Peter Brunners Buechnerblog

Monat: Dezember 2012

Weihnachten in der Villa Büchner

Zu den unersetzlichen Quellen der Büchnerfamiliengeschichte gehören zahlreiche Dokumente und Fotografien, die Wilhelms Büchners Enkel Anton aufbewahrt und erhalten hat. Manfred Büchner, dessen Enkel und Ur-Ur-Enkel Wilhelm Büchners, hat mir großzügig Zugang zu diesen Unterlagen ermöglicht.

Die Fotografien aus dieser Sammlung, die Ernst Büchner, Wilhelm Büchners Sohn, zwischen 1890 und 1920 machte, sind von großer Bedeutung gerade für die Kenntnis der Lebensumstände in der Pfungstädter Villa, sie zeigen Bewohner, Personal, Besucher und Einrichtung als wunderbaren Bilderbogen dieses vergangenen Lebens.

Dabei findet sich auch ein handschriftlich mit „1915“ datiertes Foto einer Weihnachtsidylle im Vorraum der Beletage. Nach dem Tod von Wilhelm Büchner war sein Sohn Ernst mit seiner Familie zunächst nach Darmstadt gezogen, nach dem Tod seiner Mutter 1908 kam er wieder zurück. Bis 1918 lebte er dann mit Familie in der „großen Villa“ (seit den siebziger Jahren hatte er in der „kleinen Villa“, dem „Schweizerhaus“ auf dem Gelände gelebt, die für ihn gebaut worden war und um 1970 als baufällig abgerissen wurde), bis er dann endgültig Pfungstadt aufgeben musste und nach Darmstadt ging, wo er 1924 starb.

Anton Büchner, von dessen Hand wohl auch die Daten auf den Bildern stammen, beschreibt in seinen unveröffentlichten Memoiren seine Militärzeit. Er wurde zunächst für „dienstuntauglich“ befunden, nach Kriegsausbruch 1914 dann am 26.11. 1914  „Infanterist im Reserveinfanterieregiment 116″ in Gießen, wo er Referendar im Schuldienst geworden war. Am 20. 12. 1915 wurde er nach Schlüchtern abkommandiert, von wo aus er in den Weihnachtsurlaub nach Pfungstadt reisen durfte. Er schreibt:

„An Weihnachten erhielten wir Heimaturlaub – so kam ich noch einmal für ein paar Tage nach Pfungstadt; ich glaubte, meine Eltern zum letztenmal sehen zu können!“

Ganz offensichtlich ist genau zu diesem Zeitpunkt das hier gezeigte Bild aufgenommen. Im Januar 1916 wurde er dann als nur „Garnison dienstfähig“ entlassen und ging zurück in den Schuldienst. Nach einer kurzen Episode in Dieburg kam er dann an das Darmstädter „Realgymnasium“, wo er bis 1943, seiner Versetzung nach Ingelheim, als Lehrer blieb.

Programm der LBG für das erste Quartal 2013

Luise Büchner-Gesellschaft e.V. &

Luise Büchner-Bibliothek des Deutschen Frauenrings

 

Veranstaltungsprogramm Februar/März 2013

 

 

 

Dienstag, 19. Februar um 19 Uhr

Literaturhaus, Kasinostr. 3.

Am 176. Todestag Georg Büchners stellt Büchner-Biograph 

Jan-Christoph Hauschild sein neues Buch vor:

Georg Büchner – Verschwörung für die Gleichheit

 

Im Oktober 2013 feiern wir Georg Büchners 200. Geburtstag, schon im Februar 2012 jährte sich

sein Todestag zum 175. Mal: Georg Büchner, vielgerühmter und vielgelesener Autor, ist bis heute von

großer Bedeutung. Sein Leben stand im Zeichen eines Traums: eine Gesellschaft, in der alle Menschen in gleicher Weise ihre Glücksansprüche verwirklichen können – dafür kämpfte er mit aller Konsequenz. Jan-Christoph Hauschild hat in vielen Bibliotheken und Archiven des In- und Auslands recherchiert und dabei wichtige neue Quellen zu Leben, Werk und Wirkung des revolutionären Dichters und Naturforschers gefunden. Gestützt auf Briefe, Berichte von Büchners Freunden, amtliche Protokolle und Akten, legt er nun eine neue Biographie vor, die Büchners aufregendes Leben, das so jäh enden sollte, greifbar macht.

