Der „Verein der Freunde und Förderer des Literaturland Hessen“ hat Rotraud Pöllmann, die langjährige verdiente Leiterin des Goddelauer Büchner-Hauses, mit seiner neuen
Vor der Benefizveranstaltung für den Goddelauer Verein, bei der Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz ihre neuesten Veröffentlichung, die fiktiven „Briefe eines reisenden Franzosen über Deutschland an seinen Bruder in Paris“ präsentierten, überreichte Heiner Boehncke als Vorsitzender der völlig überraschten Rotraud Pöllmann die Verleihungsurkunde.
Er nannte Rotraud Pöllmann „eigentlich den guten Geist, wenn er denn nicht leibhaftig anwesend wäre” und betonte ihre unersetzlichen und hoffentlich noch lange fortgesetzten Verdienste.
In der Tat können Frau Pöllmanns Verdienste um das Andenken an Georg Büchner kaum hoch genug geschätzt werden. Hier ist ja schon mehrfach darauf hingewiesen worden, wie viel „nachhaltiger“ im eigentlichen Sinn dieses missbrauchten Begriffes die „Graswurzelarbeit“ der verdienstvollen Ehrenamtler zur Bewahrung, Präsentation und Aktualisierung unseres historischen Erbes ist. Besonders verglichen mit medienwirksamen, aber folgenlos verglühenden Hypes, wie wir sie in Sachen Büchner gerade in den vergangenen Jahren auch erleben durften. Dies übrigens um so mehr, als diese „Hypes“ in der Regel auch noch viel Geld verpulvern, während die beständigen Arbeiten oft genug schlecht oder gar nicht bezahlt erledigt werden.
Frau Pöllmanns Arbeit in Goddelau ist für bescheidenes, kompetentes, nachhaltiges und hartnäckiges Tun ein leuchtendes Vorbild. Sie hat das Museum im Geburtshaus Georg Büchners Ende der 90er Jahre mit aufgebaut und betreut es seitdem als ehrenamtliche Leiterin. In Zusammenarbeit mit dem Förderverein Büchnerhaus und der Stadt Riedstadt hat sie unzählige Schulklassen und interessierte Personen aus ganz Deutschland durch das Museum geführt.
Der Text der Urkunde lautet:
Den Hessischen Literaturlöwen verleiht der Verein der Freunde und Förderer des Literaturland Hessen e. V. im Jahr 2014
Rotraud Pöllmann
für ihre engagierte und kenntnisreiche ehrenamtliche Arbeit als Leiterin des Büchnerhauses in Riedstadt Goddelau. Ihr geduldiges und ideenreiches Engagement macht das Geburtshaus von Georg Büchner zu einer einmaligen Erinnerungsstätte für Leben und Werk des Dichters und Revolutionärs.
Dem ist nichts hinzuzufügen – außer vielleicht, dass sich 2014 auch eine etwas weniger demonstrativ maskuline Wappenfigur hätte finden lassen.
Ich gestehe: das Tapetenrelikt gibt es nicht. Der Fund muss ein Aprilscherz bleiben und Gedanken über Tapetenschmierereien Büchners eine Imagination – wenn auch nicht die unwahrscheinlichste unter denen, die wir inzwischen zu ertragen hatten …
Giovanni Francesco Caroto: Knabe mit Zeichnung 1. Hälfte 16. Jhd., Museum Castelvecchio, Verona
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In der in Darmstadt kürzlich zu Ende gegangenen Ausstellung aus Anlass von Georg Büchners 200. Geburtstag war von Ausstellungsmacher Ralf Beil eine Anmutung des Familienzimmers der Büchners installiert worden, in dem zwar nicht die Familie vorkam, aber als Memento eine eigens angefertigte Tapete angebracht war. Beil hatte sie mit zwei ganz unterschiedlichen Motiven, dem „Blutschwamm” aus einer frühen medizinischen Veröffentlichung des Vaters Ernst Büchner, und der Reproduktion der Locke Georg Büchners, die auch im Original gezeigt wurde, bedrucken lassen.
Die imaginierte Tapete aus der Ausstellung
Tatsächlich hat Georg Büchner in der Darmstädter Grafenstrasse, die das Ausstellungszimmer imaginieren sollte, gelebt.
Das es allerdings eine Original-Tapete, und sei es auch nur ein unscheinbarer Rest, aus Büchner’schen Häusern geben könnte, hatte niemand zu träumen gewagt. Schon lange ist bekannt, dass die Büchners in Darmstadt aus der bescheidenen Dienstwohnung im Hospital schon recht bald an den Marktplatz, von dort in die obere Baustraße (heute Elisabethenstraße), und erst dann ins eigene Haus in der Grafenstraße gezogen sind. Zu dem Haus in der Oberen Baustraße konnte ich vor einiger Zeit neue und bis dahin unbekannte Details ermitteln, weil mich eine Nachfahrin des Vermieters der Büchners, Ernst Emil Hoffmann, auf einige Hinterlassenschaften ihrer Familie aufmerksam machte. Dort sind zwei von Georgs Geschwistern, Luise (1821) und Ludwig (1824), geboren, Georg Büchner war zu der Zeit also zwischen sieben und zehn Jahre alt. Zu den mir überlassenen Materialien gehört ein lithographiertes Familienbild der Hoffmanns und eine mehrbändige genealogische Ausarbeitung, auf deren allerletzter Seite ich das lang gesuchte Hoffmann’sche Haus abgebildet fand:
Das gleiche Haus auf einer Photographie aus den 1930er Jahren als „Haus Böttiger“. (Zur Orientierung: das Haus stand dort, wo sich heute das „C&A”-Kaufhaus befindet) mit freundlicher Erlaubnis des Stadtarchiv Darmstadt
Bei eben diesen Unterlagen fand sich auch ein unscheinbarer Abriss einer beigefarbenen Papiertapete, dünn mit ungelenker Hand beschriftet. Bei einem weiteren Besuch bei den Hoffmann’schen Nachfahren bin ich auf dieses Blatt, das ich kaum beachtet hatte, mit der Frage angesprochen worden, warum ich denn den Namenszug Georg Büchners nicht in die Ausstellung gegeben hätte. Die Familie ist nämlich steif und fest davon überzeugt, dass das unscheinbare Stück Papier von der Familie von der Zimmerwand abgelöst und aufbewahrt wurde. In ihrer Überlieferung heißt das Blatt „der Georg-Krakel“ und soll nichts weniger sein als die allererste schriftliche Hinterlassenschaft des Dichters, eine ungelenke Schreibübung, unerlaubt auf die Tapete gekritzelt. Ich darf das Blatt mit freundlicher Genehmigung hier erstmals zeigen:
Vielleicht die früheste schriftliche Hinterlassenschaft Georg Büchners?
Zum Vergleich
Georg Büchner: eigenhändige Unterschrift des Schülers
hier in „französischer” Schreibschrift, der Text in Deutscher Schrift Klassik-Stiftung Weimar
In der Tat ist dem geübten Leser alter deutscher Handschriften möglich, die Auf- und Abs der Deutschen Schrift zum Namen Georg in den gut sichtbaren Zeichen zu erkennen. Die Tapete kann gut beim Auszug der Büchners beseitigt worden sein, Hoffmann, der mit Georg Büchners Stief-Großmutter, der dritten Frau des Vaters von Ernst Büchner, verwandt war und den Kindern gegenüber vielleicht wie ein Onkel auftrat, mag sie aus Sentimentalität aufbewahrt haben.
In den nächsten Wochen werde ich versuchen, das Alter und womöglich die Handschriftzuordnung verifizieren zu lassen. Natürlich berichte ich hier.
Zu den besonderen Präsentationen der „Büchner-Biennale“ gehörte ganz bestimmt die große Ausstellung „Da geht Büchner” der Darmstädter Galerie Netuschil. Hier findet sich mein Bericht von der Finissage.
Bruno Feger mit Claus Netuschil vor seiner Büchner-Skulptur
Das Werk ist ein „Lichtwort aus Stahl”, wie Bruno Feger seine Serie von metallenen Worten nennt. Einige davon zeigt er hier auf seiner Website. Das großformatige Werk, dessen Aufhängung von der Galerie eher handgreifliche Fertigkeiten erforderte, bildete einen starken Blickpunkt der Ausstellung, und viele Besucherinnen wünschten, dass es dauerhaft in Darmstadt bleiben könne.
