Peter Brunners Buechnerblog

Monat: Juli 2011 (Seite 1 von 2)

Zu Tisch mit Kraft und Stoff, Deutschland, August 1882

Wie versprochen und ermutigt durch freundliche Antworten und Nachfragen (z.B. liebe Monika G.: wieder einiges Schöpsenfleisch, aber immerhin nicht Hammel, was ich erwartet hatte; liebe Christa W.: mich wundert auch, dass es so gar keine Zuordnung der Gerichte zu Wochentagen gibt,  es ist durchaus nicht jedes siebte Essen ein besonders reichhaltiges Sonntags- oder ein fleischfreies Freitagsessen) pünktlich zum Monatsbeginn ein weiteres Dokument zur Ernährung im bürgerlichen Haushalt des neunzehnten Jahrhunderts

 

 (Details und die Erläuterung, was das hier soll, finden sich hier)

 

Charlotte Böttchers „Speisezettel für alle Tage in Jahre“ aus ihrem Kochbuch „Kraft und Stoff“.

 

Hamburg. J. F. Richter. 1882. 6. Aufl.

 

 

Unbekanntes Personal in der Küche im Souterrain der Villa Büchner.

Foto von Ernst Büchner. Datiert 1915 

 

Monat August

 

  1. Fadennudeln mit Petersilie. Rindfleisch mit Blumenkohl.

  1. Reissuppe. Grüne Bohnen mit Schöpsenkoteletts und Hering.

  2. Eiergraupensuppe. Weißes Kraut mit Fleischfüllsel.

  3. Suppe mit Sago und Kräutern. Grüne Bohnen mit Rindspökelzunge. Gebratene Hühner mit Blumenkohlsalat.

  4. Gebrannte Mehlsuppe. Puffbohnen mit Bratwurst.

  5. Graupen Suppe. Ragout von Rindspökelzunge und neuen Kartoffeln.

  6. Suppe mit Kräutern, Hühnermagen und Leber und geröstetem Weißbrot. Blumenkohl mit jungem Huhn. Wildbraten mit Apfel-Kompott.

  7. Griessupe. Grüne Bohnen mit Schöpsenfleisch und Hering.

  8. Fadennudelsuppe. Rindfleisch mit Kartoffeln.

  9. Suppe von frischen Kirschen. Gefülltes Kraut mit gebackenen Kalbsnierenschnitten.

  10. Reissuppe mit abgequirltem Ei. Ragout von Wildbraten. Entenbraten mit Bohnensalat.

  11. Sagogrießsuppe. Möhren mit Bratwurst.

  12. Kartoffelsuppe mit Petersilie. Kohlrabi mit Schöpsenfleisch.

  13. Suppe mit Sago und Morcheln. Gefüllter Wirsing mit Rindspökelzunge. Gebackener Hecht mit warmem Kartoffelsalat.

  14. Grieß Suppe. Rindfleisch mit Champignonsauce.

  15. Taubensuppe mit Eiernudeln. Grüne Bohnen mit Rindspökelzunge.

  16. Gebrannte Mehlsuppe, Blumenkohl mit Bratwurst.

  17. Reissuppe. Weiße Rüben mit Schöpsenkoteletts. Rebhühnerbraten mit Krautsalat.

  18. Graupensuppe. Weißkraut mit Fleischklösschen.

  19. Grimpelsuppe. Rindfleisch mit Kohlrabi.

  20. Suppe mit Markklösschen und Kräutern. Wirsing mit Schinken. Gänsebraten mit Krautsalat.

  21. Fadennudelsuppe. Möhren mit frischem Schweinefleisch.

  22. Suppe mit Sago und Kräutern. Rindfleisch mit weißer Heringssauce und Salzkartoffeln.

  23. Graupensuppe mit Zitrone. Gänseschwarz mit Kartoffelbrei.

  24. Braune Suppe mit Fleischfüllsel. Grüne Bohnen mit Schinken. Entenbraten mit Birnenkompott.

  25. Grieß Suppe. Weiße Rüben mit Schöpsenfleisch.

  26. Wassersuppe mit Petersilie. Saure Kartoffeln mit gesalzenem Schweinefleisch.

  27. Suppe mit Sagogrieß und Rotwein. Wirsing mit gebackenen Hühnern. Hasenbraten mit Äpfel-Kompott.

  28. Suppe mit abgequirltem Ei und Klösschen. Rindfleisch mit Blumenkohl.

  29. Hirsensuppe. Grüne Bohnen mit Schöpsenfleisch und Hering.

  30. Hasensuppe. Hasenklein mit warmem Krautsalat (Schmorkraut).

 

Sowie

 

„Was bringt jeder Monat auf den Markt?“

 

Monat August

 

Kraut-und Grüne Gemüse.

