Peter Brunners Buechnerblog

Monat: Mai 2011 (Seite 1 von 3)

„Kraft und Stoff” in seiner natürlichen Bedeutung betrachtet

Schon lange weiß ich, dass vor 1863 ein Kochbuch mit diesem Titel erschienen ist* – heute habe ich endlich eines in die Hände bekommen:

 

Wider Erwarten gibt es nicht den geringsten Bezug auf Ludwig Büchners Kraft und Stoff, obwohl völlig außer Frage steht, dass der Titel dieses seit 1855 höchst erfolgreichen Buches mindestens dem Verlag bekannt war.

Ich habe meine Spaß an dem Buch, und wenn´s hier keine heftigen Widersprüche gibt, will ich versuchen, in den nächsten Monaten jeweils zu Beginn die saisonalen Lebensmittelempfehlungen zu veröffentlichen, die Frau Böttcher der staunenden Leserin damals machte.

Hier also die Einkaufs- und Essensliste für den Juni 1882:

Essensliste fuer Juni

* Die früheste Auflage, die ich nachweisen kann ist:
Böttcher, Charlotte:Kraft und Stoff oder Deutsches Universal – Kochbuch, umfassend die ganze Praxis der Küche sowohl für die feinste Tafel, wie den einfachsten bürgerlichen Hausstand in den sorgfältigsten Unterweisungen, mehreren Tausenden ausgeprüfter Recepte. Ein gründliches Lehr-, vollständiges Hand- und unentbehrliches Hülfsbuch für die werdende und schon ausgebildete Köchin oder Hausfrau.Berlin, Schneider/ Wien, Prandel & Ewald/ Hamburg, Richter, 1863.  2. Auflage, XXXII, 1214 S.)

Tage der Commune

Keine Angst, das Fass „Machtergreifung durch das Proletariat“ mache ich hier nicht auf…

Mir fiel nur gerade auf, dass sich in diesen Tagen das Ende der Commune jährt – am 28. Mai 1871 endete die „blutige Maiwoche” in Paris.

 August Bebel sagte dazu am 25. Mai im Reichstag:

 „Meine Herren, und wenn auch im Augenblick Paris unterdrückt ist, dann erinnere ich Sie daran, daß der Kampf in Paris nur ein kleines Vorpostengefecht ist, daß die Hauptsache in Europa uns noch bevorsteht und daß, ehe wenige Jahrzehnte vergehen, der Schlachtruf des Pariser Proletariats ›Krieg den Palästen, Friede den Hütten, Tod der Not und dem Müßiggange!‹ der Schlachtruf des gesamten europäischen Proletariats werden wird.”

Tag der Literatur mit den Büchners

Gleich an zwei Veranstaltungen über die Büchners konnte ich gestern teilnehmen.

Zunächst hatte der Förderkreis für Kunst und Kultur in Zwingenberg zusammen mit dem Café Schoko und Wein zu einem literarischen Picknick eingeladen. Edda Fürst, Dieter Kullak, Hanns Werner und meine Wenigkeit  trugen Texte aus der tausendjährigen Zwingenberger Geschichte vor. Das neunzehnte Jahrhundert präsentierten wir mit Hinweisen auf Johann Georg Dieffenbach (1787-1848), den Wirt des bunten Löwen, der den Beinamen „Zeitgeist” ganz zu Recht trug. Er war der Motor der demokratischen Bewegung der zwanziger Jahre in Zwingenberg und wurde Abgeordneter der hessischen Volkskammer.

