Am Wochenende 28./29. November war ich in Wuppertal.

Im historischen Zentrum wird die sehr lohnenswerte Ausstellung „Licht fangen“  über die Anfänge der Fotografie gezeigt, die ich gerne sehen wollte, weil wir ja auch zahlreiche historische Fotografien aus dem Besitz der Büchnerfamilien kennen und uns Gedanken über deren Präsentation machen. (Den schönen Katalog verramscht Frölich & Kaufmann hier).

 Friedrich Engels in Manchester, 1868

Gleichzeitig wurde am 28. 11. auch Friedrich Engels´ 190. Geburtstages gedacht. Dazu hörte ich eine Führung zu „Friedrich Engels auf historischen Fotografien“ und am Sonntag Vormittag Dr. Jürgen Herres von der Berliner MEGA-Edition zu „Friedrich Engels. Revolutionär, Unternehmer und Privatgelehrter“. Natürlich ist es spannend für mich, Details zu Leben und Arbeit eines der Großen des Neunzehnten Jahrhunderts zu hören, noch einmal eindrücklicher am historischen Ort. Und natürlich ergeben sich spannende Parallelen und Dissonanzen aus meinen Überlegungen zur Biografie der Büchners. Gegen Ende des Vortrages erwähnte Herres Engels´ jahrelange Arbeit an der Herausgabe von Marx´ „Kapital“ Band II und III. Der wesentliche Ansporn für Engels für diese Titanenarbeit sei die Notwendigkeit gewesen, der neuen Arbeiterpartei auch eine wissenschaftliche Grundlage zu verschaffen. Ohne Zweifle wäre Ludwig Büchners Herangehensweise gewesen, aus der wissenschaftlichen Erkenntnis auf die politische Notwendigkeit zu schließen, statt wie Engels das für richtig erkannte Politische „im nachhinein“ wissenschaftlich zu begründen.

 


 

 Alfred Hrdlickas „Starke Linie”, Denkmal für Friedrich Engels, das in Wuppertal „Denkmal im Engelsgarten” heißt

Der frühere DDR-Wissenschaftler Dieter Wittich hat in den „Sitzungsberichten der Leibniz-Sozietät. Bd. 53, Berlin 2002 “, einem insgesamt äußerst lesenswertem, selbstkritischen Text aus der Arbeit ehemaliger DDR-Wissenschaftler, über Ludwig Büchner geschrieben:

„Der Weg zur Macht könne allein durch Einsicht, Vernunft, Überzeugung und vor allem eine weit höhere Volksbildung geebnet werden. Für eine solche friedliche Überwindung des Kapitalismus lebte und wirkte er. Auch ein staatliches Eigentum an Produktionsmitteln im Unterschied zu einem gesellschaftlichen wollte er nicht, denn das, meinte Büchner schon 1863 gegenüber Ferdinand Lassalle, würde die Eigeninitiative hemmen, die staatliche Bürokratie und Bevormundung grandios vermehren. Ja, eine solche Nationalproduktion müsse an der Schwerfälligkeit ihrer Bürokratie ersticken. Das waren Einwände, über die auch ich mich in früheren Publikationen geringschätzig hinweggesetzt habe, die aber nach dem in den letzten Jahrzehnten Erlebten weit ernsthafter zu betrachten sind.“ (a.a.O., Ludwig Büchner 1824-1899. Sein Einfluß auf das philosophische, kulturelle und politische Leben Deutschlands in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. S. 66)

 

Dies scheint mir schon lange eine der wesentlichen Differenzen in der Auffassung der „Kommunisten“ des 19. Jahrhunderts einerseits und den „Volksbildnern“ wie Ludwig Büchner andererseits zu sein. Der erste Inhaber eines ordentlichen Lehrstuhls für Pädagogik (1912 in Jena), Wilhelm Rein (1847 – 1929) hat das 1897 in dem programmatischen Satz „erst Bildung, dann Freiheit“ ausgedrückt.

 Anfang der 1880er Jahre wollte Büchner das freie Deutsche Hochstift in Frankfurt neu gestalten.

In das „Stift“ sollte eine von Staat und Kirche unabhängige,also alternative Hochschule eingehen. Es sollte auf diese Weise auch einen „Mittelpunkt für das unabhängige Privatgelehrtentum… bilden“, da ohnehin die Zahl der freischaffenden Wissenschaftler, Künstler und Schriftsteller ständig wachse. Das „Stift“ solle sich dabei besonders auf allgemeinbildende Lehrveranstaltungen orientieren, schon weil die staatlichen Universitäten immer mehr zu bloßen „Fachschulen“ mutierten. Ein reges Interesse für solche Veranstaltungen erwartete Büchner insbesondere von Journalisten, Theaterleuten und Schriftstellern. Darüber hinaus sollte das „Stift“ eine „Zufluchtsstätte für nicht-offizielle oder nicht-akademische Wissenschaft und Lehre“ sein, denn „geistige Großthaten“, meinte Büchner, könnten häufig nur außerhalb der akademischen Philosophie und im Widerstand gegen den „mächtigen Druck autoritärer, durch Stellung, Macht und Gewohnheit geschützter geistiger Gewalten“ gedeihen. Büchner verwies u.a. auf die Entdeckung des Energieerhaltungssatzes durch Robert Mayer. Büchners Ideen zur Neugestaltung des „Freien Deutschen Hochstifts“ scheiterten am Konservatismus seiner führenden Mitglieder. Es gewann die lokalpatriotische Ansicht die Oberhand, dass „dasjenige, was ein Frankfurter Bürger geschenkt habe, auch allein der Stadt Frankfurt zu Gute kommen solle.“ (Wittich, Büchner, a.a.O., S. 84)

Ludwig Büchner hat diesen Anspruch auf Volksbildung so ernst genommen, dass er aus dem (von ihm mitbegründeten) Hochstift 1883 austrat und in Darmstadt zusammen mit Otto Rocquette den „Verein für Wissenschaft, Kunst und Literatur“ gründete, der eine Art „alternative Hochschule“ werden sollte.