Peter Brunners Buechnerblog

Monat: Juni 2013 (Seite 2 von 2)

Der Korsar von Darmstadt erstmals öffentlich

Für Freitag lädt das Institut Mathildenhöhe zu einer öffentlichen Diskussion über die Authentizität des neu aufgefundenen Hoffmann-Bildes ein.

 

buechner.jpg.17081170

 

EINLADUNG
ZUM ÖFFENTLICHEN ROUND-TABLE-GESPRÄCH
Sehr geehrte Damen und Herren,
Zum öffentlichen Round-Table-Gespräch
DER JUNGE MANN MIT NOTENBLATT
– EIN PORTRÄT VON GEORG BÜCHNER?
am Freitag, den 21. Juni 2013 um 19 Uhr
im Ausstellungsgebäude Mathildenhöhe Darmstadt
Olbrichweg 13, 64287 Darmstadt
laden wir Sie herzlich ein.
Es erwarten Sie:
Dr. Ralf Beil | Direktor Institut Mathildenhöhe Darmstadt
Prof. Dr. Burghard Dedner | Leiter der Forschungsstelle Georg Büchner,
Philipps-Universität Marburg
Reinhard Pabst | Büchner-Experte und Literaturdetektiv, Bad Camberg
Dr. Mechthild Haas | Leiterin der Graphischen Sammlung,
Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Prof. em. Dr. Günter Oesterle | Institut für Germanistik, Justus-Liebig-Universität Gießen
Prof. Dr. Roland Borgards | Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literaturgeschichte,
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

 

Bis auf Frau Dr. Haas haben sich alle bereits öffentlich erklärt – Reinhard Pabst wird wohl alleine den Skeptizismus hochhalten müssen.

 

Dr. Jan-Christoph Hauschild kommt nicht zu der Präsentation. Er hat angeboten, sich anlässlich seines nächsten Darmstadt-Besuches um den 18. Juli, wenn er in der „Büchner-Box“ sein funkelnagelneues „Georg Büchners Frauen“  vorstellt, öffentlich zu äußern. Er schrieb in seiner Absage an Dr. Ralf Beil:

 

… viele Fragen lassen sich auch von zuhause aus klären. Zum Beispiel die Datierung. Die Datierung auf dem Korsarenbild sieht eher nach 1839 als nach 1833 aus. Wann zeigen Sie mir für beide Jahre Beispieldatierungen aus dem Hoffmann-Konvolut?
 
Ein paar weitere Porträts von Hoffmann zum Vergleich würden womöglich weiteren Aufschluß über seine handwerkliche Manier geben, so er denn eine hatte, die wiederum ggf. die Ähnlichkeit erklärte.
 
Erst danach würde ich in die Ähnlichkeitsdiskussion eintreten wollen, die meines Erachtens ebenfalls nicht für einen GB spricht. Die relevanten Unterschiede sind allzu deutlich. Auch für Biometrie gibt es übrigens greifbare Experten.
 
Und dann bliebe, falls sich das Ganze damit nicht bereits erledigt hat, immer noch die Frage, warum Hoffmann GB zweimal gezeichnet haben sollte, 1834 (so meine indiziengestützte Hypothese) den im Polenrock und 1839 bzw. 1833 den Korsaren.
 
Daß Büchner sich als jugendlicher Satyriatiker porträtieren ließ, würde ich mir noch gefallen lassen. Aber dann muß alles andere stimmen. Und diesen Eindruck habe ich, gelinde gesagt, nicht.

Korsar, von cursus – lat. Beutezug

Wiederholt und schon lange bevor die Verschrottungsdebatten begannen, habe ich hier über das Schicksal der Charlesville  / Georg Büchner im Hafen von Rostock berichtet.

 

(in diesen Berichten finden sich auch links zu weiteren Artikeln sowie zu den Aktivisten, die sich für den Verbleib des Schiffes einsetzten).

