Am 28. November jährt sich Luise Büchners Todestag zum 136. Mal (+ 28.11.1877).
Das Medaillon von L. Federn-Staudinger auf Luise Büchners Grabstein
An diesem Tag lädt die Darmstädter Luise Büchner-Gesellschaft zur Vorstellung der endlich auch auf Deutsch erschienenen Biografie von Cordelia Scharpf (Luise Büchner : Eine evolutionäre Frauenrechtlerin des 19. Jahrhunderts / Cordelia Scharpf. 2013. Bern. Peter Lang) ein.
Agnes Schmidt, die Vorsitzende der Gesellschaft, hat den Band hier im Darmstädter Echo besprochen.
Dabei bietet sich die Gelegenheit, am gleichen Ort vorab an einer Führung durch die Ausstellung über Luise Büchners Leben und Werk teilzunehmen.
Wer bis zu diesem Blog gefunden hat, braucht meist keine Erläuterung mehr über die „anderen“ Büchners, Georg Büchners Geschwister, die hier die Hauptrolle spielen.
Luise Büchners, der wir uns seit zwei Jahren in einer eigenen Gesellschaft widmen, wurde schon vor einigen Jahren in einer kleinen Ausstellung gedacht, die jetzt anlässlich der „Büchner-Biennale“noch einmal gezeigt werden kann. Die Geschwister sollten ja in Darmstadt eigentlich eine zentrale Rolle beim Büchner-Gedenken spielen, Johannes Breckner hat dankenswerterweise heute im Darmstädter Echo darauf hingewiesen, dass dieser Anspruch von der Georg-Büchner-Ausstellung im Darmstadtium nicht eingelöst wird.
Immerhin wird am 12.11. um 16 Uhr durch den Darmstädter Oberbürgermeister Jochen Partsch im Foyer des Liebighauses eine Präsentation von 16 Tafeln über Luise Büchner eröffnet.
Stadtarchiv und Staatsarchiv haben sie um Tafeln zu Mathilde, Wilhelm, Ludwig und Alexander ergänzt. Eingeweihte wird es nicht wundern, dass diese Ergänzungen mehr Fragen aufwerfen als beantworten – denn jedes dieser außerordentlichen Leben ist für sich alleine eine selbständige Ausstellung wert.
Die Ausstellung ist bis zum 14. Dezember bei freien Eintritt geöffnet:
Bei einer Pressekonferenz im Darmstädter Literaturhaus hat der Vorstand der Luise Büchner-Gesellschaft die Frankfurter Journalistin Dr. Julia Voss als Trägerin des Luise-Büchner-Preises für Publizistik 2013 vorgestellt.
Julia Voss wurde 1974 in Frankfurt am Main geboren. In Freiburg, London und Berlin studierte sie Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt am Berliner Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte schloss sie Ende 2005 ihre Promotion in Kunstgeschichte ab, die im Fischer Verlag unter dem Titel „Darwins Bilder. Ansichten der Evolutionstheorie, 1837–1874“ erschienen ist. 2009 erhielt sie den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung für ihre Studie.
Seit Februar 2007 ist sie Redakteurin im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Zusammen mit Niklas Maak leitet sie das Kunstressort.
„In ihren Artikeln zur Kunst- und Wissenschaftsgeschichte beschreibt Julia Voss sach- und fachkundig die Vorurteile gegen die künstlerische Arbeit von Frauen sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart. Sie macht aufmerksam auf Ausstellungen vergessener Künstlerinnen außerhalb des offiziellen Kunstbetriebs und etablierten Kunstinstitutionen. Ihre treffenden Beschreibungen über den gegenwärtigen Kunstmarkt zeigen eine von Männern dominierende Kunstszene, in der die meisten Künstlerinnen nach wie vor benachteiligt werden. Julia Voss beschäftigt sich jedoch nicht nur mit der Diskriminierung von Künstlerinnen, sondern sie beschreibt auch die einseitige Interpretation der Geschlechterverhältnisse in der Geschichte durch männliche Historiker. Auch entlarvt sie stets den verbalen Sexismus in der Alltag- und Wissenschaftssprache.”
lautet die Begründung der Jury, der neben dem Vorstand der Gesellschaft Iris Bachmann, Mitglied des Magistrats der Wissenschaftsstadt Darmstadt, Johannes Breckner, Chef des Feuilletons des Darmstädter Echo und Hans Sarkowicz, Leiter des Ressorts Kultur, Bildung und künstlerisches Wort bei HR 2 angehören.
Mit dem Preis sollen Autorinnen und Autoren ausgezeichnet werden, die in Artikeln oder Büchern die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern in der Gegenwart aufdecken und Wege zu einer geschlechtsgerechten Gesellschaft aufzeigen. Erste Preisträgerin war die Berliner Publizistin Bascha Mika. Durch die Unterstützung des DARMSTÄDTER ECHO, der Stadt Darmstadt und weiterer Darmstädter Institutionen ist der Preis dotiert
mit der Gestaltung einer ganze Zeitungsseite des DARMSTÄDTER ECHO in Abstimmung mit dessen Redaktion sowie mit einer Geldsumme von 2.500 Euro.