Dem hat sich jetzt die Darmstädter Bundestagsabgeordnete und Staatssekretärin Brigitte Zypries angenommen. Mit einem ausführlichen Schreiben, das ich hier mit ihrer freundlichen Erlaubnis zeigen darf, bittet sie um Unterstützung für den Ankauf, damit das meistzitierte Büchner-Wort an der Darmstädter Georg-Büchner-Schule angebracht werden kann. (Ich habe mich übrigens über die persönliche Anrede und das verschmitzte Sternchen bei „wie Sie vielleicht wissen…“ sehr gefreut!)
Es geht um Georg Büchner – wir müssen also gewärtigen, dass der Text weder von ihm „erfunden” wurde (er zitiert mit dieser großartigen Überschrift des Hessischen Landboten eine französische Parole) noch etwa seine Handschrift abbildet – es gibt keine handschriftliche Überlieferung des Hessischen Landboten, und eine Büchner-Handschrift zu reproduzieren würde ohnehin wohl sogar Bruno Feger überfordern – ganz zu schweigen von der Schwierigkeit, sie zu entziffern.
Die Geschichte der Stadt Darmstadt und ihrer Klimmzüge, zu einem anständigen Georg-Büchner-Denkmal zu kommen, ist übrigens Legende – und niemand kennt sie so gut und kann sie so ausführlich schildern wie Claus Netuschil! Ich persönlich konnte mich mit der nachträglichen Benennung von Arnaldo Pomodoros „Grande Disco“ auf dem Büchner-Platz vor dem Darmstädter Theater jedenfalls nie anfreunden. Mit Fegers Stahlwort käme eine Büchnerzitat – ganz wörtlich in ehernen Lettern – in seine Heimatstadt!
Ich möchte das sehr gerne unterstützen und beginne damit, hier dafür zu werben – spenden Sie großzügig:
Kurz vor dem Ende ist es gelungen, die letztjährige Trägerin des Luise Büchner-Preises für Publizistik,
Frau Dr. Julia Voss
zu einem Vortrag dorthin einzuladen. Unter dem Titel
Herrenclub Moderne – Warum die Kunstgeschichte umgeschrieben werden muss
wird Sie erläutern, was aus den vielen malenden, zeichnenden und bildhauernden Frauen der Moderne geworden ist. Warum spielen sie bis heute in der Kunstgeschichte und im Kunstbetrieb eine so geringe Rolle?
Der Vortrag beginnt mit den Veränderungen im 19. Jahrhundert, die einer Vielzahl von Frauen den Zugang zur Kunst ermöglichten, und verhandelt dann die Ereignisse des 20. Jahrhundert, die dazu führten, dass Künstlerinnen wieder aus der Kunstgeschichte gestrichen wurden.
Donnerstag, 6. Februar, 19:30 Uhr
Kunstarchiv im Literaturhaus Darmstadt, 1. Stock, Kasinostr. 3
Eintritt 6 €, für Mitglieder der veranstaltenden Vereine frei
Es freut mich sehr, dass mir Jan-Christoph Hauschild seinen am 17. Oktober 2013 in Amsterdam gehaltenen Vortrag zur Veröffentlichung an dieser Stelle überlassen hat. Die „Vereniging van Germanisten aan de Nederlandse Universiteiten“ hatte ihn gebeten, 45 Minuten lang über „Biographische Zugänge zu Georg Büchner“ zu sprechen. Einiges zu seinen Themen war auch schon Gegenstand von Beiträgen hier im Blog, ich verzichte auf jeweilige Verlinkungen. Die rechts angebotene Stichwortsuche macht das bei Interesse leicht auffindbar.
Jan-Christoph Hauschild
„Jenseits des Revolutionärs“
Anmerkungen zu zwei neuen Büchner-Bildern
Vortrag auf dem Amsterdamer Büchner-Kolloquium, 17.10.2013
„Was tun Sie“, wurde Herr K. gefragt, „wenn Sie einen Menschen lieben?“
„Ich mache einen Entwurf von ihm“, sagte Herr K., „und sorge, daß er ihm ähnlich wird.“
„Wer? Der Entwurf?“
„Nein“, sagte Herr K., „der Mensch.“
Zugegeben: diese Brechtsche Keuner-Anekdote ist bereits etwas abgeleiert. Aber sie faßt die Problematik, mit der ich mich im Folgenden beschäftige, bündig zusammen. Es geht um Menschenentwürfe, um das Ähnlich-, Passend- und Zuträglichmachen, allerdings bar der Keunerschen Selbstreflexion.
Im Frühsommer dieses Jahres, schwankend zwischen seliger Begeisterung und verkrampfter Besessenheit, wurde das Porträt eines unbekannten jungen Mannes mit Klavierauszug zu einem Porträt Georg Büchners heraufgejubelt. Es handelt sich um einen veritablen Dachbodenfund1, der sich in einer Mappe mit über 150 Arbeiten des Theatermalers August Hoffmann verbarg. Das Konvolut enthielt auch einige Porträts; in einem dieser Porträts glaubte ein Verwandter der Nachlaßerbin Georg Büchner zu erkennen – eine Vermutung, die sein Nachbar, der emeritierte Germanist Günter Oesterle, mit ihm teilte. Oesterle nahm Kontakt zu zwei befreundeten Büchnerforschern auf, dem Würzburger Ordinarius Roland Borgards, Mitherausgeber des Büchner-Handbuchs, und Burghard Dedner, Marburger Emeritus, Leiter der Marburger Büchner-Forschungsstelle und wissenschaftlicher Berater der Landesausstellung Georg Büchner, die zu Büchners 200. Geburtstag eröffnet werden sollte. Dadurch erhielt dann auch Ralf Beil, Direktor des Instituts Mathildenhöhe in Darmstadt, das mit der Ausrichtung der Ausstellung beauftragt war, Kenntnis von der Sache.
Porträt eines unbekannten jungen Mannes mit Klavierauszug
Institutschef Ralf Beil, ein promovierter Kunsthistoriker und studierter Germanist, erklärte das Bild in seiner Einladung zur Pressekonferenz vom 23. Mai sogleich zum „Jahrhundertfund“2 und in der Presseerklärung vom 27. Mai 2013 zur „kulturhistorischen Sensation“3 – „im Schulterschluss mit führenden Büchner-Forschern“, wie er betonte. Die führenden Forscher waren die genannten Gießener bzw. Marburger Emeriti Oesterle und Dedner und der Würzburger Borgards4; sie kommentierten den Fund vor der versammelten Presse.
Oesterle versicherte, der „Giessener Fund“ gebe „zum ersten Mal eine visuelle Impression […] von der oft beschriebenen Eigentümlichkeit des Büchnerschen Aussehens“, das „so gar nicht dem Bild des Revoluzzers entspricht“5. Borgards freute sich über einen Büchner, den er „vorher noch nie gesehen“ hatte, „dieser andere, offene, spielende Büchner, ein Performer von eigentümlicher Lebendigkeit“6. Für Dedner war das neuentdeckte Porträt nur ein weiteres Indiz dafür, daß Büchner in seinem Charakter „Tiefsinn“ und „Leichtsinn“ stimmig „vereinte“7; es werde „unserem Verständnis von Büchner […] zuträglich sein, wenn die Variante eines ‚Liebenden mit Notenblatt’ mindestens gleichberechtigt neben die andern“ Porträts trete8.
Am weitesten lehnte sich Beil aus dem Fenster: „Die Zeichnung mag auf den ersten Blick für Außenstehende geradezu harmlos wirken, aber in ihr steckt veritabler Sprengstoff für die Büchner-Forschung und unser Büchner-Bild9. Der Mensch Büchner gewinnt ungeahnt Kontur, wird um einige Facetten reicher und greifbarer denn je. Das ‚Porträt mit Notenblatt’ von 1833 zeigt nach unserem jetzigen Kenntnisstand den jungen selbstbewusst verliebten und verlobten Georg Büchner, der sich anspielungsreich porträtieren lässt mit einer Schlüsselbotschaft: dem Text und Kontext des Notenblattes. Es ist der private Georg Büchner, der hier zum Vorschein kommt – jenseits des Anatomen und Naturwissenschaftlers, jenseits des Revolutionärs Büchner.“10 „Man darf ruhig von einer Sensation sprechen“, echote Hubert Spiegel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 27.5.2013, während sein skeptischerer Kollege Volker Breidecker in der „Süddeutschen Zeitung“ vom selben Tag dazu riet, erst einmal die Meinung der „Experten“ abzuwarten: „Beweise und gesicherte Feststellungen gibt es keine“11.
