der Geschichtsblätter Kreis Bergstraße (2009, SS. 70 80) über den Bildungsgang des Zwingenberger Apothekerlehrlings Wilhelm Büchner geschrieben, und der Mainzer Manfred Penning schreibt in Mainz Vierteljahresheft für Kultur, Politik, Wirtschaft, Geschichte (Heft 1/2010, SS. 33 42) über Schellack in Mainz.
Fertig stellt zunächst andere Größen vor, die sich mit den studia humaniora schwer taten und die man nicht zu einem Handwerker geben wollte: Theodor Fontane gehört zu ihnen und Justus Liebig, der am Pädagog in Darmstadt ebenso scheiterte wie Wilhelm Büchner (Liebig war allerdings nicht nur ein schlechter Schüler, sondern hatte auch noch ein illegales Feuerwerk abgebrannt). Sein Vater, selbst Drogist und Farbenhändler, förderte dann seine Ausbildung zum Apotheker in Heppenheim, wo er aber wieder keinen Abschluss erwerben konnte, weil ein privates Experiment mit Knallsilber das Apothekengebäude in Mitleidenschaft zog und seine Lehrzeit beendete. Bekanntlich kam er dann durch die besondere Gunst des Großherzogs, der auf ihn aufmerksam geworden war, zum Chemiestudium, zunächst in Bonn.
Von Wilhelm Büchner, der sechzehnjährig das Pädagog verließ, wissen wir aus einem schönen Brief an den Bruder Georg, dass er, nachdem er die Schule verließ, an Vorlesungen teilnahm, die eine Gruppe von Darmstädter Wissenschaftlern auf dem Hofgut Kranichstein abhielt. Fertig verweist zu Recht auf diese bemerkenswerte Einrichtung nicht institutionalisierter Weiterbildung, die später eine der Grundlagen für die höhere Gewerbeschule war, wo dann auch der Bruder Ludwig Büchner 1842 zwischen Schule und Universität seine berufliche und wissenschaftliche Orientierung fand. Wilhelm war offenbar auf der Suche nach dem richtigen Weg – morgens gehe ich noch in die Apotheke schreibt er im erwähnten Brief. Wilhelms Enkel Anton und der Verfasser haben in ihren Arbeiten über Wilhelm diese Tätigkeit in einer Darmstädter Apotheke zu Unrecht eine Lehre genannt der vielleicht passendere Ausdruck Praktikum verbietet sich allerdings für das Jahr 1831. Unbestritten ist Wilhelms Ausbildung bei dem bedeutenden Pharmazeuten Winckler in der Zwingenberger Hofapotheke am Marktplatz (dem heutigen Café Schoko und Wein), die er im November 1834 abschloss. Bis auf den Besuch des Bruders Georg zusammen mit dem Hugenottenforscher Alexis Muston, die im Oktober 1833 auf einer Odenwaldwanderung vorbeikommen, haben wir keine Berichte über Wilhelms Leben in der Lehre. 1835 ist er dann in der Butzbacher Apotheke Georg Seyfrieds angestellt, bis er sich im Wintersemester 1836/37 in Heidelberg zum Studium der Pharmazie immatrikuliert, 1837 kann er schließlich nach einem Briefwechsel seines Vaters mit Justus Liebig bei diesem in Gießen sein Studium fortsetzen. Am 23. März 1838 bescheinigt Liebig dann, Wilhelm habe sich … stets durch unausgesetzten Fleiß und regen Eifer ausgezeichnet.
Ludwig Fertig hat im Koblenzer Bundesarchiv Unterlagen gefunden, die seinen Aufsatz zu einer kleinen Sensation machen: dort liegt der Nachlass des Gießener Universitätskanzlers von Linde, und darin ein Steckbrief für einen Louis Büchner: .. sechs Fuß fünf Zoll groß, blond mit blauen Augen, großer Nase und `gewöhnlichem´ Mund, guten Zähnen, frischen Lippen und frischer Gesichtsfarbe, mit spitzem Kinn und länglichem Gesichtsumriss, von kleiner Statur, mit Schnurr- und Knebelbart. Ohne Zweifel ist dieser Louis unser Wilhelm, der ja wie seine beiden Brüder Ludwig und Alexander auch auf den fürstlichen Darmstädter Vornamen getauft war. Das schöne Bild des jugendlichen Wilhelm in der Pelerine, das bis heute bei seiner Familie aufbewahrt wird und uns erst seit kurzem in Farbe bekannt wurde, zeigt ihn ja (bis auf den „Knebelbart“…) genau so.