Spinat. Sauerampfer. Frische Schnittbohnen. Blumenkohl (sehr billig). Savoyer Kohl. Roter Kohl. Kopfsalat.

 

Wurzelarten.

Mairüben. Junge Wurzeln. Karotten. Neue Kartoffeln. Petersilienwurzeln. Sellerie. Frische Gurken. Radieschen. Rettig. Junge Zwiebeln (billig). Silber Zwiebeln. Frische Champignons (noch teuer).

 

Hülsenfrüchte.

Pahl-Erbsen.

 

Fruchtsorten.

Erdbeeren. Johannisbeeren, rote und weiße. Himbeeren. Stachelbeeren. Bickbeeren (billig). Krons-oder Preisselbeeren (noch teuer). Brombeeren. Kirschen. Aprikosen. Eßbirnen. Weintrauben (noch selten). Melonen (billig). Kochäpfel. Kochbirnen (billig). Zitronen (teuer).

 

Zahmes Geflügel.

Küken. Suppenhühner. Tauben. Junge Poularden. Junge Gänse. Junge Kalkuten (teuer).

 

Wild-Geflügel.

Junge wilde Enten (billig). Junge Rebhühner (selten).

 

Wild.

Rehkeulen. Rehrücken.

 

Süßwasser-und See-Fische.

Schleien. Karpfen. Hecht. Lachsforellen. Frische Aale (teuer). Geräucherte Aale (teuer). Elblachs. Seeschollen. Krebse. Hummer.

 

 

Die Büchners zum Mitschreiben …

Für die Volkshochschule Darmstadt-Dieburg biete ich in diesem Herbst einen Kurs über die berühmten südhessischen Geschwister an. Besonders schön finde ich dabei, dass das in den Räumen der Villa Büchner stattfinden kann, so dass sich die Teilnehmer/innen auch atmosphärisch am richtigen Ort fühlen können.

Ich freue mich über Ihre Anmeldung (begrenzte Teilnehmerzahl…) direkt bei der VHS;

Fragen dazu beantworte ich gerne (Post@EntwicklungUndKultur.De)

VHS Flyer S. 2

Der VHS-Flyer Aussenseite (hier als pdf)

Ankündigungsflyer Innenseite als pdf

Der geplante Ablauf

(Ankündigungstext der VHS):

„Die Büchners oder Der Wunsch, die Welt zu verändern“*)
Die Familie Büchner in Südhessen

Alle Büchner-Geschwister hatten eine aufklärerische Geisteshaltung, ihr großes gemeinsames Anliegen war die Veränderung der Gesellschaft, Gleichberechtigung ohne Ansehen von Geschlecht oder Herkunft, und ihr Weg dorthin war die Volksbildung. An sechs Abenden werden sie in passendem Ambiente auf kurzweilige Art vorgestellt.

 

Der große Georg
Von den sechs Kindern von Ernst und Caroline Büchner ist uns vor allem der Dichter Georg Büchner (1812 – 1837) bekannt.  Die Überlieferung seines Werkes ist auch dem unermüdlichen Einsatz seiner Geschwister zu verdanken.

 

Arzt, Philosoph, Volksaufklärer – „der Rangar Yogeshwar des 19. Jahrhunderts”: Ludwig
Vor 100 Jahren aber war ein anderer Büchner weltberühmt: der Bruder Ludwig Büchner, „1848er“, Arzt, Philosoph, Publizist, Verfasser des ersten erfolgreichen Sachbuches in deutscher Sprache. Ludwig Büchner war der wichtigste Verbreiter der Thesen von Charles Darwin in Deutschland. In der Frühzeit der Deutschen Arbeiterbewegung war er 1866 „Ehrenkorrespondent“ beim Kongress der Internationalen Arbeiterassoziation in Genf.

