Peter Brunners Buechnerblog

Autor: peter brunner (Seite 75 von 89)

Pfingsten 1849 an der Bergstraße -Allons enfants de la patrie!

Den berühmten „Pfingstausflug“ Alexander Bühners habe ich hier ja schon einmal erwähnt. In seiner ersten Buchveröffentlichung („Gedichte”, Kuhl, Butzbach, 1851) sind dazu die folgenden beiden Gedichte abgedruckt. Ganz anders als in der abgeklärten Rückschau seiner Autobiographie „Das tolle Jahr – Von einem, der nicht mehr toll ist” klingt hier noch die Empathie des jugendlichen Revoutionäres duch jeden Vers. Am 24. Mai 1849 fand im Rahmen der „Reichsverfassungskampagne”  das „Ober Laudenbacher Gefecht” bei Heppenheim statt, und mitten in diesen revolutionären Kriegstrubel hat sich Alexander zusammen mit seiner Schwester Matilde, wohl auch noch mit weiteren Familienmitgliedern, an Pfingsten (27./28. Mai 1849) begeben. Er wird verhaftet, weil man ihn für den Attentäter des erschossenen hessischen Provinzialkommissär Prinz hält und bewacht nach Darmstadt geführt, wo sich das Missverständnis aufklärt – es erging ihm sehr viel besser als mindestens 15 Teilnehmern des Aufstandes, die nach ihrer Verhaftung erst im August 1851 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden.

 

Alexander Büchner:

Pfingstreminiszenzen

 

1849.

 

1.

 

Die schönste Mainacht lau und mild

Liegt träumend über den Gefild,

Und auf die Höhlen und ins Tal

Gießt sich des Mondes Silberstrahl.

 

 

Wachtfeuer lodern hin in Reihn

Am Waldessaum mit düstrem Schein,

Soldaten liegen in tiefer Ruh,

Die Schildwacht schreitet ab und zu.

 

 

Dort naht ein Zug, der Hahn ist auf,

Das Bajonett gepflanzt am Lauf,

So geht es hin, mit raschem Tritt:

Der Zug führt zwei Gefangne mit.

 

 

Zwei Männer, die den Waffentot

Verlachen, der sie oft bedroht,

Und Arm in Arm und fest und kühn

Mit ihren Wächtern weiter ziehn.

 

 

Und durch der Waffen rauhen Klang

Tönt laut und lauter ihr Gesang:

Wer kennt sie nicht, die Melodie?

Allons enfants de la patrie!

 

 

 

2.

 

 

Ich weiß ´ne Stunde, da beim Wein

Ich auf dem Stroh gesessen hab´,

In einer Zelle eng und klein

Und leer und dumpfig, wie das Grab.

 

 

Und neben mir ein andrer saß,

wir wusste manchen lust´gen Sang,

Dieweil das kühle, goldne Naß

Erfrischte seiner Stimme Klang.

 

 

Vor´m Fenster und der Türe stand

Gewehr im Arm der Waechter Schaar

Und staunte, dass in ihrer Hand

Jemand noch froh und lustig war.

 

 

Dir schenk´ ich, armer Söldner, ein,

Wie bist du durstig, müd, verbleicht,

Dort sitzt der Führer Schaar beim Wein,

Die niemals dir ein Glas gereicht!

 

 

Für deiner Herren Übermuth,

Wächst dort die Rebe, reift die Saat,

Du düngst vielleicht mit deinem Blut,

Was niemals dein gehöret hat.

 

 

Die eigne Freiheit sperrst Du ein

Im Kerker, den ihr eng bewacht:

Trink, armer Söldner, trink den Wein,

Den der Gefangne dir gebracht!

„ … wer bei Gesundheit und Kraft nicht arbeiten wollte, würde das volle Recht erwerben, ohne Bemitleidung oder Hülfe von Seiten der Gesellschaft zu verhungern oder zu Grunde zu gehen.” (Ludwig Büchner)

Unter der Signatur LA A 7416 liegt im Coburger Staatsarchiv ein Konvolut von Akten mit Korrespondenz zwischen dem hier bereits erwähnten Coburger Fürsten Ernst II. und Ludwig Büchner.

Das Coburger Staatsarchiv

 

Darin findet sich der Entwurf eines Schreibens von Ernst II. an Bismarck vom 13. November 1880, in dem er dem Reichskanzler eine „kleine Abhandlung“ Ludwig Büchners empfiehlt. Am 28. Dezember 1880 bedankt sich in einem dort ebenfalls vorliegenden Schreiben Büchner für die Übermittlung an Bismarck und übersendet ein Manuskript mit dem Titel „Übernahme des Lebens-Versicherungs-Wesens durch den Staat“. Diesem Schreiben liegt ein zweiunddreißigseitiges handschriftliches Manuskript in drei Bögen mit diesem Titel bei. Im zweiten Band von Ludwig Büchners „Aus Natur und Wissenschaft“ von 1884 ist ein Text mit diesem Titel auf neun Seiten abgedruckt. Ich habe diesen bisher nur im Frakturdruck vorliegenden Text transkribiert (übrigens indem ich den Text meinem Computer und der Software Dragon Naturally Speaking mit überraschend gutem Ergebnis vorgelesen habe) und stelle ihn hier im Rahmen der gelegentlichen Veröffentlichung von Originaltexten der Büchners gerne zum allgemeinen Gebrauch zur Verfügung.