Damit soll der Preisträgerin oder dem Preisträger die Möglichkeit eröffnet werden, sich der Öffentlichkeit unabhängig von einem redaktionellen Auftrag vorzustellen.
In einer Feierstunde am 1. Dezember wird Frau Voss den Preis im Darmstädter Literaturhaus entgegennehmen, als Laudatorin spricht die Lüneburger Kunstwissenschaftlerin Prof. Dr. Beate Söntgen. Oberbürgermeister Jochen Partsch spricht ein Grußwort.
Vor zahlreichen Gästen hat der Darmstädter Oberbürgermeister Jochen Partsch Agnes Schmidt, der Vorsitzenden der Luise-Büchner-Gesellschaft, am 23. August die bronzene Verdienstmedaille der Stadt Darmstadt verliehen.
In seiner Ansprache schilderte er ihren Lebenslauf, beginnend mit der Buchhandelslehre, danach dem Studium der ungarischen Sprache und Literaturwissenschaften in Budapest und den Weggang aus Ungarn „der Liebe wegen“ nach Darmstadt, wo sie „Tochter und Sohn zu urteilsfähigen und kritischen Menschen erzog“. Mit dem Böckel-Zitat machte er auf Gemeinsamkeiten zwischen Agnes Schmidt und Caroline Büchner (mit der sie den Geburtstag am 19.8. teilt!) aufmerksam, auch wenn Caroline ein Studium versperrt blieb. Nach der Zeit als Hausfrau und Mutter ging sie neue Wege: im Alter von 47 begann sie das Studium der Soziologie in Darmstadt, gründete den Kranichsteiner Literaturverlag mit, gab dort mehrere Bücher heraus, und „schenkte 1998 Darmstadt die Luise-Büchner-Bibliothek, womit sie einen entscheidenden Schritt dazu tat, die Erinnerung an die bedeutende Darmstädterin zu erhalten. Sie trug dazu bei, in besonderer Weise Alltag und Lebensweg von Frauen in verschiedenen Epochen erfahrbar zu machen; das Entdecken weiblicher Biographien als Vorbilder.“ Konsequent folgte die Gründung der Luise-Büchner-Gesellschaft und – seit 2012 – auch die Verleihung des Luise-Büchner-Preises für Publizistik, dessen erste Verleihung „bei einer sehr eindrucksvollen Feier“ stattfand. Für Darmstadt sind auch die vier Stadtrundgänge „aus Frauensicht“, die sie mitverfasst hat, von hoher Bedeutung.
In einem Leserbrief zur Anbringung einer Plakette, die zwar an Ernst Büchner, aber zu Unrecht nicht an seine bedeutende Frau erinnert, schildert sie Caroline, die ihre Kinder zu aufgeklärten und kritischen Menschen machte und dazu erzog, Frauen und Männer als gleichwertig und gleichberechtigt zu verstehen. Agnes Schmidt „hat stets daran erinnert, dass Frauen in allen Zeiten mindestens die Hälfte beigetragen haben oder, wie bei den Büchners, vermutlich sogar mehr als das“.
Zu dem Wunsch Agnes Schmidts, es solle in Darmstadt endlich eine Schule nach Luise Büchner benannt werden, sagte der OB: „Auf den neuen Konversionsflächen, wenn die neuen Stadtteile entstehen und sie werden entstehen, wird mit einem Viertel, einer Schule oder einer Straße Luise Büchner ein angemessener Platz in unserer Stadt gegeben werden.“
Agnes Schmidt erhalte mit der Plakette eine der höchsten Auszeichnungen der Stadt Darmstadt. Sie wird verliehen an Personen, die sich durch in oder für Darmstadt vollbrachte und über ihre Grenzen hinaus wirkende politische, wissenschaftliche, künstlerische, wirtschaftliche oder andere gemeinnützige Leistung besonders ausgezeichnet und dadurch besonders verdient gemacht haben.
Er schloss „mit Dank für alles für unsere Stadt, die Wissenschaft und die Gleichberechtigung Getane und auf gute Zusammenarbeit auf dem immer noch langen und steinigen Weg zu einer gleichberechtigten Gesellschaft!“
In ihrer knappen Dankesantwort sagte Agnes Schmidt:
„Es gibt in der Geschichte sehr viele Männer, die die Frauenbewegung unterstützt haben, in unserer Stadt sind auch einige, und dazu gehört auch Oberbürgermeister Partsch. … Es geht um die sensiblen Hintergründe, wo in uns selber, in Männern und Frauen, diese 2.000, 5.000 Jahre Geschichte nachwirkt, es ist unglaublich, wie tief in uns drin noch diese Geschlechterdifferenz und die Unterordnung eines Geschlechtes unter das andere noch in unserem Denken und Handeln verankert ist. … Luise Büchner war immer dafür, in den Emanzipationsprozess auch die Männer einzubeziehen, … das kommt vielleicht von der guten Erfahrung und dem Mitlernen mit ihren Brüdern, das hat sie dazu bewegt, immer zu sagen: `wir müssen mit den Männern zusammenarbeiten´ – und sie hat immer hinzugefügt: `die haben das Geld und die haben die Macht´“.
