Peter Brunners Buechnerblog

Kraft und Stoff essen und trinken – der Monat Juli

Ich habe letzten Monat versprochen, einmal im Monat aus dem wunderbaren Kochbuch „Kraft und Stoff“ der Charlotte Böttcher (aus meiner, der sechsten, Ausgabe von 1882, die ich natürlich nur deshalb besitze, weil sie unglaublicherweise den gleichen Titel trägt wie Ludwigs Jahrhundertwerk) die Einkaufs- und Kochhinweise zu veröffentlichen. Dafür bin ich gelobt und gerügt worden.

 

 

Lob gab es für die Bandbreite dieser „Büchner Seiten“, Rügen für die kaum lesbaren Reproduktionen. Daher folgt der Text hier jetzt aus der Frakturschrift transkribiert und damit hoffentlich leichter les- und nutzbar. Die Gelegenheit der Transkriptionen und die weitere Einübung meiner Diktiersoftware führt dazu, dass ich hier und heute auch die beiden Einleitungstexte zu den Kapiteln „Speisezettel für alle Tage in Jahre“ und „Was bringt jeder Monat auf den Markt“ veröffentliche. Ich habe übrigens keinen Zweifel, dass diese Texte auch dazu dienen können, unsere Vorstellung vom täglichen Leben der Büchners zu präzisieren. Charlotte Böttchers „Zielgruppe“ waren ganz sicher die bürgerlichen Haushalte, wie sie Ludwig Büchners Frau Caroline Georgine Sophie in der Darmstädter Grafenstraße und Wilhelm Büchners Frau Elisabeth in seiner Pfungstädter Villa führten. In der Gaststube der Pfungstädter Villa hängen zwei Fotos, die uns die Zeit der Jahrhundertwende, als die Geschwister schon gestorben waren, dennoch nahe bringen: zwei Dienstmädchen in ihrer Pause auf einer Bank im Park und Mary Büchner, wie sie zusammen mit zwei Dienstboten zusammen im Garten Spargel schält.

 

 

Mary Büchner, Wilhelm Büchners Schwiegertochter,  beim Spargelschälen mit Personal im Park der Villa Büchner (Südseite, vor dem Wintergarten, da, wo heute der Kaffegarten eingerichtet ist). Foto ihres Sohnes Ernst Büchner. 1915.

 

 

Ich wünsche einen wunderbaren neuen Monat und

 

guten Appetit!

 

Speisezettel für alle Tage im Jahre.

 Der nachstehende Speisezettel für alle Tage im Jahre soll nur ein schneller Ratgeber sein, wenn, wie es doch oftmals in jedem Haus Stande vorkommt, die Hausfrau sich fragen muss, ja was essen wir den heute oder morgen? Eine Antwort auf diese Frage findet man hier für den größten wie kleinsten Hausstand. Man hat nicht nötig, jeden Tag speziell so einzurichten, wie er verzeichnet sind, nein, man nimmt sich den betreffenden Monat her und sucht nun dort nach. Passt das eine Gericht nicht, so passt das Andere des nächstfolgenden Tages vielleicht usw. Man binde sich auch ja nicht an die oft zu ausgedehnten Speisezettel, sondern es werde davon fortgelassen, was zu hohe Ausgaben erfordert. Dieser Speisezettel zählt aber in jedem Monat diejenigen Fische, Gemüse etc. auf, die der Markt bringt.

 