Zugegeben: In Gesichtsform und Körperhaltung ähnelt das neue Bild auf verblüffende Weise dem bekannten Porträt, von dem seit 1875 fotografische Reproduktionen existieren; das Original ist 1944 bei der Bombardierung Darmstadts verbrannt.
Georg Büchner „im Polenrock“
Für dieses Porträt hat sich die Bezeichnung „Georg Büchner im Polenrock“ eingebürgert – obwohl Büchner darauf nicht jenen auch aus seinem behördeninternen Steckbrief vom 4. August 1834 bekannten12 modischen „Schnürrock mit breiter Brust und hohem Kragen“13, kurz „Polenrock“ genannt, trägt, sondern ein Modell mit schlichterem Besatz und weichem Kragen. Die Ähnlichkeit kommt wiederum nicht von ungefähr, denn bei dem Urheber handelt es sich in beiden Fällen um den Darmstädter Künstler August Hoffmann, seit der Verheiratung seiner älteren Halbschwester mit Büchners Patenonkel im Jahr 1832 nicht nur Nachbar, sondern auch Verwandter der Familie Büchner.
Auf diesem Bild präsentiert sich Büchner als bürgerlich bescheiden, ernsthaft und konzentriert; der nach innen gerichtete Blick läßt ihn zugleich als Melancholiker erscheinen.
Porträt eines unbekannten jungen Mannes mit Klavierauszug), daneben Georg Büchner „im Polenrock“
Der Gießener „Jahrhundertfund“ zeigt einen versonnen dreinschauenden jungen Mann schätzungsweise Anfang zwanzig: das stark gelockte und bis an die Ohren reichende Haar links sorgfältig gescheitelt, zwischen der Nase und dem zierlichen Mund ein schwaches Oberlippenbärtchen. Über einem an den Ärmeln gebauschten Hemd mit lässig geöffnetem, breitem Kragen trägt der junge Mann eine dunkle Weste; quer über der Brust verläuft ein schmaler, mit Metallplättchen oder Schmucksteinen besetzter Gurt. Der linke Unterarm ruht auf einer Tischplatte; in der Hand hält er ein Notenheft, das als Klavierauszug der Cavatine des Zampa aus der komischen Oper „Zampa oder Die Marmorbraut“ von Ferdinand Hérold (1831) zu identifizieren ist; bei der „operettenhaft“14 anmutenden Kleidung könnte es sich also um ein Theater- bzw. Opernkostüm handeln. Die fünf Verse sind sogar in der zeichnerischen Wiedergabe mit bloßem Auge zu entziffern; sie lauten:
„Wenn ein Mädchen mir gefällt dann hilft kein Widerstreben
hat mein Herz einmal gewählt, so muss sie sich ergeben
dann hilft kein Widerstreben“
Durch die schlüpfrige Arie, in der sich der sizilianische Korsar Zampa mit seinen Eroberungen brüstet (ein Gassenhauer der 1830er Jahre15), inszeniert sich der Dargestellte als Herzensbrecher – entweder seiner Bühnenrolle entsprechend oder, in Anspielung darauf, gegenüber einer realen bzw. imaginären Geliebten.16 Signiert und datiert ist die Bleistiftzeichnung mit „A. Hoffmann 1833.“
Eine starke „physiognomische Ähnlichkeit“17des Dargestellten mit dem bekannten Büchner-Porträt läßt sich nicht bestreiten. Ähnlichkeit allerdings war noch nie ein hinreichendes Kriterium für eine sichere Identitätsfeststellung. Denn sonst kämen noch mindestens zwei weitere Bildnisse in Betracht, die von interessierter Seite ebenfalls als Büchner-Porträts ausgegeben werden. Eines davon hat es sogar bis in Killys Literaturlexikon geschafft, wo es den Büchner-Artikel von – ausgerechnet – Günter Oesterle illustriert.
angeblicher Büchner
Während wiederum zwei andere Porträts, von denen wir zuverlässig wissen, daß sie Büchner darstellen, nicht die verblüffende Ähnlichkeit aufweisen:
Büchner-Skizzen von Alexis Muston
Diese beiden Zeichnungen stammen von Büchners Straßburger Studienfreund Alexis Muston (1810-1888) und wurden von Heinz Fischer18Ende der 1960er Jahre in Mustons Nachlaß, der sich im Besitz seiner Ururenkelin befand, aufgefunden. Muston hat Büchner im Oktober 1833 auf einer gemeinsamen Wanderung im „Felsenmeer“ oberhalb von Lautertal-Reichenbach im Odenwald auf einem kleinen Oktavblatt seines Skizzenbuchs flüchtig porträtiert: Eine knapp 25 x 30 mm große Ganzfigur in der Mitte zeigt Büchner sitzend auf einem großen Granitbrocken, darüber ist eine separate Porträtstudie von 40 x 50 mm eingefügt. Eine weitere Zeichnung, ein „düster umflorter Kopf über hohem Kragen“19, ist als 25 x 40 mm großer Ausschnitt überliefert und dürfte etwas jünger sein. Beide Porträts galten vorübergehend als verschollen, Reinhard Pabst und Hermann Kurzke haben sie unlängst in einem Familienarchiv wiederentdeckt20.
Muston war von 1840 bis zu seinem Tod 1888 Pfarrer in Bourdeaux, einer kleinen Gemeinde im Département Drôme, zwischen Lyon und Marseille, also kein Künstler von Profession21, sondern ein begabter Dilettant. Gleichwohl diente Ende der 1970er Jahre insbesondere seine frisch und unmittelbar wirkende Bleistiftskizze dazu, ein neues Büchner-Bild zu unterstützen, um dessen Etablierung es vehemente Auseinandersetzungen gab. Entworfen hatte es Thomas Michael Mayer, der Büchner als libertären Frühkommunisten, (sozial)revolutionären, praktischen Demokraten, Materialisten und Erotiker22 deutete und in Mustons Spontanskizze Büchners „Sinnlichkeit“23 gespiegelt sah. Ausführlich widmete sich Mayer Büchners Frisur. Im Vergleich mit dem Porträt von Hoffmann schien ihm Muston das authentischere Konterfei zu bieten: ein „gelichtet krauser Blondkopf“24, das Haar „länger und […] etwas schütter, wahrscheinlich dünner und […] mit krausen Locken, zuweilen annäherungsweise wohl auch in Zotteln abstehend“, „über den Ohren etwas wirr struppig“25. Hierin also der männlichen Haarmode seit den 1960er Jahren nicht unähnlich und damit recht passend, um im Jahr 1979 Büchner als einen der unsern, als einen Heutigen zu begrüßen.
Doch zurück zu dem Gießener Dachbodenfund und der These, Hoffmann hätte Büchner zweimal porträtiert.
Bei genauerem Hinsehen offenbaren sich markante biometrische Unterschiede: die Form des Ohrläppchens, der Abstand zwischen Lid und Augenbrauen, vor allem die Farbe der Iris: Der als Korsar posierende junge Mann hat dunkle, vielleicht braune Augen, das Büchner-Porträt zeigt jedoch eine hellere Farbe, damit der Beschreibung des Steckbriefs entsprechend: „Augen: graue“26. Die Ähnlichkeit beruht auf der schematischen Darstellung von Gesichtsmerkmalen, auf der Verwendung von Standards, von „Versatzstücken, vor allem bei der Mundpartie“27, von „Stereotypen für Merkmale des Gesichts“28 durch den Künstler. Kunststück: Hoffmann hatte in München Theatermalerei studiert und war spezialisiert auf Bühnenbilder und Dekorationen, nicht auf menschliche Bildnisse. Bei dem dargestellten jungen Mann handelt es sich wahrscheinlich um seinen jüngeren Bruder Ludwig, der als Schauspieler und Sänger in die Fußstapfen seines Vaters trat29 und bis 1833 am Darmstädter Theater nachzuweisen ist. Für die Annahme, daß es sich um ein Familienmitglied handelt, spricht sowohl die Überlieferung als Teil des Künstlernachlasses von August Hoffmann als auch die Tatsache, daß das Bild offenbar zunächst gerahmt aufbewahrt wurde30, also der Familie als Wandschmuck zur liebevollen Erinnerung diente. Einer Bezeichnung bedurfte es offenbar nicht, was ebenfalls dafür spricht, dass es sich um ein Mitglied der engeren Familie handelte.