Eintritt: 6 Euro, für Mitglieder der Luise Büchner-Gesellschaft frei

Im Rahmen des städtischen literarischen Programms

 

 

 

 

Mittwoch, 20. Februar um 20 Uhr (Einlass 19 Uhr)

Jagdhofkeller, Bessunger Straße 84 – 64285 Darmstadt

„Die fabelhafte Büchnerbande“

(Petra Bassus, Papa Legba’s Blues Lounge, Peter Brunner, Heiner Dieckmann)

 

Im „langen 19. Jahrhundert“ zwischen 1789, der französischen Revolution, und 1918, dem Ende des europäischen Feudalismus, nahmen die sechs Büchner-Geschwister Georg, Mathilde, Wilhelm, Luise, Ludwig und Alexander als Revolutionär, Dichter, Arzt, Jurist, Frauenrechtlerin, Publizistin, Sprachwissenschaftler, Philosoph, Politiker, Chemiker und Unternehmer Einfluß auf den Lauf der Geschichte. In der von Peter Brunner entwickelten Form einer literarisch-musikalischen Revue kommen die Geschwister unmittelbar und wörtlich zur Sprache – mit überraschenden und hochaktuellen Zitaten über ihren Bruder Georg und aus ihrem eigenes Schaffen.

Eintritt

Eine Veranstaltung der Reihe „literarisch, kulinarisch, musikalisch“ des Bessunger Buchladens und von MuK (Marianne, Freddy und Klaus), Restaurant Belleville und Jagdhofkeller

 

 

 

 

Mittwoch, 27. Februar um 19.30 Uhr

Literaturhaus, Kasinostr. 3

Georg Büchners Weggefährten: Caroline und Wilhelm Schulz

Vortrag und Lesung mit Heidrun Merk (Kulturanthropologin) und Berndt Schulz (Schriftsteller)

 

Der politische Journalist Wilhelm Schulz und seine Frau Caroline waren enge Vertraute Georg Büchners im Straßburger und Züricher Exil. In Zürich wohnten sie Wand an Wand mit dem Dichter in der Spiegelgasse. Carolines Aufzeichnung über Georgs Krankheit und Tod ist ein wichtiges Dokument für die Büchnerforschung. Auch als Befreierin ihres Mannes aus der Babenhäuser Festungshaft bewies die gebürtige Darmstädterin viel Mut. Berühmte Zeitgenossen wie zum Beispiel Gottfried Keller lobten ihre Klugheit und ihren liebevollen Charakter.

Eintritt: 6 Euro, für Mitglieder der Luise Büchner-Gesellschaft frei

 

 

 

 

Samstag, 9. März – Veranstaltung zum Internationalen Frauentag

Literaturhaus, Kasinostr. 3

Beginn 16 Uhr

Die Frauen und ihre Geschichte

Vortrag, Lesung und Gespräch mit Agnes Schmidt, Sigrid Schütrumpf und Edda Feess

 

In Darmstadt gibt es weder eine Luise Büchner-Schule noch eine Charlotte Heidenreich von Siebold Geburtsklinik. Nur zwei kurze Straßen und wenige Institutionen erinnern an diese bahnbrechenden Darmstädterinnen. Auch die Arbeit und Tätigkeit von vielen anderen Frauen, die sich früher für das Gemeinwohl einsetzten, sind in den Darmstädter Geschichtsbüchern kaum dokumentiert. Anlässlich des Internationalen Frauentages wollen wir an diesem Nachmittag an vergessene Frauen in Darmstadts Geschichte erinnern.  Unter dem Motto „Jede Frau ändert sich, wenn sie erkennt, dass sie eine Geschichte hat“ stellen die Frauenbeauftragte der Stadt Darmstadt Edda Feess mit den Auszubildenden Shanita Arnold und Sky Nicoll ihr Geschichtsprojekt vor.