  1. Suppe mit Gries. Puffbohnen mit Bratwurst.

  1. Grimpelsuppe. Taubenfricassee.

  2. Krebssuppe mit Blumenkohl und Semmelklösschen. Grüne Erbsen mit Fleischfüllsel. Entenbraten mit Blumenkohlsalat.

  3. Suppe mit Semmel und zerfahrenem Ei. Puffbohnen mit Schweinskoteletts.

  4. Fadennudelsuppe. Kohlrabi mit Schöppsenfleisch.

  5. Kerbelsuppe. Zuckerschoten mit Bratwurst

  6. Suppe mit Sago und Eiergelee. Blumenkohl mit gebackenen Hühnern. Rindeschmorbraten mit Grießklößen.

  7. Hafergrützsuppe. Puffbohnen mit Schinken.

  8. Heidelbeerensuppe mit gerösteten Semmelschnitten. Grüne Erbsen mit Omelett.

  9. Suppe mit Klösschen und Blumenkohl. Schleien mit Buttersauce. Gänsebraten mit Preiselbeeren.

  10. Reissuppe. Rindfleisch mit Senf und Kohlrabi.

  11. Suppe mit eingesetztem Ei und Schwarzbrot. Puffbohnen mit frischem oder gesalzenem Schweinefleisch.

  12. Milchsuppe mit Mandelklösschen. Grüne Erbsen mit Kalbskoteletts.

  13. Suppe mit Wurzelkräutern und Weißbrot. Blumenkohl mit jungen Hühnern, Klösschen, Erbsen, Karotten und Krebsschwänzchen.

  14. Bierkaltschale mit kleinen Rosinen. Grüne Bohnen mit neuem Hering und Spiegeleiern mit Cervelatwurst.

  15. Wassersuppe mit Petersilie und Kerbel. Puffbohnen mit Bratwurst.

  16. Suppe mit Sago und Blumenkohl. Wirsing mit gebratenen Hühnern. Rindsfiletbraten mit Apfelkompott.

  17. Graupensuppe. Grüne Erbsen mit kaltem Rindspökelfleisch.

  18. Suppe mit Kräutern und gerösteten Semmel. Rindfleisch mit Blumenkohl und Kohlrabi.

  19. Reissuppe mit abquirltem Ei. Puffbohnen mit Schweinskarbonade oder gebratene Schweinsschulter.

  20. Suppe mit Sago. Gefüllter Wirsing mit Rindspökelfleisch. Kalbnierenbraten mit Blumenkohlsalat.

  21. Grießsuppe. Grüne Erbsen mit Klösschen und Bratwurst.

  22. Heidelbeersuppe mit geröstetem Weißbrot. Fricassee vom Wildbret.

  23. Krebssuppe mit Reis und Blumenkohl. Kohlrabi mit Schöpsenkarbonade. Gänsebraten mit Bohnensalat.

  24. Suppe von frischen Kirschen mit gerösteten Semmelschnitten. Möhren mit frischem Schweinefleisch.

  25. Sagosuppe mit Eiergelee. Rindfleisch mit Champignons.

  26. Braune Suppe. Gänseklein mit neuen Kartoffeln.

  27. Suppe mit Kräutern und Wurzeln und Klösschen. Grüne Bohnen mit Hering. Gebratene Hühner mit geschmorten Kirschen.

  28. Bierkaltschale mit kleinen Rosinen. Grüne Erbsen mit gebackenen Fleischklösschen.

  29. Wassersuppe mit gerösteten Semmelwürfeln und Petersilie. Puffbohnen mit Bratwurst.

  30. Braune Fleischbrühsuppe mit Kalbsniere und Blumenkohl. Wirsing mit Fleischpastetchen. Gebackener Karpfen mit Salat.

 

 

Was bringt jeden Monat auf den Markt?

 

Es hat etwas außerordentlich die Tischfreuden erhöhendes, wenn in dem Aufgetragenen Mannigfaltigkeit der Gaben aus allen den Naturreichen herrscht. Aus diesem Grunde des Ergötzens an Abwechslung wird es zur wichtigen Bedingung, dass nicht immer die nämlichen Speisen in zu kurzen Zwischenräumen wiederkehren, wenigstens nicht ohne veränderte Zubereitung an einem der folgenden Tage und mit neuen Beigaben aufgeschmückt. Eine zu baldige Folge irgend ein und desselben Gerichts kann überhaupt nur dann gerechtfertigt erscheinen, wenn es irgendein Gegenstand für die Kochkunst ist, mit welchem die Jahreszeit rasch vorüber geht. Abwechslung bei dem, dass die Küche auf den Tisch schickt, ist schon darum eine der größten Bedingungen, weil die Appetilichkeit zumeist darin beruht.

 

Eine vorzüglich zubereitete und dem Benutzer angenehme Speise, immer wieder oder doch wenigstens zu häufig auf den Tisch zu bringen, würde in zunehmender Steigerung den Widerwillen der Speisenden daran erwecken. Nur wenn wir etwas uns wahrhaft Anmutendes essen, vergnügen sich zuerst daran die Sinne, von welchen namentlich der Geruchssinn nicht lange ein und dieselbe Speise erträgt. Endlich aber wird stets und immer nur dasjenige der Gesundheit förderlich sein, was gerne mit hohem Behagen genossen wurde.

