Die Aufregung um das möglicherweise neue Bild von Georg Büchner reißt nicht ab.
Teils öffentlich (R. Pabst in der FAZ, Hermann Kurzke im Gelnhäuser Tageblatt, leider online nicht verfügbar), teils im Briefwechsel (J.-C. Hauschild, Henri Poschmann), haben mittlerweile vier sehr unterschiedliche Forscher Zweifel an der Zuordnung geäußert.
Unter den polemischen Bezeichnungen für den Abgebildeten, die mich amüsiert haben, war „Zampano“ (als Anspielung auf die zitierte Oper) natürlich einer Steilvorlage folgend; Henri Poschmanns „Das Phantom, das aus der Oper kam“ lohnt alleine schon fast die ganze Auseinandersetzung!
Abgesehen von der persönlichen Einschätzung Georg Büchners, zu der aus vielerlei Gründen eine Inszenierung als Pirat mit Liebesbrief einfach nicht passen will, wird als Begründung von Zweifel oder Ablehnung genannt:
– es gibt keinen Beleg dafür, dass der Maler August Hoffmann und Georg Büchner 1833 zur gleichen Zeit in Darmstadt waren;
– das Bild ist signiert und datiert, aber nicht betitelt. Es kann einen beliebigen anderen jungen Mann darstellen.
– die insbesonderen von den Professoren Oesterle und Borgards postulierte Ähnlichkeit, bis hin zu der technischen Überblendung der beiden Bilder, hat objektiv keine Beweiskraft. Dies um so weniger, als Georgs Bruder Wilhelm ihm unbestritten sehr ähnlich sah.
– das überlieferte Bild von Georg Büchner, das August Hoffmann malte und das 1944 in Darmstadt verbrannte, ist nur in mäßigen Kopien bekannt. Die am weitesten verbreitete ist eine Reprografie aus den 30er Jahren. R. Pabst erinnert: „Das Gesicht Büchners wirkt darauf „breit und leichenhaft aufgeschwemmt, weil es die Struktur seiner dem Betrachter zugewendeten Hälfte verloren hat“ (so Thomas Michael Mayer bereits 1987)“. Das mache es kaum möglich, von der Kopie auf ein anderes Original zu schließen.
Ich möchte den Argumenten noch hinzufügen:
– Georg Büchners Werk wimmelt von Textübernahmen. Nicht nur der „Lenz“, auch alle anderen Werke strotzen vor genial konstruierten Zitaten. Und ausgerechnet einen Operntext, den er so schätzte, dass er damit seine Liebste grüßen wollte (das ist Professoer Oesterles Theorie für den merkwürdigen Operntext, den der vorgebliche Georg auf dem neuen Bild in Händen hält), hätte er nirgendwo sonst erwähnt haben sollen? „Wenn ein Mädchen mir gefällt, Da hilft kein Widerstreben, Die mein Herz sich hat erwählt, Die muß sich mir ergeben“ – warum ist das nicht zum Beispiel das Auftrittsmotiv des Tambourmajors im Woyzeck geworden?
– kaum zu erklären scheint mir auch, warum das Bild im Besitz des Malers geblieben sein sollte. Wenn es als Liebesgabe für Minna gedacht war – warum erhielt sie es nicht? Selbst wenn tatsächlich die einsetzende Verfolgung der Landboten-Aktivisten eine Übergabe nicht mehr möglich machte – hätte Hoffmann nicht jahrelange Gelegenheit gehabt, es Minna als „trauernder Witwe“ oder den ebenso trauernden Eltern oder Geschwistern anzubieten?
Ich hatte am Wochenende die Gelegenheit, zwei Bilder, die sich bis heute im Familienbesitz von Nachfahren der Familie befinden, gründlich anzusehen und neue Scans anzufertigen:
– das Portrait Wilhelm Büchners „im Paletot“, ein farbiges Aquarell, gezeichnet „L. Becker 1838″
und
– eine Fotografie des unbestrittenen Georg-Büchner-Portraits von August Hoffmann, gefertigt 1913 von Wilhelm Büchners Sohn Ernst.
Während das Aquarell bestens erhalten ist, hat die Fotografie unter Lichteinfluß leider sehr gelitten. Wer sich also für seine Liebsten verewigen lassen will, wähle ein echtes Malerportrait – das hat deutlich besser Bestand als ein Foto!
Beide Bilder stelle ich hier gerne zur Beflügelung der Diskussion zur Verfügung. Allen, die damit arbeiten wollen, biete ich gerne in direktem Kontakt Scan-Aufnahmen im Tiff-Format, digitalisiert mit 300 dpi, ca 25 MB pro Bild, zur weiteren Recherche an – E-Mail genügt.
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