Auch Zwingenberger Geschichte:  Hanns Werner liest einen NS-Aufruf zur Versammlung am 29. Mai

Wie zahlreich Büchners Verbindungen nach Zwingenberg waren, konnte ich dann mit einigen Texten belegen: bekannt und bereits berichtet ist der Besuch Georg Büchners mit seinem Freund Muston beim Bruder Wilhelm in der Hofapotheke, auch Luises Erzählung vom kleinen Vagabund war schon bekannt. Dass Alexanders „Pfingstausflug” 1849 auch einen Zwischenstop bei Dieffenbach erzählt, war weniger bekannt, auch, dass Wilhem Bücher für Zwingenberg in den 1849/50er „Revolutionslandtag” einzog, war vielen neu. Friedrich Büchner, der Cosin „unserer Büchners”, war lange Jahre Lehrer und „Hilfspfarrer” in Zwingenberg, sein Drama „Coligny” konnte ich nur noch kurz erwähnen. Der Pate seines Sohnes Alexander war „unser” Alexander. Schließlich stellte ich noch die „Märchenmuhme” Martha Frohwein-Büchner vor, die mit ihren Mundartgedichten und -Erzählungen den Büchnerschen „Schreibwurmb” wie Anton Büchner, Wilhelms Enkel, ins zwanzigste Jahrhundert trug.

Die Villafassade in der gleissenden Sommersonne am 29.5. 

Nachmittags habe ich eine private Führung in der Villa betreut, bis schließlich der Bus mit den Teilnehmer/inne/n  der Fahrt auf Büchners Spuren gegen 19 Uhr in Pfungstadt eintraf. Nach einem kurzen Spaziergang übers Gelände gingen wir zum Flammekuche-Essen ins Restaurant, was ja sehr gut zu den Elsässer Beziehungen der Büchners passte. Beim Essen hörten wir Alexander Büchner über seinen Bruder Wilhelm, den „dummen Bub”. Schließlich besichtigte die interessierte Gruppe noch die Beletage und  die Wohnräume der Büchners in der Villa, als der Busfahrer vernehmlich mit den Hufen scharrte – er wollte nach Hause.

Nach Hause!

Erst nach 21 Uhr haben wir die Besuchergruppe verabschiedet – bis zum Rande gefüllt mit den unzähligen Geschichten und Ereignissen, die im Laufe das Tages auf sie einströmte. Für die mit etwa 40 Personen ausgebuchte Fahrt von Darmstadt über Goddelau nach Pfungstadt musste die Luise Büchner-Gesellschaft weitere zwanzig Interessierte abweisen, obwohl schon Wochen vorher „ausgebucht” veröffentlicht war. Damit ist eine baldige Wiederholung fast unausweichlich geworden.

Erst für 2013 ist der nächste „Tag der Literatur” geplant – so lange werden wir mit weiteren Büchner-Veranstaltungen sicher nicht warten.

Tag der Literatur am 29. Mai – Das Büchner-Programm

Das „Literaturland Hessen“ mit dem alle zwei Jahre stattfindenden „Tag für die Literatur“ ist ein Gemeinschaftsprojekt von hr2-kultur, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und dem Hessischen Literaturrat. Unterstützt wird die Intiative unter anderem von der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, dem ADAC Hessen-Thüringen, der Sparda-Bank Hessen und der GrimmHeimat NordHessen.

Das vollständige Programm kann über eine interaktive Karte bei hr-online erschlossen werden.

Hier die Veranstaltungen zu Georg Büchner und seinen Geschwistern:

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Lesung mit Picknick

Literatur-Picknick in der Alten Hofapotheke

Zwingenberg

Bei einem literarischen Picknick erfahren die Teilnehmer mehr über das mittelalterliche Zwingenberg, die Bedeutung der Alten Hofapotheke und die Beziehungen der Familie Büchner zu ihr.

Dass Zwingenberg auf eine fast 1000-jährige Geschichte zurückblicken kann, geht aus einer Urkunde aus dem Jahr 1012 hervor, in der der Ort unter dem Namen „Locum Getwinc“ zum ersten Mal erwähnt wird.

1833 begleitet der Schriftsteller und Revolutionär Georg Büchner seinen Studienfreund Alexis Muston im Spätsommer auf einer Wanderung von Darmstadt über Zwingenberg nach Heidelberg. Gemeinsam besuchten sie Büchners Bruder Wilhelm, der zu dieser Zeit in der „Alten Hofapotheke“ am Zwingenberger Marktplatz seine Ausbildung zum Apotheker begonnen hatte.