Die spontanen Äußerungen und Argumente des akademischen Entdecker-Quartetts sind einen zweiten Blick wert. Was da zum Ausdruck kommt, was sich da ungehemmt Luft macht, ist kollektive Begeisterung über den endlich einmal „privat“ erscheinenden Georg Büchner, der sich dem Betrachter „offen und spielend“ präsentiert, „verliebt und verlobt“, facetten„reicher und greifbarer denn je“. Ein ganzer Mensch also, ein Mensch, den wir lieben können, „jenseits des Revolutionärs“.
Womit sich eine merkwürdige Koinzidenz zu dem Büchner-Bild einstellt, das uns fast gleichzeitig Hermann Kurzke in seiner im Februar 2013 erschienenen Büchner-Biographie31 präsentierte. Was Kurzke selbst in einem Interview mit dem „Gießener Anzeiger“ auch bestätigte: Der „Büchner mit dem Notenblatt“ passe „ganz gut zu dem“, was er in seiner Biographie „ausgemalt habe“32. Die Frage des Journalisten, ob „das gewachsene Büchner-Bild“ aufgrund des Dachbodenfunds „revidiert werden“ müsse, beantwortete er mit einem klaren „Nein“. Was aus seiner Sicht nur verständlich ist, denn das hatte er ja mit seinem Buch bereits erledigt. In Mustons Skizzen, deren kürzliche Wiederauffindung – wie bereits erwähnt – mit sein Verdienst ist, mochte er dagegen sehr wohl „ein neues Büchner-Bild“ entdecken, nämlich seines, das von ihm generierte. Zeigten sie doch „eben nicht nur den ‚Eisenkopf und Revolutionär’, sondern auch den romantischen, melancholischen jungen Menschen“.33 Also den wahren Büchner, den er aus dem ideologischen Klammergriff einer linken Literaturwissenschaft (S. 24) befreien mußte und den er ebenfalls gegen jeden Einspruch verteidigt. Und zwar, wie ich aus einer E-Mail an einen Dritten weiß, mit dem Hinweis, daß er „Philologe und ein erfahrener Editor (Thomas Mann, Kirchenlied)“ sei und „keine x-beliebigen Sachen [erfinde]“.34
Im Klappentext von Kurzkes Biographie heißt es, Büchner sei „bisher vorwiegend als politischer Agitator, Frühsozialist und Vorläufer der 1848er Revolution betrachtet worden“, „das Menschliche“ sei „dabei zu kurz“ gekommen, das „Private und Persönliche“ (S. 17). Und als Gast des Senders 3SAT auf der Leipziger Buchmesse erläuterte Kurzke am 14. März 2013, in seinem Buch wolle er zeigen, daß dieser Büchner „nicht nur die Papierschablone eines politischen Rechthabers“ gewesen sei, sondern „ein ganzer Mensch“, ein Mensch, „der lebt“35. Womit er im Feuilleton auf breite Zustimmung stieß. „Dieser Büchner, den er zeichnet, ist höchst lebendig“, befand etwa Volker Weidermann in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 21. April 2013.
Büchners Rolle als Sozialrevolutionär, so Kurzke, sei überbewertet worden: Büchner, lesen wir bei ihm, „war christlich, sozial und demokratisch; das alles gehörte zu seinem Programm“ (S. 494). „Büchner […] hat Öffentlichkeitsarbeit, Pressearbeit geleistet“ (S. 25 f.); „Büchner und Weidig […] haben im ‚Hessischen Landboten’ gefragt, warum der Wohlstand so ungleich verteilt ist und was der Staat eigentlich mit ihren Steuern macht. Das sind erlaubte Fragen. Heute würde man sie in eine Talkshow einladen“ (S. 61). Was von der „linken Büchner-Orthodoxie“ (S. 24 und 469) als sozialrevolutionär und frühkommunistisch verbucht werde, sei Ausdruck urchristlicher Prägung. „Gefühllos“ werde Büchner „zum Agitator heruntergehunzt. Vorübergehend und mit einem Teil seines Wesens war er das vielleicht, aber das ist nur eine schmale Schnitte aus einer großen Torte“ (S. 474). Büchner als Torte? Ein ungewöhnliches Bild. Aber gut, nehmen wir es ernst. Man muß kein Konditor sein, um zu wissen, daß eine Sachertorte auch nach dem Anschneiden immer noch eine Sachertorte ist und nicht zugleich eine Apfel- und Schwarzwälderkirschtorte. Und ein Sozialrevolutionär ist ein Sozialrevolutionär und nicht zugleich ein „Liberaler“36, ein „Sozialromantiker“ (S. 472) und Parteigänger des Jungen Deutschland (S. 26), wie Kurzke wider alle Vernunft behauptet.
In einem Interview mit Radio Bremen hat Kurzke erklärt, er habe bei seinem Lesepublikum „ein Gefühl für diesen Menschen erzeugen“ wollen: „Ich möchte, daß die Menschen, wenn sie ihm so nahe gekommen sind durch dieses Buch, am Ende weinen, wenn der so gräßlich und so plötzlich stirbt, ich will die Leute ganz nahe dran kriegen und ihr Gefühl erreichen. Georg Büchner soll am Ende ein Mensch sein, den wir kennen und lieben“37.
Wohl wegen der erwünschten „Nähe“ redet Kurzke den Menschen Büchner im Buch nahezu durchweg kumpelhaft mit „Georg“ an. Allen Bekundungen zum Trotz tut er sich mit der Liebe zu diesem Menschen allerdings schwer. Zwar wird dieser „Georg“ bereits im Untertitel zum „Genie“ erklärt, in dem „geheimnisvolle Kräfte“ gewirkt hätten38, und über den Dichter und sein Werk ergeht sich Kurzke in höchsten Tönen – mit Ausnahme des „Landboten“, der zum „großen Fehler“ erklärt wird39, zu einer „Tat jugendlichen Leichtsinns“40, einem „inhaltlich wirre[n] Produkt“41. Aber der Mensch Büchner wird zu einem großen Sünder gemacht42, zu jemandem, „der sich selbst nicht gewachsen war“43. Kurzke stellt ihn uns als Lügner (S. 120) und Angsthasen (S. 12 und 120), mutmaßlichen „Angeber“, „Feigling“ und „Drückeberger“ (S. 152) vor, der von „Größenphantasien“ beherrscht worden sei (S. 260), der „die Rolle des Revolutionärs“ nicht aus Überzeugung, sondern nur „um ihrer Wirkung willen“ übernommen (S. 103) und seine Freunde durch „Großsprecherei und Rechthaberei“ vor den Kopf gestoßen habe (S. 356), der „zurückgezuckt“ sei „bei der ersten realen Berührung mit der Staatsmacht“ und „sich weggeduckt“ habe seit der Verhaftung seines Freundes Minnigerode (120). „Die Begegnung mit dem Mühlwerk der realen Staatsmacht bewirkte erst Wut und Trotz, dann Verzweiflung und Depression“ (S. 13). Ein „Verräter“ an seinen Freunden (S. 47) und an einer geheimnisvollen Freundin aus dem Straßburger Prostituiertenmilieu (S. 449) sei er gewesen; obendrein „abgründig sexsüchtig“ (S. 279), „einsam“ (S. 20) und „kein glücklicher Mensch“ (S. 47).