 

Zwei Frauen im Umbruch des 19. Jahrhunderts: Luise und Mathilde.
Luise Büchner, der der Zugang zu höherer Schulbildung verwehrt wurde und die sich mit äußerster Kraft erarbeitete, was ihre Brüder lernen durften, veröffentlicht 1855 eines der ersten Sachbücher einer weiblichen Autorin in deutscher Sprache: sie fordert ein eigenes, weibliches Berufsleben und damit wirtschaftliche Unabhängigkeit.
Mathilde Büchner schien bis vor kurzem ein vergleichsweise bescheidenes Leben gelebt zu haben, erst 2008 fand sich ein Bild von ihr. Inzwischen wissen wir, dass sie sich in Darmstadt auch aktiv an der öffentlichen Diskussion beteiligte, den „Hausfrauenverein“, eine Art Konsumgesellschaft, hat sie mitgegründet.

 

Le pont sur le rhin: Alexander, Jurist und Sprachwissenschaftler
Der jüngste Bruder Alexander wurde „Doktor beider Rechte“, erhielt Berufsverbot, machte eine zweite Karriere als Sprachwissenschaftler, wanderte nach Frankreich aus und erarbeitete wesentliche Grundlagen der vergleichenden Sprachwissenschaft. Wegen seiner Verdienste um die Kenntnis Deutscher und Franzosen voneinander nannte man ihn „die Brücke über den Rhein“.

 

Unternehmer, Politiker, Erfinder: Wilhelm Büchner, der Blaufabrikant aus Pfungstadt.
Wilhelm Büchner scheiterte an der Schule, nach der sich seine Schwester Luise so sehnte, wurde Apotheker, studierte Chemie in Heidelberg und Gießen und erfand in seiner ersten kleinen Fabrik in Darmstadt eine Methode, künstlich blaue Farbe herzustellen (Ultramarin). Er wurde mit dieser Erfindung in Pfungstadt ein reicher und einflussreicher Unternehmer. Er war Gemeindevertreter und hat wesentlich zum Werden Pfungstadts beigetragen, im hessischen Landtag und im Berliner Reichstag arbeitete er als linksliberaler Abgeordneter. Seine Pfungstädter „Villa Büchner“ ist eines der ganz wenigen erhaltenen baulichen Denkmäler der Familie Büchner.

*) Heiner Boehncke, Peter Brunner, Hans Sarkowicz: „Die Büchners oder der Wunsch, die Welt zu verändern“. Societäts Verlag, Frankfurt am Main 2008. EAN 978-3-7973-1045-3. 168 Seiten, 24,90 €

 

Mi 19:00-21:00 Uhr, ab 21.09.2011

 

VILLA BÜCHNER

Pfungstadt, Uhlandstraße 

 

immer mittwochs um 19 Uhr, und zwar: 

21.9., 5.10., 2.11., 16.11., 30.11., 14.12. 2011

32 €

 

 

Über „Naturheilkunde”: Jeder Berufsarzt ist zugleich Naturarzt

Ludwig Büchner, der unermüdliche Volksaufklärer, hat sich häufig und deutlich zum Thema „Naturheilkunde” geäußert. Wir dürfen nicht vergessen, dass er seit 1855 ständig und regelmäßig als Arzt praktizierte, also sicher häufig Patientengespräche über „moderne” Heilmethoden geführt hat. Befreundete Ärzte haben mir versichert, dass die Verlockung scheinbar „natürlicher” Heilmethoden bis heute ungebrochen ist – vielleicht kann Ihnen ja Büchners Argumentation heute noch hilfreich sein.

In dem hier folgenden Gartenlaube-Aufsatz ist seine Haltung im letzten Lebensjahrzehnt gut zusammengefasst, in Erwägung der Ungeduld unserer Leser auch diesmal wieder deutlich gekürzt. Hier findet sich aber auch der vollständige Text.

 

Der Sinnspruch auf Ludwig Büchners Grab auf dem Darmstädter Alten Friedhof

 

Natur und Kunst beim Arzte.

Von Professor Dr. L. Büchner.

(Veröffentlicht in „Die Gartenlaube“ 1893, S. 686/687)

 

… Wenn es nach den Lobreden … ginge, so müsste alles, was die medizinische Wissenschaft seit Jahrtausenden unter Mühen und Opfern aller Art zu Tage gebracht hat, gestrichen und die ganze Kunst des Heilens der Krankheiten von vorne an neu gelernt werden. … Was kann aber derjenige von der Natur wissen, der sie nicht gründlich studiert hat? … Die Naturheilkünstler hoffen alles von der Allmacht des kalten Wassers, weil sie dasselbe für ein Naturprodukt handeln, sie denken aber nicht daran, dass die Arzneien, welche sie mit so grimmigen Hass verfolgen, ebenfalls entweder selbst Naturprodukte oder aus solchen hergestellt sind.

