Neues aus Buechnerland

Peter Brunners Buechnerblog

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Weihnachten 2013 in der Villa Büchner

Der Georg Büchner-Brief zu Weihnachten, den ich schon 2011 hier zitierte, ist ja wieder in aller Munde und tatsächlich nicht der schlechteste Text zu Weihnachten im Büchnerjahr. Mit wenig Mühe findet sich dann noch das eine oder andere Zitat zu Familie, Feste feiern und Festtagsbraten.
Den Lesern dieses Blogs viel Vergnügen, wenn sie diesen Sitten frönen –
und wenn nicht, dann eine angenehme Zeit auf ihre Weise!
 

 

VillaWeihnachten1914

Vor genau 100 Jahren hat Ernst Büchner die Bescherung im „gelben Salon”
der Villa Büchner in Pfungstadt fotografiert.

 

„Gelber Salon“ hieß das Kaminzimmer in der Beletage, weil die Vorhänge und die Möbelbezüge gelb waren. Nachdem 1908 Wilhelm Büchners Witwe Elisabeth gestorben war, zog ihr Sohn Ernst mit seiner zweiten Frau Mary von Ferber mit dem erwachsenen Sohn Anton in die Villa ein. Bis dahin lebten sie in einem eigenen Haus, der sogenannten kleinen Villa, die die Pfungstädter wegen der Holzverzierungen an Fenstern und Veranda das Schweizerhaus nannten.

 

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Villa Büchner, Pfungstadt, ca. 1890. Ganz rechts im Bild die „große Villa“,
links (östlich) daneben, vor der historischen Mühle, in der Bildmitte das Schweizerhaus,
in dem Ernst Büchner mit Familie lebte und wo Anton Büchner aufwuchs

 

In den Familienalben folgen noch einige Fotos aus den späteren Kriegsjahren. 1918 wurde die Villa verkauft und die Büchners zogen endgültig aus Pfungstadt weg nach Darmstadt.

 

 

 

En goutant les souvernirs doux de Strasbourg

edit: Bild der Plakette nachgetragen (16.12.)

 

Glücklicherweise habe ich in den Tiefen dieser elektronischen Kommunikationsstürme Bernard Umbrecht kennen gelernt. In seinem Blog finden sich immer interessante Beiträge, in letzter Zeit zunehmend über Georg Büchner und seine Geschwister. Auch seine Darmstadt-Reise hat er begonnen, dort zu rekapitulieren. (Für mich) unglücklicherweise schreibt er immer Französisch, obwohl er als Elsässer auch fliessend Deutsch spricht. Außerdem hat er viele Jahre lang in Berlin gelebt und ist mit einer Deutschen verheiratet. Als Opfer sogenannter humanistischer Bildung habe ich leider fast kein Französisch in der Schule gelernt und es auch später sträflich versäumt, diese schmerzliche Lücke in meiner Bildung (schweigen wir von den anderen) zu schließen. Manchmal muss ich mir daher mit den immer noch unglaublich schlechten eletronischen Übersetzern helfen, die leider immer noch bestenfalls grobe Hinweise auf den Inhalt der Texte liefern. Ich zweifle aber nicht daran, dass das geschätzte Publikum dieses Blogs mir auch darin weit überlegen ist und daher in Zukunft gelegentlich entspannt und souverän bei Bernard vorbeisurft.

Letzte Woche machte er mich auf ein Büchner-Ereignis aufmerksam, das diesseits des Rheines merkwürdigerweise keinerlei Aufmerksamkeit erregt hat:

In Straßburg wurde eine Plakette zur Erinnerung an Georgs Büchners Aufenthalte enthüllt

plaque-Buchner

Die Plakette an St. Guillaume (Photo: Pasteur Christophe Kocher)

 

Bekanntlich ist ja auch in Strassburg viel von dem verloren, was als Memento an Georg Büchner dienen könnte (auch das Jaeglé’sche Wohnhaus, das Pfarrhaus von St. Wilhelm / St. Guillaume, rue Saint Guillaume 66), aber die Kirche St. Wilhelm / St. Guillaume gibt es noch. Der evangelischen Gemeinde dort steht Pfarrer Christophe Kocher vor, der glücklicherweise liebenswürdig und auf Deutsch auf meine Bitte um weitere Informationen geantwortet hat. Er hat veranlasst oder unterstützt, dass dort an den Darmstädter Gast erinnert wird. In seiner Predigt vom 1. Advent, die er mir freundlicherweise überlassen hat, sagte er:

 

„Am heutigen Tag wird hier, an der Kirche St. Guillaume eine Gedenktafel für Georg Büchner angebracht. Das ist ein großer Augenblick, für die Kirchengemeinde, für Strasbourg, für Georg Büchner und für die Literatur. Georg Büchner liebte Strasbourg. Strasbourg war für ihn der Ort des Glücks. Hier studierte er und arbeitete als Wissenschaftler. Hier schrieb er seine großen literarischen Werke und holte sich Anregungen für sein Schreiben. Hier im Pfarrhaus von St. Guillaume fand er in Minna Jaeglé seine große Liebe. Es spricht für die Größe Georg Büchners, dass er bei all diesem Glück den Blick für die Wirklichkeit behalten hat und auch die Schatten dieser hellen heiteren Stadt Straßburg nicht übersehen hat.
Das Leiden der Menschen, der Kinder wie Erwachsener, steht im Mittelpunkt der Werke Georg Büchners. Er hat dieses Leiden und diese Verhältnisse so klar, so ungeschönt benannt und beschrieben wie kein Dichter vor ihm – und nur wenige konnten es nach Büchner ebenso so eindrücklich tun. Doch Büchner blieb nicht beim Leiden und im Elend stehen. Er lebte aus der Hoffnung, dass diese Verhältnisse sich ändern lassen, dass diese Welt anders wird, dass Menschen anders als geknechtete  Wesen leben können. Vielleicht sind uns die Wege hin zu einer besseren, gerechteren Welt fremd, auf die Büchner hoffte: die Rebellion, die Revolution. Vielleicht stehen wir diesen Ideen durch die Erfahrungen des 20. und 21. Jahrhunderts reservierter und skeptischer gegenüber.
Aber die Hoffnung auf eine Welt, in der der Mensch dem Menschen ein Helfer ist, in dem Frieden und Gerechtigkeit regieren, ist lebendig. Lebendig hoffentlich auch für und in uns. Für Christen, für die, die glauben, hat diese Hoffnung einen Grund. Im Advent leben wir aus der Hoffnung, dass Jesus kommt, der Heiland der Welt, der Freund der Armen, der Mühseligen und Beladenen (Mtth 11.28), der Friede-Fürst (Jes 9,5):  Er kommt, hierher, an diesen Ort; er kommt für alle Welt.“

Der Direktor der evangelischen Akademie Hofgeismar, Karl Waldeck, der sich hier selbst u.a. so beschreibt: „ … schätze ich ausgiebige Lektüre (Bibel und Büchner, Beckett und Bourdieu)“, hielt einen Vortrag unter dem Titel „Georg Büchner in Strasbourg. Studium – Liebe – Literatur“. Er beendete seinen gründlichen Vortrag über Georg Büchners Straßburger Jahre:

„Strasbourg, der Ort des Glücks: Es war für den 18jährigen Georg Büchner ein Ort der Freiheit: politisch, ein Ort, an dem er  frei atmen und sein Genie entfalten konnte. Hier konnte er seine Fähigkeiten entdecken und erproben: als Wissenschaftler, als Dichter. Hier entdeckte der junge Mann Georg Büchner die Liebe – in der Begegnung mit Minna Jaeglé. Strasbourg war so ein Ort des Glücks, das optimale Biotop für ein Leben, das früh endete.

Morgen wird man in Strasbourg, in der Gemeinde von St. Guillaume an Georg Büchner erinnern. Sichtbares Zeichen wird eine Gedenktafel sein, die dann enthüllt wird. Für alle Dichter gilt: Sie wollen gewiss auch geehrt, vor allem aber gelesen werden. Dazu einzuladen, ist die Absicht meines Vortrags gewesen. Wer sich auf diese Lektüre einlässt, wird belohnt. Wer sich mit Leben und Werk Georg Büchners befasst, wird reicher – und zwar nicht zuletzt auf diesem Weg: en goutant les souvernirs doux de Strasbourg.“ 

Die „Dernières Nouvelles d’Alsace“ hat in zwei Artikeln berichtet, die hier und hier nach Anmeldung kostenfrei zugänglich sind.