Alle diese Behauptungen sind durch nichts zu belegen und stehen einem seriösen Biographen nicht zu, dessen Buch im Klappentextals „wissenschaftlich fundierte Deutung“ beworben wird. Ebenso unbelegt sind Kurzkes Gefühlshypothesen aus dem großen Register religiöser Seelennot. An die zweihundertmal ist im Buch von „Schuld“, „Gewissen“ und „Reue“ die Rede (während etwa die Namen Blanqui, Buonarroti, St. Just oder Marat kein einziges Mal auftauchen). Er folgt dabei einer übergeordneten theoretischen Orientierung: seiner Vorstellung des „Genies“ und wie geniale Dichtung entsteht, aus einer „inneren Notwendigkeit“ heraus nämlich (S. 298). In Büchners Fall ist es das Schuldgefühl. Laut Kurzke arbeitet er in seinen Dichtungen „Scham und Schuld“44 ab, verarbeitet insbesondere den „furchtbaren Schock, den der ‚Landbote’ ihm hinterließ“45. Drei Beispiele:
„Das Gefühl der Schuld peinigte ihn46. Es war zugleich ein starker Motor. Es arbeitete in Georg, es trieb ihn“ (S. 121); „Von der Flucht und vom kläglichen Scheitern der revolutionären Aktivitäten war ein schlechtes Gewissen übriggeblieben. Hatte er nicht seine Ideale und seine Freunde im Stich gelassen? Hätte er nicht Minnigerodes und Weidigs Martyrium teilen müssen? Warum war er davongekommen?“ (S. 47); „Angst und Gewissensfurcht […] stellen ihm vor Augen, welche Schuld er auf sich geladen hatte, als er 1834 der Gesellschaft leichtsinnig den Krieg erklärt und seinen besten Freund der Gefangennahme ausgeliefert hatte“ (S. 259).
Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Das Imstichlassen „seiner Ideale und seiner Freunde“ und das daraus resultierende „schlechte Gewissen“, die „Angst und Gewissensfurcht“ und das Getriebenwerden von einem „Schuldgefühl“ (S. 282) dichtet Kurzke seinem sündigen Genie kurzerhand an. Obgleich er im Nachwort versichert, sein Buch sei strikt quellenorientiert: „Ich möchte gelingendenfalls zusammen mit meinen Leserinnen und Lesern […] auf einem großen imaginären Sofa sitzen, von dem aus wir teilnehmend zuschauen, wie aus den Quellen ein Büchner entsteht“ (S. 569). Doch was sind das für Quellen, die Kurzke benutzt? Briefe und Lebenszeugnisse, wie man erwarten könnte, sind es kaum, sondern überwiegend die Werke: Dichtung als Konfession. Kurzke macht daraus gar keinen Hehl: „Wichtigste Quelle“ seien „die autobiographischen Elemente“ im Werk, die man „bisher unterschätzt“ (Klappentext) habe. Seine Grundannahme: „Grundsätzlich schreibt Büchner autobiographisch“ (S. 46), woraus sich die Gleichsetzung Büchners mit seinen Protagonisten ableitet: Büchner ist Danton, ist Lenz, ist Goethe, ist Leonce, ist Woyzeck und Doktor, ist Tambourmajor und Hauptmann. Auf der Basis dieser „konsequent autobiographischen Leseweise“ (S. 182) versucht er sich an der „Rekonstruktion der Psyche Georg Büchners“ (S. 222).
Dichtungen sind „Fenster ins Innere“, erklärt Kurzke (S. 20). Wo ihn die Dichtung im Stich läßt, imaginiert er kurzerhand. Er läßt Büchner denken, fühlen und träumen; Fakten ersetzt er durch suggestive innere Monologe. Drei Beispiele:
„Das nötige Geld zum Leben habe ich ja vom Papa, der mir zwar nicht schreibt, aber meinen Monatswechsel zukommen läßt“;„Ich sollte den Mund nicht so voll nehmen, weil die ‚moderne Gesellschaft’ immerhin die Universitäten bezahlt, an denen ich studiere und hoffentlich einmal eine Planstelle bekomme, am liebsten hier in Zürich, von wo aus ich gut auf Gießen und Darmstadt schimpfen kann…“ (S. 217 f.); „Die Begegnung mit der fille perdue hatte ihm seine Grenzen gezeigt. Wie bürgerlich er war! Wie wenig er ausrichten konnte! Wie hilflos hatte er sich gefühlt und wie lächerlich hatte er sich gemacht mit seinem Plan, sie zu ‚erheben’. Das war überheblich gewesen, und noch heute wurmte es ihn, wie souverän sie ihn hatte abfahren lassen“ (S. 256); „Für meinen Vater studiere ich, was ich muß, für mich selbst aber will ich etwas meinem Vater Verhaßtes tun. Lieber eine unreife Aktion als gar keine“47 (S. 129).
Die von ihm benutzte wissenschaftliche Literatur hat er im Anhang seines Buches auf elfeinhalb Seiten aufgelistet, im Anschluß an 50 Seiten Anmerkungen. Ungenannt bleiben zwei Titel der Büchner-Belletristik, die ihn gleichwohl erheblich inspiriert zu haben scheinen: der Büchner-Roman von Kasimir Edschmid aus dem Jahr 195048 und, von Edschmid seinerseits stark beeinflußt, der 2012 erschienene Kolportageroman „Georg Büchner – Das Herz so rot“ von Udo Weinbörner49, im Hauptberuf Referatsleiter für internationale Zivilrechtshilfe und Rechtstatsachenforschung im Bundesamt für Justiz. Drei Beispiele50:
a) „Küss mich“, sagte sie schlicht und griff mit der freien Hand nach seinem Kopf. Ihre Lippen schlossen sich warm um die seinen“; „Dann wandte sie sich ihm zu und hielt ihm ihre kleinen festen Brüste entgegen. Büchner streichelte sie mit beiden Händen, und sie begann leise zu stöhnen“. So lesen wir bei Weinbörner (S. 91 und 60).
Kurzke schildert, im Unterschied zu Weinbörner „wissenschaftlich fundiert“: „Zuerst war ihre Hand in seine geschlüpft, dann kam der Kuß. […] Sie half mit, als er sich ihre Lippen zurechtlegte […]. Eines Tages durfte er ihre Brüste in seine Hände legen; es fühlte sich an, als trüge er eine Welt“ (S. 233).
b) „Der Kastenwagen stand etwas versteckt in einer Kurve […]. Es war ihre Schönheit, die sie sofort für ihn einnahm. […] ‚Steigen sie auf, Herr Büchner’, sagte sie mit leiser Stimme. […] Büchner lächelte sie an. Sie griff nach den Zügeln, Schütz sprang hinten auf die Ladefläche, während sich Büchner auf den Bock hockte und die müden Beine streckte. […] Der Saum ihres grob gewebten, dunkelbraunen Kleides war verrutscht, darunter schauten wenige Fingerbreit ihre schlanken Waden hervor“ (so Weinbörner, S. 194-207).
Kurzke erläutert: „Das war ein höchst erwünschter Nebeneffekt der Verschwörungen, daß man überall Kameradinnen hatte, die man unter den konspirativen Vorwänden heimlich treffen konnte. Die langen täglichen oder nächtlichen Fußwege waren schön, manchmal ergab es sich, daß man ein Stück zu zweit ging, auch kam es vor, daß man auf einem Heuwagen mitgenommen wurde. Es war ein heißes Spiel mit der Gefahr“ (S. 227).
c) „Manchmal […] kam ich mir selbst lächerlich vor. […] Ich sah, daß auch meine Bemühungen lächerlich waren“; „Es überkam mich der peinliche Überdruß, den die Vorstellung erwirkt, an einer anständigen, aber durchaus aussichtslosen Sache zu arbeiten51. Und doch zog es mich hinein“ (so der Dichter Edschmid, S. 174).
Kurzke führt aus: „Als oberhessischer Flugschriftenschreiber“ kam sich Büchner „klein und lächerlich“ vor (S. 182); „Und so wirft er sich mit verbissener Leidenschaft auf den ‚Hessischen Landboten’, voll heimlicher Trauer und das Wort ‚aussichtslos’ im Herzen“ (S. 129).
Zur Erholung möchte ich Ihnen jetzt ein weiteres Büchner-Bild zeigen. Es schmückt das Titelblatt des Oktoberhefts 2013 von „Cicero. Magazin für politische Kultur“ und zeigt Büchner als „Dichter-Punk“ mit der auf den Oberarm tätowierten Devise des „Hessischen Landboten“, „Friede den Hütten. Krieg den Palästen“. Ein „Berserker der Gerechtigkeit“ und „Ahnherr der Empörten“ sei er gewesen und daher „so aktuell […] wie nie“.
