Im neuesten „Gelurt“, Odenwälder Jahrbuch , hat Ludwig Fertig einen Aufsatz zum ersten Büchnerpreisträger Adam Karillon veröffentlicht.

Es ist fast in Vergessenheit geraten, dass der Büchnerpreis bereits seit 1923 vergeben wird, nicht zuletzt, weil er nach dem Faschismus eine andere Form und Trägerschaft bekam. Bis vor einigen Jahren hat die heute federführende Akademie für Deutsche Sprache und Dichtung auf jeden Hinweis darauf verzichtet, heute schreibt sie immerhin „Der Georg-Büchner-Preis wurde zum ersten Mal am 11. August 1923 verliehen. Er war vom damaligen Volksstaat Hessen gestiftet und in der Landeshauptstadt Darmstadt übergeben worden. Er wurde an Dichter, Künstler, Schauspieler und Sänger verliehen.“

Fertig schildert in „Politisierung der Erzählprosa“ die Geschichte der Einsetzung des Preises und des ersten Preisträgers als Kompromiss – war Karillon selbst zunächst sogar als Namensgeber des Preises vorgeschlagen, wurde er schließlich als eher konservativer Autor ein Preisträger, dem selbst der stramme Antisemit Ferdinand Werner, der für die Deutschnationalen im Hessischen Landtag saß, zustimmte.

Was die Familie Büchner angeht, so erwähnt Fertig, dass Ludwig Büchner einigen Anteil am literarische Erfolg Karillons hatte – er veröffentlichte 1897 eine Besprechung von Karillons Erstling „Eine moderne Kreuzfahrt“ und „verhalf ihm zum Durchbruch auf dem Literaturmarkt“ (Fertig).

Auch Anton Büchners Auftritt vor der ersten Aufführung des Woyzeck in Darmstadt am 24.9.1919 erwähnt er.

Ein dritter Büchnerverwandter, Sohn Ludwig Büchners und Cousin von Anton, hieß Georg wie sein bedeutender Onkel. Ihn erwähnt Fertig nicht, obwohl er zum Zeitpunkt der Einsetzung des Preises nicht nur „geschäftsführender Direktor“ in der Darmstädter Maschinenbaufabrik seines Schwiegervaters Schenk und „Vorsitzender des Verbandes der Metallindustriellen und des Bundes der Arbeitgeberverbände in Hessen und Hessen-Nassau. Auf Reichsebene war er Vorstandsmitglied des Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller und des Deutschen Fördermittel- und Großwaagenverbandes“ war, sondern auch Abgeordneter der DDP im Hessischen Landtag, also der Partei, die den Antrag auf Einsetzung des Büchnerpreises stellte.

Grabstein Georg Büchners, seiner Frau und Tochter auf dem Grab seines Vaters Ludwig.
Die drei starben bei der Zerstörung Darmstadts

Die Rede im Landtag zur Einsetzung des Preises hielt am 8. August 1922 der DDP-Abgeordnete Julius Reiber. Er schloß „Die Bezeichnung des Preises als Georg-Büchner-Preis bedarf keiner weiteren Begründung“. Für Reiber ging es um „eine Verbindung der Kunst mit dem republikanischen Volksstaat“ .

Karillons Kunst und Bedeutung sind von den Zeiten überholt – dass ihn der Nazi Werner zum achtzigsten Geburtstag ehrte und Gratulationen einiger weiterer NS-Größen eingingen, stellt Fertig zu Recht in den Zusammenhang seiner geschwundenen literarischen Anerkennung: „Das Lesepublikum war andere Literatur als Heimatkunst gewohnt: … 1929 erschien z. B. Brechts Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny und Döblins Berlin Alexanderplatz. Karillon war Geschichte“. Karillon starb 1938 in Wiesbaden.

Bedeutendere als er erhielten den hessischen Kulturpreis – so 1929 Carl Zuckmayer oder, nach der Befreiung noch einmal als Landespreis, 1947 Anna Seghers und 1950 Elisabeth Langgässer.

In Kürze wird die Bekanntgabe der diesjährigen Preisträgerin des Büchnerpreises erfolgen – die Verbindung der Kunst mit dem Republikanischen ist auch dem neuen Büchnerpreis nach 1950 mit einigen Verleihungen gelungen. Ich wünsche mir das auch für 2020.

Peter Brunner

von Peter Brunner