Mit großer Besetzung fand am Mittwoch die Pressekonferenz zur bevorstehenden Ausstellung „Georg Büchner- Revolutionär mit Feder und Skalpell“ im Darmstädter Kongreßzentrum „Darmstadtium“ statt.

 

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Das „Panel" der Pressekonferenz 
(Klick auf Bild öffnet neues Fenster mit großem Bild, auf dem die Namensschilder lesbar werden)

Der Darmstädter Oberbürgermeister Jochen Partsch erwähnte zutreffend, dass unsicher bleiben muss, ob sich Georg Büchner ausgerechnet in dem doch eher palast- als hüttenartigen Neubau angemessen untergebracht gefühlt hätte. Bevor das Anwesende fälschlich als Kritik an dem in Darmstadt nicht unumstrittenen Bau interpretieren konnten, kriegte er grade noch die Kurve mit einer  Volte zu neuen Zeiten und demokratischen, jedenfalls demokratischeren, Zugängen zu solchen Gebäuden heute gegenüber 1830.

Angeführt von Ralf Beil, der seine Euphorie kaum verbergen konnte und von nun an für etwa 2 Stunden nicht mehr aufhörte, seine Installationen, Präsentationen und Interpretationen vorzuführen und zu erläutern, konnte schließlich der angekündigte erste Blick in die Ausstellung geworfen werden.

 

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Das „Familienzimmer", rechts die eigens angefertigte Tapete, die als Motiv in launigem Wechsel 
die überlieferte Haarlocke Büchners und den „Blutschwamm" aus einer der medizinischen Veröffentlichungen 
des Vaters Ernst Büchner zeigt. (Nicht nur, dass unsereiner vor einer solchen Tapete lieber nicht 
frühstücken würde, sondern auch, dass sich ein solcher Wandschmuck bei Büchners schwerlich hätte finden lassen,
schafft hierzu beim Autor eine gewisse Distanz)

 

Anlässlich Dr. Beils Vortrag in der BüchnerBox habe ich hier ja ein Modell der Ausstellung zeigen können, wie dort angekündigt, findet sich der Besucher zunächst im Familienzimmer der Büchners, auf dem Tisch aufgeschlagen Titel, deren Lektüre im Hause Büchner (den Häusern Büchner, wie hier in Kürze noch einmal erläutert werden wird) gesichert ist. Es ist ja schon lange bekannt, dass der (durchaus nicht nur vom Autor) geäußerte Wunsch, den Schwerpunkt dieser ja doch immerhin zweiten Büchner-Ausstellung auf Familie und persönliches Umfeld zu legen, nicht erfüllt wird. Dass das aber so konsequent nicht geschieht, dass sich selbst im Familienzimmer kein einziges Bild von Vorfahren, Eltern, Geschwistern, geschweige denn von Nachfahren findet, verblüfft dann doch.

 

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Beil mit Druckerpresse                                       OB mit Guillotine                                 Museumsdirektor Jülich mit der Schönhintrigen

 

Mit den Abteilungen Landbote, französische Revolution, Straßburg, Leonce und Lena, Naturwissenschaften, einem „Lenz-Tunnel“ und einer medizinisch-naturwissenschaftlichen Abteilung vollzieht Beils Präsentation die wesentlichen Lebensstationen Büchners nach, die vor dem Guckkasten des Züricher Sterbezimmers endet. Außergewöhnlich und noch nie gesehen ist dabei die filmische Rekonstruktion von Büchners Barben-Sezierung, bei der mich zunächst die überraschende Größe des Fisches verblüfft hat. Professor Hagner hat ja bei der Veranstaltung von Literaturland Hessen im Senckenbergmuseum darauf hingewiesen, wie außerordentlich sorgfältig und kenntnisreich Büchner diese Arbeit vorgenommen hat. Er sprach davon, dass kaum ein heutiger Student imstande sei, derart akribisch zu arbeiten und zu dokumentieren, um so weniger mit den bescheidenen Mitteln und unter den Umständen, unter denen Büchner arbeiten musste – ohne Mikroskop und künstliches Licht, im Studierzimmer statt im Labor, buchstäblich auf dem kaum vom Frühstück freigeräumten Arbeitstisch. Hier jedenfalls kann das Experiment in Großaufnahme nachvollzogen werden – Chapeau zu diesem Coup!

An Büchner-Zimelien ist alles versammelt, was Rang und Namen hat oder haben möchte: Handschriften aus Weimar und aus dem Besitz der Sparkassen-Kulturstiftung, die kürzlich sensationell wieder aufgetauchten Muston-Portraits,  das immer wieder zitierte „Emmaus-Bild“ von Savoys aus dem Landesmuseum, sämtliche Erstdrucke vom Landboten bis zur Dissertation und natürlich auch das umstrittene „Korsaren-Portrait“.

Geplant ist, dass die Besucher die Ausstellung mit Audio-Guide besuchen, den der wunderbare Max von Pufendorf, der ja schon 2008 und 2012 für uns in Pfungstadt und Darmstadt Büchner las, besprach.

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Woyzeck und Doktor. Marionetten aus der Inszenierung der Handspring Puppet Company

Am Ende findet sich noch ein kleiner Raum mit Informationen zur „Nachwirkung“, die aus Platzgründen auf einige Woyzeck-Inszenierungen beschränkt sind.

 

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 Der gewissenhafte Autor nach erster Augenscheinnahme

Für ein Fazit ist es sicher noch zu früh. Nur soviel schon hier: Ralf Beil ist eine schlüssige, nachvollziehbar inszenierte und im positiven Sinn pädagogische Präsentation von Leben und Werk Georg Büchners gelungen. Manche nicht unmittelbar „büchnersche“ Ausstellungsstücke wie eine Caspar David Friedrich Landschaft zum Woyzeck (Ried und Weiden) oder Géricaults „Floß der Medusa“ zur Guillotine sind freie Interpretation, bei denen ich mir als erläuternden Zusatz ein „Ich stelle mir vor“ oder „dazu fällt mir ein“ wünschen würde. Dass die mitkuratierende Marburger Forschungsstelle und ihr gerade fertiggestelltes Editionswerk nicht vorkommt, verblüfft. Dass die Georg-Büchner-Gesellschaft nicht vorkommt, war Eingeweihten schon bei den ersten Ankündigungen des Ausstellungsprojektes aufgefallen. Diese Eingeweihten hatten sich allerdings gleichzeitig schon damals gefragt, was diese denn beizutragen haben würde.

Technische Informationen wie Öffnungszeiten und Anreise finden sich hier, eine Besprechung des Kataloges, der wohl erst einige Tage nach Ausstellungsbeginn verkauft werden kann, folgt in Kürze.