Büchner als „Dichter-Punk“
Büchners kurzes, durch wenige Zeugnisse dokumentiertes Leben lädt natürlich zur Legendenbildung ein. Für den Belletristen kann das ein Glücksfall sein, denn es gewährt ihm Freiheit zum Erfinden. Ein wissenschaftlicher Autor, der erfindet, kapituliert jedoch vor seiner Aufgabe. Würde Kurzkes Buch als Roman verkauft, wäre sein Verfahren zulässig. Für ein „Fachbuch“ aber sind all die Imaginationen, Suggestionen, Konjunktive und schwebenden Behauptungen in dieser Fülle unseriös und der Behauptung „wissenschaftlicher Fundierung“ widersprechend. Wofür ihn aber das Feuilleton (mit wenigen Ausnahmen52) feiert53.
Damit wir uns richtig verstehen: Ein Biograph darf sich nicht vom Faktischen berauschen lassen. Das hieße in Büchners extremem Fall, daß das wenige, was wir sicher wissen, mit dem unbekannten „wahre[n] Ganze[n]“ (S. 20) verwechselt wird. Tatsächlich ist es nur ein winziges, zufällig überliefertes Bruchstück davon54. Noch weniger aber sollten in einer „wissenschaftlich fundierten“ Biographie trivialliterarische Imaginationen, auch wenn sie „erzählerisch auf höchstem Niveau“ sind (Klappentext), dazu dienen, ein neues, tendenziöses Bild des Autors zu generieren, zumal wenn diese Imaginationen im Buch auf variantenreiche Weise camoufliert und vom Biographen in Interviews und Podiumsdiskussionen55 geleugnet bzw. verharmlost werden. Die Problematik ist Kurzke durchaus bewußt, wenn er erklärt, daß eine Imagination „Gesetze einzuhalten“ hat und mit „kontrollierbaren Verfahren“ arbeiten muß (S. 20). Er hält sich nur nicht daran.
Denn ganze achtmal gesteht Kurzke „Imaginationen“ ein („Imagination ohne Beleg“ heißt es dann). Hinzu kommen Konjunktive, zahlreiche „vielleichts“ und ein gutes Dutzend weiterer Warnungen: „Nicht belegt“; „Wir verlassen den gesicherten Boden der Fakten“; „Frei erfunden“; „Wir stellen uns vor“; „Es könnte so gewesen sein“; „Büchner selbst kann das ursprünglich einmal gesagt oder gedacht haben“; „Es kann gut sein“; „Es ist ein Gedankenexperiment, aber vermutlich […]“; „Es mochte sein“. Drei Beispiele:
a) Büchner hatte „vielleicht“ eine Romanze mit Amalie Weidig; „sie saßen möglicherweise zu dritt auf der Bank im Butzbacher Garten unter der weitästigen Linde, an einem lauen Abend im Mai 1834. Georg sagte nichts, machte sich klein und schmiegte sich in ihre herrliche Hand. In ihm war Musik“ (S. 239);
b) „Es mochte sein, daß Büchners Begehren schweifend war wie dasjenige Dantons […]. Es mochte sein, daß er sich nicht nur nach Minna sehnte, sondern auch nach einem gefallenen Engel in einem Straßburger Bordell“ (184);
c) „Waren sie schon vierzehn gewesen oder noch dreizehn, als sie sich gegenseitig ihre steifen Glieder gezeigt hatten, Minnigerode und er, in einer winzigen sonnendurchglühten Lichtung im Ufergebüsch des Rheins nahe Goddelau, wo sie sich gegenseitig befühlten, staunend, daß das Ding hart war wie Holz? Aufgeschrieben hat das keiner, aber wie viel ereignet sich, ohne je aufgeschrieben zu werden“ (S. 152 f.). Unwillkürlich kommt einem dabei Kurzkes Überlegung auf S. 256 in den Sinn: „Woraus speist sich die Erfindung? Man denkt sich ja nicht einfach etwas aus.“ Anderererseits möchte man es aber gar nicht wissen.
Solchen Anekdoten und Anekdötchen, die sich ausschließlich seiner blühenden Phantasie verdanken, gibt Kurzke gegenüber Briefaussagen und Lebenszeugnissen stets den Vorzug. Greift er doch einmal eine radikale Äußerung Büchners auf, wie etwa im Brief an Gutzkow von Anfang Juni 1836, tut er sie als bloß verbalradikales Schwadronieren ab: „Das alles klingt viel klüger als es ist – altklug ist es höchstens“; das sei „mehr rasch dahingesagt als profund“. Immerhin wird der Leser in den eben zitierten Fällen zumindest darüber informiert, daß es sich um Mutmaßungen des Biographen handelt. Zahlreiche weitere romanhafte Erfindungen bleiben jedoch unmarkiert, etwa die bereits erwähnten suggestiven inneren Monologe. Noch fragwürdiger wird das Verfahren, wenn Kurzke in der Frageform des Möglichen beginnt und übergangslos in der Aussageform des Faktischen endet: Ein Beispiel: „Hatte Georg Erbsen enthülst, Engerlinge zertreten, Hühner gefüttert […], Rüben und Radieschen ausgezogen? Es war ein Glücksgefühl, nützlich zu sein und dann hoch auf dem Erntewagen mit heimfahren zu dürfen […]. Die Kinder wurden nicht verzärtelt […]. Waren sie nicht freier und selbstbestimmter als die Bürgerkinder? Dem jungen Georg erschien es manchmal so“ (S. 155).
Wie lautet das Fazit nach rund 500 Seiten durchweg unerquicklicher Lektüre? Unter dem Strich geht es um die Inklusion eines angeblich miß-, nämlich frühsozialistisch gedeuteten Autors in ein christliches Weltbild. Eine Rettung auch, eine Bergung (geborgen in Gott). Als wäre das Ende der Welt nahe, als müsse ein Guter von den Bösen geschieden werden und eine prominente Armesünderseele schnell noch für das Himmelreich gewonnen werden. Wie tröstlich, daß Büchner nicht unvorbereitet starb. Jedenfalls glaubt Kurzke dies an den „Woyzeck“-Handschriften ablesen zu können. Als Beleg zitiert er zwei am Rand nachgetragene Verse in der „Woyzeck“-Quarthandschrift: „Herr! wie Dein Leib war roth und wund, So laß mein Herz seyn alle Stund.“ Dies, behauptet Kurzke, gehöre zu den „allerletzten Zeilen“, die Büchner „vor seinem Tode“, nämlich Ende Januar 1837, geschrieben habe. Tatsächlich aber ist eine genaue Datierung dieser Stelle gar nicht möglich. Die chemischen Tintenanalysen der „Woyzeck“-Manuskripte, die im Auftrag der Marburger Historisch-Kritischen Ausgabe durchgeführt wurden, konnten lediglich Straßburger (H1, H2) und Zürcher Tinten (H3, H4) unterscheiden, nicht aber zeitliche Abläufe innerhalb dieser beiden Handschriftenkomplexe56. Wann die zitierte Stelle niedergeschrieben wurde, ob im November oder Dezember 1836 oder im Januar 1837, bleibt also Spekulation. Die Beschaffenheit der Handschriften spricht für Henri Poschmanns Neuordnung, der das Entwurfsblatt mit den Szenen „Der Hof des Professors“ und „D. Idiot. D. Kind. Woyzeck“ (bisher H3, bei ihm H4) ans Ende der Werkgenese stellt57. Frei von derlei neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen behauptet Kurzke, die Gebetsverse seien quasi Büchners Schlußwort gewesen: „Es muß ihm wichtig gewesen sein.“ „Sein Leben […] hätte so betrachtet etwas Rundes und Fertiges. Alle Schulden, besonders die moralischen, scheinen getilgt.“ Auch für die letzten überlieferten Worte des Typhuskranken in einem Brief an seine Verlobte, „Adieu mein Kind“, liefert Kurzke eine schlüssige Deutung: „‚Adieu mein Kind’ wörtlich genommen hieße, er hätte dann einen Weg ‚zu Gott’ angetreten“ (S. 490).
Da hat also – wenn es nach Kurzke geht – ein verlorenes Schäflein zu Gott zurückgefunden, ein Lügner, „Angeber“, „Feigling“, „Drückeberger“, Großsprecher, Rechthaber und „Verräter“ am Ende seine Sünden bereut und seinen Frieden mit Gott gemacht, was ja zu doppelter Freude Anlaß gibt, bzw. zu neunundneunzigfacher, wie es in Luthers Bibelübersetzung heißt („Also wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, vor neunundneunzig Gerechten, die der Buße nicht bedürfen“). „Schar-lih, ich glaube an den Heiland. Winnetou ist ein Christ. Lebe wohl!“, lauten die letzten Worte eines anderen Bekehrten bei einem anderen berühmten, gleichfalls steckbrieflich gesuchten deutschen Dichter, der seine offizielle Briefmarke gleichwohl schon vor 26 Jahren bekommen hat. Schließlich war er ja auch kein „Staatsverräther“, sondern nur ein einfacher Hochstapler, Dieb und Betrüger.