Eintritt frei

Eine gemeinsame Veranstaltung mit dem Frauenbüro Darmstadt

 

 

 

 

Mittwoch, 20. März um 19.00 Uhr

Literaturhaus, Kasinostr. 3

Lesung mit Angelika Klüssendorf

 

Angelika Klüssendorfs Roman „Das Mädchen“, in dem sich eine Heranwachsende allen Widrigkeiten einer schwierigen Kindheit widersetzt und die Opferrolle verweigert, erhielt nach der Veröffentlichung viele lobende Worte. Es ist die Geschichte einer Selbstbehauptung – ein Mädchen, das nichts hat, worauf sie sich verlassen kann, und trotzdem den Lebenswillen nicht verliert. Nun schreibt Angelika Klüssendorf an einem neuen Roman, der im Herbst 2014 erscheinen wird. Wir werden an diesem Abend in einer Vorpremiere Passagen aus dem noch unveröffentlichten Manuskript zu hören bekommen.

Angelika Klüssendorf, geboren 1958 in Ahrensburg, lebte von 1961 bis zu ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik 1985 in Leipzig; heute wohnt sie in Berlin. Sie veröffentlichte unter anderem die Erzählungen »Sehnsüchte« und »Anfall von Glück«, den Roman »Alle leben so« und, zuletzt, den Erzählungsband »Aus allen Himmeln«.

Eintritt 6 Euro

Im Rahmen des städtischen literarischen Programms

 

 

 

Freitag, 22. März – Welttag des Wassers

Waschen, Kochen, Baden – Frauenleben vom Marktbrunnen zum Großen Woog

Stadtrundgang mit Agnes Schmidt

Treffpunkt: Marktplatz/Brunnen um 16 Uhr

 

Vor dem industriellen Zeitalter war die Wasserversorgung Frauensache. Wasser wurde zum Waschen, Kochen, zur Pflege von Kranken und zu vielen anderen Tätigkeiten gebraucht. Aber wo haben die Frauen das Wasser geholt, wie haben sie ihre Wäsche gewaschen und ihre Kinder gebadet? Solche und ähnliche Fragen werden während des ca. 2-stündigen Spaziergangs beantwortet.

Teilnahmegebühr: 5 Euro

Im Rahmen der alternativen Stadtrundgänge in Zusammenarbeit mit der VHS

 

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Hinweise für Musikliebhaber/innen:

 

8. Juni 2013, Uhrzeit?

Leonce und Lena – Oper am Klavier

Ein Lustspiel mit Musik in zwei Akten von Erich Ziesel.

Im Mainfranken Theater in Würzburg wird erstmalig seit 1957 die Oper mit Klavierbegleitung wieder aufgeführt. Der in Wien geborene Komponist Erich Ziesel hat das Lustspiel mit Musik nach Georg Büchners Leonce und Lena noch in den 30iger Jahren in Wien begonnen, bevor er vor den Nationalsozialisten nach Amerika fliehen musste. Das Werk wurde 1952 in Los Angeles uraufgeführt.

In Würzburg gibt es die extrem seltene Gelegenheit die Oper zu hören.

 

9. Juni 2013 um 19.30 Uhr

Büchners Frauen – Musiktheater von Paul Leonard Schäffer

Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main, Eschenheimer Landstr. 29-39

Marion, Marie, Julie und Lucille sind zentrale Frauenfiguren im Werk Georg Büchners, in denen sich der Umschwung durch die neuen Werte der französischen Revolution wiederspiegelt. Im Musiktheater über Büchners Frauen verwebt der Komponist die gesungenen Frauen-Monologe mit Briefen Georg Büchners an seine Braut.

Kartentel.: 069/154007334

 

 

Zur Jubiläumsbiennale auf den Schrott

Ich habe kürzlich hier eher amüsiert über die „Georg Büchner“ im Rostocker Hafen, das Kartonmodell und die Übernachtungsmöglichkeiten dort hingewiesen. Hier der Wikipedia-Artikel dazu. 