Lesung mit Picknick

Café „Schoko und Wein“ in der Alten Hofapotheke
Marktplatz 13
64673 Zwingenberg

11–13 Uhr

Teilnahme kostenlos
(10,- € „Kostenbeitrag“ für das Picknick)

Bei schönem Wetter findet die Lesung im Innenhof statt.

Informationen:
Förderverein für Kunst und Kultur Zwingenberg e.V.
Tel. 06251 52945

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Literarisch-musikalische Reise mit historischer Bildprojektion

Der Druck des Hessischen Landboten in Offenbach am Main

In Offenbach wurde die politische Streitschrift „Der Hessische Landbote“ in einer Nacht-und-Nebel-Aktion bei Carl Preller gedruckt. Eine mehrstimmig gestaltete Lesung unter dem Motto „Freitags abends ging ich von Gießen weg…“ wird zur Spurensuche.

Die in Gießen 1834 zwischen dem Medizinstudenten Georg Büchner und dem Theologen und Pädagogen Ernst Ludwig Weidig abgestimmte Endredaktion des „Hessischen Landboten“ fand im Monat Mai statt. Die teils wissenschaftlich-nüchternen Statistiken des Medizinstudenten wurden von Weidig, der dafür später mit seinem Leben büßte, mit für das einfache Volk eindringlichen, der Bibel entlehnten Worten ergänzt.

Der Zusammenarbeit ging die Gründung der „Gesellschaft der Menschenrechte“ im hessischen Gießen durch Georg Büchner voraus. Diese orientierte sich an der „Societé des Droit de l´ Homme et du Citoyen“ (Der Gesellschaft der Menschenrechte und Bürger) in Straßburg, wo Büchner 1832 studiert hatte. Ziel der Gründung war das Verfassen und die Verbreitung politischer Flugschriften entgegen der Zensur. Somit trug der Hessische Landbote zur Umsetzung der Forderungen des „Deutschen Preß- und Vaterlandsvereins“ bei, der 1832 das Hambacher Fest organisiert hatte, um den bürgerlich-revolutionären Demokratie-Forderungen politischen Druck zu verleihen. Nach tage- und nächtelangen Debatten um die Gewichtung der revolutionären Inhalte wurde das Flugblatt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in Offenbach am Main bei Carl Preller gedruckt.

Mit historischen Bildeinblendungen und europäischen Volksliedern aus dieser Zeit, unter anderem aus der Sammlung Johann Gottfried Herders „Stimmen der Völker in Liedern“, reist das Publikum zu den kulturhistorischen Wurzeln des deutschen Demokratieverständnisses. Die mehrstimmig gestaltete Lesung begibt sich auf die Spurensuche der Produktion des „Hessischen Landboten“: Dem politischen Geist des Vormärzes, der weit über die hessischen Grenzen hinaus aktiv wirkte, wird nachgespürt. Wie auch der abenteuerlichen Schmuggelei der politischen Parole „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“, die nach Drucklegung von Offenbach aus generalstabsmäßig nach Darmstadt, Friedberg, Butzbach und Gießen verbracht wurde.

Literarisch-musikalische Reise mit historischer Bildprojektion

Haus der Stadtgeschichte
Herrnstr. 61
63065 Offenbach am Main

19–20.30 Uhr

5,- € / 2,50 € ermäßigt

Informationen:
Lecture_Offenbach e.V. in Zusammenarbeit mit dem Haus der Stadtgeschichte
Tel. 069 40953854 oder 069 80652046
www.lecture-offenbach.de
www.haus-der-stadtgeschichte.de

Das Projekt „Geist der Freiheit“ der KulturRegion FrankfurtRheinMain ist Partner der Veranstaltung

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Lesung

„Lenz“ von Georg Büchner

Georg Büchner

1839 erschien posthum Georg Büchners Novelle „Lenz“, in der er den Geisteszustand des Schriftstellers Jakob Michael Reinhold Lenz beschreibt. Der Schauspieler Christian Wirmer erzählt Büchners einzige Prosadichtung.