So wird der märtyrergleiche Georg Büchner 175 Jahre nach seinem Tod zu einem Sankt Georg erklärt, der uns Heutigen Trost und Segen zu spenden vermag. Womit sich dann auch der Bedarf an Reliquien erklärt. Vor 25 Jahren, bei der großen Darmstädter Büchner-Ausstellung auf der Mathildenhöhe, war es eine Haarlocke Büchners, der ihr Entdecker Thomas Michael Mayer „die vielleicht größte auratische Bedeutung“ von allen dort gezeigten Exponaten beimaß58 (bedeutender also auch als die „Woyzeck“-Manuskripte, die ebenfalls auslagen). 2013 soll es ein neues, „lebendiges“ Porträt sein, das unser verfestigtes Büchnerbild quasi in die Luft sprengt. Reliquienkult aber generiert Betrug, nicht bloß im Mittelalter. Da wird dann auch schon mal Ähnlichkeit für Identität genommen, blühende Phantasie für biographische Wahrheit.
Spiegel 40/2013
So weit, meine Damen und Herren, hatte ich bis zum 20. September geschrieben. Ein Schluß mußte noch her. Mir fiel aber keiner ein. Doch dann erschien am Montag, dem 30. September, eine neue Ausgabe des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, mit einem sechzehnspaltigen Beitrag von Matthias Matussek über Georg Büchner, den „Heilige[n] Rebell“. Der Beitrag ist reich illustriert: Büchners eigenhändiger Namenszug, die Devise des „Hessischen Landboten“ und sieben Bilder. Das größte läuft über drei Spalten, es zeigt wen? Richtig, Georg Büchner. Nein, es behauptet, Georg Büchner zu zeigen. Es zeigt den Gießener Dachbodenfund. Bildunterschrift: „Schriftsteller Büchner: Der rote59 Korsar“. Des weiteren werden abgebildet Mustons Federskizze, ein Kostümentwurf zu „Danton’s Tod“, der Steckbrief vom Juni 1835, eine Phantasiedarstellung des Frankfurter Wachensturms und, in einer Spalte untereinander, das Porträt der Straßburger Verlobten und ein gekrümmtes blondes Haarbüschel: die Locke. Unterschrift: „Büchner-Freundin Jaeglé, Büchner-Locke / Das Grauen Normalität“. Ende des Zitats.
Nachtrag vom 17.10.2013: Es geht noch schlimmer. „Süddeutsche Zeitung“ von heute, Artikel von Lothar Müller mit zwei Illustrationen: 1. Büchner-Skizze von Alexis Muston, ca. 7 x 5 cm, 2. Büchner-Haarlocke, ca. 20 x 20 cm. Heiliger Georg, steh uns bei.
1Die Umstände der Auffindung resümierte Olga Lappo-Danilewski in der „Gießener Allgemeinen“ vom 1. August 2013: „Der ‚Dachbodenfund’ ist eine Mappe in Form eines Folianten, dessen Inhalt das Ehepaar Eva und Wilfried Michel bei der Nachlassaufarbeitung in seinem Haus in der Stephanstraße in einer Holzkiste fand und erstmals der Sichtung unterzog. Zum Konvolut gehören rund 155 Arbeiten des Theatermalers August Hoffmann (1807-1883) mit Genreszenen und Landschaften, darunter nur einzelne Porträts. Besondere Aufmerksamkeit erregte ein größeres Blatt mit entsprechend der Abmessung des Albums gefalteten Rändern. […] Ein später und mit Kugelschreiber fehlerhaft an den Rand geschriebener Namenszug ordnet die Zeichnung August Hoffmann zu, der in die alteingesessene Pfarrersfamilie Clotz eingeheiratet hat und ein Ururgroßonkel von Eva Michel ist. Über den mit ihr verwandten Pfarrer i. R. Ludwig Clotz […] gelangte die Zeichnung in die Hände des emeritierten Germanisten Prof. Günter Oesterle […]“; s. http://www.giessener-allgemeine.de/Home/Stadt/Stadtkultur/Artikel,-Mutmassliches-Buechner-Portraet-im-Tresor-des-Uni-Archivs-_arid,436729_regid,1_puid,1_pageid,266.html (aufgerufen am 14.9.2013).
2 „EINLADUNG ZUR PRESSEKONFERENZ / Sehr geehrte Damen und Herren, zur Pressekonferenz GEORG BÜCHNER EIN JAHRHUNDERTFUND am Montag, den 27. Mai 2013 um 11 Uhr im Ausstellungsgebäude Mathildenhöhe Darmstadt Olbrichweg 13, 64287 Darmstadt laden wir Sie herzlich ein. Es erwarten Sie: Dr. Ralf Beil | Direktor Institut Mathildenhöhe Darmstadt / Prof. Dr. X | Büchner-Forscher / Georg Büchner | in effigie / Wir freuen uns über Ihre Rückmeldung und auf Ihr Kommen.“ (Einladung vom 23.5.2013).
3 „PRESSEINFORMATION / GEORG BÜCHNER-PORTRÄT AUF GIESSENER DACHBODEN ENTDECKT / Dem Büchner-Forscher Prof. em. Dr. Günter Oesterle von der Justus-Liebig-Universität Gießen ist vor wenigen Tagen bislang unbekanntes biografisches Material in die Hände gefallen: das derzeit einzige greifbare Bildzeugnis von Georg Büchner zu Lebzeiten, noch dazu signiert und datiert. Es handelt sich um einen veritablen Dachbodenfund – eine kulturhistorische Sensation im Jubiläumsjahr des 200. Geburtstages von Georg Büchner, Revolutionär, Naturwissenschaftler und Dichter von Weltrang. Das neu entdeckte Porträt wird einer breiteren Öffentlichkeit erstmals vom 13. Oktober 2013 bis zum 16. Februar 2014 in der Landesausstellung ‚Georg Büchner. Revolutionär mit Feder und Skalpell’ der Mathildenhöhe Darmstadt im Darmstadtium präsentiert werden.“
4Er gibt auf seiner Hochschul-Website als Forschungsschwerpunkte an: „Tiere, Büchner, Romantik, Improvisation“; s. http://www.ndl1.germanistik.uni-wuerzburg.de/mitarbeiter/borgards/ (aufgerufen am 14.9.2013).
5 „Statement von Prof. em. Dr. Günter Oesterle, Justus-Liebig-Universität Giessen, zur Entdeckung des Porträts“; Presseinformation des Instituts Mathildenhöhe Darmstadt zum Georg Büchner Porträt, 27.05.2013.
6 „Statement von Prof. Dr. Roland Borgards, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, zu seiner Überblendung der beiden Hoffmann-Porträts“; Presseinformation des Instituts Mathildenhöhe Darmstadt zum Georg Büchner Porträt, 27.05.2013.
7Zitiert bei Hubert Spiegel, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 27.5.2013.
8 „Statement von Prof. Dr. Burghard Dedner, Philipps-Universität Marburg, zur Datierung und Interpretation des Porträts“; Presseinformation des Instituts Mathildenhöhe Darmstadt zum Georg Büchner Porträt, 27.05.2013.
9Im Ende September erschienenen Ausstellungsflyer kündigt das Institut an, die Ausstellung werde sich damit beschäftigen, was Büchner „gesehen“, „gehört“ und „gelesen“ hat und „welche Menschen […] ihn geprägt“ haben: „Es geht in dieser Ausstellung um nichts weniger als einen neuen Blick auf Büchner.“ Offenbar glaubt man auf der Mathildenhöhe, „nichts weniger als“ sei eine Formel starker Bejahung.
10Statement von Dr. Ralf Beil, Ausstellungskurator „Georg Büchner. Revolutionär mit Feder und Skalpell“, zur Entdeckung des Porträts“; Presseinformation des Instituts Mathildenhöhe Darmstadt zum Georg Büchner Porträt, 27.05.2013.