…

Haben ja doch wir Menschen selbst uns nach und nach im Laufe langer Zeiten und zahlloser Geschlechter aus rohen, schmutzigen Wilden langsam und mühselig zu der Stufe des zivilisierten Menschen emporgearbeitet und sind auf diese Weise zu ganz anderen und anders gearteten Wesen geworden, als diejenigen waren, welche ursprünglich aus den Händen der Natur hervorgegangen sind! Daher haben wir auch unsere Lebensgewohnheiten und Lebensbedürfnisse ganz anders einzurichten als der rohe Naturmensch.

…

Wir sind nicht rückwärts, sondern vorwärts geschritten und müssen auf diesem Wege immer weiter schreiten, wenn wir nicht unserer eigentlichen Bestimmung auf Erden untreu werden wollen. Wenn daher die so genannte „Naturheilkunde“ behauptet, dass sie den eigentlichen Fortschritt bedeute, während die wissenschaftliche Medizin konservativ und reaktionär sei, so liegt darin ebenso viele Falschheit wie ungerechtfertigte Überhebung. Ihre Anhänger berauben sich willkürlich und ohne jeden vernünftigen Grund einer großen Menge von erprobten Hilfsmitteln der medizinischen Kunst, während sie selbst mit der Dürftigkeit und Einförmigkeit ihres Heilapparates in den Augen des gebildeten Arztes ein therapeutisches Jammerbild darbietet.

…

Der traditionelle Arzt sucht die Natur nicht zu übermeistern oder zu zwingen, weil er weiß, dass sie sich nicht zwingen lässt, sondern er sucht sie einfach in ihren Heilbestrebungen zu stützen, zu lenken und zu leiten oder da, wo er dieses nicht vermag, den Kranken sein Leiden möglichst zu erleichtern. Ein wirklicher Gegensatz zwischen Naturarzt und Berufsarzt, oder, um es ganz allgemein auszudrücken, zwischen Natur und Kunst in ärztlicher Beziehung besteht daher gar nicht. Jeder Berufsarzt ist zugleich Naturarzt, und jeder Naturarzt sollte zugleich wissenschaftlich gebildeter Berufsarzt sein. Wer einem wissenschaftlich nicht gebildeten Laien oder Pfuscher, wie es deren leider jetzt so viele gibt, das kostbare Gut seiner Gesundheit anvertraut, wird es in der Regel nur zu seinem eigenen Schaden tun. Und wer mit nackten Füßen im nassen Gras oder in Schnee und Eis umherläuft, wird von Glück sagen können, wenn er ohne Erkältung oder sonstigen Schaden davonkommt. Die Natur hat die Tiere mit Pelz und Federn versehen, um sie gegen die Unbilden des Klimas und der Witterung zu schützen. Dem Menschen hat sie seinen Verstand gegeben, welcher ihn lehrt, Nützliches und Schädliches zu unterscheiden und mithilfe der Kunst in Klimaten und unter Verhältnissen auszudauern, welche ihm sonst durch die Ungunst der Natur verschlossen bleiben müssten. Wer sich nicht fügen und lieber wie ein Wilder leben will, begebe sich nach jenen tropischen Gegenden, in denen einstmals die Wiege des Menschengeschlechts gestanden haben mag, und lasse dort seinen natürlichen oder urgeschichtlichen Neigungen die Zügel schießen. Ob er sich dabei glücklicher oder wohler fühlen wird als im Schoße der Zivilisation und künstlich geregelter Lebensumstände, mag er an sich selbst erfahren!

Robert Burns (25.1.1759 – 21.7.1796) bei Büchners

In seinem verdienstvollen Facebook-Service „Der Beobachter“ macht Herwig Bitsche von Wittwer in Stuttgart darauf aufmerksam, dass sich am 21. Juli Robert Burns´ Todestag zum 215. Mal jährt. Der große Schotte, den sich nicht nur viele bedeutende englische Autoren, sondern zum Beispiel auch unser Ferdinand Freiligrath zum Vorbild nahmen, wird gleich an zwei Stellen bei den Büchners erwähnt.

