Peter Brunners Buechnerblog

Monat: Mai 2011 (Seite 2 von 3)

Ludwig Büchner forscht über geheimnisvolles Leuchten

Anlässlich des heutigen Geburtstages von Franz Anton Mesmer einmal ein etwas ausführlicherer Text zu einem verwandten Thema.

 

Ich freue mich übrigens über Kommentare hier, die mich wissen lassen, ob das Veröffentlichen historischer Texte hier von den Lesern für sinnvoll und informativ gehalten wird.

 

 

Ludwig Büchners erste eigenständige Buchveröffentlichung (nach der Veröffentlichung seiner Dissertation – dazu gelegentlich mehr – und der Herausgabe von Georgs gesammelten Werken 1850) war eine Schrift mit dem Titel „Das Od“, die er 1854 bei dem Darmstädter Buchhändler Diehl verlegte. Er setzte sich darin mit der Theorie Karl von Reichenbachs auseinander, der behauptete, eine dem Magnetismus verwandte biologische Kraft gefunden zu haben, die er „Od“ (nach dem germanischen Gott Odin) nannte.

 

 

Karl von Reichenbach

Der Text biete eine schöne Einführung in Ludwigs Methode, mit Fragestellungen und Theorien umzugehen, und ist eine Erläuterung seines Anspruches, den Dingen mit naturwissenschaftlichen Methoden auf den Grund zu gehen. Die Spiritisten kriegen gleich zu Anfang ihr Fett weg, und im Verlauf de Textes entsteht der Eindruck, dass sich Ludwig Büchner ungern, aber unerbittlich, von der Od-Theorie distanziert. Ich habe in seinen späteren Werken bisher auch noch keine weitere Erwähnung davon gefunden.

 

Ludwig schreibt:

 

„ … Abgesehen von dem wissenschaftlichen Interesse des Gegenstandes an sich, glaubte der Verfasser auch in seiner Achtung gegen das größere Publikum, welches sich bekanntlich in den letzten Jahren in großen und weiten Kreisen ungemein für die Sache interessiert hat, einen Antrieb zur Anstellung von Nachversuchen finden zu dürfen. Für sich allein freilich dürfte diese letztere Umstand, so oft er auch bei Gelegenheit des Tischrückens gegen wissenschaftliche Kreise geltend gemacht wurde, nicht das nöthige Gewicht in die Wagschale werfen, und das Publikum möge verzeihen, wenn ihm nicht jedesmal in allen seinen Neigungen der Wille gethan wird. Die außerordentliche und nie gesehene Theilnahme, welche das Publikum aller Stände und aller Länder für das Tischrücken an den Tag legte, war dennoch nicht im Stande, dem Gegenstand ein wirklich wissenschaftliches Interesse und Aufmerksamkeit von Seiten der Naturforscher zuzuwenden. Gewiß mit Recht ließen die Letzteren die enragierten Laien vergebens über die Theilnahmslosigkeit der Wissenschaft schreien und schelten. Daß ein Tisch tanzen und sprechen könne, diese widersprach so sehr allen Begriffen, welche aus einer venünftigen Naturbetrachtung erwachsen sind und stand von Vornherein, auch ohne Experimente, so sehr in Widerspruch mit den Erfahrungen, welche seit Jahrtausenden über die Unwandelbarkeit gewisser Naturgesetze gemacht worden sind, daß man wohl in stiller Nichtachtung schweigen und abwarten konnte, bis die Zeit die Närrischen von selbst zur Vernunft gebracht haben würde. … Als die Reichenbachschen Briefe in der Allgemeinen Zeitung erschienen und in wissenschaftlichen und nicht wissenschaftlichen Kreisen eine lebhafte Besprechung und Discussion fanden, theilten sich sehr rasch und entschieden die Meinungen, die Einen für, die Andern gegen die Sache. Solche rasche Partheinahme ohne nähere Prüfung konnte natürlich nur von solchen geschehen, denen die Begriffe naturwissenschaftlicher Forschung nicht geläufig waren. Keine noch so hitzige Debattierung mit theoretischen Gründen konnte sie an´s Ziel führen. Eine Sache, welche sich vor Allem auf Versuche, auf Thatsachen beruft und nicht den Stempel wissenschaftlicher Unmöglichkeit an de Stirn trägt, kann nur wieder durch Versuche, durch eine experimentelle Nachprüfung endgültig entschieden werden, so sehr vielleicht auch theoretische Gründe dagegen zu sprechen scheinen. Das Experiment ist es ja, was die Naturwissenschaften in den letzten Jahren so groß gemacht hat, daß sie gegenwärtig Leben und Wissenschaft beherrschen, das Experiment ist es, was ihnen eine noch größere Zukunft als Gegenwart sichert, das Experiment endlich ist es, welches beginnt, seinen Einfluß auch in den übrigen Gebieten des menschlichen Wissen ´s und Denken´s geltend zu machen. Was gelten jetzt noch metaphysiche Systeme? Was helfen uns jetzt die dickleibigen Bände der Staats- und Völkerrechtslehrer, was die künstlichen Gebäude der Gesellschafts-Verbesserer, nachdem die Experimente der vergangenen Jahre alle diese Theoretiker so gründlich beschämt haben?. Man glaubte die Wahrheit verbrieft und ausgemacht in der Tasche zu haben, aber beim ersten Windstoße der That flog die papieren Weisheit davon. …“

