Reinhard Pabst hat in den letzten Wochen bereits mehrfach mitgeteilt, dass eine Nachricht über bedeutende Büchneriana anstünde. Wer ihn kennt, war davon nicht überrascht – das macht er gern und oft.

Am vergangenen Samstag hat dann Hubert Spiegel im FAZ-Feuilleton mitgeteilt, worum es ging: die nur als Fotografie der siebziger Jahre bekannten Skizzen Alexis Mustons von Georg Büchner sind im Original aufgetaucht, werden in Darmstadt bei der Georg-Büchner-Ausstellung gezeigt und auf Dauer im Freien Deutschen Hochstift verwahrt werden.

EDIT: Hier findet sich jetzt auch der Bericht von Johannes Breckner im DARMSTÄDTER ECHO. 

Am Montag früh stellten die stolzen Finder der Presse ihre Schätze vor. Die Umstände der Wiederentdeckung, die Recherche nach Alexis Mustons Nachfahren und der Zugang zu ihnen ist im oben verlinkten Artikel gut geschildert,

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Präsentation der Muston-Zimelien im „Italien-Saal“ des Goethehauses;
vlnr Bettina Zimmermann (Handschriftenabteilung Hochstift/Goethehaus), Reinhard Pabst, Prof. Dr. Anne Bohnenkamp-Renken (Direktorin des Freien Deutschen Hochstifts und Chefin des Goethe-Museums), J. Breckner (Darmstädter Echo), Prof. Dr. H. Kurzke, ein Pressekollege und Nicole Schlabach (Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen)

Zu dem höchst umstrittenen Bildfund des „Korsaren“ kommt jetzt also eine Sensation, die erst auf den zweiten Blick als solche zu erkennen ist. Denn die Bilder waren ja bekannt, ihr Entstehungsumstand hundertfach beschrieben und ihre Originalität immer wieder gelobt. Dennoch hat die Büchnerforschung und die interessierte Öffentlichkeit lange kein solches Geschenk bekommen.

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Freundlicherweise hat das freie Deutsche Hochstift gut aufgelöste Scans der drei entscheidenden Bilder bereitgestellt, die ich hier (in webgerechter Auflösung) zeigen kann. Sie zeigen Frische, Tiefe und darstellerische Qualität, von der bisher niemand eine Ahnung hatte. Der erste Finder des Muston-Nachlasses, der Münchner Professor Fischer, hat nach Schilderungen von Reinhard Pabst überhaupt nur unter striktester Kontrolle der damaligen Besitzerin, der „Meeresbiologin mit dem märchenhaften Namen Yseult LeDanois“ (H. Spiegel in der FAZ) im Muston-Nachlass lesen und daraus fotografieren dürfen. Wahrscheinlich hatte er selbst nicht die geringste Vorstellung vom Ausmaß der Hinterlassenschaft, die nach den Berichten von Hermann Kurzke und seines Freundes Reinhard Bender unter vielem Anderen „mindestens 20.000 Briefe“ (!) an Muston umfasst. Es ist kaum vorstellbar, welche Funde und Erkenntnisse in diesem märchenhaften Konvolut stecken könnten. Selbst wenn keine einzige weitere Büchner-Zimelie mehr dabei wäre, enthält es doch ganz sicher bemerkenswerte Materialien zur Geschichte der Waldenser, des Protestantismus in Frankreich und damit der europäischen Geschichte des 19. Jahrhunderts. Der allergrößte Teil dieses Schatzes wird in Frankreich bleiben; Bender und Kurzke hatten etwa zwei Tage zur Sichtung (während derer sie sich allerdings nach eigenem Bericht südfranzösischer Lebensart und entsprechend ausgedehnten Unterbrechungen durch Pastis, Menü und Pause déjeuner unterwarfen). Diese erste flüchtige Durchsicht hat kein Büchner-Material aufgetan. Nicht nur Reinhard Pabst hält das allerdings nicht für eine abschließende Bewertung. Der jetzige Eigentümer, dem offenbar erst durch die euphorisierten Deutschen die Bedeutung seines Besitzes für die Büchner-Forschung klar wurde, hat sich vorgenommen, das Material fotografisch zu erfassen und erste Systematisierungen vorzunehmen. Neben den in der FAZ erwähnten Handeinbänden von tausenden von Handschriften gibt es dort eine Vielzahl von Tagebuchbänden Mustons, das Manuskript seines Revolutionsdramas, auf das auch schon Heinz Fischer aufmerksam gemacht hatte, mit handschriftlichen Anmerkungen von Alexandre Dumas, eine Vielzahl von Skizzen, Aquarellen und Zeichnungen u.v.a.m. Der Tagebuchtext, den Fischer zitiert, ist die Wiedergabe von Mustons viel später erfolgter Rein- und Zusammenschrift; offenbar liegt aber auch das frühe Original vor. Kurzke vermutet, dass Muston bei seiner Reinschrift die erhaltenswert gefundenen Skizzen und Zeichnungen ausschnitt und in einem begleitenden Album bewahrte. So entstand wohl auch der kaum briefmarkengroße „Schnipsel“ mit dem Büchner-Kopf. Möglicherweise kann auf die Dauer das zerschnittene Original wieder hergestellt werden, so dass wir hoffentlich eines Tages die noch immer rätselhaft Eintragung „Balzac“ unter dem Büchner-Bild im Zusammenhang lesen und verstehen können. Leider war es heute früh nicht möglich, auch die Rückseite dieses kleinen Bildes zu sehen; das Hochstift hat mir aber einen Scan davon zugesagt, so dass immerhin als nächstes dieses kleine Stück Text veröfentlicht wird. Ich werde ihn natürlich unverzüglich hier zugänglich machen. Prof. Kurzke hat ihn gesehen und meint sich zu erinnern, dass „Paris“ erwähnt werde: Büchner und Muston hatten sich in Straßburg – leider vergeblich – auf bessere Zeiten in der französischen Hauptstadt verabredet.

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Prof. Dr. Kurzke vor der Vitrine mit einem vergößerten Ausdruck einer Skizzenheft-Seite

Neben dem kleinen Bild haben Bender und Kurzke aus Frankreich die Tagebuch-Reinschrift, die wir von Fischers Fotografien, Transkriptionen und Übersetzungen kennen, und das Skizzenheft mitgebracht, aus dem die schöne Zeichnung Büchners auf dem Felsenmeer, sein skizzierter Kopf und die Mohnblüte, die neuerdings als Augapfel herhalten muss (?!), mitgebracht. In diesem Skizzenheft, das wohl weitere Schätze birgt, gibt es eine weitere Seite, die Fischer nur in einem Ausschnitt wiedergibt und die jetzt vollständig veröffentlicht werden kann.

 

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Links von den Köpfen, darunter vielleicht noch einmal Georg Büchner, vielleicht sein Bruder Wilhelm, vielleicht Mustons Darmstädter Logisgeber und wer weiß wer noch, hat Muston eine kleine Frankenstein-Skizze untergebracht, die natürlich besonders uns Regionalisten freut.

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Die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen hat zugesagt, den Ankauf der Schätze, die bereits ab heute in Frankfurt gezeigt werden, möglich zu machen und das Material auf Dauer beim Hochstift zu belassen. Reinhard Pabst nutzte die Gelegenheit, auf die Planungen und Wünsche für ein Romantik-Museum bei Hochstift und Goethehaus hinzuweisen und dort als dringende Verpflichtung die Einrichtung einer „Büchner-Insel“ anzuregen.

Dem ist herzlich bester Erfolg zu wünschen!