Es ist ein ganz besonders vornehmes Gesetz, mit den Jahreszeiten zu leben und womöglich nichts von den Reichtümern zu versäumen, die jeder Monat in seinem mehr oder minder wohl versehenen Füllhorn führt.

Außerdem haben diejenigen Produkte, welche jedesmaligen Jahreszeit mit sich bringen, ja schon von selbst den eminenten Reiz des Neuen, und indem dies nur ihr zugleich soviel Erfrischendes, Anmutendes, ja selbst Heilsames darbietet, lebt Derjenige, welcher mit der Jahreszeit lebt, nach dem Willen der Natur, nach dem schönen Gleichgewicht blühender Erhaltung, zu welchem abwechselnde Mannigfaltigkeit allein die Mittel geben.

Darum ist die Frage, welche wir voranstellten: „was bringt jeder Monat auf den Markt“ eine so wesentliche naturnotwendige, dass wir es unternehmen, die Erzeugnisse, welche alle zwölf Monate der Küche liefern, in systematischer Ordnung aufzureißen. Diese Ordnung in den nun angelegten Tabellen wird folgende sein: Kraut-und grüne Gemüse. – Wurzelarten. – Hülsenfrüchte. – Fruchtsorten. – (Da die Fleischarten der größeren Zucht-und Schlachttiere sich täglich ganz von selbst ergeben) Zahmes Geflügel. – Wild-Geflügel. – Wild. – Süßwasser-und See-Fische (einschließlich der Schaltiere oder auch Meerfrüchte genannt, wozu außer Krebs und Hummer, noch Muscheln und Austern gehören, welche Letztere in jedem Monate, dessen Namen ein „R“ führt, zu haben sind).

 

 

 

 

Monat Juli.

 

Kraut und grüne Gemüse.

Petersilie. Sauerampfer. Spinat. Frische Schnittbohnen. Türkische Erbsen. Blumenkohl. Savoyer Kohl. Kopfsalat.

 

Wurzelarten.

Neue Kartoffeln (billig). Junge Wurzeln. Mai Rüben. Karotten. Frische Gurken. Rettige. Frische Champignons (teuer)

 

Hülsenfrüchte.

Pahl-Erbsen. Zucker-Erbsen.

 

Fruchtsorten.

Erdbeeren. Stachelbeeren. Johannisbeeren. Himbeeren. Heidel-Bick-Beeren (anfänglich noch teuer). Kirschen (sehr billig). Eßbirnen. Aprikosen (noch teuer). Melonen. Zitronen (teuer).

 

Zahmes Geflügel.

Küken. Suppen-Hühner. Tauben. Enten. Junge Gänse (teuer). Poularden.

 

Wild.

Rehkeule. Rehrücken.

 

Süßwasser-und See Fische.

Schleie. Karpfen.Hecht. Frischer Aale.Geräucherte Aale.Lachsforelle. Elblachs.Seezungen. Südschollen. Große Schollen. Steinbutt. Elbbutt. Krebse. Hummer.

2 Kommentare

  1. Bernd Helène

    Hallo Peter, schön hast Du das gemacht. „Zahmes Geflügel“ trefflich auch Geschlechterbedingt wörtlich anwendbar. Die Rezeptideen sind heute durchaus nachzuvollziehen. Die Büchners hatten bestimmt auch von dem franz.Gastrosophen „Brillat-Savarin“ gehört und dieser Kultur ihre Küche geöffnet. Zitat von B-S: Nur der wahre Feinschmecker weiss, auf welchem Bein das Rebhuhn geschlafen hat. Bon appetit.
    Freundliche Grüsse
    BH

  2. Ilena Spinedi

    Sehr geehrter Herr Brunner,

    Ich bin sehr interessiert (für Studienzwecke) am Buch „Deutschen Universal Kochbuch“, vor allem an eine Rezepte die darin ist. Ich habe gelesen das sie eine Kopie des Buches haben. Könnten sie mir bitten per Email kontaktieren? Das würde für mir sehr Hilfreich sein!

    Mit bestem Dank

    Ilena

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