 

 

 

Es folgt jetzt eine länger Schilderung des angeblichen Ods, einer Kraft, welche ähnlich dem Magnetismus zahlreichen organischen und anorganischen Gegenständen und Lebewesen innewohne und von „sensitiven“ Menschen wahrgenommen werden könne. Dann folgt die Beschreibung von in Tübingen angestellten Experimenten sowie ein kritisch-distanzierter Schluss:

 

„ … In der Dunkelkammer hielten wir mit verschiedenen Personen beiderlei Geschlechts 11 Sitzungen von je 1- 3 Stunden Dauer. … Die Mehrzahl der Versuchs-Personen sah Nichts, bei einer Minderzahl fehlte es nicht an mitunter sehr intensiven Lichterscheinungen verschiedener Art, … Es schien uns allerdings einigemal, als ob diejenigen Personen, welche für odische Eindrücke am empfänglichsten waren, auch der Einwirkung des thierischen Magnetismus am meisten zugänglich seien. … Was nun unsere eigenen Versuche anlangt, so sind dieselben unvollständig, gering an Zahl, eigentlich nur Präliminarien zu einer genaueren und in größerem Maaßstab ausgeführten Untersuchungen, und können deßwegen auch, wie ich schon angedeutet, keinen endgültigen kritischen Ausspruch über die Sache begründen. … Ich glaube voraussetzen zu dürfen, daß Reichenbachs Versuchs-Resultate nicht minder mit solchen Fehlern und Unvollkommenheiten behaftet waren, wie die unsrigen, daß aber der Entdecker des Od, wie jeder Begründer einer neuen Theorie, nur das aus ihnen herauszog, was einer Ansicht zur Stütze dienen konnte, und das Widersprechende verschwieg. … Sollte sich auch bei solchen Prüfungen die Reichenbach´sche Theorie nicht bestätigen, so kann es immerhin nur von Nutzen und wissenschaftlichem Interesse sein, gerade in diesem als Schatten- oder Nachtseite der menschlichen Natur bezeichneten Gebiete durch eine auf Thatsachen fußende Forschung einiges Licht verbreitet zu sehen. An solchen Dingen bloß nichtachtend vorüberzuschreiten, dürfte nach meiner Ansicht nicht mehr zeitgemäß, auch nicht einmal des Gelehrten würdig sein. … “

 

Ludwig Büchner: Das Od. Eine wissenschaftliche Scizze. Darmstadt. Diehl. 1854. 48 S.

 

 

 

Anleitung zur technischen Prüfung und Untersuchung der künstlichen blauen Ultramarine

Anleitung zur technischen Prüfung und Untersuchung der künstlichen blauen Ultarmarine; von W. Büchner

Aus dem Gewerbeblatt für das Großherz. Hessen, 1854, S. 270

 

  Das künstliche blaue Ultramarin in ungemischter reiner Waare besitzt eine blaue Farbe in verschiedenen Schattierungen und Grundtönen, welchen kein anderes Blau entgegentreten kann. … Soll Ultramarin nicht nur Kaufmannswaare sein, deren äußeres Ansehen durch graciöses Auftreten zum Kaufe verlockt, – sondern seinem Zweck, der Verwendung in den technischen Gewerben, entsprechen, dann erwartet man im allgemeinen: Körperfeinheit, Vertheilbarkeit in Ölen, Firnissen, Wasser und Leimwasser, Farbekraft; ferner muß es frei von Salz und ungebundenem Schwefel seyn, sich nur durch wenig Bindungsmittel binden lassen und behufs des Gebrauches in den Papierfabriken alaunwiderstandsfähig seyn. …