Alexander Büchner hat nach seinem kleinen Gedichtband 1850 in dem Jahr der großen Büchner-Veröffentlichungen 1855 (auch Ludwigs „Kraft und Stoff“ und Luises „Die Frauen und ihr Beruf“ erschienen in diesem Jahr) seine erste „sprachwissenschaftliche“ Veröffentlichung vorgelegt: die „Geschichte der englischen Poesie. Von der Mitte des vierzehnten bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts.“ Zwei Teile. Darmstadt, 1855, Verlag von Johann Philipp Diehl. Dieses umfangreiche Werk, von dem er in seiner Autobiografie „Das tolle Jahr“ so lakonisch schreibt, dass man fast glauben kann, dass das Buch nur erschienen ist, weil ihm der Darmstädter Buchhändler Diehl ein kleines Einkommen ermöglichen wollte, ist, soviel ich weiß, nie wieder neu aufgelegt worden. Das Erscheinungsjahr „1858“ jedenfalls, das die British Library für ihr einziges Exemplar nennt, ist wohl ein Erfassungsfehler.

 

Auf Seite 189 des zweiten Bandes schreibt er:

 

„Ein durchaus originelles und vereinzelt stehendes Talent ist Robert Burns. Im Jahr 1759 in Alloway bei Ayr in Schottland als der Sohn eines unbemittelten Pächters geboren, erhielt er eine nur sehr dürftige Erziehung, war jedoch durch den Besitz von Pope´s Werken, des Spektator und einer altenglischen Liedersammlung in den Stand gesetzt, seiner früh erwachten, politische Neigung Nahrung und Bildung zu geben. Seine Jugend verfloß unter den drückenden Arbeiten des Landbaus, inmitten deren er seine ersten Lieder dichtete, welche sich schnell in dem kleinen Lebenskreise, in dem er sich bewegte, verbreiteten. Entschlossen, nach Westindien auszuwandern, wollte er vorher noch seine Dichtungen veröffentlichen, allein der große Erfolg, welchen diese Veröffentlichung fand, 1786, hielt ihn zurück und führte ihn nach Edinburgh, wo er einige Zeit lang der Held des Tages war und, wie von den literarischen Größen, so von den Leithämmeln der schönen und eleganten Welt aufs höchste gefeiert wurde. Freilich lag dieser Feier weniger Einverständnis seiner tiefen und sinnigen Naturdichtung unter, als ein vorübergehender Geschmack an der außerordentlichen Neuheit eines dichterisch begabten Bauern, und diese Neuheit erschöpfte sich binnen Jahresfrist. „Er wurde,“ sagt Allan Cunningham, in seiner Geschichte der brittischen Litteratur in den letzten 50 Jahren, „gelobt, geliebkost und gefeiert, bis der Geschmack für Ländliches abgestumpft war und man etwas Neues zu sehen wünschte; Lords und Ladies hörten auf ihn einzuladen, und, wenn sie ihm zufällig begegneten, grüßten sie kaum oder gingen mit abgewandtem Gesicht vorüber.“

Die gerechten Hoffnungen, welche man ihm auf eine anständige Versorgung durch den Staat gemacht, erfüllten sich nicht, und so kehrte er enttäuscht nach Haus zurück, um eine Pachtung anzutreten. Da es jedoch mit derselben nicht vorangehen wollte, so trat er in Dumfries einen kleinen Posten als Steuerbeamter an, welchen ihm Freunde ausgemacht hatten. Allein zum Teil seine freisinnige politische, mit der französischen Revolution sympathisirende Tendenz, zum Teil aber auch ein gewisser, ihm von jeher eigner Hang zu Zerstreuungen und Ausschweifungen, welche ihn, wie zum Bauern so zum Beamten und Richter, ungeschickt machten, benahm ihm jede Aussicht auf eine Verbesserung seiner Lage. Er starb, von Armuth, Krankheit und Weltverachtung bedrängt, erst 37 Jahre alt im Jahre 1796.

