Peter Brunners Buechnerblog

Monat: April 2015

Geboren am 20. April

Ein Grabstein für Mathilde Büchner!

Die zweite unter den Büchner-Geschwistern ist Mathilde, geboren am 20. April 1815, also vor genau 200 Jahren. Anders als für ihren berühmten Bruder Georg sind für sie keine besonderen Feierlichkeiten oder Hommagen geplant. Kein Preis trägt ihren Namen, und sie wird nur noch erwähnt, wenn eigentlich die Rede von einem ihrer Geschwister ist.

 

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Mathilde Büchner (20. 4. 1815 – 30. 8. 1888)

 

Dass sie Mitbegründerin des Darmstädter Hausfrauenbundes war, ist eine Erinnerung wert und wirft ein interessantes Licht auf die gesellschaftlichen Lebensumstände, unter denen sie lebte. Dass wir in verstreuten Archiven ihr Bild und einen Brief von ihr gefunden haben und dass sie Patin einer Nichte in Pfungstadt wurde, sind kleine Teile zu einem für immer Fragment bleibenden Puzzle. „Edel”, „aufopfernd” und „mit Felsencharakter” nennt sie der Bruder Alexander.

Leider gibt es für Mathilde Büchner heute noch nicht einmal einen Grabstein, obwohl der Ort ihrer Bestattung dokumentiert und gut gepflegt erhalten ist. Sie wurde nach ihrem Tod am 30. August 1888 auf dem Darmstädter Familiengrab der Büchners, neben ihren Eltern Caroline und Ernst und der 1877 verstorbenen Schwester Luise, begraben.

 

 

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Das Familiengrab der Büchners mit dem Obelisk für Luise

Das Medaillon auf Luise Büchners Grabstein schuf die Künstlerin Luise Federn-Staudinger. Als das (nachträglich) dort angebracht wurde, drehte man den Stein, auf dessen heutiger Rückseite sich eine Aussparung für die dort ursprünglich aufgestellte Portraitbüste Luise Büchners befindet. Diese Büste befindet sich heute im Darmstädter Stadtarchiv.

 

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Der Grabstein für den Vater Ernst Büchner

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Der Grabstein für die Mutter Caroline, geb. Reuß

 

 

Später ließ Anton Büchner, der Enkel Wilhelm Büchners, noch seine Mutter Mary (geb. von Ferber) und seinen Vater Ernst, die 1925 in Darmstadt starben, dort bestatten.

 

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Gedenkstein für Mary Büchner, geb. von Ferber, und ihren Mann Ernst Büchner, Wilhelm Büchners Sohn

 

Die Darmstädter Luise Büchner-Gesellschaft hat sich vorgenommen, zur Erinnerung für die Aufstellung eines Grabsteins für Mathilde Büchner zu sorgen. Nach Rücksprache mit Friedhofsamt, Denkmalsamt und Stadtarchiv in Darmstadt sowie der Steinmetzmeisterin Ruth Andres soll der Stein die gleiche Form und Größe haben wie die beiden, die für ihre Eltern gesetzt wurden.

Geplant ist die Setzung im Jahr ihres 200. Geburtstages, an ihrem 127. Todestag, dem 30. August. Ein solcher Stein wird etwa 2.000 Euro kosten. Aus Eigenmitteln hat der Vorstand bis zu 500 Euro freigegeben, weitere 500 Euro hat ein Nachfahre zugesagt.

Für Zuspenden ist das Konto DE94 5089 0000 0005 6730 11 der Luise Büchner-Gesellschaft e.V. eingerichtet; Überweisungen sind bitte mit dem Vermerk „Mathilde” zu versehen, steuerlich anrechnungsfähige Spendenquittungen können erteilt werden. 

 

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von Peter Brunner

Sieg! – Ausrufezeichen. Sieg? – Fragezeichen. Sieg: – Doppelpunkt.

Aus naheliegenden Gründen habe ich grade mal über Günter Grass‘ Büchnerpreis 1965 (!) nachgelesen.

Sein Laudator Kasimir Edschmid sagte, angesichts dessen, was seit der Todesnachricht zu lesen und zu hören ist, mit erschreckender Aktualität:

„… ich gehöre zu den Bewunderern dessen, was die Meute Ihnen gemeinhin vorwirft – bis fast ins Detail, auch wenn ich diese Details der Harmonie des Ganzen oft nicht entsprechend finde. Ich verwechsele dabei nicht Ihre Popularität mit der Qualität des Geschriebenen. Das sind verschiedene Aspekte und haben nichts miteinander zu tun. Aber ich möchte betonen, daß ich die Angriffe auf Ihre Bücher zum Teil beschämend niedrig fixiert und die Gestalten Ihrer Feinde und deren Taktik erbärmlich finde. Andererseits distanziere ich mich gern von gewissen Hymnen, die Ihnen dargebracht werden und die ich für Automatenmusik halte.”