12 „Rock: blautüchner, eine Art Polonaise mit Schnüren auf Brust und Rücken, sog. [P]lattlitzen“ (Hauschild 1993, S. 378). Im Steckbrief steht irrtümlich „Blattlitze“. Eine Plattlitze ist eine breite Schnur, die ursprünglich geklöppelt wurde. In Stephan Edler von Keeß’ „Darstellung des Fabriks- und Gewerbswesens in seinem gegenwärtigen Zustande“ wird sie als „bortenähnliches Schnürchen aus Angoragarn von zweyerley Farbe“ beschrieben, das sich „auf herrschaftlichen Husaren Livreen“ finde (Wien 1824, 2. Teil, Bd. 1, S. 515).
13[Ludwig (und Luise?) Büchner], „Gedenkblatt für Georg Büchner“, in: „Die Gartenlaube“, Nr. 11, März 1875, S. 179-181; hier S. 179 (Hinweis von Reinhard Pabst). In diesem „Polen-Rock“ pflegte er nach Erinnerung seines Bruders Wilhelm „stolz […] durch die Strassen der Residenz“ zu schreiten (Hauschild 1985, S. 439). Diese der Pekesche nachempfundene taillierte Jacke galt nach der blutigen Niederschlagung der polnischen Erhebung gegen die russische Oberherrschaft (1831) als Signal politischer Solidarität.
16Reinhard Pabst hielt es bereits deshalb für ausgeschlossen, daß Büchner sich seiner Freundin damit hätte in Erinnerung bringen wollen. „Trotz vieler literarischer Liebesspielereien im späteren Briefverkehr der Brautleute hätte Büchner sich gegenüber Jaeglé nie als Korsar inszeniert, der sich mit Liebschaften und Eroberungen brüstet“, zitiert ihn Florian Balke in seinem F.A.Z.-Artikel vom 23.6.2013.
18Heinz Fischer, „Georg Büchner und Alexis Muston“, in: ders., „Georg Büchner. Untersuchungen und Marginalien“, Bonn 1972, S. 79-83.
19Thomas Michael Mayer: „Umschlagporträt“, in: „Georg Büchner I/II“, herausgegeben von Heinz Ludwig Arnold, München 1979, S. 7. Der hohe Kragen könnte der des „Polenrocks“ sein; s. unten Text zu Anm. 70.
20Siehe http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/autoren/georg-buechners-verschollenes-bildnis-der-alte-herr-konnte-sich-kaum-trennen-12594789.html (aufgerufen am 1.10.2013).
21Und deshalb verbietet sich auch eine Einschätzungen wie die von Dierk Wolters in der „Frankfurter Neuen Presse“ vom 1.10.2013: „eine Skizze, die seinem Aussehen wohl so nahe kommt wie sonst keine“ (s. http://www.fnp.de/nachrichten/kultur/Freudentraenen-ueber-Buechner;art679,644942; aufgerufen am 1.10.2013).
22„Georg Büchner I/II“, herausgegeben von Heinz Ludwig Arnold, München 1979, S. 5.
23„Georg Büchner I/II“, herausgegeben von Heinz Ludwig Arnold, München 1979, S. 12.
24„Georg Büchner I/II“, herausgegeben von Heinz Ludwig Arnold, München 1979, S. 10.
29Dieselbe Vermutung äußerte beim Expertengespräch auf der Mathildenhöhe Reinhard Pabst; s. Hubert Spiegel, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 24.6.2013.
30Burghard Dedner / Tilman Fischer, „Bericht zu dem Bild von August Hoffmann: ‚Junger Mann mit Notenblatt’, unlängst Georg Büchner zugeschrieben“, Tischvorlage für das Expertengespräch im Institut Mathildenhöhe Darmstadt am 18.6.2013.
31Hermann Kurzke: „Georg Büchner Geschichte eines Genies“.- München: C. H. Beck 2013. 591 S. mit 48 Abbildungen (erschienen am 12.2.2013).
32Jens Frederiksen, „Gießener Anzeiger“, 29. Mai 2013.
33Johannes Breckner, „Darmstädter Echo“, 30.9.2013; s. http://www.echo-online.de/nachrichten/kunstundkultur/Spektakulaere-Funde-in-Suedfrankfreich;art1161,4341979 (aufgerufen am 1.10.2013). Die „Frankfurter Neue Presse“ vom 1.10.2013 zitierte Kurzke mit dem Statement: „Man kommt Büchner hier so nahe wie in keinem anderen Lebenszeugnis“ (s. http://www.fnp.de/nachrichten/kultur/Freudentraenen-ueber-Buechner;art679,644942; aufgerufen am 1.10.2013).
34So Kurzkes eMail-Auskunft an Peter Brunner vom 11. Juni 2013.
35http://www.3sat.de/mediathek/index.php?display=1&mode=play&obj=35399 (aufgerufen am 10.9.2013).
36So Kurzke in einem von Alexander Kissler moderierten Streitgespräch mit dem Verfasser in „Cicero. Magazin für politische Kultur“, Nr. 10, Oktober 2013, S. 25-30, hier S. 28.
37http://www.radiobremen.de/kultur/buch-tipps/zimmermann-kurzke-buechner100.pdf (aufgerufen am 10.9.2013).
42Scharfsinnig erkannte sein erster Rezensent Friedmar Apel: „Liebe zur Literatur und Erbarmen mit dem unglückseligen Menschen sprechen aus jeder Zeile von Kurzkes hingebungsvoller Biographie“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. Februar 2013).
46 „Schuldgefühle quälten ihn“ (Weinbörner 2012, S. 320).
47 „Ich finde es falsch […] doch habe ich mich nun einmal eingelassen gegen meinen Willen und gegen meinen Verstand“; „Die Erkenntnis der vollkommenen Zwecklosigkeit unserer Arbeit war mir immer insoweit bewußt gewesen, als ich die Erkenntnis zu parieren suchte mit dem Gefühl, es müsse trotzdem auch gegen die Vernunft getan werden“ (Edschmid, S. 252 und 261 f.)
48Kasimir Edschmid: „Wenn es Rosen sind, werden sie blühen. Roman“, München: Verlag Kurt Desch 1950 (Neuausgabe unter dem Titel: „Georg Büchner. Eine deutsche Revolution. Roman“, München: Verlag Kurt Desch 1966, Taschenbuchausgabe Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag 1980)
50„Erzählerisch auf höchstem Niveau“, befindet der Klappentext.
51Vgl. Weinbörner 2012, S. 177: „[…] überkam ihn der peinliche Überdruß, den die Erkenntnis bewirkt, an einer guten, aber aussichtslosen Sache zu arbeiten.“
54Es sei „eine schwierige Kunst“, erklärt Kurzke, „das Richtige auszuwählen und es richtig zu deuten“ (S. 20). Und läßt keinen Zweifel daran, daß er diese Herausforderung gemeistert hat wie kein anderer vor ihm. Ja, versteigt sich sogar dazu, seine „imaginierten Ergänzungen“ mit Büchners quellenverarbeitender Produktion gleichzusetzen (S. 21).
55Mit dem Verfasser im Stadttheater Gießen am 29. Juni 2013, moderiert von Steffen Popp; s. http://www.giessener-anzeiger.de/lokales/kultur/13222777.htm (aufgerufen am 6.10.2013).
57Georg Büchner: „Dichtungen“. Hrsg. von Henri Poschmann unter Mitarbeit von Rosemarie Poschmann. (Sämtliche Werke, Briefe und Dokumente in zwei Bänden, Bd. 1). Frankfurt/Main: Deutscher Klassiker Verlag 1992, S. 218 f.
58Thomas Michael Mayer: „Die Locke. Reliquie und Asservat“, in: „Georg Büchner: Revolutionär, Dichter, Wissenschaftler 1813-1837. Der Katalog [zur] Ausstellung Mathildenhöhe, Darmstadt 2. August bis 27. September 1987“ [Redaktion: Susanne Lehmann, Stephan Oettermann, Reinhard Pabst, Sibylle Spiegel], Frankfurt am Main und Basel 1987, S. 366-370.
59Was bedeutet hier eigentlich „rot“? Kommunistisch rot? Oder ist es ein (sinnloser) Verweis auf Robert Siodmaks gleichnamigen Piratenfilm von 1952? Antworten erbeten.