Leider berichten verschieden Medien übereinstimmend, dass die Tage des Museumsschiffes gezählt sind, voraussichtlich wird es im Januar zur Verschrottung ins litauische Klaipeda geschleppt.

Urheber: Grand-Duc, Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:Grand-Duc

Hier Informationen des NDR, der Schweriner Volkszeitung und der Internet-Zeitung „Das ist Rostock“.

Interessanterweise nimmt kein Berichterstatter Bezug auf die Namensgebung des ursprünglich Charlesville genannten Schiffes; auch auf die Assoziation zu den hier gefeierten Jubiläen ist keiner gekommen – das mag daran liegen, dass an Marinethemen Interessierte nicht ganz klassisch Büchner-Leser sind. Uns an der Büchner-Biennale Beteiligten sollte das aber auch ein wichtiges Indiz dafür sein, dass mit der Website Buechner1213 und dem Versand von Programmheften noch nicht das Nonplusultra  der „Penetration“ erreicht ist.

NACHTRAG 7. Januar 2013:

Offenbar ist noch alles im Fluss – hier ein paar Meldungen dazu, dass das Schiff vielleicht doch noch in einem belgischen Hafen landet:

http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/regiolinegeo/mecklenburgvorpommern/article112390026/Belgier-wollen-MS-Georg-Buechner-vor-dem-Abwracken-retten.html

http://www.svz.de/nachrichten/home/top-thema/artikel/rettungsversuch-in-letzter-sekunde.html

http://www.rostock-heute.de/ms-georg-buechner-schiff-verkauf-stadthafen-belgien/59240

Kehrseite: negativer Aspekt der Sache

Seit Jahren vagabundiert ein Bild durch die Welt, das einen blondgelockten Jüngling „mit Logenbijou“ zeigt und für Georg Büchner ausgegeben wird.

 

Offenbar war es aus unerfindlichen Gründen in Walter Killy Literaturlexikon abgedruckt worden und hat von da aus seinen Eroberungszug angetreten. Bereits im Januar 2012 ist auch die Frankfurter Rundschau in einem online leider nicht mehr verfügbaren Artikel auf diese Fälschung reingefallen und hat sie anderntags korrigiert.

Bei einem kürzlichen Treffen der Büchner-Initiativen zur Jubiläums-Biennale Büchner 12/13 hat der Leiter der Büchner-Forschungsstelle in Marburg, Professor Burghard Dedner, so darauf hingewiesen:

„ … weist darauf hin, dass es nur zwei zu Lebzeiten entstandene Porträts Büchners gibt: Die Bleistiftskizze von Alexis Muston, die Büchner bei einer Wanderung durch das „Felsenmeer“ im Odenwald zeigt (eine weitere Federzeichnung Mustons von Georg Büchner entstand vermutlich später aus der Erinnerung) und das Porträt Heinrich Adolf Valentin Hoffmanns. Es existiert in etlichen, aber immer schwarz-weißen Abwandlungen. Ein – farbiges – Bild, das außerdem als Büchner-Porträt kursiert, zeigt einen jungen Mann im grünen Wams mit dem Abzeichen eines niederländischen Freimaurer-Ordens. Hierbei handelt es sich NICHT um Georg Büchner: Das Bild ist in der Überlieferungsgeschichte nicht verzeichnet und tauchte erst nach dem zweiten Weltkrieg auf. An die Runde ergeht die Bitte, das „falsche“ Porträt in Publikationen, Programmhinweisen u.ä. nicht zu verwenden!

 

          

 

Das alles konnte nicht verhindern, dass die geschäftstüchtigen Verantwortlichen des BTN Versandhandels GmbH eine Medaille anbieten, bei der sich allen Kennern buchstäblich die Haare zu Berge stellen. Nicht genug damit, dass anlässlich 200. Geburtstages 2013 (ja, sie sind die Ersten!) das schreckliche Lockenkopfbild verwendet wurde, die Randprägung lautet „Einigkeit und Recht und Freiheit“ und auf der Rückseite sind unter den Schwingen eines Adlers die Wappen der aktuellen Bundesländer versemmelt versammelt.