Nachlese: die Bücher der Prämierten – und Orientierung im Büchnerland

Nicht, dass das Blog hier zu einem Reklameblättchen verkommt – als disclaymer also zuerst: weder für die Eintragung noch für die lobende Erwähnung sind Gelder geflossen, noch nicht einmal Belegexemplare (obwohl die immer gerne genommen werden).

Ein befreundeter Kollege hat mit virtuell gerunzelter Stirn darauf hingewiesen, dass die Luise Büchner-Gesellschaft ihren diesjährigen Preis für Publizistik an Julia Voss vergeben hat, ohne auch nur deren, geschweige denn weitere, Bücher zum Kauf anzubieten. Das ist nun in der Tat einerseits sträflich, denn von der bereichernden Qualität von Büchern sind wir alle fest überzeugt, andererseits aber verzeihlich, denn die Umstände im wirklich bis auf den letzten verfügbaren Platz belegten Literaturhaus machten das tatsächlich unmöglich.

Nutzen wir also stattdessen die unendlichen Weiten des Internet zur angemessenen Multiplikation der Werke unserer Preisträgerinnen und nutzen Sie bitte das Prinzip, das Sie von der globalen Recherche hier sicher zum lokalen Einkauf zuhause führt! Grundsätzlich empfehle ich dazu gerne und mit Vergnügen die unabhängigen Buchhandlungen, allerdings mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass diese sehr wohl abhängig, nämlich von Ihren Einkäufen sind! Bis auf „Büchnerland“ sind die angezeigten Titel ganz bewusst nirgends wohin verlinkt; die websites der Verlage finden sich bei Interesse ebenso leicht wie bereits erschienene Besprechungen. Und für das am Ende angezeigte „Büchnerland“ gilt natürlich ganz besonders, das sich Bücher ganz hervortragend als Geschenke und zur mehrfachen Anschaffung eignen!

 

Hier also die lieferbaren Titel von Julia Voss und Bascha Mika sowie die unersetzliche Büchnerland-Broschüre:

KAUFEN – LESEN- SCHENKEN!

Voss, Julia: Darwins Bilder

Ansichten der Evolutionstheorie 1837-1874

(FISCHER Taschenbuch) ISBN: 978-3-596-17627-4

Paperback

ca. 384 S. – 19,0 x 12,5 cm, 12,95 €

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Voss, Julia: Darwins Jim Knopf

(S. FISCHER) ISBN: 978-3-10-095805-1

gebunden

ca. 192 S. – 20,5 x 12,5 cm,  17,95 €

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1938

Kunst – Künstler – Politik

(Wallstein) ISBN: 978-3-8353-1412-2

kartoniert

340 S., 103, z.T. farb., Abb., 24,90 €

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mika, Bascha

Die Feigheit der Frauen

Rollenfallen und Geiselmentalität. – Eine Streitschrift wider den Selbstbetrug

(Goldmann Verlag) ISBN: 978-3-442-15720-4

Paperback

256 S. – 18,7 x 12,5 cm, 8,99 €

 

Und im Januar erscheint:

 

 

 

 

 

 

 

Mika, Bascha

Mutprobe

Frauen und das höllische Spiel mit dem Älterwerden

(Bertelsmann, C) ISBN: 978-3-570-10170-4

gebunden

320 S. – 21,5 x 13,5 cm, 17,99 €

 

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Büchnerland

Orte von Georg Büchner und seinen Geschwistern in Hessen

Mit einem Geleitwort von Jan-Christoph Hauschild

Herausgegeben von der Luise Büchner-Gesellschaft, Darmstadt 2013

76 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen und Karten

Mit der Reproduktion der Karte des Großherzogtums Hessen aus der Zeit um 1844

auf zwei großformatigen, beigelegten Kartenblättern

12 €

Finissage mit der Büchnerbande!

Für die Geschwister Büchner hat es auch im Rahmen der Büchner-Biennale nur zu einer bescheidenen Präsenz gereicht.

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Publikum bei der Vernissage

 

Luise und Mathilde, Wilhelm, Ludwig und Alexander Büchner sind sowohl als Zeitzeugen für Georg Büchner, als prägende Persönlichkeiten seines jungen Lebens wie als je für sich stehende Figuren bedeutend. Einen kleine Eindruck davon vermittelt die Zusammenstellung von Lebens- und Arbeitszeugnissen der fünf, „die die Welt verändern wollten“, im Foyer des Darmstädter Liebighauses. Schon am 14.12. muss diese Präsentation wieder abgebaut werden.