Und dann findet Fertig in der Gießener Zusammenstellung der erkannten Strafen von 1838 auch noch eine immerhin sechstägige Karzerstrafe für diesen Louis, der dann auch noch am 23. März für thätliche Beleidigung eines Polizeisoldaten mit dem Consilium abeundi, dem Universitätsverweis, für ein ganzes Jahr bestraft wurde. Zu Recht fragt sich der Autor, ob dies das unfreiwillige Ende einer Forscherkarriere war, die uns bisher doch als strikt auf das Leben eines Unternehmers und Politikers ausgerichtet schien. Immerhin findet sich noch in der Liebig-Biographie Adolph Kohuts von 1904 im illustren Kreis der bedeutenden Liebig-Schüler (unter ihnen Fresenius, Kekulé, Erlenmeyer, Pettenkofer, Muspratt und Sokoloff) auch unser Wilhelm Büchner. Wilhelm Büchner hat sich jedenfalls nach seiner Gießener Zeit und jetzt müssen wir sagen: vielleicht notgedrungen zunächst in der Waschküche des elterlichen Hauses in der Darmstädter Grafenstraße als Fabrikant für gebleichten Schellack niedergelassen.
Auf die folgende Lebenszeit Büchners als Darmstädter Unternehmer wirft der zweite hier besprochene Aufsatz ein neues Licht, und auch hier finden sich wieder überraschende Anknüpfungspunkte. Das erste gefährliche Experiment Justus Liebigs nämlich, von dem wir wissen, war der Eingriff in die Schellack-Bereitung seines Vaters: Liebig öffnete eine verschlossene Blase, in der der Lack über Spiritus erhitzt wurde, und .. sprühend fliegt die heiße Masse aufwärts und auseinander, Haare, Kleider sind vom Schellack überzogen, zum Glück fängt der Spiritus nirgends Feuer, und der Knabe kommt mit einigen Brandwunden davon, während er unrettbar verloren gewesen wäre, wenn der Schellack sich entzündet hätte.
Ausführlich erläutert Penning dieses natürliche Harz (… das harzartige Sekret des winzigen parasitischen Insekts Kerria Lacca, das auf verschiedenen Bäumen und Sträuchern in Indien heimisch ist) und seine Verwendung als Lack. Durch die in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts entwickelte Technik, ihm durch Bleichen die gelbliche bis orangerote Farbe auszutreiben, wurden zahlreiche neue Verwendungen möglich. Wilhelms unternehmerische Tätigkeit beginnt ja nun gerade mit dem Verkauf von gebleichtem Schellack, den die kleine Firma Büchner und Wilkens in Darmstadt wohl als der erste Produzent in Deutschland anbot, und offenbar war er damit so erfolgreich, dass er 1842 auf der ersten Allgemeinen Deutschen Industrieausstellung des Gewerbevereins für das Großherzogtum Hessen im Mainzer Deutschhaus ausstellte.
Dort traf er auf den Mainzer Carl Ludwig Marx, der seit 1834 in einer kleine Fabrik im Römerthal bei Zahlbach (einer früher selbständigen Gemeinde zwischen Mainz und Bretzenheim) Lacke produzierte. Marx gehörte zur Ausstellungskommission. Leider hat Manfred Penning nicht im einzelnen ausgeführt, welche Kontakte zwischen Marx und Büchner zu einer technischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Bleichens von Schellack… führten, aber offenbar begann Marx …mit den von Büchner übernommenen Kenntnissen um 1845 mit dem Bleichen von Schellack im industriellen Maßstab, während Büchner dies mit der Gründung der Pfungstädter Blaufabrik um gleichen Jahr beendete.
Die später sehr bedeutende Lackproduktion in Mainz, die Penning ausführlich vorstellt, hatte also einen uns wohlbekannten Paten: Wilhelm Büchner.
Mittlerweile hat Penning seine Arbeit um einen zweiten Teil zur Lackproduktion erweitert (Mainz 2/2010), ein dritter Teil mit Schwerpunkt auf Verwendung von Schellack für Schallplatten ist für den Herbst angekündigt.