Vor überfülltem Auditorium im diesmal viel zu kleinen Vortragssaal des Darmstädter Literaturhauses wurde am Sonntag, dem 2.12., der erste Luise-Büchner-Preis für Publizistik an Bascha Mika vergeben.

 

 In ihrer Begrüßung erinnerte Agnes Schmidt, die Vorsitzende der verleihenden Luise-Büchner-Gesellschaft, an Luise Büchners 135. Todestag am 28. November. Erst kürzlich waren im Literaturhaus an diesem Tag Nachrufe auf und Erinnerung an die Frauenrechtlerin und Publizistin vorgetragen worden.

 Sie verwies auf Luises berühmtes Zitat: „Feder und Wort sind Euch gegeben so gut wie dem Manne … die Stunde ist da und der Weg eröffnet, der die Frauen zu ihrer höchsten Entwicklung führen soll.” und ergänzte dann : „Man kann die Rolle der Presse auf dem Weg zur Frauenbefreiung nicht hoch genug einschätzen, auch wenn sich männliche Autoren häufig gegen die Gleichstellung der Geschlechter aussprachen.“

Das Thema Frauendiskriminierung hielten viele vor etwa 10 Jahren für erledigt. Der Unterschied zwischen den Bildungsmöglichkeiten von Mädchen und Jungen sei verschwunden. Aber damit seinen noch lange nicht alle strukturellen Hindernisse verschwunden, sie abzuschaffen nannte sie Aufgabe der gegenwärtigen Frauenbewegung. Es existierten darüber hinaus auch unsichtbare, in den Frauen selbst versteckte Unfreiheiten, die aufzudecken gar nicht so einfach sei.

Mit der Einsetzung des Preises verfolgte der Vereinsvorstand den Plan, eine Journalistin oder einen Journalisten auszeichnen, die oder der durch neue Sichtweisen die Gleichstellungsdebatte bereichert. Auf Bascha Mika konnte man sich da schnell einigen, da sie in ihren Artikeln die Gleichstellungsdebatte mit neuen Impulsen bereicherte.

 

Oberbürgermeister Jochen Partsch beglückwünschte die Gesellschaft zur guten Wahl und begrüßte, dass sie nicht nur als historischer Gedenkverein, sondern auch praktisch in Luises Nachfolge arbeiten will.

 

Er erinnerte daran, dass in Darmstadt jetzt binnen weniger Wochen drei große Preise an Frauen vergeben wurde: der Büchner-Preis an Felicitas Hoppe, die Kesten Medaille an Irina Khalip und heute der Luise-Büchner-Preis für Publizistik an Bascha Mika.

 

 

Johannes Breckner,  Feuilletonchef des DARMSTÄDTER ECHO und Mitglied der Jury, griff die Aufzählung des Oberbürgermeisters mit dem Vorschlag auf, eine Statistik der vergebenen Preise einer Stadt relativ zu ihren Einwohnern aufzustellen, die erfreulicherweise sicher Darmstadt anführen werde.

 

Selbstverständlich gehe es bei der Vergabe dieses Preises um gesellschaftliche Teilhabe, und so sei Bascha Mika offenbar und unbestreitbar eine hervorragende Wahl. Die Zeiten seien nicht danach, über Publizistik zu sprechen und vom Medienwandel zu schweigen; er sehe den medialen Wandel vor allem als Chance; im Ergebnis werde die qualifizierte Nachricht immer kostbarer und die Angst vor dem Untergang des Journalismus sei daher unnötig.

Die erste Vergabe des neuen Darmstädter Preises sei natürlich „nur“ ein schöner Anfang, dem noch viele schöne Preisverleihungen folgen sollen, bei denen das ECHO sich gerne weiter beteiligen werde. 

 

 

Musikalische Intermezzi kamen von der „fabelhaften Büchnerbande“,
die Auszüge aus ihrer musikalischen Revue zu Leben und Werk
der Geschwister Büchner vortrugen.

 

 Adrienne Goehlers Laudatio stand unter der Überschrift „ICH BIN JA MISSIONARIN AUF DEM GEBIET!“ (Bascha Mika)

Sie griff damit ein biographisches Detail auf: die junge Bascha Mika träumte kurzfristig davon, ihr Leben als Missionarin zu verbringen; dieser Traum habe nun auch ohne religiöse Bindung seinen Gegenstand gefunden. Allerdings führten aus dem Patriarchat, auch dem weiblichen, keine lauen Lüfte, sondern nur heftige Stürme. Bascha Mika gehe es um Ein- und Aufmischung, nicht um Säuseln!

Egal ob als Frau mit und ohne Kinder, allein lebend oder als Paar: Frauen müssten an jeder Stelle die Verantwortung für sich übernehmen. Und immer aufs Neue den Raum der Wahlfreiheit ausloten, ihn erkämpfen und durchsetzen. Und schließlich: „ … Mikas Aufruf: „Wir müssen Subjekte unseres Lebens werden. Biologie mag Schicksal sein – alles andere nicht“, könnten wir uns auch gut von Luise Büchner vorstellen.“

 

 

 

 

Bascha Mika begann ihre Dankrede mit dem Versprechen, den Preis nicht nur als Ehre und Anerkennung ist, sondern auch als Ansporn zu nehmen.

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Er stelle als Besonderheit die Verbindung zu den streitbaren Frauen des 19. Jahrhunderts her, die immer noch immens wichtig seien, denn „ … sie haben uns gezeigt, dass man den Frauen nichts schenkt, auch nicht, was ihnen zusteht, dass Rechte nur eingeräumt werden, wenn sie gefordert werden, und dass wir nur vorangehen, wenn wir streiten.“ Natürlich sei seit Mitte des 19. Jahrhunderts viel geschehen, aber es bleibe noch viel zu tun. Auch heute noch komme für Frauen der Schock der gesellschaftlichen Realität spätestens mit dem Eintritt ins Berufsleben, „ … und so sind wir wieder bei Luise Büchner.“

Es gehe noch immer um Befreiung aus Unmündigkeit, um Ermutigung und Ermöglichung; nicht nur um Theorie, sondern auch um Praxis, darum, etwas zu tun, mit konkretem Handeln die Verhältnisse zu verändern, „ … und dafür ist Beruf unendlich wichtig. Um Geld zu verdienen, aber auch um die Sinnstiftung, um das in der Welt sein, um Kontakte und all das, was für Männer selbstverständlich ist und was Frauen bis heute für einen Luxus halten, den man sich gönnt oder nicht.“

Sie schloss: „Aber trotzdem ist das Ziel, dass jemand in baldiger Zukunft fragt: `Georg Büchner? Das ist doch der Bruder von …´ – denn, meine Damen und Herren, wir Frauen sind weiß Gott nicht Alles, aber ohne uns ist Alles Mist“.