 

  • Für alle, die die Gelegenheit zur Besichtigung noch nicht hatten,
  • und für alle, denen eine Besichtigung alleine noch nicht genug ist,
  • und für alle, die Agnes Schmidt und die Fabelhafte Büchner-Bande sehen, hören und erleben wollen,

 

gibt es dort eine letzte Gelegenheit:

Finissage der Ausstellung am 14. Dezember um 14 Uhr
Liebighaus Darmstadt. Foyer, Bachgasse 2
Eintritt frei!

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Wahrhaft multimedial – im lebhaften Vortrag, mit Verweis auf die Ausstellungstafeln und unterstützt von Musik und Gesang – können sich die Gäste ein eindrucksvolles Bild von dieser Darmstädter Familie machen, die Karl Gutzkow „als von demselben göttliche Feuer ergriffen“ nannte.

 

 

Julia Voss lobt „spitzenbesetzte Revolutionärinnen“

Im überfüllten Vortragssaal des Darmstädter Literaturhauses hat die Luise Büchner-Gesellschaft am Sonntag Morgen zum zweiten Mal den Luise Büchner-Preis für Publizistik vergeben.

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Agnes Schmidt begrüßt die zahlreichen Gäste

 

Stadträtin Iris Bachmann betonte in Vertretung des verhinderten Oberbürgermeisters Jochen Partsch die Bedeutung der Arbeit der Gesellschaft, die dazu beitrage, die Erinnerung an Luise Büchner und weitere Frauen des 19. Jahrhunderts als Vorkämpferinnen für die Frauenrechte zu bewahren. Mit der Preisverleihung lenke sie gleichzeitig Aufmerksamkeit auf die aktuellen gesellschaftlichen Debatten um die Gleichberechtigung von Männern und Frauen.

 

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Stadträtin Iris Bachmann

 

Ursula Eul, Präsidentin des Darmstädter Lions-Club „Louise Büchner”, betonte als Stifterin des Preisgeldes die gute und lange Verbindung zur Bibliothek des Frauenrings und zur Luise Büchner-Gesellschaft. „Luise Büchner hätte sich heute in Ihrem Kreise wohlgefühlt“ sagte sie zur Preisträgerin und zum überwiegend weiblichen Publikum.

 

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Dr. Ursula Eul 

 

Beate Söntgen schilderte in ihrer Laudatio Julia Voss‘ Lebenslauf. Die Arbeiten über „Darwins Jim Knopf“ und „Darwins Bilder“ lobte sie als außergewöhnlich anschauliche, lesenswerte und lehrreiche Studien. Mit ihrer Arbeit als Redakteurin für die Frankfurter Allgemeine Zeitung verbinde sie die zwei große Talente: wissenschaftliche Sorgfalt und journalistische Vermittlergabe. (Der vollständige Text der Laudatio steht hier zur Verfügung) 

 

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Prof. Dr. Beate Söntgen

 

In ihrer Dankesansprache kam Julia Voss auf „Bilder“ zu sprechen: „Revolutionäre in unserer Vorstellung sind bärtige Männer. Die Frauen der Emanzipationsbewegungen des 19. Jahrhunderts dagegen begegnen uns in hochgeschlossenen Blusen, Spitzenmanschetten und bodenlangen Kleidern. Sie waren aber nicht weniger, im Gegenteil häufig sehr viel mehr mutig und engagiert, ihre Leistungen sind Vorbild und zugleich Trost  für uns Frauen von heute.” Julia Voss trug als Zeichen der Verbindung zu diesen „spitzenbesetzten Revolutionärinnen“ ein dunkles, besticktes Jäckchen aus dem 19. Jahrhundert.

 

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Preisübergabe an Julia, Hans und Jim Voss 

Frau Voss erhält neben einem Preisgeld auch die Möglichkeit, eine Seite redaktionellen Textes im DARMSTÄDTER ECHO zu gestalten. Dies soll voraussichtlich noch im Dezember erscheinen.

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Petra Bassus und Dieter Kociemba sorgten für musikalische Abwechslung. 
Zum Schluß: BROT UND ROSEN! 

 

EDIT 2.12.13: Hier berichtet das DARMSTÄDTER ECHO

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