 Leider haben die unsäglichen Nutzungs- und Kopiervorschriften der bayerischen Archive unmöglich gemacht, dass ich das Manuskript mit meiner eigenen Kamera, selbstverständlich berührungslos und ohne Blitz, kopieren konnte. Auch die durchaus interessanten weiteren Briefe im Konvolut konnte ich nur oberflächlich lesen. Auf den erheblichen organisatorischen und finanziellen Aufwand, mir von den Fachkräften des Archivs die Kopiearbeit als Dienstleistung zu erbitten und zu bezahlen, habe ich zunächst verzichtet.

 Völlig zu Recht verweist der verdiente Klaus Graf auf archivalia immer wieder auf diese unzeitgemäßen, alleine durch Selbstherrlichkeit und Ignoranz zu begründende Nutzungseinschränkungen hin. Archivalien müssen selbstverständlich auf das sorgfältigste vor jeder Beschädigung bewahrt werden, schränkt man ihre Nutzung aber über diese Bedingungen hinaus ein, so wird damit der Zweck des Archivierens ad absurdum geführt: auch das besterhaltendste Archivgut dient ja immer nur dem Sinn, genutzt zu werden und möglicherweise neue Erkenntnisse zu verschaffen.

 

 

SCHELLACK IN MAINZ UND WILHELM BÜCHNER

Über Wilhelm Büchners Verbindungen nach Mainz und die Bedeutung seiner Erfindung, Schellack zu bleichen, habe ich hier bereits vor einiger Zeit geschrieben.

Reklamebild Marx-Lacke

Letzte Woche war ich zur Eröffnung der großen Schellack-Ausstellung auf der Mainzer Zitadelle eingeladen, und ich kann nur allen Leser/inn/en empfehlen, sich diese gut gemachte Präsentation anzusehen.

Manfred Penning bei der Ausstellungseröffnung auf der Mainzer Zitadelle

Der Iniator der Ausstellung, Manfed Penning,  hat für die Sypathisanten von BÜCHNERLAND eine Sonderführung mit besonderem Schwerpunkt auf Büchners Anteil an der Entwicklung der Mainzer Lackindustrie angeboten  – wann und wie das stattfinden kann, veröffentliche ich in Kürze hier; Interessent/inn/en dürfen sich gerne schon jetzt via Kommentar oder Mail melden.

Mehr über Balthasar Harres

Am vergangenen Wochenende (4. / 5. Juni 2011) war ich, wie schon seit einiger Zeit angekündigt, in Coburg auf den Spuren von Balthasar Harres und konnte durch liebenswürdiges Entgegenkommen der Immobilienbesitzer gute Einblicke in das Werk von Harres bekommen. Bei Gelegenheit hier mehr dazu, voraussichtlich zeigen wir auch am Tag des offenen Denkmals am 18. September weitere Informationen zu Balthasar Harres in der Villa Büchner.

Außerdem fand ich zu Ludwig Büchners Verbindung zum „Helden der Seeschlacht zu Pferde”, dem Coburger Fürsten Ernst II., interessante Informationen. Auch dazu demnächst mehr.

Hier nur mal ein erster Eindruck von den Bauten – mir scheint, dass Harres Schloss Hohenfels als Vorbild für die deutlich kleinere Pfungstädter Villa nahm. Jedenfalls muss jeder, der die Coburger Bauten kennt, den Architekten in Pfungstadt wiedererkennen.

Harresbauten

„Kraft und Stoff” in seiner natürlichen Bedeutung betrachtet

Schon lange weiß ich, dass vor 1863 ein Kochbuch mit diesem Titel erschienen ist* – heute habe ich endlich eines in die Hände bekommen:

 

Wider Erwarten gibt es nicht den geringsten Bezug auf Ludwig Büchners Kraft und Stoff, obwohl völlig außer Frage steht, dass der Titel dieses seit 1855 höchst erfolgreichen Buches mindestens dem Verlag bekannt war.

Ich habe meine Spaß an dem Buch, und wenn´s hier keine heftigen Widersprüche gibt, will ich versuchen, in den nächsten Monaten jeweils zu Beginn die saisonalen Lebensmittelempfehlungen zu veröffentlichen, die Frau Böttcher der staunenden Leserin damals machte.

Hier also die Einkaufs- und Essensliste für den Juni 1882:

Essensliste fuer Juni

* Die früheste Auflage, die ich nachweisen kann ist:
Böttcher, Charlotte:Kraft und Stoff oder Deutsches Universal – Kochbuch, umfassend die ganze Praxis der Küche sowohl für die feinste Tafel, wie den einfachsten bürgerlichen Hausstand in den sorgfältigsten Unterweisungen, mehreren Tausenden ausgeprüfter Recepte. Ein gründliches Lehr-, vollständiges Hand- und unentbehrliches Hülfsbuch für die werdende und schon ausgebildete Köchin oder Hausfrau.Berlin, Schneider/ Wien, Prandel & Ewald/ Hamburg, Richter, 1863.  2. Auflage, XXXII, 1214 S.)

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