 

                                                  

Den erläuternd beigegebenen Text stelle ich hier im Original und vollständig zur gefl. Kenntnisnahme:

                                          

 „Einigkeit und Recht und Freiheit“ hat bekanntlich August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1841 für sein „Lied der Deutschen“ gedichtet, da war Georg Büchner leider schon seit 4 Jahren tot. Es ist auch mehr als fraglich, ob er diese Parole getragen hätte – sie ihm auf diese Art und Weise unterzuschieben ist jedenfalls kaum anders denn als Blödsinn zu bezeichnen. Über Bundesadler und Landeswappen auf der Rückseite möchte ich den Mantel christlicher Nächstenliebe decken, statt sie zu kommentieren.

Wir haben also zu vermelden: es erschien eine Medaille, die Georg Büchners 200. Geburtstag zum Anlass nimmt, aber überhaupt nichts mit ihm und seinem Gedenken zu tun hat.  Mal seh‘ n, was da noch alles auf uns zu kommt … 

Luise-Büchner-Preis für Publizistik an Bascha Mika verliehen

 

 Vor überfülltem Auditorium im diesmal viel zu kleinen Vortragssaal des Darmstädter Literaturhauses wurde am Sonntag, dem 2.12., der erste Luise-Büchner-Preis für Publizistik an Bascha Mika vergeben.

 

 In ihrer Begrüßung erinnerte Agnes Schmidt, die Vorsitzende der verleihenden Luise-Büchner-Gesellschaft, an Luise Büchners 135. Todestag am 28. November. Erst kürzlich waren im Literaturhaus an diesem Tag Nachrufe auf und Erinnerung an die Frauenrechtlerin und Publizistin vorgetragen worden.

 Sie verwies auf Luises berühmtes Zitat: „Feder und Wort sind Euch gegeben so gut wie dem Manne … die Stunde ist da und der Weg eröffnet, der die Frauen zu ihrer höchsten Entwicklung führen soll.” und ergänzte dann : „Man kann die Rolle der Presse auf dem Weg zur Frauenbefreiung nicht hoch genug einschätzen, auch wenn sich männliche Autoren häufig gegen die Gleichstellung der Geschlechter aussprachen.“

Das Thema Frauendiskriminierung hielten viele vor etwa 10 Jahren für erledigt. Der Unterschied zwischen den Bildungsmöglichkeiten von Mädchen und Jungen sei verschwunden. Aber damit seinen noch lange nicht alle strukturellen Hindernisse verschwunden, sie abzuschaffen nannte sie Aufgabe der gegenwärtigen Frauenbewegung. Es existierten darüber hinaus auch unsichtbare, in den Frauen selbst versteckte Unfreiheiten, die aufzudecken gar nicht so einfach sei.

Mit der Einsetzung des Preises verfolgte der Vereinsvorstand den Plan, eine Journalistin oder einen Journalisten auszeichnen, die oder der durch neue Sichtweisen die Gleichstellungsdebatte bereichert. Auf Bascha Mika konnte man sich da schnell einigen, da sie in ihren Artikeln die Gleichstellungsdebatte mit neuen Impulsen bereicherte.

 

Oberbürgermeister Jochen Partsch beglückwünschte die Gesellschaft zur guten Wahl und begrüßte, dass sie nicht nur als historischer Gedenkverein, sondern auch praktisch in Luises Nachfolge arbeiten will.

 

Er erinnerte daran, dass in Darmstadt jetzt binnen weniger Wochen drei große Preise an Frauen vergeben wurde: der Büchner-Preis an Felicitas Hoppe, die Kesten Medaille an Irina Khalip und heute der Luise-Büchner-Preis für Publizistik an Bascha Mika.

 

 

Johannes Breckner,  Feuilletonchef des DARMSTÄDTER ECHO und Mitglied der Jury, griff die Aufzählung des Oberbürgermeisters mit dem Vorschlag auf, eine Statistik der vergebenen Preise einer Stadt relativ zu ihren Einwohnern aufzustellen, die erfreulicherweise sicher Darmstadt anführen werde.