Wie Cowper, so ist auch Burns von seinen Zeitgenossen und Späteren weit überschätzt worden. Man erklärte ihn für ein höchst bedeutendes Genie, welches, unter besseren Verhältnissen und bei geeigneter Anleitung den ersten Dichtern gleichgekommen wäre, während doch ein unbefangenes Auge in seinen Dichtungen sogleich bemerkt, dass nur die Natur und die Beschäftigung des Landmanns mit derselben das Gebiet war, für welches er ein, allerdings tiefes und inniges Verständniß, und einen hochpoetischen Ausdruck hatte. Wo er dagegen dasselbe verläßt, wo er der politischen Tendenz huldigt oder von dem gesellschaftlichen Leben angeregt wird, da bewegt er sich steif und unbeholfen, seine Originalität verschwindet und mit der Anschauungsweise der Kunstschule nimmt er auch deren conventionelle, bei ihm doppelt unwahre Ausdrucksweise an vom beißenden Boreus, von dem Phoebus, welcher den krystallen Strom ergötzt und den azurnen Himmel erfreut, und dergl. Innerhalb seiner Spähre aber – und er hat Takt genug, sie nur selten zu verlassen – ist er ein so vortrefflicher lyrischer Dichter, wie nur je einer gefunden werden dürfte, die volle Kraft und Naivität des alten Volkslied atmet in seinen Liedern, ein tiefes Verständnis für die Natur in ihrem Verhältnis zu der Unmittelbarkeit des ländlichen Lebens entfaltet sich dort, die wohlthuendste Liebe für den heimischen Boden erwärmt sie, und wo er sich von der bloßen Darstellung seiner Empfindungen zur Erzählung wendet, da tönt uns die ganze edle Einfachheit der alten Ballade entgegen, vermischt mit einem köstlichen Humor, wie wir ihn namentlich in den trefflichen Gedichten von Hans Gerstenkorn, John Barlycorn, und dem nächtlichen, von Gespenstern geplagten Effekt des ehrlichen Tom O´Shanter, finden. Wie in der Inspiration, so folgte Burns auch in der Form jenen alten, trefflichen Mustern, er wendet sich ganz von dem versteiften, heroischen Vers der Kunstschule ab und kehrt zu dem alten, vierfüssigen Jambus zurück, welchen er bald zweizeilig reimt, bald mit noch kürzeren Zeiten, in einfache Strophen zusammenstellt, oder er nimmt ganz die klangreiche Form der alten Ballade an.

Seine Gedichte sind durch mehrere, treffliche Übersetzung bei uns so bekannt und verbreitet, daß Mitteilungen aus denselben hier umgangen werden können.

 

So weit also Alexander Büchner über den großen Schotten. 1859 veröffentlicht Alexanders Darmstädter Schwester Luise Büchner ihre Sammlung „Dichterstimmen aus Heimath und Fremde. Für Frauen und Jungfrauen ausgewählt von Luise Büchner“.

 

In der Titelei (und auch in den bibliografischen Daten aller Bibliotheken, die ich online geprüft habe) gänzlich unerwähnt bleibt der Herausgeber von immerhin annähernd fünzig Prozent dieser Texte. In meiner fünften Auflage auf Seite 307 (und bis zur letzten Seite 593) steht die Sammlung „französische und englische Poesie“ die der Bruder Alexander mit einem kleinen Vorwort einleitet und herausgibt. Alexander widmet Robert Burns Platz für die Gedichte „Wackre Armuth“, „Das Gänseblümchen“, „Am Ufer meines schönen Doon“, „Lauschend auf des Meeres Brausend“, „Lebewohl an Nancy“, und „Empfindsamkeit“. Seine Texte werden mit einer eigenen Illustrationen eingeleitet. Selbst der große Beronger, den Alexander sehr geschätzt hat, ist nur mit fünf Gedichten hier vertreten. Lord Byron, dessen „Child Harold“ Alexander übersetzt hat und über dessen Leben er die Erzählung „Lord Byrons letzte Liebe“ 1862 veröffentlichte, ist allerdings sogar mit neun Gedichten vertreten. Leider bleiben bei allen Gedichten die Übersetzer unerwähnt.Vielleicht hat Alexander einige selbst übersetzt.

 

 

Wegen der besonderen Betonung von Burns Begabung zur Naturschilderung hier also

 

Robert Burns:

Das Gänseblümchen.

 

Du roth gesprenkelt Blümchen schwach,

Zu schlimmer Stund´ erschien ich, ach,

Trat in den Staub dich, Pflanze schlicht,

Und wenn ich wollt´,

Könnt´ ich dich doch erretten nicht,

Du Kleinod hold!

 

Ach! Es ist nicht dein Schwesterlein

Die Lerche, die dich läßt allein,

die in den Tau dich niederbiegt

Mit weicher Brust,

wenn auf zum Morgengruß sie fliegt

in heil´ger Lust

 

Kalt blies der scharfe eis´ge Nord

Auf deinen stillen Heimatort,

Doch freundlich tratest du ans Licht,

Trotz Sturm und Wind,

Fest hing am Vaterboden dicht

Sein zartes Kind.