 

Piratenflagge

 

 
Der bisher letzte Weg des traditionsreichen Schiffes spottet allerdings jeder Beschreibung und übertrifft die Phantasie selbst derjenigen, die einige Erfahrung im Umgang der öffentlichen Hand mit Denkmälern verschiedenster Natur haben. Bei Nacht und Nebel und und völlig offenen denkmals- und offenbar auch naturschutzrechtlichen Vorschriften wurde das Schiff aus dem Rostocker Hafen, angeblich zur Verbringung nach Litauen, notdürftig seetüchtig gemacht, abgeschleppt. Es sank kurz darauf unter ungeklärten Umständen. Jetzt ist die ganze Geschichte hier noch einmal im SPIEGEL abgehandelt worden und da findet sich nun für aufmerksame Leser mit Büchner-Interessen ein ganz besonderer Leckerbissen. In den Kommentaren stellt nämlich hier ein gewisser dr. hp den Zusammenhang her, über den alle regelmäßigen Leser dieses Blogs längst nachgedacht haben: nämlich zu Georg Büchner als Korsar! Dieser dr.hp ist kein Geringerer als der verdiente Herausgeber der großen Georg-Büchner-Werkausgabe im Deutschen Klassikerverlag, Herr Dr. Henri Poschmann aus Weimar, der damit auch gleich seine Haltung zum aktuellen Bilderfund artikuliert.

„Natürlich er selbst, das Phantom des roten Korsaren, wer sonst, hat sich die „Georg Büchner“ gegriffen …“ schreibt Poschmann, den die eigentlich so aufmerksame Presse zur Frage der Identifizierung des neu aufgefundenen Büchner-Bildes ja längst hätte fragen können  – ebenso wie den dazu ebenfalls bisher öffentlich nicht vernommenen Büchner-Biographen Jan-Christoph Hauschild. Mal sehen, ob der sich ebenfalls freibeuterischer Methoden zur Veröffentlichung seiner Haltung bedienen  wird …

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Goddelauer Büchner

Wie verschiedentlich angekündigt, habe ich auf Hinweis von Jan-Christoph Hauschild heute früh im Godderlauer Büchnerhaus durch das liebenswürdige Entgegenkommen von Rotraud Pöllmann auch den „Goddelauer Büchner“ scannen können.

 

Laut einem mit Schreibmaschine verfassten Text auf dem Rahmen stammt die Reproduktion ebenfalls aus der Hand von Georg Büchners Neffen Ernst Büchner und wurde auch 1913 angefertigt. In Goddelau ist dieses wertvolle „Original“ schon seit lange sicher verwahrt, gezeigt wird dort heute eine moderne Reproduktion der Reproduktion.

GoddelauerBuechne_bemasst

Das Bild ist zwar deutlich besser erhalten als das aus dem Familienbesitz, zeigt aber – oval zugeschnitten – ganz offensichtlich den exakt gleichen Zustand.  Auch hiervon habe ich einen hochauflösenden Scan anfertigen können, den ich wie schon anlässlich des ersten Scans hier erwähnt auf Anfrage per E-Mail gerne zur Vertiefung der Erkenntnisse zur Verfügung stelle.

 

 

Schau mir in die Augen …

Auf allgemeinen Wunsch und obwohl ich gerne über die Pressekonferenz zu Büchner200 in Darmstadt berichten würde, habe ich mich hingesetzt und als Beitrag zur Diskussion um das neu aufgetauchte Bild noch einmal einen Vergleich mit vorhandenen Bildern gemacht. Auffallend regelmäßig haben mich nämlich Frauen, die offenbar eine andere Herangehensweise an Portraits gelernt haben als ich, auf die Augen der beiden jungen Männer aufmerksam gemacht.

BuechnerAugen-Seite001

Georg, Mathilde, Alexander, der „Neue“, Wilhelm, Ludwig und Luise Büchner 

Hier jetzt mal die Augen aller Geschwister aus zu Lebzeiten entstandenen Portraits; in der Mitte die Augenpartie des neu entdeckten Bildes (erinnert das an „eins passt nicht in diese Reihe“?).

 

 

Gewogen und viel leicht gefunden

Die Aufregung um das möglicherweise neue Bild von Georg Büchner reißt nicht ab.

buechner.jpg.17081170

Teils öffentlich (R. Pabst in der FAZ, Hermann Kurzke im Gelnhäuser Tageblatt, leider online nicht verfügbar), teils im Briefwechsel (J.-C. Hauschild, Henri Poschmann), haben mittlerweile vier sehr unterschiedliche Forscher Zweifel an der Zuordnung geäußert.