 

Selbstverständlich gehe es bei der Vergabe dieses Preises um gesellschaftliche Teilhabe, und so sei Bascha Mika offenbar und unbestreitbar eine hervorragende Wahl. Die Zeiten seien nicht danach, über Publizistik zu sprechen und vom Medienwandel zu schweigen; er sehe den medialen Wandel vor allem als Chance; im Ergebnis werde die qualifizierte Nachricht immer kostbarer und die Angst vor dem Untergang des Journalismus sei daher unnötig.

Die erste Vergabe des neuen Darmstädter Preises sei natürlich „nur“ ein schöner Anfang, dem noch viele schöne Preisverleihungen folgen sollen, bei denen das ECHO sich gerne weiter beteiligen werde. 

 

 

Musikalische Intermezzi kamen von der „fabelhaften Büchnerbande“,
die Auszüge aus ihrer musikalischen Revue zu Leben und Werk
der Geschwister Büchner vortrugen.

 

 Adrienne Goehlers Laudatio stand unter der Überschrift „ICH BIN JA MISSIONARIN AUF DEM GEBIET!“ (Bascha Mika)

Sie griff damit ein biographisches Detail auf: die junge Bascha Mika träumte kurzfristig davon, ihr Leben als Missionarin zu verbringen; dieser Traum habe nun auch ohne religiöse Bindung seinen Gegenstand gefunden. Allerdings führten aus dem Patriarchat, auch dem weiblichen, keine lauen Lüfte, sondern nur heftige Stürme. Bascha Mika gehe es um Ein- und Aufmischung, nicht um Säuseln!

Egal ob als Frau mit und ohne Kinder, allein lebend oder als Paar: Frauen müssten an jeder Stelle die Verantwortung für sich übernehmen. Und immer aufs Neue den Raum der Wahlfreiheit ausloten, ihn erkämpfen und durchsetzen. Und schließlich: „ … Mikas Aufruf: „Wir müssen Subjekte unseres Lebens werden. Biologie mag Schicksal sein – alles andere nicht“, könnten wir uns auch gut von Luise Büchner vorstellen.“

 

 

 

 

Bascha Mika begann ihre Dankrede mit dem Versprechen, den Preis nicht nur als Ehre und Anerkennung ist, sondern auch als Ansporn zu nehmen.

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Er stelle als Besonderheit die Verbindung zu den streitbaren Frauen des 19. Jahrhunderts her, die immer noch immens wichtig seien, denn „ … sie haben uns gezeigt, dass man den Frauen nichts schenkt, auch nicht, was ihnen zusteht, dass Rechte nur eingeräumt werden, wenn sie gefordert werden, und dass wir nur vorangehen, wenn wir streiten.“ Natürlich sei seit Mitte des 19. Jahrhunderts viel geschehen, aber es bleibe noch viel zu tun. Auch heute noch komme für Frauen der Schock der gesellschaftlichen Realität spätestens mit dem Eintritt ins Berufsleben, „ … und so sind wir wieder bei Luise Büchner.“

Es gehe noch immer um Befreiung aus Unmündigkeit, um Ermutigung und Ermöglichung; nicht nur um Theorie, sondern auch um Praxis, darum, etwas zu tun, mit konkretem Handeln die Verhältnisse zu verändern, „ … und dafür ist Beruf unendlich wichtig. Um Geld zu verdienen, aber auch um die Sinnstiftung, um das in der Welt sein, um Kontakte und all das, was für Männer selbstverständlich ist und was Frauen bis heute für einen Luxus halten, den man sich gönnt oder nicht.“

Sie schloss: „Aber trotzdem ist das Ziel, dass jemand in baldiger Zukunft fragt: `Georg Büchner? Das ist doch der Bruder von …´ – denn, meine Damen und Herren, wir Frauen sind weiß Gott nicht Alles, aber ohne uns ist Alles Mist“.