„Kräfte lassen sich nicht mitteilen, sondern nur wecken“
Mit dieser etwas kryptischen Bemerkung hat der hessische Ministerpräsident sein staunendes Volk in das neue Jahr entlassen – das muss klug und wichtig sein, denn es sei von Georg Büchner.
Isses aber nich!
Mal wieder ist wer dem Blick des 19. Jahrhunderts erlegen: da gab es einen anderen berühmten Büchner, und der hat gerne immer mal kryptische Bemerkungen ohne große Aussage gemacht. Der Satz steht in Ludwig Büchners „Kraft und Stoff“!
L. Büchner: Kraft und Stoff. 4. Aufl., 1856. Frankfurt. Meidinger.
In der zu Recht häufig zitierten (21.) Ausgabe von 1904 findet sich das Zitat nicht mehr.
Zur Entschuldigung der Redenschreiber kann ich mitteilen, dass ich den Satz bei oberflächlicher Suche im Netz in der Tat etwa zu 30 % Georg Büchner zugeschrieben fand – unter anderem beim Darmstädter Echo. Außerdem ist es – aber auch das ist ja sehr büchnerisch – „nur“ ein Zitat des niederländischen Biochemikers Gerardus Johannes Mulder.
Schön, dass sich dieser Hinweis darauf, dass auch die „anderen Büchers“ einen zweiten Blick, Recherche und Aufmerksamkeit verdienen, ausgerechnet in der Neujahrsansprache findet – noch schöner wäre es, wenn das als Ansporn dazu verstanden würde.
edit: Inzwischen hat mich der fleißige „Literaturdetektiv“ Reinhard Pabst darauf aufmerksam gemacht, dass sich das Zitat bereits in einer Veröffentlichung von 1853 findet, nämlich in einer ausführlichen Abhandlung Julius Frauenstädt s in den „Blätter für literarische Unterhaltung” vom Januar 1853 (S. 30) unter „Naturwissenschaftliches. Streit der chemisch-physikalischen und der teleologischen Schule“. Seine Ansicht, Ludwig Büchner habe Mulder nicht gelesen, sondern nur diesen Artikel, teile ich (noch) nicht.
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