Der Dichter und Revolutionär Georg Büchner wurde 1813 in Goddelau geboren. 1834 gründete er die „Gesellschaft für Menschenrechte“, um die reaktionären Verhältnisse in Hessen zu ändern, und verfasst gemeinsam mit dem Pfarrer Friedrich Ludwig Weidig die Flugschrift „Der Hessische Landbote“. Darüber hinaus verfasste der die Dramen „Dantons Tod“ „Leonce und Lena“ und „Woyzeck“.

Seine Erzählung „Lenz“ basiert auf einem Bericht des Pfarrers Johann Friedrich Oberlin sowie auf einigen Briefen von Lenz. Einen Teil der Erzählung übernahm Büchner wortwörtlich aus dem Bericht Oberlins, weshalb gegen ihn der Vorwurf des Plagiats erhoben wurde.

Lesung

Büchnerhaus
Weidstr. 9
64560 Riedstadt-Goddelau

18-19 Uhr

7,- €

Informationen:
Förderverein Büchnerhaus e.V.
Tel. 06158 9308-41 oder -42
www.buechnerhaus.de

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Rundgang und Bustour mit Führungen und Imbiss

Auf den Spuren der Familie Büchner

Luise, Georg und Ludwig Büchner

In exemplarischer Weise repräsentiert die Familie Büchner die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strömungen des 19. Jahrhunderts. Eine Tour lädt dazu ein, die Orte kennen zu lernen, an denen die einzelnen Familienmitglieder lebten und wirkten.

Zur Einstimmung folgt ein Spaziergang durch Darmstadt den Spuren der Büchner-Familie. Anschließend geht es mit dem Bus nach Riedstadt-Goddelau zum Philippshospital, wo sich die Eltern der Büchner-Geschwister kennenlernten. Weiter geht es dann zum Geburtshaus Georg Büchners, in dem sich heute ein Museum zu seinem Leben und Werk befindet. Die letzte Station ist die Villa Büchner in Pfungstadt, Treffpunkt der Familie nach 1864. Nach einem kleinen Imbiss geht es wieder zurück nach Darmstadt.

Die Theaterstücke Georg Büchners sind Schullektüre geworden. Doch auch seine Geschwister sind wichtige Persönlichkeiten.

Ludwig Büchner schuf mit seinem Bestseller „Kraft und Stoff“ das Standardwerk des Materialismus, Alexander Büchner arbeitete als Literaturwissenschaftler in der Kulturvermittlung zwischen Deutschland und Frankreich, Luise Büchner engagierte sich früh in der bürgerlichen Frauenbewegung. Und Wilhelm Büchner, der einen begehrten Ultramarinfarbstoff synthetisiert hatte, war als Unternehmer und liberal-demokratischer Politiker erfolgreich. Sein Wohnhaus in Pfungstadt, die Villa Büchner, wurde in den letzten Jahren restauriert und ist seit 2010 wieder zugänglich.

Rundgang und Bustour mit Führungen und Imbiss

Treffpunkt:
Klinikum Darmstadt
Grafenstraße 9
64283 Darmstadt
um 13 Uhr
Rückkehr ca. 20.30 Uhr

30,- € / 20,- € für Mitglieder der Luise-Büchner-Gesellschaft
Preis inkl. Imbiss

ACHTUNG: DIE BUSTOUR IST BEREITS AUSGEBUCHT!

Informationen:
Luise-Büchner-Gesellschaft e.V.
Tel. 06151 599788 oder 06150 4687
E-Mail: LuiseBuechner@aol.com

 

Alexander Büchner wartet auf das erste Luftschiff-Gedicht

Nachdem er 1855 bereits eine zweibändige „Geschichte der englischen Poesie“ vorgelegt hatte, veröffentlichte Alexander Büchner 1858 die zweibändigen „Französische Literaturbilder…“. Der folgende Text aus der Einleitung verdient aus verschiedenen Gründen, nicht zuletzt wegen immer wieder auffälligen Büchner´schen Modernität, Aufmerksamkeit. Es ist außerdem wahrscheinlich der erste literaturtheoretische Text, der ein Luftschiff erwähnt (welches nämlich nur sechs Jahre früher,  1852, überhaupt erstmals – von Paris nach Trappes – über 27 km gefahren war).

