Es ist längst bewiesen und steht außer jeder Frage: die Namensgleichheit von Mary Shelleys Menschenschöpfer mit der Burg über der Bergstraße ist zufällig und ohne jede Bedeutung. Die Frage danach allerdings, was aus der Anhäufung von Zellen menschliches Leben macht, wie sich das organisch Entstandene vom künstlich Geschaffenen unterscheidet und welche Grenzen technischer und ethischer Natur auf dem Weg zur künstlichen Zeugung zu überwinden sind, ist auch im Schatten von Burg Frankenstein immer wieder bedacht worden.

Fritz Buechner: Der Frankenstein. Aquarell. Ca. 1925.
(Fritz Büchner war ein Großneffe Georg Büchners, Enkel seines Bruders Wilhelm)

Aus zwei unterschiedlichen Perspektiven richten Büchnerhaus und Luise-Büchner-Gesellschaft in den nächsten Wochen den Blick daher nicht auf den Berg, sondern auf Frankenstein, den modernen Prometheus:

Im Büchnerhaus spricht Professor Dr. Rudolf Drux am 1. März unter dem Titel

„Im Labor des Lebens oder Frankenstein als der moderne Prometheus“

Georg Büchner hat das Thema des künstlichen Menschen in Leonce und Lena aufgegriffen; so weit, das schließlich Automaten sogar „in effigie“, stellvertretend, die Ehe schließen.

Die Gestalt des künstlichen Menschen ist längst aus den Phantasien schreibender und bildender Künstler herausgetreten. Shelleys Frankenstein und Goethes Homunculus entstehen im Labor, aber das heute Machbare übertrifft ihre wildesten Phantasien.

Nicht in der Werkstatt des Künstlers oder in den Werkshallen der Industriebetriebe ist Prometheus anzutreffen, sondern er dürfte heute wohl am ehesten in den Labors der Biotechnologen und Reproduktionsmediziner zu finden sein. Dort werden spezifische menschliche Fähigkeiten technisch nachgebildet und menschliches Leben manipuliert. Diese Entwicklung haben Mary Shelley im Frankenstein (1818) und übrigens auch Goethe in der Homunculus-Szene aus Faust II (1832) literarisch vorweggenommen.

 

Professor Drux war von 1992 bis 1996 Professor für Deutsche Literatur und Kulturwissenschaft an der TH Darmstadt, heute ist er C4-Professor für deutsche Literaturgeschichte an der Universität zu Köln. Das Mitglied der Georg-Büchner-Gesellschaft forscht zu Deutscher Dichtung von der Frühen Neuzeit bis zum Vormärz, Literatur in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Motiv- und Stoffgeschichte, historischer Metaphorik (bes. literatur- und technikgeschichtliche Interferenzen), Gattungspoetik (Kasualpoesie, Satire, Nachtstücke, experimentelle Lyrik) und Intermedialität (Wechselbeziehungen zwischen Literatur, Musik und Film).

 

 

Der Benefizvortrag zugunsten des Fördervereins Büchnerhaus findet am

Donnerstag. 1. März um 19 Uhr in Riedstadt-Goddelau, Weidstraße 9 statt. Eintritt 7 €

Seit dem 10. Dezember fährt die Buslinie 40 als „Büchnerlinie“; sie verbindet komfortabel den Hauptbahnhof Darmstadt mit dem Büchnerhaus (Station Goddelau-Rathaus). Hier der link zum aktuellen Fahrplan.

 

 

Am Donnerstag, dem 24. Mai, widmet sich die Luise-Büchner-Preisträgerin Barbara Sichtermann der Biografie der Autorin des „Frankenstein“:

Mary Shelley – Leben und Leidenschaften der Schöpferin des Frankenstein

 

 

Barbara Sichtermann, Autorin zahlreicher Bücher über Frauen, erzählt in ihrer Romanbiografie die spannende Geschichte einer inspirierenden, emanzipierten und starken Frau, die für die Liebe große Risiken eingeht und selbstbewusst ihren Traum vom Schreiben verfolgt.

 

 

 

 

Darmstadt, 24.5., 19 Uhr,  Literaturhaus, Kasinostraße 3
Eintritt: 6 Euro, für Mitglieder der Luise-Büchner-Gesellschaft frei.

 

 

* Büchner, Leonce und Lena, III,3

von Peter Brunner

 

Peter Brunner

Peter Brunner