Unter den polemischen Bezeichnungen für den Abgebildeten, die mich amüsiert haben, war „Zampano“ (als Anspielung auf die zitierte Oper) natürlich einer Steilvorlage folgend; Henri Poschmanns „Das Phantom, das aus der Oper kam“ lohnt alleine schon fast die ganze Auseinandersetzung!

Abgesehen von der persönlichen Einschätzung Georg Büchners, zu der aus vielerlei Gründen eine Inszenierung als Pirat mit Liebesbrief einfach nicht passen will, wird als Begründung von Zweifel oder Ablehnung genannt:

– es gibt keinen Beleg dafür, dass der Maler August Hoffmann und Georg Büchner 1833 zur gleichen Zeit in Darmstadt waren;

– das Bild ist signiert und datiert, aber nicht betitelt. Es kann einen beliebigen anderen jungen Mann darstellen.

– die insbesonderen von den Professoren Oesterle und Borgards postulierte Ähnlichkeit, bis hin zu der technischen Überblendung der beiden Bilder, hat objektiv keine Beweiskraft. Dies um so weniger, als Georgs Bruder Wilhelm ihm unbestritten sehr ähnlich sah.

– das überlieferte Bild von Georg Büchner, das August Hoffmann malte und das 1944 in Darmstadt verbrannte, ist nur in mäßigen Kopien bekannt. Die am weitesten verbreitete  ist eine Reprografie aus den 30er Jahren. R. Pabst erinnert: „Das Gesicht Büchners wirkt darauf „breit und leichenhaft aufgeschwemmt, weil es die Struktur seiner dem Betrachter zugewendeten Hälfte verloren hat“ (so Thomas Michael Mayer bereits 1987)“. Das mache es kaum möglich, von der Kopie auf ein anderes Original zu schließen.

Ich möchte den Argumenten noch hinzufügen:

– Georg Büchners Werk wimmelt von Textübernahmen. Nicht nur der „Lenz“, auch alle anderen Werke strotzen vor genial konstruierten Zitaten. Und ausgerechnet einen Operntext, den er so schätzte, dass er damit seine Liebste grüßen wollte (das ist Professoer Oesterles Theorie für den merkwürdigen Operntext, den der vorgebliche Georg auf dem neuen Bild in Händen hält), hätte er nirgendwo sonst erwähnt haben sollen?  Wenn ein Mädchen mir gefällt, Da hilft kein Widerstreben, Die mein Herz sich hat erwählt, Die muß sich mir ergeben“ – warum ist das nicht zum Beispiel das Auftrittsmotiv des Tambourmajors im Woyzeck geworden?

– kaum zu erklären scheint mir auch, warum das Bild im Besitz des Malers geblieben sein sollte. Wenn es als Liebesgabe für Minna gedacht war – warum erhielt sie es nicht? Selbst wenn tatsächlich die einsetzende Verfolgung der Landboten-Aktivisten eine Übergabe nicht mehr möglich machte – hätte Hoffmann nicht jahrelange Gelegenheit gehabt, es Minna als „trauernder Witwe“ oder den ebenso trauernden Eltern oder Geschwistern anzubieten?

 

Ich hatte am Wochenende die Gelegenheit, zwei Bilder, die sich bis heute im Familienbesitz von Nachfahren der Familie befinden,  gründlich anzusehen und neue Scans anzufertigen:

Wilhelmbild_Originalaquarell_rc_Colourscan_300dpi_002

– das Portrait Wilhelm Büchners „im Paletot“, ein farbiges Aquarell, gezeichnet „L. Becker 1838″

und

Georg_Originalfoto_rc_Colourscan_300dpi_001

– eine Fotografie des unbestrittenen Georg-Büchner-Portraits von August Hoffmann, gefertigt 1913 von Wilhelm Büchners Sohn Ernst. 

Während das Aquarell bestens erhalten ist, hat die Fotografie unter Lichteinfluß leider sehr gelitten. Wer sich also für seine Liebsten verewigen lassen will, wähle ein echtes Malerportrait – das hat deutlich besser Bestand als ein Foto!

Beide Bilder stelle ich hier gerne zur Beflügelung der Diskussion zur Verfügung. Allen, die damit arbeiten wollen, biete ich gerne in direktem Kontakt Scan-Aufnahmen im Tiff-Format, digitalisiert mit 300 dpi, ca 25 MB pro Bild, zur weiteren Recherche an – E-Mail genügt.

 

Neuere Beiträge »