 

 

„Unsere Zeit steht im Begriff, durch das Mittel des täglich wachsenden internationalen Verkehrs die noch bestehenden Stammes-, Sitten- und sonstige Verschiedenheiten der heutigen europäischen Kulturvölker unter sich auszugleichen. Wir haben in großen Städte Leute kennen gelernt – und zwar nicht nur Deutsche, sondern auch Ausländer, und keine Ideologen, sondern erfahrene, praktische Geschäftsmenschen welche, unter Anführung vieler empirischer Gründe, – behaupteten, binnen fünfzig bis hundert Jahren werde von den gegenwärtigen Unterschied jener Nationen, namentlich der Deutschen, Engländer und Franzosen, wenig mehr zu bemerken sein; namentlich müsse sich bis dahin eine gemeinsame, für Alle gleichmäßig verständliche, Verkehrs- und Umgangssprache gebildet haben. Die zunehmende Propaganda der, Aehnliches bezielenden, philanthropischen und handelspolitischen Friedensdoktrinen ist bekannt. Ob die Darstellung des Schönen im Leben, die Kunst, und insbesondere die Poesie, von diesen Aussichten und Bestrebungen ebensoviel Gewinn zu erwarten hat wie die rein praktische Seite unseres Daseins, das steht dahin, und erst der Erfolg wird diese Frage endgültig entscheiden können. Mögen sich dann aus jener Umgestaltung neue poetische Gesichtspunkte ergeben, mag sich der Lyriker durch den Anblick eines Luftschiffes begeistern, der Didaktiker die Einrichtung des elektrischen Telegraphen besingen wollen, mag das Drama die unerhörten Kontraste zwischen der werdenden und der vergehenden Welt entdecken, und der Roman aus der Verwischung der Individualität der Nationen die unendlichsten Verwicklungen ableiten.

 

 

Bis jetzt lehren uns Theorie und Praxis nur, daß der Kosmopolitismus dem poetischen Interesse immer feindlich gewesen ist, da, so reiche Erfolge oft auch die gegenseitige geistige Befruchtung der Völker erzielt, die höchsten Grade ihres künstlerischen Verdienstes doch immer nur in denjenigen Stoffen und Formen gelegen haben, welche ihre besonderen, inneren Eigenthümlichkeiten ausdrückten, ihrer nationalen Geschmacksrichtung zusagten, ihrem angeborenen Talent entsprachen, sich ihren historischen Antecedentien anpaßten.

Zwar dürfte Niemand mehr die Allgemeingültigkeit gewisser ästhetischer Begriffe und Grundsätze, wie für alle Künste, so für alle Zeiten und Nationen, leugnen wollen. Allein das verhindert nicht, daß manche Gattungen und Formen der Kunst dem Einen Volk mehr als dem Anderen passen, daß das Eine mehr auf diesem, das Andere mehr auf jenem Felde leistet. Wer wird den Griechen den Vorrang in der Plastik, den Römern in der monumentalen Kunst, den Italienern in Musik und Malerei, den Engländern in der Tragödie und im Roman, den Deutschen in der Lyrik und in der kirchlichen Architektur, den Franzosen am Lustspiel und in der Mimik bestreiten wollen? Wenn wir es uns also in den nachstehenden Aufsätzen zur Aufgabe machen, die Wirksamkeit der letzteren Nation auf dem Gebiete der Dichtung zu betrachten, so müssen wir vor allen Dingen erwägen, welche poetischen Stoffe und Formen ihrer Fähigkeit am angemessensten sind, welche Gattungen sie mit besonderer Vorliebe und dem größten Erfolg gepflegt haben, wo ihre Thätigkeit im Dienste der Musen ihre starken, und wo sie ihre schwachen Seiten hat. … ”

 

Alexander Büchner: Französische Literaturbilder aus dem Bereich der Aesthetik, seit der Renaissance bis auf unsere Zeit. Frankfurt am Main. Hermann´scher Verlag. 1858. Einleitung: Die starken und die schwachen Seiten der französischen Dichtung.

 

 

 

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