Grass spricht, unmittelbar nach dem erneuten Scheitern der Sozialdemokratie unter Willy Brandt, die Mehrheit im Bundestag zu erobern, mit Verve über sein Engagement und schließt:

„Meine Damen und Herren! Anfangs versprach ich, Bilanz zu ziehen. Der Anlaß dieser Rede gab mir die Möglichkeit, mit Georg Büchner die deutsche Emigration zu ehren. Wenn unsere Jugend nicht lernt, sie als gewichtigen und oft besseren Teil unserer Geistesgeschichte zu werten, wenn, wie heute, abermals zu befürchten ist, daß uns der Geist und die Künste, zum wievielten Male, emigrieren, dann wird es an der Zeit sein, unsere Nachbarn zu warnen: Gebt acht, ihr Tschechen, Polen, Holländer und Franzosen: die Deutschen sind wieder zum Fürchten! – Soll so die Bilanz schließen? Es wollen noch einige Zahlen für sich sprechen. Doch wenn es in Georg Büchners »Hessischem Landboten« darum geht, den getretenen Bauern vorzurechnen, wie im Großherzogtum Hessen mit ihren Steuergulden umgegangen wird, wenn Büchner die über sechs Millionen Gulden den »Blutzehnten« nennt, »der vom Leib des Volkes genommen wird«, dann fällt es mir schwer, die bemessenen Erfolge meiner zwei Wahlreisen auf Heller und Pfennig abzurechnen. Wir konnten nur Akzente setzen und – alles in allem – das Selbstverständliche tun. Ich danke den Schriftstellern Siegfried Lenz, Paul Schallück, Max von der Grün und dem Komponisten Hans Werner Henze, die »selbstverständlich!« sagten, als ich sie bat, zur Wahl zu sprechen. Wenn also diese Rede einen Titel haben soll, dann mag sie heißen: Rede über das Selbstverständliche. Den Mund aufmachen – der Vernunft das Wort reden – die Verleumder beim Namen nennen. Wird es morgen schon selbstverständlich werden, das Selbstverständliche und seinen Sieg vorbereiten? Sieg! – Ausrufezeichen. Sieg? – Fragezeichen. Sieg: – Doppelpunkt.”

Die vollständigen Texte zum Büchnerpreis 1965 (und zu allen anderen Preisträgerinnen seit 1951!) finden sich auf der sehr schön neu gestalteten Site der Akademie für Sprache und Dichtung.

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von Peter Brunner

Das erste Mal, dass sich eine literarische Quelle als Geldquelle erweist

Dass das hessische Ried erhebliche Vorräte an Erdöl und Erdgas birgt, ist lange bekannt. Dass Büchner einen Hinweis auf diesen Schatz in seinem Werk versteckte, konnte erst jetzt nachgewiesen werden.

Georg Büchner wurde bekanntlich 1813 in Goddelau geboren. Dass die Familie anschließend 1815/16 bis zum Umzug nach Darmstadt in Stockstadt wohnte, ist dagegen kaum bekannt. Dorthin zurück führen wohl Georg Büchners früheste Kindheitserinnerungen, und auch in späteren Jahren hat es sicher Besuche der Büchners am Rhein gegeben. Der Bau des Rheindurchbruchs am Kühkopf zwischen 1826 und 1828 war sicher Thema bei den Büchners, und wahrscheinlich ist der Vater Ernst Büchner mit den Kindern dort gewesen, um die Arbeiten für den Durchstich, der die Rheinfahrt verkürzte und Stockstadt seinen Hafen verlieren ließ, zu besichtigen.

Im Werk Büchners versteckt sich ein Hinweis, der jetzt durch die intensive Zusammenarbeit von örtlichen Geologen und Literaturwissenschaftlern fruchtbar gemacht werden konnte.

In der „Handschrift 2” von Büchners Fragment Woyzeck findet sich gleich zu Beginn eine Szene, die nach intensivem Quellenstudium einem konkreten Ort, dem Schwarzbach zwischen Goddelau und Stockstadt,  („Freies Feld. Die Stadt in der Ferne”) zugeschrieben werden konnte:

Woyzeck. Ja Andres, das ist er der Platz ist verflucht. Siehst du den leichten Streif, da über das Gras hin, wo die Schwämme so nachwachsen da rollt Abends der Kopf, es h[o]b ihn einmal einer auf, er meint es sey ein Igel, 3 Tage und 2 Nächte nur das Zeichen, und er war todt. (Leise) Das waren die Freimaurer, ich hab’ es haus.