 

Die Gartenblumen stolz und fein

Schließt hoch Gebüsch und Mauer ein,

Doch du, nur einsam hingestellt

Am Heckenrand,

Du schmückt das öde Stoppelfeld

Allein und unbekannt!

 

So in dein einfach Kleid gehüllt,

die Brust der Sonne nur enthüllt,

hobst du dein Haupt bescheidentlich

in schlichter Zier,

die Pflugschar reist vom Boden dich,

So liegst du hier! –

 

Dies ist das Loos unschuldger Maid,

Der Blume stiller Ländlichkeit;

Der Liebe Einfalt sie betrügt

Und süßer Glaub´,

Bis ganz beschmutzt, gleich dir sie liegt

Tief in dem Staub.

 

Das ist des Schlichten Sängers Loos

Auf´s Lebens Meer geschleudert bloß,

Zu ungeschickt, um zu verstehen

Der Klugheit Wort,

Bis Wellen toben, Winde weh´n,

Sturm reißt ihn fort.

 

Dasselbe Loos der Gute litt

Der lang mit Not und Kummer stritt,

Getrennt von Stolz und List, bis wo

Das Elend winkt,

Und ird´schen Haltes baar, er so

Hin sterbend sinkt.

 

Selbst du, der klagt um´s Blümchen klein,

In kurzer Frist – dies Loos ist dein;

Des Todes Pflugschar naht, sie zückt

Nach deiner Pracht;

Bald, von des Eisens Wucht erdrückt,

Sinkst du in Nacht! –

„Kraft und Stoff” im Dienst der Bildung

Ob „Kraft und Stoff” heute ein schützenswerter oder doch eher ein „schwacher”, wegen mangelnder Originalität nicht schützenswerter, Titel wäre, weiß ich nicht so genau. Dass schon um 1860 Charlotte Böttchers Kochbuch Kraft und Stoff erschien, als Ludwig Büchners Welterklärung gerade mal seit 1855 auf dem Markt war, habe ich ja schon berichtet.

Schon länger weiß ich, dass der Klett-Verlag nach 1945 ein Physik- und ein Chemie-„Arbeits- und Lernbuch für Volksschüler” mit diesem Titel hearusgegeben hat, das bis in die siebziger Jahre in immer neuen Auflagen und Ausstattungen erschien. (Die Deutsche Bibliothek kennt nur die zweite bzw. dritte Auflage einer – Lizenz-? – Ausgabe, 1951 bzw. 1953 bei Kösel erschienen.)  Heiner B. besitzt schon länger eine Ausgabe dieses Schulbuches, jetzt konnte ich die zwei Bände der Erstausgabe erstehen. Zuletzt erschien 1971 noch einmal ein Lehrerheft dazu. Der Autor Walter Nimmerrichter hat einige Lehrbücher verfasst, zuletzt erschien, soweit ich das „aus dem Handgelenk” nachweisen kann, 1982 im Selbstverlag „Die Vorherrschaft der Felder im neuen physikalischen Weltbild”. Ob er auch Autor einiger Heimatbücher eines Verfassers mit dem gleichen Namen ist, weiß ich nicht. Der Ko-Autor Erwin Baßler hat 1948 auch ein Rechenbuch bei Klett verlegt.

Ludwig Büchner jedenfalls als alter Volksbildner hätte mit den Lehrbüchern unter seinem Titel noch sicherer keine Probleme als mit dem Kochbuch gehabt – das ist ja ganz in seinem Sinne, was da im Vorwort des 2. Bandes – Chemie – von 1949 steht:

 

Liebe Schüler!

Kräfte und Stoffe liegen den Naturerscheinungen wie den Wundern der Technik zugrunde. Kräfte und Stoffe bestimmen den Alltag des Lebens. Auf Schritt und Tritt begegnet auch ihr Kräften und Stoffen. Sie erregen euer Staunen und drängen euch Fragen auf, wie diese oder jene Erscheinung vor sich gehe, warum das so sei usw.

Das vorliegende Arbeits- und Lernbuch will euch bei dieser Auseinandersetzung mit der Natur und Technik helfen. Es macht euch mit den entscheidenden Fragen der Physik und Chemie bekannt. Es zeigt euch Mittel und Wege, um über die eigene Erfahrung, über selbständiges Nachdenken und Überlegen wie auch über Versuche aus eurer Hand zu Einsicht und Klarheit zu gelangen. Es ist gut, wenn ihr euch das Erkannte in einprägsamer Form festhaltet und durch wiederholende Übungen zum sicheren Wissen werden laßt.