Unnötig zu sagen, dass es uns schon lange überfällig erschien, in Agnes Schmidt eine großartige Autorin, Forscherin, Frauenrechtlerin und – glücklicherweise – gute Freundin zu ehren!
* Aus einem Brief von Eugéne Böckel vom 16. Januar 1836 an Georg Büchner über dessen Mutter Caroline Büchner
Reinhard Pabst hat Reuss’sche Familienforschung betrieben. Die Mutter „unsrer“ Büchners, Caroline Luise, geb. Reuss, hatte Verwandtschaft in der Pfalz – eine Nichte, Tochter ihrer Schwester, Emilie Eberhard, lebte verheiratet mit Heinrich Augustin in Wachenheim. Mit seiner freundlichen Erlaubnis hier ein Beitrag, den die Ludwigshafener Zeitung „Die Rheinpfalz“ am 8. August 2013 veröffentlichte:
War Georg Büchner zu Besuch in Wachenheim?
Unbekannte Verwandtschaftsbeziehungen des Dichters in die Pfalz
Eine kleine „hübsch gelegene Stadt“ inmitten der „angenehmsten Umgebungen von der Welt“: So beschrieb der Dichter August von Platen 1815 Wachenheim an der Haardt auf der Durchreise in seinem Tagebuch. Einige Jahre später könnte auch ein anderer, noch bedeutenderer Literat dort zu Besuch gewesen sein. In Wachenheim wohnte nämlich eine Cousine Georg Büchners (1813-1837), dessen Geburtstag sich am 17. Oktober zum 200. Mal jährt.
„Ich habe Verwandte bei Landau, ihre Einladung und die Erlaubnis, sie zu besuchen“, heißt es in einem Brief Büchners vom Januar 1834 an seine Straßburger Verlobte Wilhelmine Jaeglé. Wer diese Verwandten waren und wo sie lebten, war bislang unbekannt. Recherchen des Literaturdetektivs Reinhard Pabst (Bad Camberg/Hessen) vor allem beim Standesamt Wachenheim förderten überraschende Einzelheiten zutage.
Emilie Eberhard (1807-1848), eine Nichte von Büchners Mutter Caroline, heiratete 1829 den Wachenheimer Kaufmann Heinrich Augustin, Sohn eines praktischen Arzts und Gutsbesitzers. Da ihre Eltern bereits verstorben waren, benötigte (und erhielt) sie dafür eine förmliche „Einwilligung“ ihrer Großmutter Louise Reuß, die im Haus der Büchners in Darmstadt wohnte. Doch nicht nur dieses aufschlussreiche Schriftstück hat sich in einem Archiv erhalten. Wie eng die Beziehungen zwischen den Büchners und ihrer pfälzischen Verwandtschaft waren, ist auch dadurch belegt, dass Familienmitglieder Büchners 1833 und 1836 als Paten und Taufzeugen für Kinder der Augustins fungierten: Ernst – der Vater des Dichters -, Luise und Wilhelm Büchner, zwei seiner Geschwister. Eine Vielzahl von Briefen dürften vor allem zu Georg Büchners Lebzeiten zwischen Darmstadt und Wachenheim gewechselt worden sein. Wenn diese nicht beim Bombardement vom 18. März 1945, bei dem 20 Prozent der Stadt zerstört wurden, oder bei anderer Gelegenheit abhanden kamen, könnten sie noch immer auf einem Dachboden in Wachenheim (oder der Umgebung) schlummern.
„Es wäre eine absolute Sensation“, so Reinhard Pabst, „sollten bei Nachfahren der Familie Augustin oder an anderem Ort tatsächlich Büchner-Dokumente zum Vorschein kommen“. Vor zwanzig Jahren gelang ihm auf einem Dachboden im hessischen Butzbach die Auffindung zweier unbekannter Briefe Georg Büchners, kurz darauf entdeckte er in südfranzösischem Privatbesitz ein eigenhändiges Albumblatt des Dichters. Durch Pabsts Vermittlung sind diese Raritäten heute Eigentum der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen in Frankfurt am Main.
„Vieles spricht dafür“, meint Pabst, „dass Georg Büchner mindestens einmal bei den Verwandten in Wachenheim zu Besuch gewesen ist“. Seine Spurensuche konzentriert sich gegenwärtig neben der Familie Augustin auf Angehörige des Leinenwebers Jacob Reinhardt, der 1851 Luise Büchners Patenkind gleichen Namens ehelichte. Jeder noch so kleine Hinweis, der zur Vervollständigung des Puzzles von Büchners Biographie beiträgt, ist ihm willkommen.