 

Aus dem Gesagten geht nun hervor, daß sich die Anwendung des Ultramarins auf folgende Verwendungen beschränkt, denen noch die unbedeutenderen Benutzungen angefügt werden könnten: 1) zu Leimanstrich der Tüncher; 2) zum Oel- und Firnißanstrich; 3) zur Malerei; 4) zum Bläuen weißer Waaren, mit Smalte vermischt oder pur; 5) zum Maschinenpapier; 6) zum Hand- oder Büttenpapier; 7) zum Tapetendruck und Tapetenfond; 8 ) zur Buntpapierfabrikation; 9) zum Kattun-, Wolle- und Jaconettedruck; 10) zu Siegellack, lithographischen Arbeiten, Oblaten u.s.f. . … Für alle diese Verwendungen ist es nicht nur eine Calculationsfrage, wie weit man mit einem gebenen Quantum Ultramarin reicht, sondern es ist auch bei jeder Lasurfarbne das Resultat um so schöner, je weniger davon aufgetragen werden muß. Diese Eigenschaft drücke ich mit dem Worte Farbekraft und Farbenreichthum aus. …“

Polytechnisches Journal. Herausgegeben von Dr. Johann Gottfried Dingler und Dr. Emil Maximilian Dingler. Dritte Reihe. Vierunddreißigster Band. Jahrgang 1854. Stuttgart und Augsburg. J.G.Cotta´sche. SS. -373 375  

F(riedrich) C(Christian) Delius ist Büchnerpreisträger 2011

Soeben gibt die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung über ihren diesjährigen Preisträger bekannt:

„Als kritischer, findiger und erfinderischer Beobachter hat er in seinen Romanen und Erzählungen die Geschichte der deutschen Bewusstseinslagen im 20. Jahrhundert erzählt – von der Vorgeschichte der NS-Zeit über die Zeit der Teilung bis in die unmittelbare Gegenwart. Seine politisch hellwachen, ideologieresistenten und menschenfreundlichen Texte loten die historischen Tiefendimensionen der Gegenwart aus. Seiner souveränen Erzählkunst gelingt es, eine manchmal satirische Beobachtungsschärfe zu verbinden mit einer humanen Sensibilität, die seine Figuren oft decouvriert, aber nie denunziert. … ”

Hier F C Delius sebst.

So erfreulich die Nachricht über diesen verdienten Preisträger auch ist, so verblüffend die gleichzeitige Nachricht, man feiere in diesem Jahr 60 Jahre Georg-Büchner-Preis.

Das ist nun ärgerlicherweise gleich doppelt falsch.

Zunächst wurde der Büchnerpreis 1923, vor nunmehr also 88 Jahren, vom Volksstaat Hessen eingerichtet und bis 1932 an Künstler vergeben, die aus Hessen stammten oder „mit Hessen geistig verbunden waren“. Die Nazis verzichteten dann auf die Verleihung, 1945 (also vor 66  Jahren) kam es zu einer Neubelebung. Preisträger waren neben den Literaten Schiebelhuth, Usinger, Seghers und Langgässer auch der Maler Carl Gunschmann und der Komponist Hermann Heiß. Seit 1951 (und das war dann in der Tat vor 60 Jahren) verleiht die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung den Büchnerpreis als Literaturpreis.

Eine knappe Geschichte und eine Liste der Preisträger bietet wikipedia hier.

Schade, dass die wichtige und außergewöhnliche Geschichte des Preises so verkürzt dargestellt wird – wollen wir hoffen, dass sich 2023 Berufene finden, das echte Hundertjährige zu begehen!

 

 

 

 

 

Luise Büchner: tragt die Rüstung der Pallas Athene!