Die geforderte Arbeit ist nicht immer leicht. Am besten schließt ihr euch zu Gruppen zusammen, je 2-5 Schüler zu einer Arbeitsgemeinschaft. Packt die Fragen gemein­sam an, klärt sie in gemeinsamer Besprechung und führt die aufgegebenen Versuche gemeinsam durch! Ihr werdet sehen, wieviel Versuche ihr mit einfachen Konservendosen, mit Arzneifläschchen, mit gewöhnlichen Drähten, Holzstäbchen durchführen könnt, wenn ihr vorausschauend alles Altmaterial sammelt und euch auch nur einigermaßen zu helfen versteht.

Oft wird euch der Lehrer einzelne oder mehrere Aufgaben zur Vorbereitung einer Naturlehrestunde auftragen. Arbeitet dann die gestellten Aufgaben gewissenhaft durch! Haltet das Ergebnis schriftlich in Schlagwörtern oder durch Zeich­nungen fest! Gutgelungene Versuche mögt ihr in der Schule eueren Kameraden vorführen. Wo ihr im Zweifel bleibt oder die Aufgabe euere Kräfte übersteigt, das klärt in gemeinsamer Besprechung oder durch Befragen des Lehrers! Überarbeitet nach der unterrichtlichen Behandlung das Stoffgebiet mit Hilfe des Buches noch einmal. Besonders die Merksätze müssen euch völlig klar sein. Alle Behauptungen solltet ihr beweisen und durch Beispiele belegen können. Bearbeitet Abschnitte, Übungen und Aufgaben mit Sternchen erst in zweiter Linie, denn sie sind häufig nicht ohne Schwierigkeiten! Wer aber zu einer gründlichen Einsicht gelangen will und darnach strebt, die Zusammenhänge kennenzulernen, muß sich auch durch diese Gebiete hindurcharbeiten. Vielleicht ist es manchmal erst nach der Schule möglich.

Befolgt ihr unseren Rat, dann wird euch die Arbeit viel Freude bereiten.



Die Verfasser

 

Ich bin nicht vom Fach, und wenn ich mir die Texte zum Thema Chemie  ansehe, kann ich nicht einschätzen, wie aktuell und verwendbar das alles heute wäre; manches würde vielleicht als zu riskant so nicht mehr ausgeführt werden dürfen. Auffällig ist die sehr praktische  Herangehensweise mit den zeitgemäßen Hinweisen auf „vorausschauendes Altmaterialsammeln”, das fast schon sentimental werden läßt, und der überraschend distanzierte Schluß zum Thema Atomenergie im letzten Kapitel „Aus der Wunderwelt der Atome”:

 

„ … Die gewonnene Energie ist aber vorläufig nicht billiger als die aus Kohle und Wasserkraft gewonnene. Zu bedenken bleibt auch, daß bei der Atomzertrümmerung gefährliche radioaktive Rückstände bleiben, die die Gesundheit der Menschen in höchstem Grade gefährden. …” 

 

  Ein kleiner Nachtrag am 12.7.:

 

Heute Morgen kam mit der Post die vermutlich letzte Auflage von Nimmerrichters „Kraft und Stoff“ (auch bei Ernst Klett in Stuttgart, als Schulbuch wie üblich ohne die segensreichen Informationen eines Impressums, ja selbst ohne ISBN). Das Buch ist wohl etwa 1970 erschienen und verblüffenderweise mit dem kaum veränderten Vorwort der Erstauflage ausgestattet; auch das „Altmaterial“ ist dort unverändert erwähnt. Unter „Kernenergie“ fehlt nun allerdings plötzlich die bemerkenswerte Warnung von 1949 und die letzten Worte in diesem Kapitel lauten heute:

 

„Heute gibt es bereits Kraftwerke und Schiffe mit Atomantrieb. Wenn im Reaktor die Kerne von 1 Kilo Uran gespalten werden, entsteht soviel Wärme wie beim Verbrennen von 1000 Tonnen Kohle.

 

Im Atomkern steckt Energie

 

Die Kernenergie ist die Energiequelle der Zukunft.“

 

 

 

Daraus kann jetzt jeder seine eigenen Schlüsse ziehen.

 

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