Andres. Es wird finster, fast macht Ihr einem Angst. (er singt)

Woyzeck (Faßt ihn an). Hörst du’s Andres? Hörst du’s es geht! neben uns, unter uns, Fort, die Erde schwankt unter unsern Sohlen. Die Freimaurer! Wie sie wühlen!

(Er reißt ihn mit sich)

Andres. Laßt mich! Seyd Ihr toll! Teufel.

Woyzeck. [B]ist du ein Maulwurf, sind deine Ohren voller Staub? Hörst du das fürchterliche Getös am Himmel, Ueber der Stadt, Alles Gluth! Sieh nicht hinter dich. Wie es herauffliegt, und Alles daunter

Louise. Was hast du Franz, du siehst so verstört?

Woyzeck. pst! still! Ich hab’s aus! Die Freimaurer! Es war ein fürchterliches Getös am Himmel und Alles in Gluth! Ich bin viel auf der Spur! sehr viel!

Der Bezug auf die Freimaurer wurde bisher stets als Symbol für die heimlichen, verschwörerischen Kräfte gedeutet, von denen sich der verwirrte Woyzeck verfolgt sieht. In der Tat aber hat Büchner einen ganz handfesten Hinweis in seinem Werk versteckt, der jetzt entschlüsselt werden konnte.

Büchner bedient sich eines zu seiner Zeit weitverbreiteten Verschlüsselungscodes, bei dem jeder zweite Buchstabe eines Wortes ersetzt wird. Aus den ersten drei Buchstaben von „Freimaurer“ ergibt die Entschlüsselung – E r d ! (erster Buchstabe F -1=E, zweiter Buchstabe unverändert R, dritter Buchstabe E-1=D). Das elektrisierte die Forscher, die auf der Spur nach ausbeutbaren Schätzen jeder Art seit Jahren Handschriften und Bodenfunde analysieren.

Den Ort „wo die Schwämme so nachwachsen”, gibt es zwischen Riedstadt und Goddelau, und da kam Ortskenntnis der detektivischen Suche zu Hilfe. „Am Schwarzbach haben wir immer die besten Steinpilze gefunden” kommentiert Margarete M., erfahrene Kräutersammlerin und die beste Kennerin der sumpfigen Umgebung ihres Heimatortes Stockstadt. Dass „Am Schwarzbach” auch als mittelalterlicher Hinrichtungsort bekannt ist, konnte Markus Zwittmaier, ortskundiger Forscher aus Trebur und verdienstvoller Blogger von „Tribur. Geschichte und so Zeugs”, sicher bestätigen: „da rollt abends der Kopf” heißt es bei Büchner, und die Treburer Ortschronik berichtet für die Jahre 1214, 1338 und 1467 von Urteilsvollstreckungen mittels Handbeil „an dem swarzen Bace uff Stochstett”. Damit war die Indiziensuche vollständig, und „wir wagen es” entschied Dr. Michael Suana, Geschäftsführer der Rhein Petroleum GmbH (Heidelberg) „wir sind ja geradezu verpflichtet, dem Hinweis des berühmtesten Bürgers der Gegend zu folgen”. Traditionsbewusst wurde die erste Bohrung an Büchners Geburtstag, dem 17. Oktober 2014, am Riedstädter Schwarzbach niedergebracht. Und tatsächlich stießen die mutigen Probebohrungen der Prospektoren jetzt auf einen reichen Vorrat hochwertigen Erdöls, über den nicht nur die lokale Presse, sonder auch überregionale Medien berichten. „Nach einem Namen für de Quelle mussten wir nicht mehr suchen” so Suana weiter, ”die wird natürlich Georg Büchner heißen”. Burghard Dedner, Doyen der Büchnerforschung, kommentierte „dies ist das erste Mal, dass sich eine literarische Quelle auch als Geldquelle erweist“. 

Eine Arbeitsgruppe, zu der jetzt auch die Mitglieder der Georg Büchner-Gesellschaft hinzugezogen werden soll, wird sich unter diesem ganz neuem Aspekt noch einmal gründlich des Werkes des großen Goddelauers annehmen „Mit diesen Kennern, die in der Vergangenheit ja schon mutig genug waren, bei einer Bildzuschreibung herkömmliche Methoden der Wissenschaft über Bord zu werfen und frei zu spekulieren, erhoffen wir uns noch weitere geldwerte Hinweise aus dem Werk unseres Landsmannes Büchner, der uns bisher ja immer nur Geld gekostet hat”, so Werner Amendt, der Bürgermeister Riedstadts. „Auch den nächsten Fund erhoffe ich mir auf unserer Gemarkung; vielleicht kannte Büchner ja den Ort, wo Hagen den Nibelungenschatz versenkte”. Seit den Stockstädter Funden ist jedenfalls unwiderlegbar, wie wertvoll eine historisch-kritische Werkausgabe für praktische Anwendungen werden kann.