 

„ … Was können uns jene jungen Wesen nutzen, die aus der Schule heraus nicht eilig genug ins Leben treten können, ohne Ahnung eines höheren Berufes, eines ernsteren Strebens? Aus ihren Reihen wird nur selten die tüchtige Mutter, das ächte Weib hervorgehen. Trunken vom Glanze der Ball- und Gesellschftssäle, schweben sie, wie im Traume, durch ihre Jugend; aber wohl selten birgt sich unter dem flatternden Gewand das starke Herz, die hochbeschwingte Seele, deren die Frau doch so sehr, so nothwendig bedarf. Wie lieblich rauschen einige Jahre dahin, leichtbeschuht und voller Glanz; aber die Scene muß sich ändern, das wirkliche Leben klopft an die Pforten. Wie Viele wird es dann zum Kampfe bereit finden? Wie viele sind dann seinen gerechten Ansprüchen gewachsen? Ob die Ehe oder das Loos der Unverheirateten diese heiteren Gestalten erwartet, nur diejenige Frau kann ihren höheren Lebenszweck erfüllen, welcher die Erziehung die Mittel dazu an die Hand gegeben. Aber diejenige Erziehung kann weder Ernst noch Tüchtigkeit verleihen, der es selber daran fehlt, und wer den Lebensweg der meisten weiblichen Naturen verfolgt, wird finden, daß ihnen mit richtiger Bildung Alles gegeben wäre, während ihnen ohne dieselbe Alles genommen ist. O, ihr rosigen Kinder, euren Frohsinn und eure Heiterkeit möchten wir um keinen Preis der Welt euch rauben, ihr sollt Rosen in´s Haar flechten und das weiße Gewand tragen, aber darunter die Rüstung der Pallas Athene.“

 

Luise Büchner: Die Frauen und ihr Beruf. Leipzig: Thomas. 5. Aufl. 1884, S. 9/10

 

Dieser lesenswerte Text wurde hier zitiert nach dem Exemplar, das die Google-Buchsuche zur Verfügung stellt. Es stammt aus dem Besitz der

 

 

 Radcliffe College Library und trägt das

 

Exlibris von Lily Braun.

Alexander Büchner erinnert sich an seine Rokoko-Großmutter

„ … Immerhin aber saß ich oft als kleiner Bengel auf einem Schemel zu Füßen der blinden Rokokogroßmutter, während ihr meine Schwester Luise, die nachmalige Erziehungsschriftstellerin, damals aber nur ein Bündel wie ich selber, aus gedruckten Büchern sehr gebildete Lektüre vorlas. Freilich war es nicht die gebildete Lektüre, welche mich anzog. Sondern die ganze pirmasenshafte, rokokoartige Umgebung, in welche sich die Erinnerung der Kinder- und Ammenmärchen – denn für uns war ja alles wirklich passiert – mit wunderlicher Genauigkeit hineinpaßte. Da befanden sich absonderliche Möbel mit gewundenen Beinen und geschnitzten Säulchen, abgeblaßte Stickereien und Webereien und eine urnenförmig porzellanene gemalte Schlaguhr mit Glasglocke aus der Imperialzeit, welche mein Bruder Ludwig selig heute noch in seinem Salon stehen hat. Das alles war aber gar nichts gegen die Porzellanfiguren und Gruppen aus Meissen und Sevres, die in der guten alten Zeit so manchen bürgerlichen Haushalt zierten, ohne daß man auch nur einen annähernden Begriff von dem künftigen Finanzwert aller dieser Schäfer und Marquisen, dieser Offizierchen und Soubretten, dieser Apollos und Dianas besaß.

 

 Vénus faisant couronner la Beauté, d’après un modèle de Louis-Simon Boizot (1743-1809).Biscuit de porcelaine dure, Manufacture royale de Sèvres, fin du XVIIIe siècle.(Foto: Traroth)

Sie galten für Babel und Tand und Kinderspielzeug, obwohl die blinde Großmutter viel darauf zu halten schien. Aber in dieser Hinsicht war die jüngere Generation viel blinder als die alte Frau. Durch die Zeit ging schon ein Zug von derber Düsseldorferei; das Rokoko wurde gemieden, gehaßt und verachtet. Wer doch jetzt jene Menagerien aus dem ancien régime wieder haben könnte! Ein Vermögen würde man damit machen bei einem Wiederverkäufer, und dieser letztere würde mehrere Vermögen damit machen bei kenntnisreichen Liebhabern. Je nun, was man im Alter wünscht, das hatte man in der Jugend die Fülle. … ”

 

Alexander Büchner: Das tolle Jahr. Von einem der nicht mehr toll ist. Erinnerungen von Alex Büchner. Professeur honoraire á l´Université de Caen. Gießen. Roth. 1900. S. 2/3

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